Timothy Sonderhüsken, Jahrgang 1970, machte ursprünglich eine Lehre als Verlagskaufmann und arbeitete dann als Lektoratsassistent im Econ Verlag. Er wechselte als Lektor in den Heyne Taschenbuch Verlag und war danach 14 Jahre lang als Lektor und Programmleiter in der Verlagsgruppe Droemer Knaur tätig. Seit 2012 ist er Programmleiter bei dotbooks, Deutschlands erfolgreichstem eBook-Verlag.
Gewinne eine Einschätzung des Programmleiters von dotbooks zu deinem Kurzexposé! Er verspricht, dir in einigen Sätzen seine ehrliche Meinung dazu abzugeben. Sicher, das kann hart werden, aber kompetente Kritik bringt dich schließlich weiter. Und vielleicht ist Herr Sonderhüsken ja auch ganz begeistert, dann hast du eine Empfehlung aus mehr als berufenem Munde. Schwarz auf weiß! Eine, die vielleicht sogar Türen öffnen kann.
Und so geht es:
Beantworte meine Gewinnspielfrage und sende sie an hfaquote@pb-netz.de. Unter allen richtigen Einsendungen und unter Ausschluss des Rechtsweges ziehe ich einen Gewinner oder eine Gewinnerin. Dieser/diese darf mir dann ein Kurzexposé von maximal einer DIN-A4-Seite schicken, und ich leite es an Herrn Sonderhüsken weiter. Und dann heißt es, gespannt sein!
Einsendeschluss ist der 15. September 2014!
Die heutige Frage:
Welche Aussage stimmt?
Wer vom Verlag die Fahnen zugesendet bekommt …
a) muss sich nach einem anderen Verlag umsehen,
b) wird zu einer langen Partynacht mit den Verlagsmitarbeitern eingeladen,
c) muss eben jene Fahnen noch einmal durchsehen und bei Bedarf korrigieren,
d) kann davon ausgehen, dass der betreuende Lektor am Vorabend ordentlich gefeiert hat,
e) bekommt die Verkaufszahlen seiner Bücher vom vergangenen Geschäftsjahr.
Na, das ist doch gar nicht so schwer. Viel Glück!
Lieber Herr Sonderhüsken, in diesem Interview soll es vor allem darum gehen, welche Ratschläge Sie als erfahrener Verlagslektor jungen Autoren, die veröffentlichen wollen, mit auf den Weg geben möchten. Zunächst interessiert mich aber natürlich, wie Sie zu Ihrem Beruf gekommen sind, und was Sie daran fasziniert.
Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Verlagskaufmann gemacht. Da ich in meiner Freizeit für Zeitungen geschrieben, Veranstaltungen moderiert und für den Rundfunk gearbeitet habe, konnte ich meinen Ausbildungsschwerpunkt nach kurzer Zeit auf die Arbeit in den Lektoraten legen – und bekam dann das Angebot, dort als Assistent anzufangen.
Die ersten Bücher, die ich betreuen durfte, stammten aus dem esoterischen Bereich. Der interessiert mich privat weniger, und gerade deswegen waren diese Titel eine gute Schule: Ich habe gelernt, dass es nicht auf meinen Geschmack ankommt – es geht darum, zu erkennen, wo die Stärken und Schwächen eines Projektes liegen, wie man einen Autor auf allen Ebenen unterstützt und dem Leser somit am Ende genau die Lektüre bieten kann, die er dann auch kaufen will.
Mein Herz schlägt dann aber letztendlich doch mehr für die Belletristik. In den folgenden Jahren habe ich bei Heyne und Droemer immer laut „Hier!“ gerufen, wenn es ein Genre gab, das niemand machen wollte. So ist aus mir kein Spezialist geworden, der aus dem Effeff die Geschichte der Spannungsliteratur der letzten 40 Jahre referieren kann, sondern ein Allrounder, der in den verschiedensten Bereichen Erfahrungen und Erfolge hatte und von den unterschiedlichsten Themen und Stilrichtungen geprägt werden konnte. Davon profitiere ich heute als Programmleiter eines Verlags mit einem sehr breit angelegten Unterhaltungsprogramm … und das ist auch einer der Gründe, warum ich nach über 20 Jahren in der Branche immer noch voller Begeisterung dabei bin.
Wie sieht denn so ein Arbeitstag bei Ihnen aus bzw. welche Aufgaben umfasst Ihre aktuelle Tätigkeit?
Das Schöne an meinem Beruf ist, dass es keine typischen Arbeitstage gibt. Natürlich wiederholen sich im Entstehungsprozess jedes Buchprojektes ähnliche Schritte: Man muss das richtige Projekt finden und mit dem Autor daran arbeiten, man muss den Herstellungsprozess koordinieren, Texte schreiben, Cover briefen, Vertrieb und Marketing unterstützen. Aber ich habe jeden Tag mit anderen Autoren, Inhalten und Themen zu tun, muss auf immer neue Herausforderungen reagieren und kann meine Kreativität in den unterschiedlichsten Bereichen ausleben.
Sagen wir, ich wäre ein noch unerfahrener Autor und nähme mir vor, mein Manuskript an Ihren Verlag zu senden. Gibt es Kriterien, an denen ich erkennen kann, dass mein Manuskript so weit ist?
Es gibt dafür keine allgemeingültige Antwort. Jeder Autor und jedes Projekt ist anders – und jeder Lektor, der es auf den Tisch bekommt, ist es auch.
Manche Autoren glauben beispielsweise, dass das Lob von Testlesern darüber entscheidet, ob ein Projekt „verlagsreif“ ist oder nicht. Das kann so sein; oft sagt Feedback von Freunden, Verwandten oder Autorenkollegen aber mehr über die persönliche Beziehung aus als über den Text.
Es gibt Autoren, die schreiben im ersten Anlauf einen perfekten Roman. Andere brauchen zwei, drei, vier Überarbeitungen. Manche lassen sich durch die Handlung selbst inspirieren, andere legen vorher mit einem Exposé fest, wie die Geschichte sich entwickeln soll; Letzteres ist der Weg, den ich Autoren immer empfehlen würde. Aber es geht eben auch anders.
Mein Rat: Sobald man als Autor rundherum zufrieden mit dem Projekt ist, wartet man vier Wochen, in denen man alles tut, aber nicht am Text arbeitet, an ihn denkt, oder schon mal mit einem anderen Schreibprojekt anfängt. Es ist wichtig, das eigene Kreativzentrum zur Ruhe kommen zu lassen. Dann liest man quer – und wenn man immer noch meint, dass man fertig ist, kann man den Text auf die Reise schicken.
Eine gute Übung ist meiner Meinung nach außerdem, die USPs für das eigene Projekt konkret zu formulieren. USP steht für „Unique Selling Proposition“, den einmaligen Verkaufsvorteil. Also: Was macht das eigene Buch so besonders? Und kann man dies in drei knappen Sätzen ausdrücken – mit einem, der den Inhalt zusammenfasst, mit einem, der auf die Charaktere eingeht und mit einem, der sich auf die Konkurrenzsituation und Vergleichsautoren bezieht? (Nur am Rande bemerkt: Die sehr allgemeine Aussage „Mein Buch richtet sich an alle Lesebegeisterten zwischen 16 und 60 Jahre“ ist kein guter USP …)
Gelingt dies nicht, sollte man sich kritisch die Frage stellen, ob das eventuell etwas über das Projekt aussagt – und ob man daraus etwas lernen kann.
Gut, ich bin also der Meinung, mein Manuskript sei so weit. Zurzeit tut sich einiges in der Literaturbranche, für Autoren werden die Möglichkeiten, ihr Werk an die Leser zu bringen, vielfältiger. Warum sollte ich den Weg in den Verlag suchen, der doch oft viel Geduld und Arbeit erfordert und noch dazu nur selten von Erfolg gekrönt ist? Gibt es Fälle, in denen sogar Sie als Verlagslektor einen alternativen Veröffentlichungsweg empfehlen würden?
Es gibt neuerdings immer wieder die Frage, ob man Verlage überhaupt noch braucht. Ich habe dazu eine sehr eindeutige Meinung, aber das ist natürlich keine allgemeingültige Antwort. Jeder Autor sollte sich grundsätzlich die Frage stellen, warum er bei einem Verlag veröffentlichen möchte – und ob überhaupt.
Verlage leisten sehr viel für ihre Autoren, aber sie behalten sich auch das Recht vor, manche Entscheidungen alleine zu treffen. Autoren, die es zu schätzen wissen, ab einem gewissen Punkt die Verantwortung an Profis abzugeben, fahren damit gut – Autoren, denen es wichtig ist, jeden Schritt zu kontrollieren, werden damit sicher nicht glücklich.
Es ist natürlich auch eine Zeit- und Kostenfrage: Möchte man sich als Verlagsautor auf das Schreiben konzentrieren – oder möchte man sich als Selfpublisher zeitintensiv auch um alle anderen Schritte des Produktionsprozesses kümmern: Will man selbst in Vorleistung gehen und eine Redaktion, ein Korrektorat, ein Cover finanzieren? Und wieviel kostet eigentlich die eigene Zeit, welchen Stundenlohn möchte man sich selbst zugestehen?
Auf den ersten Blick ist es so: Im Selfpublishing verdient der Autor, wenn man sich die reinen Prozentbeteiligungen am Verkaufspreis ansieht, deutlich mehr. Dafür bezahlt der Verlag aber viele Experten und Profis, kümmert sich um die Redaktion, das Cover, die Herstellung, den Vertrieb, die Presse, das Marketing, die Abrechnung. Wieder muss man sich fragen: Will ich diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, und wenn ja, bin ich bereit, dafür indirekt zu bezahlen, indem ich weniger an jedem verkauften Exemplar verdiene?
Eine erfolgreiche Selfpublishing-Autorin hat mir einmal gesagt: „Sie können als Verlag nichts für mich tun, was ich nicht genauso gut selbst kann.“ Diese Einstellung kann man haben, und der Erfolg hat der Dame bisher recht gegeben. Solche Geschichten verbreiten sich in der Autorenszene und den Medien natürlich in Windeseile – es spricht aber niemand über die unzähligen Autoren, deren Bücher keinen Erfolg hatten. Und das muss nicht nur am Inhalt oder am Cover gelegen haben oder am Marketing, das die Autoren für sich selbst gemacht haben, sondern ganz einfach auch am Vertriebsweg. Weswegen ich meinen Autoren immer sage: „Ein Lektor ist nicht unwichtig, um aus einem Manuskript ein marktfähiges Produkt zu machen – aber viel wichtiger für den Erfolg oder Misserfolg ist eine gute Vertriebsmannschaft.“ Wir bei dotbooks stellen zum Beispiel fest, dass der Markt für eBooks deutlich heterogener ist als der für gedruckte Bücher, und es daher noch wichtiger ist, intensiv mit den einzelnen Verkaufsplattformen zu arbeiten.
Zugegeben, ich bin nicht unvoreingenommen. Trotzdem würde ich mir als Autor immer einen klassischen Verlag suchen – es sei denn, es kommt nicht vordergründig auf die große Verbreitung an. Wenn man zum Beispiel seine Familiengeschichte aufschreiben möchte, um sie für die Kinder zu bewahren, ist es sicher einfacher, dies im Selfpublishing zu tun. Und natürlich ist das Selfpublishing eine Möglichkeit für all diejenigen, die – aus welchem Grund auch immer – keinen klassischen Verlag gefunden haben; ein „Plan B“ sozusagen.
Zusammenfassend kann mal also sagen: Es gibt Autoren, die sind im Selfpublishing besser aufgehoben. Und es gibt Autoren, die sich in einem klassischen Verlag wohler fühlen. Beides hat seine Vor- und Nachteile.
Wenn ich mich nun entschieden habe, mein Manuskript einem/Ihrem eBook-Verlag anzuvertrauen, wie gehe ich es an? Sollte das komplette Manuskript vorliegen? Bewerbe ich mich mit Exposé und Leseprobe? Was muss sonst noch unbedingt dabei sein? Und vor allem: Erreicht mein Manuskript Sie besser direkt oder auf dem Umweg über eine Literaturagentur?
Als unbekannter Autor sollte man sich meiner Meinung nach nicht nur mit einem Exposé und einer Leseprobe bewerben; man sollte schon das komplette Manuskript geschrieben haben, um es bei Interesse sofort vorlegen zu können. Ansonsten liest der Lektor den vorliegenden Text, kann aber noch keine finale Entscheidung treffen – denn es fehlen die Erfahrungswerte, ob der Autor den Stil beibehält, ob er vielleicht zwischendurch die Lust an der Geschichte verliert, ob er in der Lage ist, die Spannung im kompletten Text aufrecht zu erhalten. Mich stört so eine Unsicherheit immer … aber auch hier gilt: Jeder Verlag und jeder Lektor ist anders.
Ein Literaturagent ist auf jeden Fall eine sehr gute Idee – denn die Profis kennen das jeweilige Genre, die Branche und die in Frage kommenden Lektoren und können das Projekt daher deutlich zielsicherer anbieten. Gute Agenten machen es außerdem Verlag und Autor leichter: Sie vermitteln, wenn es Probleme gibt, und helfen beiden Seiten mit ihrer eigenen Erfahrung weiter. Ich fand es oft sehr angenehm, mich mit einem Autor auf den Text konzentrieren zu können und entspannt daran zu arbeiten, während gleichzeitig zwischen dem Agenten und mir wegen einem Vertragsparagraphen die Fetzen flogen.
Ein Agent kann den Autor außerdem gut beraten – denn er weiß in der Regel, wonach Verlage gerade suchen und wonach nicht, was im Ausland bereits erfolgreich ist und welcher Trend deswegen auch bald auf den deutschen Markt übergreifen wird.
Ganz egal, ob man sein Projekt einem Agenten oder einem Verlag anbietet: Man sollte sich als Autor vorher informieren, ob die jeweiligen Ansprechpartner auch wirklich zum eigenen Projekt passen. Wenn man einen Science-Fiction-Roman geschrieben hat, muss man es keinem Agenten schicken, der dies bereits auf seiner Website ablehnt – genau so wenig, wie man einem Verlag Lyrik anbieten sollte, der keinen einzigen Gedichtband im Programm hat. Die meisten Verlage und viele Agenturen sagen auf ihren Websites schon recht konkret, was sie suchen und wie sie es angeboten bekommen möchten. Wenn nicht, kann man dies telefonisch oder per Mail in Erfahrung bringen.
Wichtig ist: Die Suche nach einem Agenten oder Verlag sollte man genauso ernsthaft und professionell betreiben wie die Suche nach einem neuen Job – also professionell, kompetent und freundlich auftreten, die eigenen Stärken unterstreichen, aber nicht mit Superlativen klotzen oder eine zu persönliche Ansprache wählen. Ich habe neulich eine Mail bekommen, in der ein Autor schrieb: „Hey Tim, wir kennen uns ja über Facebook, deswegen schick ich dir jetzt einfach mal meinen Roman – kannste sicher einen Bestseller draus machen *grins*.“ Muss ich erwähnen, dass ich den Mann nicht „kannte“ (er hatte bisher nur unsere Facebookseite „geliked“)? Dass so etwas keinen guten ersten Eindruck hinterlässt, versteht sich eigentlich von selbst … Natürlich lehnt man einen Autor nicht wegen eines solchen Anschreibens ab. Aber bei der Masse an Projekten, die täglich angeboten werden, sollte man versuchen, positiv aufzufallen, nicht negativ.
Und zuletzt sei gesagt: Man sollte als Autor wählerisch sein. Wichtig ist, dass man sich bei seinem Agenten und seinem Verlag wohlfühlt. Denn dann kann man auch gut zusammenarbeiten, wenn es mal Probleme gibt – weil einfach die Basis stimmt.
Wenn jetzt mein Manuskript bei Ihnen angekommen ist, auf welch verschlungenen Pfaden auch immer, was müsste mein Werk ausmachen, damit Sie es für ein besonders gelungenes halten?
Ein Text – ob nun Roman oder Memoire, Kurzgeschichte oder Novelle – ist dann gut, wenn er eine spannende, mitreißende, emotional überzeugende Geschichte auf dazu passende Art erzählt (also keine moderne Umgangssprache im historischen Roman, keine komplex gebauten Bandwurmsätze, wenn eine sommerleichte Liebesgeschichte erzählt werden soll). Wenn die Figuren nicht nur agieren, sondern leben. Wenn man schon nach den ersten Sätzen so neugierig ist, dass man unbedingt weiterlesen will. Und wenn man am Ende genau weiß: „Daran werde ich mich gerne erinnern.“
Das sind nun natürlich subjektive Entscheidungskriterien – was dem einen gefällt, lässt den anderen kalt, und umgekehrt –, und tatsächlich wäre es gelogen, wenn man behaupten würde, dass über die Annahme eines Projektes rein objektiv entschieden wird. Ein Projekt muss einfach etwas haben, was den Lektor fesselt, dann kommt alles andere von allein. Und wenn es genau das nicht hat, dann sollte man auch die Finger davon lassen.
Was umgekehrt aber genauso gilt: Man sollte sich als Autor nicht bei einem Verlag bewerben, dessen Programm man nicht mag, und nicht mit einem Lektor arbeiten, den man insgeheim wenig sympathisch findet.
Und welche Qualitäten schätzen Sie besonders am Autor/der Autorin selbst, sowohl hinsichtlich der schreiberischen Fähigkeiten als auch in Bezug auf die Lektoratsarbeit mit ihm oder ihr?
Ich mag Autoren, die in ihren Geschichten leben – aber auch wissen, dass es manchmal notwendig ist, an bestimmten Punkten zu feilen.
Man hört und liest ja manchmal wahre Horrorgeschichten, was Lektoren aus den Werken von Autoren machen? Wie kompromissbereit muss ich als Autor tatsächlich sein, wenn ich mein Manuskript in Ihre Hände gebe?
Als Lektor kenne ich eher die Horrorgeschichten, wie ein Autor sich gesträubt hat, seinen Text redigieren zu lassen, oder wie ein Bestsellerautor mit vier Monaten Verspätung ein Manuskript abgeliefert hat, das misslungen ist – es kommt also immer auf die Perspektive an …
Aber Spaß beiseite: Ein Lektor macht Vorschläge, keine Vorschriften. Er hilft seinem Autor dabei, das Beste aus seinem Text herauszuholen. Das kann für den Autor schmerzhaft sein („Ich will aber nicht, dass XY stirbt!“ – „Ich will das auch nicht, aber deine Leser werden es lieben …“), aber das gehört dazu. Ein „guter“ Lektor ist außerdem in der Lage, sich in die Sprache des Autors hineinzudenken und stilistische Korrekturen aus dieser Sichtweise vorzuschlagen; das Buch soll ja am Ende nach dem Autor klingen, nicht nach seinem Lektor.
Ganz wichtig ist: Beide Seiten sollten gesprächsbereit sein und ergebnisoffen in die Redaktion und die Abstimmung darüber gehen. Ein „guter“ Lektor weiß, was er zu tun hat, wie er es zu tun hat und wie weit er nicht nur gehen muss, sondern auch gehen kann. Ein „guter“ Autor hängt nicht an jeder Formulierung, kann seine Ablehnung von Vorschlägen begründen und vertraut seinem Lektor. Und letztendlich ist auch dies alles eine Frage der Chemie; wenn man sich mag, geht alles leichter, als wenn man sich von Anfang an kritisch beäugt.
Es gibt Autoren, die arbeiten gerne und seit vielen Jahren mit mir zusammen – es gibt Autoren, die schon nach dem ersten Projekt nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Ein gutes Autor-Lektor-Verhältnis entsteht nicht von heute auf Morgen, das ist ein andauernder Prozess. Und im Idealfall läuft es so, wie Danielle Steele es mal in einem Interview gesagt hat: „Writing without my editor is like dressing in the dark.“
Wie darf ich mir den Lektoratsprozess vorstellen? Wie würde die Arbeit mit Ihnen aussehen?
Das kommt auf das Projekt an – und auf jeden Lektor. Es gibt diejenigen, die sehr ausführlich Wege erklären, ohne konkret zu sagen, was der Autor tun sollte; es gibt andere, die lieber konkret am Text arbeiten; wieder andere sehen ihre Aufgabe nur darin, den sprachlichen Feinschliff zu machen.
In der Regel gebe ich erst einmal ein detailliertes Feedback. Ich bin ein großer Verfechter davon, dies schriftlich zu tun und – auch, wenn das jetzt bürokratisch klingt – die einzelnen Punkte durchzunummerieren. Eine Autorin rief mich daraufhin an und fragte: „Mein Roman hat 300 Seiten, von dir habe ich jetzt aber eine Liste mit fast 400 Anmerkungen bekommen – ja, geht’s noch?“ Tatsächlich mochte ich sowohl die Autorin als auch das Projekt sehr gerne, aber es gab eben recht viel, was ich ihr beim ersten Durchgang schon mit auf den Weg geben wollte, von kleinen stilistischen Feilereien à la „Ein Satz, in dem dreimal das Wort stattdessen vorkommen, ist nicht schön“ über allgemeine Überlegungen („Wenn die Figur reich und verwöhnt aufgewachsen ist, wird sie in der Regel nicht auf die Idee kommen, dieses und jenes zu tun.“) bis hin zu größeren Ideen wie „Wenn man aus X eine Frau macht, funktioniert der Konflikt noch besser, als wenn X weiterhin ein Mann bleibt“.
Ich mag dieses „Auflisten“, weil der Autor erst einmal in Ruhe lesen kann, was ich mir gedacht habe, er dies „verdauen“ und sich seine eigenen Gedanken machen kann. Und wenn man dann spricht, kann er zielsicher sagen: „Also, Punkt 1 bis 8 sehe ich wie du, über 9 diskutiere ich nicht, das muss so bleiben, 10 bis 14 werde ich überarbeiten, aber anders, als du es nun vorschlägst, 15 habe ich nicht verstanden, können wir darüber sprechen?“
Wenn es dann zur eigentlichen Textarbeit kommt, gibt es verschiedenste Möglichkeiten: Bei manchen Autoren begründe ich jeden redaktionellen Eingriff, weil ich weiß, dass sie diese Art der Auseinandersetzung wünschen; es gibt andere, da weiß ich, dass wir uns „blind“ verstehen. Wichtig ist, dass man sich als Lektor und Autor darüber verständigt, wie man vorgehen möchte.
Schön, jetzt habe ich es sozusagen hinter mir. Aber hätte ich als Neuautor tatsächlich eine Chance? Wie viele der eingesandten Manuskripte landen schließlich tatsächlich im Buchhandel? Suchen Sie überhaupt noch nach neuen Autoren?
Jeder Verlag sucht immer nach neuen Autoren, es sei denn, er hat vor, seinen Geschäftsbetrieb bald einzustellen. Autoren dürfen aber nicht vergessen, dass die Verlagsbranche kein Streichelzoo ist, sondern ein knallhartes Geschäft: Als Lektor muss man abwägen, mit welchem Projekt man Geld verdienen kann, für welche Geschichte man in monetäre Vorleistung gehen will – und für welches Projekt man so brennt, dass man dafür einen Teil der sehr knapp bemessenen Zeit opfern möchte.
Gerüchteweise wird in Autorenforen manchmal über die „Arroganz“ der Verlage und Lektoren gewettert: „Mit welchem Recht erdreisten die sich, mein Buch abzulehnen?“ Natürlich verstehe ich, dass es enttäuschend ist, wenn man statt einer Zusage eine Ablehnung bekommt. Und dass die Enttäuschung wächst, wenn dies häufiger passiert. Aber ein Verlag kann nun einmal nicht jedes Buch veröffentlichen.
Ein Lektor kann auch nicht jedem Autor eine persönliche Rückmeldung geben – würde er das tun, dann hätte er keine Zeit mehr, sich um die Bücher zu kümmern, die der Verlag angenommen hat.
Leider dauert es manchmal auch sehr lange, bis man als Autor eine Zu- oder Absage bekommt. Das hat nichts mit Desinteresse zu tun; im normalen Berufsalltag bleibt in der Regel einfach keine Zeit für das Prüfen von Projekten und Manuskripten, das wird auf den Abend oder das Wochenende verschoben … und irgendwann ist selbst die „Duracell“-igste Lektorenbatterie leer und muss aufgeladen werden.
Was man außerdem nicht vergessen darf: Es wird weniger gelesen als früher, weil es so viel anderes gibt, mit dem man sich in der immer knapperen Freizeit beschäftigen kann. Auch die Buchbranche hat sich grundlegend geändert. Das, was man früher als „verlässliche Midlist“ bezeichnet hat – die „kleinen“ Bücher, die ihre Kosten eingespielt haben, ohne jemals auf der Bestsellerliste zu landen – ist bei fast allen Verlagen weggebrochen. Aber genau davon haben sie gelebt, denn mit Bestsellern kann man wegen der hohen Garantien und Werbebudgets oft erst ab einer sehr hohen Verkaufsauflage Geld verdienen.
Warum die Midlist weggebrochen ist? Buchhändler gehen auf Nummer sicher und nehmen vor allem die Bücher ins Sortiment, von denen sie – vermeintlich – sicher sein können, dass sie Käufer finden wird. Aber auch Leser kaufen lieber „das sichere Buch“, das seinen „Wert“ schon bewiesen hat, weil es auf der Bestsellerliste steht, als das „Experiment“ von einem unbekannten Autor. Nun mag der einzelne Leser dieses Interviews empört aufschreien: „Stimmt ja gar nicht, ich mache das nicht und alle meine Freunde machen das auch nicht.“ Das mag sein. Aber an der Tatsache und den nackten Verkaufszahlen ändert das trotzdem nichts.
Der wichtigste Rat, den man deswegen einem Menschen geben kann, der überlegt, ein Buch zu schreiben, ist: „Schreib nicht, weil du damit irgendwann deinen Lebensunterhalt bestreiten möchtest. Schreib nicht, weil du dafür geliebt oder bewundert werden möchtest. Schreib nicht, weil du glaubst, dass du für deine investierte Zeit und Kreativität eine angemessene Gegenleistung bekommen wirst.“ Sondern: „Schreib, weil es dir ein Bedürfnis ist. Schreib, weil Geschichten in dir stecken, die du einfach rauslassen musst. Schreib, weil es dich glücklich macht. Denn dann hat man als Autor schon gewonnen – und alles, was noch kommt, ist ein zusätzlicher Gewinn.
Vielen Dank für dieses interessante Interview.
Gast Der letzte Abschnitt ist ja wirklich ein Witz: "Schreib nicht, weil du glaubst, dass du für deine investierte Zeit und Kreativität eine angemessene Gegenleistung bekommen wirst ... Schreib, weil es dich glücklich macht. Denn dann hat man als Autor schon gewonnen." Vielleicht kein Witz, aber doch eine Zumutung für uns Autoren. Meint der Herr Sonderhüsken das ernst? Leider ist es aber auch Realität. Verlage und Handel erhalten 20x, was ein Autor bekommt, dafür, dass er in mühevoller Arbeit das Produkt liefert, an dem sie verdienen. Und dann solche Sprüche. Für mich ist das die Ideologie der Ausbeutung! |
Wiesenirja Jein. Erstens sagt er nicht, dass ein Autor kein Geld verdienen _soll_, sondern nur, dass er sich darauf einstellen sollte, keins (oder nur wenig) zu verdienen. Zweitens bewahrt dieser Rat all Jene vor einem falschen Weg, die schreiben, _weil_ sie reich |