Die Kunst ist die am erfolgreichsten betriebene Sinnlosigkeiten menschlichen Handelns. Ja, das hört sich an wie einer dieser dämlichen "gut gesagt"-Sinnsprüche, mit denen in der Berliner U-Bahn die Werbebildschirme mangels Werbekunden gefüllt werden - aber es stimmt doch auch!
Seien wir ehrlich, liebe Kunstschaffende, hier und andernorts und daheim an den Bildschirmen: Die Kunst hat in sich keinen Selbstwert. Was da so angeführt wird für den Wert und Sinn der Kunst, das sind doch Ausreden. Dass die Kunst den Menschen vom Tier unterscheide - na ja, hoffentlich nicht nur die Kunst. Außerdem sind derartige humanoide Erhebungen über das Tierreich sowieso ziemlich eighties. Dass die Kunst den Menschen erbaue - klar, die Kunst und die neueste Version von Grand Theft Auto und nicht zu vergessen natürlich die nächste Gehaltsrunde im Flächentarifvertrag. Kunst zum Zwecke der Erbauung, also bitte: Zum Arzt geht der funktionswillige Mensch zur Gesundung, zum Kneipier zur Betrinkung und ins Museum oder in die Bibliothek oder ins Konzert zur Erbauung, hach, es war nicht alles schlecht, damals in den Aufbaujahren, wa? Nicht zu vergessen: Dass die Kunst die kreativen Prozesse vorantreibe, die unser Alltagsleben prägten. Schönen Dank auch, Kunst als Förmchenstecher für das ach so tolle Design der ach so tollen Produkte und Werbesprüche und Lebensgefühle, mit denen wir doch nur beglückt werden, weil alle nur unser bestes wollen, nämlich unser Geld. Ne, echt nich, jetzma!
Kunst ist Mitteilung, ist Kommunikation, Verständigung in einer sehr komplizierten Syntax. Gibt es den Künstler, der nur für sich schafft? Ich denke: nein. Franz Kafka hat nachts geschrieben, die Texte niemandem gezeigt und letztwillig verfügt, alle seine Werke sollten nach seinem Ableben vernichtet werden. Max Brod setzte sich darüber hinweg, und jedenfalls insofern hatte er recht, dass selbst Kafka nicht den Willen gehabt haben kann, seine Werke nur für sich, also denknotwendig ohne einen einzigen Leser/Empfänger zu schaffen.
Kommunikation wiederum hat einen Zweck, sogar einen Selbstzweck. Da geht es nicht nur ums "Nn-d-ugga-ugga", mit dem sich die Steinzeitmenschen einst kommunikativ zur Mammut-Hatz verabredeten. Kommunikation dient dazu, die uns umschließende und vereinsamende Schale unseres Selbst zu durchbrechen hin zum Mitmenschen. Wieder so'n Denkspruch-Satz, aber der hier ist wenigstens für die Werbebildschirme in der Berliner U-Bahn zu lang. Und es stimmt doch auch: Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das ist zugleich seine Stärke und seine Schwäche, und wenn ihn seine Vernunft nicht in den Wahnsinn treiben will, dann braucht er die Gewissheit, nicht das einzige menschliche Wesen zu sein. Jede Robinsonade ist geprägt vom Wunsch des einsam Verschollenen, wieder in menschliche Gesellschaft zu kommen. Der Robinson fürchtet sich nicht so sehr vor dem einsamen Leiden und Sterben, sondern vor dem einsamen Leben. Ohne Mitmensch ist der Mensch für sich alles und nichts, König der Welt, die ja nur aus ihm besteht, und Sklave aller, nämlich seiner selbst. Der Mensch braucht das Gegenüber, das ihn dadurch zum Menschen macht, dass er selbst es als Menschen anerkennt. Fragt mal das arme Schwein aus "Cast away", das irgendwann auf der einsamen Insel angefangen hat, mit einem Volleyball zu reden und über den Verlust von Wilson trauerte wie über den eines Mitmenschen. Tja-ja!
Kunst also ist Kommunikation vom Menschen zum Mitmenschen, sie macht den Menschen in seiner Begegnung mit dem Mitmenschen zu einem Wesen, das sich seiner selbst bewusst sein kann. Das ist aber kein Zweck der Kunst, das ist ihr Wesen. Wie auch immer: Wenn Kunst Kommunikation ist, ist dann gute Kunst diejenige, die einen kommunizierten Inhalt hat? Ein guter Künstler derjenige, der etwas zu sagen hat? Nicht unbedingt. Kommunikation und damit auch Kunst ergreift den Menschen auf vielerlei Weise. Das Interesse am Mitgeteilten ist nur ein Aspekt unter vielen, welche den empfangenden Menschen zu fesseln geeignet sind. Das "etwas" zu sagen kann vollständig im "wie" zu sagen liegen. Die beiden Pole sind da wohl die Nachrichten-Agentur-Meldung einerseits und das monochrome Gemälde andererseits. Dazwischen spielt die Musik, Herrschaften, auf dem weiten Feld, das von der gekonnt inszenierten Wechselwirkung des "Was" und "Wie" geprägt ist.
Ich - ich habe nicht viel zu sagen, das macht es mir vor allem schwer mich zu entscheiden, wie ich etwas sagen soll.
So, jetzt kriegt das Mammut ordentlich einen auf die Fresse. Nn-d-ugga-ugga! D'ga-ugga!!!