mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Stilmittel

Eine Frage des Stils

Immer wieder wird der besondere Stil eine Autors hervorgehoben. Oft liest man auch, ein Roman sei in herausragendem Stil geschrieben. Und ständig darf man sich als Schreiber anhören, es sei wichtig, einen eigenen Stil zu entwickeln. Was hat es also mit diesem Stil auf sich?

Was ist Stil überhaupt?

Natürlich betrachten wir hier nur den Stil, der ein literarisches Werk ausmacht. Dennoch verhält es sich mit dem Stil im Prinzip nicht anders als mit dem Kleidungsstil: Jeder von uns hat einen mehr oder weniger ausgeprägten persönlichen Kleidungsstil. Mancher wählt seine Hosen und Pullover hauptsächlich danach aus, ob sie ihm passen, mancher findet seinen Lebensinhalt darin, seinen Kleidungsstil als möglichst eigen, extravagant oder geschmackvoll zu präsentieren. Die einen mögen es legerer, die anderen elegant, dieser liebt es schlicht, jener auffällig.

Dabei vergessen wir oft, dass unser Kleidungsstil auch sozial und historisch geprägt ist. Einem Mann, der in unseren Breiten einen Rock trägt, wird man unterstellen, er verfolge damit auch eine provokante Absicht, eine Frau, die ein Rokoko-Kleid trägt, wird man nur an Fasching nicht als komisch empfinden. Außerhalb des Sportplatzes gelten weiße Tennissocken bereits seit längerer Zeit als absolutes No-Go, meist ohne dass irgendjemand genau erklären könnte, was genau an denen so abstoßend ist.

Stil wird aber nicht nur durch persönliche und der Mode unterworfene Geschmacksurteile bestimmt, sondern er folgt auch einer Funktion oder einem Anlass, ist also zweckgebunden. Davon hängt ab, ob man Arbeitsklamotten oder Anzug, Jeans oder Abendkleid trägt.

Ebenso wie bei der Kleidung ist auch der Stil eines literarischen Textes (wie der eines jeden Textes) nicht nur Ausdruck des persönlichen Geschmacks des Autors. Er ist gewissen Moden unterworfen, vor allem aber folgt er einer Funktion, ist also bewusst gewählt, um bestimmten Ansprüchen zu genügen und eine Wirkung beim Leser zu erzielen.

Er richtet sich dabei nach Ansprüchen, die den Text als Ganzes betreffen, wie etwa Gattung, Genre oder Zielpublikum. Er variiert aber auch innerhalb ein und desselben Werkes entsprechend der Anforderungen, die in bestimmten Textabschnitten beziehungsweise an bestimmten Textstellen zu erfüllen sind, etwa um eine Figur oder eine Situation zu charakterisieren, Spannung zu erzeugen oder Ruhe in den Text zu bringen.

Kurz: Der Stil ist eine sehr umfassende und abstrakte Größe, die uns den ganzen Text über begleitet, als persönlicher Stil des Autors oder als Ausdruck modischer Vorlieben sogar über verschiedene Werke hinweg. Bestimmt wird er von der Gesamtheit der sprachlichen und erzählerischen Stilmittel, die in einem Text verwendet werden.

Welche Elemente enthält der Stil?

Wie schon angedeutet wird der Stil durch sprachliche Mittel und solche des Erzählens bestimmt. Die Übergänge sind fließend. Vor allem aber sind diese Mittel so vielfältig, dass dieser Artikel sie niemals alle aufzählen könnte. Wir wollen uns also auf einige der wichtigsten beschränken.

Aus der Schule und aus unserem Alltag wissen wir, dass es verschiedene Sprachstile gibt. Man spricht mit Erwachsenen anders als mit Kleinkindern, mit Freunden anders als mit Fremden, mit dem Kumpel anders als mit dem Chef. Sobald wir Worte mit Stift oder Tastatur zu Papier (oder in eine Datei) bringen, ändert sich automatisch unser Sprachstil. Wir schreiben anders als wir sprechen. Aber wir schreiben auch anders an unsere Oma als ans Arbeitsamt.

Und unser Sprachstil ändert sich erneut, wenn wir einen Roman schreiben. Weil uns, und sei es im Unterbewusstsein, klar ist, dass es einen literarischen Stil gibt. Wir verwenden also schon ganz automatisch Stilmittel, die dem literarischen Stil zuzuordnen sind und ihn zum Beispiel von Umgangs- oder Amtssprache unterscheiden. Das ist so normal, dass es dem Leser nur auffallen wird, wenn diese Norm, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, durchbrochen wird. Die auffälligsten dieser sprachlichen Mittel sind die Verwendung einer ausgesuchteren Wortwahl und das Bemühen, eine hochsprachliche Grammatik zu verwenden, also zum Beispiel in ganzen und korrekt konstruierten Sätzen zu schreiben und die verschiedenen Wortarten richtig zu flektieren.

Dennoch kann natürlich auch der Sprachstil in literarischen Werken variieren. So kann der Autor etwa einen gehobenen (1) oder einen umgangssprachlichen (2), einen veralteten / archaischen (3) oder einen modernen (4) Sprachstil verwenden.

(1) Einen Jungen wie Ron hatte Peter noch niemals getroffen. Was dieser junge Mann anfasste, gelang ihm auf das Vortrefflichste. Was umso verwunderlicher war, als er gerade erst ein zartes Alter von sechzehn Jahren erreicht hatte.

Dies dürfte der Grund gewesen sein, der Peter jeden Funken der Furcht nahm, als sie beide vor dem Haus des Herrn Lampe standen. In tiefster Dunkelheit zogen sie, wie sie es im Vorhinein besprochen hatten, die Masken über. Peter stieg der Geruch nach Plastik in die Nase. Aber mit der Maske fühlte er sich noch sicherer.

"Los!", sagte Ron.

Peter nickte und öffnete das Gartentor.

(2) Ron war ein Typ, wie Peter noch keinen getroffen hatte. Der Kerl konnte aus Scheiße Gold machen. Und das, obwohl er erst sechzehn war.

Als sie beide vor der Bude von Lampe standen, hatte Peter deshalb gar keinen Schiss. Es war stockdunkel. Wie sie es bequatscht hatten, zogen sie die Masken über die Gesichter. Peter roch das Plastik, fühlte sich aber jetzt noch sicherer.

"Los!", sagte Ron.

Peter nickte und machte das Gartentor auf.

(3) Ein Bursche, der dem Ron gleichkam, war dem Peter noch niemals zuvor begegnet. Das Glück dieser Welt war diesem Knaben jederzeit hold. Dabei zählte der Bub gerade sechzehn Lenze.

So kam es, dass es auch dem Peter nicht bange wurde, als die beiden Bengel vor dem Anwesen des Meister Lampe ausharrten. Wie sie sich zuvor verabredet hatten, verbargen sie im Schutze der Dämmerung ihr Antlitz hinter dunklem Tuch, dessen Duft Peter sogleich in die Nase stieg. Dergestalt vor Blicken geschützt, wog er sich in Sicherheit.

"Los!", wies Ron ihn an.

Peter nickte und öffnete die Gartenpforte.

(4) Jemanden wie Ron hatte Peter noch nie getroffen. Was auch immer der Typ anpackte, das wendete sich zum Positiven. Man mochte es kaum glauben, denn der Jungspund war gerade mal sechzehn Jahre jung.

Kein Wunder, dass sich Peter in seiner Nähe unheimlich mutig fühlte. Auch als sie im Dunkeln vorm Haus von Herrn Lampe standen. Ganz nach Plan zogen sie sich die Masken über. Roch nach Plastik. Aber machte noch mutiger.

"Los!" Ron zeigte auf das Haus.

Peter nickte. Er stieß die Tür zum Garten auf.

Die Wortwahl gehört also zu den wichtigsten Elementen, um einen bestimmten Stil zu prägen. Aber wir sehen schon an den Beispielen, dass die Pflege eines Sprachstils viel mehr betrifft. Die gesamte Grammatik stellt sich darauf ein und hin und wieder sind sogar inhaltliche Veränderungen vonnöten (Tuch statt Maske). Satzlänge, Satzstruktur und Satzfolge können betroffen sein. Neben der Wortwahl auch die Wortbildung und die Flexion. Stilprägend ist ebenso die Verwendung von Bildern, Vergleichen und Metaphern. Werden sie überhaupt verwendet, wie oft und in welcher Art?

All dies sind sprachliche Stilmittel. Aber auch all die erzählerischen Mittel fließen in den Stil ein. Die Wahl des Erzählers, der Erzählperspektive, der Erzählzeit, der Wechsel zwischen beschreibendem und szenischem Erzählen, die Auswahl der Szenen und vieles mehr.

Persönlicher vs. kontextabhängiger Stil

Mit persönlichen Stil ist in diesem Artikel das gemeint, was man meint, wenn man von dem persönlichen Stil des Autors spricht, also einen Stil, der werkunabhängig dem Autor eigen ist.

Es ist der Stil, den gerade junge Autoren meist etwas übereifrig bestrebt sind zu entwickeln. Ich bin dagegen der Meinung, dass es so ziemlich das letzte ist, worum sich ein angehender Autor kümmern sollte. Denn selbst wenn er zu Beginn einer Schreibkarriere nur schwer zu entdecken, meist unausgegoren und alles andere als präsent ist, tragen wir diesen Stil dennoch schon in uns. Wie auch bei der Kleidung werden wir erst eine Weile dies und das probieren, bis wir irgendwann zu unserem persönlichen Stil finden, der im Rahmen aller Fremdeinflüsse durch unsere Persönlichkeit und Vorlieben geprägt ist.

Viel wichtiger ist es dagegen, sich mit den Stilmitteln selbst zu beschäftigen, ihre Wirkung zu erproben und sich damit ein Arsenal an Werkzeugen zu schaffen, mit dem man für jede (Text-) Situation mit den optimalen Stilmitteln ausgestattet ist. So kann eine Szene, die eigentlich durch Action und Spannung geprägt sein soll, gähnend langweilig werden, wenn sie in ruhigem und beschreibenden Stil daherkommt.

Artur zog sein goldenes Schwert, dass er von seinem Großvater geerbt hatte, als er gerade zehn Jahre alt war. Der Drache, der ihn aus großen, bösen Augen anstarrte und aus dessen Nüstern rote Flammen schlugen, fauchte. Artur dachte daran, was sein Vater zu ihm gesagt hatte. "Schütze stets dein Herz!" Diesen Rat im Hinterkopf stellte sich Artur, den Drachen anvisierend, in Kampfposition - das linke Bein etwas vorgestreckt, während ihm das rechte einen festen Stand verschaffen sollte. Er hob sein Schwert, dessen Klinge in der Abendsonne, die in diesen Breiten glutrot leuchtete, aufblitzte ...

Mit etwas Glück ist inzwischen nur der Drache, nicht der Leser eingeschlafen. Der Autor sollte sich klarmachen, dass eine Actionszene auch ein schnelles, szenisches Erzählen erfordert. Und ein Erzählen, das sich in der Erzählgegenwart aufhält. Rückblenden, Beschreibungen, lange, verschachtelte Sätze, all das ist also tabu, will man damit nicht einen besonderen Effekt erzielen.

Zusammenfassend kann man sagen, ein Autor sollte sich um seinen persönlichen Stil weit weniger Gedanken machen als um den kontextabhängigen, der zum Handwerk gehört. Da er dennoch im Laufe der Zeit gewissen Stilmitteln den Vorzug vor anderen geben wird, wird sich damit auch ein ihm eigener Stil entwickeln, der im besten Fall als kennzeichnend für den Autor empfunden wird. Ob der Autor letztlich für den Leser wirklich irgendwann einmal untrüglich wiedererkennbar wird, darf getrost bezweifelt werden. Dementsprechende Quizfragen, in denen ein unbekannter Text einem Autor zugeordnet werden soll, lassen meist auch bekannteste Autoren schlecht aussehen.

Veröffentlicht am 02.04.2010
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