Wo ich schon kürzlich beim Thema Kindheitstraumata war, hier gleich mal noch eins: Ich war so sieben, acht Jahre alt, schätze ich. Nein, eher sieben, denn mit acht war ich sicher klüger. Sieben, ganz bestimmt. Jedenfalls spielte ich mit einem Freund hinter dem Mehrfamilienhaus auf dem Rasen. Bei den Garagen, die da standen, war das. Plötzlich kam hinter der Garage eine Taube hervorgestakst. Sie kam und guckte. Nein, sie starrte. Wie Tauben das eben so tun. Und es war keine von den ekligen Flugratten, die in Großstädten darauf warten, Passanten auf die Rübe zu scheißen, sondern irgendeine andere Art.
Und genau ihr seltsames Aussehen sollte ihr zum Verhängnis werden. Mein Freund, ein fürchterlich dummes Kind eigentlich, fing an zu schreien, dass die krank sei und man sie ja töten müsse. Ahem, wir waren Provinzler. Ich war vermutlich überfordert von seinem Herumgeschreie, jedenfalls glaubte ich ihm. Drum liefen wir der Taube nach, die dummerweise nicht wegflog, sondern vor uns davonlief. Wir bewarfen sie mit Kienäpfeln, was wenig erfolgreich war. Doch dann ...
... lag da ein Dachziegel bereit ...
Ich hatte anschließend ein ziemlich schlechtes Gewissen, lief davon und versteckte mich zu Hause. Trotzdem erfuhren meine Eltern davon. Böse waren sie nicht, das war ich eher auf mich selbst. Die arme Taube.
Bis heute denke ich, dass spätestens nach meinem Ableben irgendein Taubenrachegott mich mit tausendjähriger Folter martern wird. Vermutlich muss ich in der Hölle Hula tanzen und werde dabei mit Dachziegeln beworfen. Ach.
Wie können eigentlich Leute weiterleben, die jeden Tag irgendwelche Tiere abmurksen, weil das zu ihrem Beruf gehört?
Die arme Taube.