Deutsche Tugenden und so
Die Deutschen sind ein Volk von Duckmäusern. Seit jeher. Da wird beispielsweise hin- und herbeschlossen, Beschlüsse geprüft, gefasst und noch mal beschlossen, bis am Ende eben beschlossen wird, dass wir bei Kinderpornographie im Internet künftig einfach alle im Kollektiv wegschauen. Man hätte sicher auch was dagegen tun können, aber wegschauen passt doch viel besser zur deutschen Kultur vom Grillen im Garten und der Autobahn. Am Ende kann man dann sagen, sowas würde es in -unserem- Internet nicht geben. Gab's übrigens auch schon mal in der DDR, diese Ansichtsweise: Da gab's auch keinen Antisemitismus, es gab kein Aids, es gab eigentlich überhaupt nichts. Mal sehen, wie lange es dauert, bis wir im jetzigen Deutschland auch so weit sind. Demnächst werden wahrscheinlich aufmüpfige Blogger verboten. Alle mal wegschauen, hopp.
Was wir nebenbei auch gut können, ist weghören. Klar ist es dämlich von der stets zielgenau stilfreien Gesine Schwan, in der Prä-Wahlkampf-Ära von Volksunruhen daher zu schwadronieren. Das sollte sie lieber dem Lafontaine überlassen. Dem hört eh keiner zu. Oder so. Eine gierige Elite mit Konten voll Geld, das es nie gegeben hat, im Ausgleich eine Neuverschuldung, die einmal mehr nach dem Untergang des Abendlandes trieft - und am Ende der Kette der kleine Mann, auf dessen lastgekrümmtem Rücken alles ausgetragen wird. Gnädigerweise bei ihm zu Hause im alten, staubigen Sessel mit den Zigarettenbrandlöchern, denn seinen Job verliert er ja im Laufe der Krise sowieso. Deswegen von Unruhen zu reden, ist absoluter Blödsinn, nicht wahr? Den Dummschwätzern einfach nicht zuhören, zur Wahl gehen und der Etikette wegen mindestens mal ein Kreuzchen bei SPD oder CDU machen. Schon ist alles, wie es sein soll. Sechzig Jahre Demokratie sind nunmal ein Fakt.
Um den Exkurs zu vervollständigen und da alle guten Dinge bekanntlich drei sind, noch eine weitere deutsche Gabe: das Maul halten. Wenn wir nicht gerade zu den dümmlichen, demagogischen Aufwieglern gehören, die von der Apokalypse im deutschen Wichtelland palavern, halten wir vornehmlich gleich den Mund. Nicht, dass wir ihn nicht aufmachen dürften, denn das gebietet ja die Rede- und Meinungsfreiheit. Will ja schließlich niemand gleich ein ganzes Volk aufhetzen. Dennoch, wir machen von unseren Rechten nur ungern Gebrauch, da zähneknirschendes Stillschweigen doch irgendwie bequemer ist. Und bequem, das sind wir gewiss. Ich schließe mich da nicht aus: Ich werde weggesehen und weggehört und erhebe mein Wort nur im stillen Kämmerlein, von der zugegebenermaßen bequemen Couch aus, mit den Fingern auf der ergonomisch einwandfreien Tastatur. Immerhin wäre damit jetzt der Betrachtung des Themas Genüge getan. Und jetzt los, alle zurück zu Fußball und Abwrackprämie.