Mein Liebster!
Das heutige Wort – es ist leicht und schwer zugleich. Es ist einfach und schwierig. Ich zog den Stern aus der Schachtel, las das Wort und schon weinte ich Sturzbäche. Wobei das eher Flutwellen waren. Der Klang dieses Wortes, wie du es aussprichst, dieser Klang ist noch immer in meinen Ohren. Und die Erinnerung an das Gespräch, indem es um diesen Stern ging. Ich hatte dich gefragt, wie um alles in der Welt du BILDUNG auf einen Stern schreiben kannst. Du hast mich ziemlich verwirrt angesehen und warst ehrlich erstaunt über die Frage. Was mich verunsicherte – weil ich es wirklich so meinte. Für mich passte dieses Wort nicht in ein Orakel. Wobei du ja ursprünglich nicht ein Orakel hergestellt hast, sondern meinen persönlichen Sternenhimmel. Was mich jedoch noch mehr verunsicherte. Ich weiss noch, wie ich mich erschrocken fragte, ob ich vielleicht zu dumm für dich wäre? Oder zu wenig gebildet? Meine Gedanken rasten durcheinander und ich hatte plötzlich ziemlich heiss.
„Also weisst du“, sagtest du, dabei hast du mich amüsiert angesehen, „du verblüffst mich schon hin und wieder. Wie kannst du fragen, was dieses Wort da drinnen verloren hat? Ausgerechnet du?“ – Ja, ich habe diese Frage gestellt. Ich war wirklich verwirrt, was du richtig lustig fandst. Du hast meine Hände genommen, mir in die Augen gesehen und gesagt: „Ich wünsche dir, dass dein Hunger nach wissen niemals gestillt wird. Ich wünsche dir, dass du stets dabei bleibst – das Alte können, das neue lernen. Ich wünsche dir, dass du nie aufhörst, Lehrerin zu sein. Denn das ist es, was ich an dir so sehr liebe. Du weisst immer neue Dinge zu erzählen, umzusetzen, zu lehren. Ich wünsche dir, dass du dich immer weiter und weiter bildest, so wie du es bis hierher getan hast, denn das macht dich aus.“
Ich hatte weder einen Universitäts-Abschluss noch ein Hochschul-Abschluss – ich hatte einfach nur den normalen Schulabschluss und einen Fähigkeitsausweis. Du würdest jetzt einwerfen: „und die Fernstudien?“ – ja, zwei Fernstudiengänge hatte ich absolviert. Nur dass mich diese beiden nicht sehr viel nutzen. Also, mir persönlich schon. Aber da beide Studiengänge keinen Diplomabschluss hatten, der anerkannt wäre, sind sie eigentlich „leere“ Können oder Haben.
Trotzdem oder darum war es mein grösster Wunsch, noch einmal eine Ausbildung machen zu können. Dieser Wunsch erfüllte sich und meine beiden „leeren“ erwiesen sich als äusserst nützlich. Einfach, weil ich schon eine ziemliche Ahnung von dem Ganzen hatte, konnte ich mich auf die anderen Fächer konzentrieren und am Ende alles mit Auszeichnung abschliessen. Das waren herrliche drei Jahre! Was habe ich diese Zeit genossen.
All die Abende die wir zusammen gelernt haben. Wie wir unsere beiden Ausbildungen verknüpfen konnten, wie wir voneinander profitierten. Diese drei Jahre waren unsere intensivsten. Es folgten viele intensive Tage, Wochen, Monate – nur nicht ein Jahr am Stück. Was auch ganz in Ordnung war. Ich glaube, irgendwann hätte das auch keinen Spass mehr gemacht. Wir brauchten die ganz normalen Tage und Wochen um wieder geniessen zu können. Wir brauchten diese Ruhe und Stille um auftanken zu können und auf den Punkt wieder alles geben zu können. Wir haben es oft mit dem Sport verglichen und sind dabei auf erstaunliche Dinge gestossen. Wie wir uns gefreut haben! Wenn wir etwas entdeckt hatten – wir feierten sie alle unsere Entdeckungen. Ãœber all die Jahre waren wir ein unschlagbares Team. Obwohl ich es ehrlich sehr oft als Einheit erlebt habe. Nicht als zwei Menschen die etwas tun, sondern ein Mensch, der zwei Dinge tut.
In deiner Nähe habe ich mich immer sicher gefühlt. In deiner Nähe war ich einfach. Ohne Scheu und ohne Geheimnisse. Echt. Als ich dir das das erste Mal sagte, hast du geantwortet: „Auch das, mein Schatz, ist Bildung. Bildung bedeutet erschaffen.“ – so ist es entstanden, darauf ist es aufgebaut, unser Kunstwerk. Auf Bildung. Es besteht aus Bildung. Es ist Bildung.
Nachdem ich diesen Brief geschrieben habe, habe ich mich für einen Kurs angemeldet. Ich denke, das wird mir gut tun. Und ich weiss, du würdest jetzt nicken.
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Mit all meiner LiebeÂ