Ich ärgere mich über Berlin. Oder den Berliner an sich. Da wird der hiesige Einwohner nicht müde, sich gegen Profitwahn und für mehr soziale Gerechtigkeit auszusprechen, sich, äh, von mir aus sogar für Guerilla Gardening und ökologisch verträgliche Currywurst zu interessieren, und bei alledem darüber zu schimpfen, dass es dem Berliner an sich finanziell ja nicht so ganz gut gehe, da gehen Leute auf die Straße für glückliche Kühe und gegen schändliche Dinge wie ACTA und Christian Wulff, und dann besteht schon mal die Möglichkeit, abseits des üblichen Vierjahreskreuzchens aktiv was zu ändern, doch es kriegt keiner den Arsch hoch.
Hat das Thema »kommunales Stromnetz« so wenige Leute interessiert, dass am Sonntag nicht einmal ein Viertel der Wahlberechtigten zur Abstimmung gegangen ist? Warum klappt so was in Hamburg? Ich weiß ja nicht, wie es in den anderen Bezirken war, lässt man sich da ja nur ungern blicken, wenn’s in den Straßen der eigenen Umgebung auch ganz schön ist, aber zumindest in Schöneberg blieben etwaige Regengüsse aus, die einen kleinen Spaziergang zur Wahlurne verhindert hätten. Ich vermute ja, dass der verkaufsoffene Sonntag zu reizvoll war, ja, sogar absichtlich auf denselben Tag gelegt wurde. Auch wenn behauptet wird, der sei des Jazzfestes wegen beschlossen worden, dem Senat traut man ja so einiges zu.
Vielleicht war das Thema auch einfach zu komplex, zu wenig griffig. Zwar waren die vielen Plakate mit dem Aufruf zum »Ja-sagen« kaum zu übersehen, aber wer wissen wollte, worum es ging, der musste auch schon mal selbst nachschauen. Vielleicht war ja auch der unsympathische Cartoon-Bär schuld, der so scheußlich überenthusiastisch von den Plakaten und der Webseite grinst. Ich habe keine Ahnung, würde aber gern wissen, wie es dazu kommt, dass es den Leuten gleich ist, raffgierigen Energieoligarchisten wie Vattenfall das Netz für weitere zwanzig Jahre in den Arsch zu blasen.
Nun ja, so be it. Wahrscheinlich ist das wie mit der CDU: Weshalb die nach der letzten Bundestagswahl fast schon auf eine absolute Mehrheit gekommen ist, weiß auch kein Mensch, und wenn man nachfragt, will’s keiner gewesen sein.