Ursula Poznanski, geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie nach zehn Jahren die Hoffnung auf einen Abschluss begrub und sich als Medizinjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Ihr Jugendbuchdebüt Erebos erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten Jugendbuchautorinnen Deutschlands und schreibt zudem Thriller-Bestseller im Erwachsenenbuch. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.
Ursula Poznanski bei Loewe: http://www.ursula-poznanski.de/
Ursula Poznanski bei Rowohlt: http://www.rowohlt.de/autor/Ursula_Poznanski.2938977.html
Klar, obligatorische Frage: Wie hat das bei dir mit dem Schreiben begonnen? Gibt es einen Zeitpunkt in deinem Leben, von dem du sagen würdest: „Von da an war ich Autor/Schriftsteller“?
Begonnen hat es sehr früh und überhaupt nicht ernsthaft. Ich habe als Kind rasend gern Geschichten erfunden und aufgeschrieben, sie aber nie jemandem gezeigt, das kam erst später, mit etwa vierzehn. Da war ich gerade in meiner Kishon-Phase und habe Satiren auf den Schulalltag geschrieben, die in meiner Klasse die Runde gemacht haben und auch Inhalt meiner ersten Lesungen waren, wenn ich mich richtig erinnere. In den Pausen.
Als Autorin habe ich mich allerdings lange nicht gefühlt, sondern immer als Journalistin, die auch Bücher schreibt. Das hat sich wirklich nur langsam und schrittweise geändert.
Siehst du dein Schreiben heute mehr als Hobby oder mehr als Beruf? Gibt es da überhaupt einen Unterschied für dich?
Nachdem es jetzt nicht nur mein Haupt-, sondern mein einziger Beruf ist, stellt sich diese Frage für mich nicht so wirklich. :-)
Als Hobby sehe ich das Schreiben aber schon sehr lange nicht mehr. Wenn ich es überhaupt je so bezeichnet habe – Hobbys haben etwas Unverbindliches, das hatte das Schreiben für mich nie. Wenn ich definieren müsste, wie ich es in der Zeit empfunden habe, in der ich es nur für mich getan habe, würde ich sagen: als Leidenschaft.
Seit ich veröffentlicht bin und Verlage sich professionell mit meinen Texten beschäftigen, habe ich es aber ganz klar als Teil meines beruflichen Lebens betrachtet. Und das steht in keinem Widerspruch zur Leidenschaft. Gar nicht.
Welche drei Dinge haben dich deiner Meinung nach auf deinem Weg als Autor am meisten vorangebracht?
1) Bücher. Seit ich lesen kann, verschlinge ich Bücher. Ich glaube nicht, dass man Autor werden kann, wenn man selbst nicht hingebungsvoll und begeistert liest. Vor allem ist es ja so, dass die meisten von uns autodidakt sind. Wir haben vielleicht ein paar Schreibseminare gemacht und ein paar „How to“-Ratgeber gelesen, aber damit allein wird man kein Autor, wenn man nicht bereits weiß, wie ein Buch funktioniert. Wenn man die wichtigsten Spielregeln nicht längst inhaliert hat, und das geht eigentlich nur durch Lesen.
2) Kollegen (verzeiht mir, dass ich euch hier unter „Dinge“ ablege). Soll heißen: Andere schreibende Menschen, mit denen ich mich austauschen konnte, die mir Feedback gegeben haben, mich an ihren eigenen Erfahrungen haben teilhaben lassen, für mich Testleser sind und waren, mich um wertvolle Perspektiven bereichert haben, meiner Meinung waren, gegenteiliger Meinung waren, mit mir diskutiert haben, und und und …
3) Das Bewusstsein, dass es machbar ist. Dass man ein Buch zu Ende bringen kann, auch wenn der leere Bildschirm vor dem Tippen des ersten Wortes einem suggeriert, dass es unmöglich ist.
Gab es vielleicht auch einen „Fehler“, eine „Schwäche“, die du erkannt und abgestellt hast, um in deinem Sinne als Autor erfolgreicher zu sein?
Ich neige heftig zum Prokrastinieren. Das ist ziemlich übel, wenn man seine eigene Motivationsquelle sein muss und niemand hinter einem steht, der die virtuelle Peitsche schwingt. Da habe ich mich sehr gebessert, und mir helfen Deadlines, sie erzeugen die notwendige Panik – was nicht heißt, dass ich nie zu spät abgebe. Aber wenigstens nicht katastrophal viel zu spät.
(Perfekte Gelegenheit, um Douglas Adams zu zitieren: "I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.")
By the way – was bedeutet für dich persönlich Erfolg in deiner Autorenkarriere?
Eine ganze Menge Dinge. Darf ich wieder durchnummerieren?
1) Leser zu erreichen. Das steht mit Abstand ganz oben. Ich schreibe zwar – ganz ehrlich – auch für mich, aber vor allem natürlich für Menschen, die meine Leidenschaft fürs Lesen und für meine Art von Geschichten teilen. Als 1a) würde ich noch hinzufügen, dass ich die Leser nicht nur erreichen, sondern ihnen auch ein paar tolle Stunden bescheren möchte. Ich weiß, wie sehr ein gutes Buch meine Endorphine zum Fließen bringt. Wenn ich dieses Gefühl bei anderen auslösen kann, dann ist das Erfolg in Großbuchstaben. Also ERFOLG, gewissermaßen.
2) Selbst mit dem zufrieden zu sein, was ich geschrieben habe. Das ist ja leider nicht selbstverständlich, vor allem, wenn man großartige Bilder im Kopf hat und dann bemerkt, man kann sie nur notdürftig in Worte übersetzen. Kommt gelegentlich vor, und ich befürchte, daran lässt sich nichts ändern. Aber immer wieder schaffe ich es auch, und das sind großartige Momente beim Schreiben. Erfolgserlebnisse, die sich ihrerseits nur ganz schwer in Worte fassen lassen.
3) Es wäre völlig verlogen, hier nicht auch „die Zahlen“ zu erwähnen. Genau, die Verkaufszahlen. Die sind natürlich auch ein Gradmesser für Erfolg, und sie sind wichtig. Ich denke, jede Autorin, jeder Autor, freut sich über gute Zahlen. Ich auch.
4) Der letzte Punkt ist bei Weitem nicht der unbedeutendste: Ab und zu bekomme ich Mails, die mir zeigen, dass jemand völlig verstanden hat, was mir in einer Geschichte oder eine bestimmten Szene wichtig war. Das wirft mich dann förmlich um.
Glaubst du eher an schriftstellerisches Talent oder Handwerk?
Ich glaube, dass man allein mit Handwerk brauchbare Bücher schreiben kann. Um richtig gute zu schreiben, braucht man auf jeden Fall auch Talent.
Hattest du Hilfe auf deinem Weg? Welche Möglichkeiten für einen angehenden Autor, von anderen zu lernen, kannst du besonders empfehlen?
Was ich in besonders wertvoller Erinnerung habe, sind zwei Seminare bei Andreas Eschbach, die ich in an der Bundesakademie Wolfenbüttel besucht habe. Ich hatte jedes Mal danach den Eindruck, in meinem eigenen Schreiben einen Sprung nach vorne getan zu haben.
Empfehlen würde ich auf jeden Fall, sich zuverlässige Testleser zu suchen. Möglichst keine, die nur im Schongang laufen – Kritik ist nutzlos, wenn sie nicht ehrlich ist. Hilfreich ist es auch, wenn man sie dann annehmen kann und sich nicht beleidigt zurückzieht, weil der andere den eigenen, heiß geliebten Text nicht bis zum letzten Komma toll fand.
Ganz offen gesagt: Wer veröffentlichen will, wird sich früher oder später auf jeden Fall auch mit negativen Stimmen auseinandersetzen müssen. Man kann sich überhaupt nicht früh genug daran gewöhnen und sollte sich darauf einstellen, dass es mit wachsendem Bekanntheitsgrad eher schlimmer wird als besser. Denn es gibt immer jemanden, der das Buch nicht mögen wird. Absolut immer.
Und welche Ratschläge hinsichtlich des Schreibhandwerks findest du für angehende Autoren besonders wichtig? Was sollte man unbedingt versuchen, was unbedingt vermeiden?
Unbedingt tun (aus meiner Sicht):
- Schreiben. Viel, am besten täglich. Es ist, wie einen Muskel zu trainieren, das kann man auch nicht nur ab und zu tun, wenn man möchte, dass er stärker wird.
- Sich nicht mit „so-la-la“-Ergebnissen zufrieden geben. Feilen, überarbeiten, noch mal überarbeiten. Kürzen.
- Sich nicht zu sehr in das eigene Werk verlieben. Ein bisschen schon, aber nicht so, dass es blind macht. Sich über Lob freuen, es aber nicht als Zeichen dafür nehmen, dass man jetzt ausgelernt hat.
- Eine eigene Stimme finden. Das dauert eine gewisse Zeit, lohnt sich aber. Es schadet auch überhaupt nicht, am Anfang Autoren zu kopieren, die man mag, und sich anzusehen, wie sie das hinbekommen, was man so an ihnen schätzt – nur irgendwann sollte sich eine eigene Linie herauskristallisieren.
Keinesfalls tun (wieder aus meiner Sicht)
- Sich darauf verlassen, dass die Muse sich irgendwann schon einstellen wird, und bis dahin Däumchen drehen. Oder Angry Birds spielen. Oder das eigene Foto so lange mit Photoshop bearbeiten, bis man es sich in der Klappe des Debütromans vorstellen kann. Die Muse kommt nicht, wenn man sie nicht durch Arbeit anlockt.
- Einen Morgen-Roman schreiben. Der Morgen-Roman funktioniert genau so wie die Morgen-Diät; man beginnt nie damit. Kreativ wird man nur, wenn es um das Finden von Ausreden geht, warum heute ein schlechter Tag zum Schreiben ist. Zu warm, zu kalt, zu müde, zu hungrig, zu laut, zu spät, zu abgelenkt. Gilt alles nicht.
- Beim Schreiben permanent den inneren Lektor mit dabei haben, der sofort an jedem Wort herummäkelt, das neu auf dem Bildschirm erscheint. Während des Schreibprozesses sollte der Lektor Pause haben, er ist erst beim Überarbeiten an der Reihe. Ja, ich weiß. Viel leichter gesagt als getan.
- Für eine Veröffentlichung zahlen. Das ist der falscheste Weg, den man einschlagen kann.
Was braucht es deiner Meinung nach, um als Autor zu einer Verlagsveröffentlichung zu kommen? Welchen Weg schlägst du vor?
Ich würde mir immer wieder einen Agenten suchen. Man hat dann jemanden an seiner Seite, der den Markt kennt, im Umgang mit Verlagen und im Verfassen von Verträgen geübt ist und der im besten Fall für seine Autoren durchs Feuer geht.
Natürlich sollte man vorher auch etwas geschrieben haben, das sich vermitteln lässt, das also qualitativ stimmt und vielleicht auch noch das gewisse Etwas hat, das gerade bei einem Debüt so wichtig ist.
Ich rate auch dazu, nicht sofort mit dem ersten fertigen Werk auf den Markt stürmen zu wollen. Manchmal ist es besser, Geduld zu haben und erst dann an eine Veröffentlichung zu denken, wenn man das Gefühl hat, etwas richtig Gutes und vielleicht sogar Außergewöhnliches geschrieben zu haben.
Wäre für dich aus heutiger Sicht Selfpublishing generell oder in bestimmten Fällen eine Alternative oder sogar mehr? Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile gegenüber einem klassischen Verlag?
Da fragst du vermutlich die Falsche – ich bin überhaupt nicht der Typ fürs Selfpublishing. Ich bin so rasend froh, wenn man mir organisatorische Dinge abnimmt.
Derzeit könnte ich es mir wirklich nicht vorstellen, diesen Weg zu beschreiten, aber wer weiß. Falls ich einmal etwas schreibe, das weit abseits dessen liegt, was der Markt haben will, dann würde ich es mir vielleicht überlegen. So, wie es jetzt ist, bin ich einfach nur froh, mich ums Schreiben kümmern zu können und alles andere meinen Verlagen überlassen zu können.
Gast Vielen Dank für dieses sehr, sehr informative Gespräch und die guten Fragen - das hat mich ein ganzes Stück weitergebracht. Besonders die "Morgen-Diät" hat es mir angetan :-).... Also: Trainieren, als ob ich einen Marathon machen wollte und nicht immer verschieben. LG Heike Kunst |