Katharina Naumann, 47, studierte Slawistik und arbeitete als Journalistin, bevor sie als Quereinsteigerin in den Lektorenberuf wechselte. Inzwischen ist sie seit 13 Jahren bei Rowohlt tätig.
Ich schreibe dir eine Einschätzung zu deinem Kurzexposé! Von mir gibt es eine ehrliche Meinung zu deiner Geschichte, denn konstruktive Kritik bringt dich schließlich weiter.
Und so geht es:
Beantworte meine Gewinnspielfrage und sende sie an hfaquote@pb-netz.de. Unter allen richtigen Einsendungen und unter Ausschluss des Rechtsweges ziehe ich einen Gewinner oder eine Gewinnerin. Dieser/diese darf mir dann ein Kurzexposé von maximal einer DIN-A4-Seite schicken. Und dann heißt es, gespannt sein!
Einsendeschluss ist der 15. März 2014!
Die heutige Frage:
Den allwissenden Erzähler nennt man auch …
a) auktorialen Erzähler,
b) personalen Erzähler.
Na, das ist doch gar nicht so schwer. Viel Glück!
Euer Philipp
Liebe Frau Naumann, in diesem Interview soll es vor allem darum gehen, welche Ratschläge Sie als erfahrene Verlagslektorin jungen Autoren, die veröffentlichen wollen, mit auf den Weg geben möchten. Zunächst interessiert mich aber natürlich, wie Sie zu Ihrem Beruf gekommen sind, und was Sie daran fasziniert.
Ich war ursprünglich Journalistin, bin also eine klassische Quereinsteigerin. Nach fast 15 Jahren mag ich meinen Beruf immer noch, weil er genau die richtige Mischung zwischen Extro- und Introvertiertheit verlangt. Er passt zu mir.
Wie sieht denn so ein Arbeitstag bei Ihnen aus bzw. welche Aufgaben umfasst Ihre aktuelle Tätigkeit?
Mal so, mal so … Jedenfalls ist der Beruf des Lektors weit kommunikativer, als man sich ihn gemeinhin vorstellt. Viel weniger Striche-an-Manuskripte-Machen, viel mehr Verhandeln, Überzeugen, Trösten, Coachen, Kämpfen.
Sagen wir, ich wäre ein noch unerfahrener Autor und nähme mir vor, mein Manuskript an Ihren Verlag zu senden. Gibt es Kriterien, an denen ich erkennen kann, dass mein Manuskript so weit ist?
Tja … ich würde es auf jeden Fall vorab jemandem zu lesen geben. Am besten nicht nur wohlmeinenden Verwandten oder gar Freunden, die einem noch Geld schulden.
Gut, ich bin also der Meinung, mein Manuskript sei so weit. Zurzeit tut sich einiges in der Literaturbranche, für Autoren werden die Möglichkeiten, ihr Werk an die Leser zu bringen, vielfältiger. Warum sollte ich den Weg in den Verlag suchen, der doch oft viel Geduld und Arbeit erfordert und noch dazu nur selten von Erfolg gekrönt ist? Gibt es Fälle, in denen sogar Sie als Verlagslektorin einen alternativen Veröffentlichungsweg empfehlen würden?
Ja, immer dann, wenn ein Manuskript inhaltlich so gar nicht in die gängigen Verlagsprofile passen will. Ein gutes Beispiel sind die bei Neulingen offenbar beliebten Misch-Genres ("Das ist was ganz Neues: ein Liebesroman, aber er spielt im Jahr 2450, und es gibt einen Serienkiller, der heißen Sadomaso-Sex hat. Man kann ihn auch den Kindern vorlesen wegen der hübschen Illustrationen."). Ansonsten wissen die meisten in unserer Branche recht gut, was sie tun, und der Prozentsatz der wirklich erfolgreichen Bücher, die in Eigenregie veröffentlicht wurden, ist sehr gering. Wie übrigens auch die Bestsellerquote im klassischen Verlagsgeschäft. Zu glauben, mit einem Manuskript gleich den Lebensabend finanzieren zu können, ist leider naiv. Also am besten schreiben, was man wirklich schreiben will. Erfolg damit zu haben, ist dann die Kirsche auf dem Kuchen.
Wenn ich mich nun entschieden habe, mein Manuskript einem/Ihrem Publikumsverlag anzuvertrauen, wie gehe ich es an? Sollte das komplette Manuskript vorliegen? Bewerbe ich mich mit Exposé und Leseprobe? Was muss sonst noch unbedingt dabei sein? Und vor allem: Erreicht mein Manuskript Sie besser direkt oder auf dem Umweg über eine Literaturagentur?
Am besten: gutes, kurzes Anschreiben, kurzer Lebenslauf, vollständiges Manuskript, Exposé. Auf der Grundlage nur eines Exposés kaufe ich persönlich Texte ausschließlich von Autoren, die mir bekannt und erfolgreich sind. Von Neulingen nicht, dafür gibt es in der Ausführung zu viele Fehlerquellen.
Wenn jetzt mein Manuskript bei Ihnen angekommen ist, auf welch verschlungenen Pfaden auch immer, was müsste mein Werk ausmachen, damit Sie es für ein besonders gelungenes halten?
Kleine stilistische Macken kann ich ausbügeln, ich kann auch über einzelne Probleme im Plot mit dem Autor sprechen und versuchen, sie zu lösen. Aber wenn der Text keinen Sog hat, mich nicht bis zum Ende fesselt und/oder überrascht, dann tut er es höchstwahrscheinlich auch nicht bei anderen. Ich bin noch eher wohlwollend und lese grundsätzlich alles. Der Leser, der Geld dafür bezahlen soll, ist es eher nicht.
Und welche Qualitäten schätzen Sie besonders am Autor/der Autorin selbst, sowohl hinsichtlich der schreiberischen Fähigkeiten als auch in Bezug auf die Lektoratsarbeit mit ihm oder ihr?
Hinsichtlich der schreiberischen Fähigkeiten: Er sollte jeden Text als Herzensangelegenheit behandeln, während er schreibt. Der Leser (ich auch) merkt mangelnden Enthusiasmus sofort. Auf keinen Fall runterreißen, aus welchem Grund auch immer (Geldnot, Langeweile, Zukunftsangst).
Er sollte kooperativ und höflich im Umgang sein. Wir sind es auch.
Man hört und liest ja manchmal wahre Horrorgeschichten, was Lektoren aus den Werken von Autoren machen? Wie kompromissbereit muss ich als Autor tatsächlich sein, wenn ich mein Manuskript in Ihre Hände gebe?
Eigentlich gar nicht. Meine Korrekturen sind nur Vorschläge, es steht dem Autor frei, sie anzunehmen oder nicht. Es ist sein Werk. Aber meist ist er gut beraten, auf unseren Rat zu hören und die eigene Eitelkeit ein bisschen hintan zu stellen. Es ist nur der Text, nicht die Persönlichkeit, die wir versuchen, besser zu machen.
Wie darf ich mir den Lektoratsprozess vorstellen? Wie würde die Arbeit mit Ihnen aussehen?
Ich würde den Text lesen. Wenn er mir gefällt, versuche ich die Rechte daran zu kaufen, dafür muss ich die entscheidenden Stellen im Haus davon überzeugen, dass das Projekt rentabel ist. Wenn ich das Projekt habe, rede ich zuerst über größere Punkte, die es zu ändern gilt; womöglich müssen Passagen umgeschrieben oder herausgekürzt werden, vielleicht ist ein Pseudonym wichtig. Danach folgt das Feinlektorat: Ich redigiere und gebe die Redaktion an den Autor. Er kann dann annehmen oder verwerfen, was ich gemacht habe, auch mit mir über einzelne Stellen sprechen. Wir denken uns Titel und Cover aus, lassen den Autor aber selbstverständlich an allen Prozessen teilhaben. Und dann wird veröffentlicht, und wir freuen uns zusammen, wenn's gut läuft.
Schön, jetzt habe ich es sozusagen hinter mir. Aber hätte ich als Neuautor tatsächlich eine Chance? Wie viele der eingesandten Manuskripte landen schließlich tatsächlich im Buchhandel? Suchen Sie überhaupt noch nach neuen Autoren?
Wir suchen immer nach neuen Autoren, das ist unser Job. Neuautoren auf einem schwer umkämpften Markt zu platzieren, ist nicht einfach, aber selbstverständlich immer wieder möglich.
Etwa ein bis zwei Prozent der unverlangt eingesandten Manuskripte landen im Buchhandel, habe ich mal gelesen. Agenten treffen eine Vorauswahl; unter deren Angeboten sind es sicher mehr. Aber gangbar sind beide Wege. Und die Antwort auf eine immer wieder auftauchende Frage lautet: "Ja, wir lesen jedes auch unverlangt eingesandte Manuskript. Schlechte nicht zu Ende, gute jedoch selbstverständlich bis zur letzten Zeile."
Vielen Dank für dieses interessante Interview.