Kurzgeschichte
Unendliche Ruhe

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"Unendliche Ruhe"
Veröffentlicht am 22. Juni 2013, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Unendliche Ruhe

Unendliche Ruhe

Der Soldat Schulze kam heim nach langen Jahren des Krieges. Eine schwere Medaille beschwerte ihm die Brust das Gewehr drückte den Rücken, der Stahlhelm ließ ihn schrumpfen. Er blickt durch die verdreckten Augen in eine Welt, die zerstört ist, die ebenso zerstört ist wie er. Irgendwo in diesen Trümmern stand einst das Haus wo er wohnte, doch wo? Alles ist in Trümmern und nirgendwo ein Anzeichen. Und wo sind die Kriegstreiber mit den bunten Fahnen und den Binden? Wo sind die, die den Sieg versprachen, wenn jeder nur alles gab um den Feind bis auf den letzten Tropfen auszubluten? Nirgendwo findet man sie, oder sie verstecken sich wie die Ratten in ihren Löchern aus Angst, wenn sie wieder nach oben kommen sofort mit den letzten Waffen von den einstigen ihnen untergebenen Völkern geschlachtet zu werden. Der Waffenrock ist löchrig, aber er hilft ein wenig gegen die aufziehende Kälte. Besser als die, die nichts haben. Früher hätte Schulze nicht betteln müssen aber jetzt muss er es tun, denn was hat er schon? Die Medaille, die er erhielt, weil er mehreren feinden das Gehirn aus dem Schädel blas, diesen armen Menschenkindern, die wie er kämpfen mussten obwohl sie es nicht wollten, deren Tod verdankte er nun diese Auszeichnung, die ihn nicht satt machte.

Einen Schlafplatz suchte er, das brauchte er, blutig die Hände vom Töten und müde der Geist vom Stumpfsinn des Kämpfens. Er trat an die Tür und eine junge Frau öffnete ihm, sie sah ebenfalls müde aus, aber sie trug einen einfachen Kittel und er wies sich als sehr höflich. Ihre schönen blauen Augen blickten ihn traurig an, wahrscheinlich erinnerte diese traurige Gestalt vor ihr sie an einen geliebten Menschen, der, ebenso ausgestattet, immer noch verschwunden war. Und er würde es bleiben, denn die Generationen wurden niedergemäht in jenen Kriegen der Menschheit, wo der Tod der Einzige Sieger blieb, wenn er geschwind mit der Sense über die Schlachtfelder fuhr.

Schulze selbst hätte weinen können, denn die liebe Dame half ihm so wie kein anderer Mensch zuvor, so erschien es ihm. Sie erinnerte ihn an seine Helga, die, das hatte er bereits erfahren, von einer Bombe zerrissen worden war, wenigstens ein schneller und schmerzloser Tod, kein Siechtum wie die armen Schweine an der Front, denen man Kugeln dorthin setzte, wo sie nicht sofort starben sondern Tage mit dem Ende kämpften und schließlich bloß heraus zögerten, was man ihnen sofort hätte gegönnt – einen schönen Tod.

Die Frau wusch ihn, befreite ihn vom Dreck des Krieges, zumindest äußerlich, denn das, was man erlebt, das ist ein Rucksack, dem man niemandem abnehmen kann. Und nun hing sie da, die Uniform, abgelegt aller Tand des Krieges. Etwas Brot teilten die beiden an jenem Abend, ein wenig miteinander gesprochen, aber was wollte Schulz schon sagen? Er konnte nicht sprechen. Und sie konnte auch nichts sagen. Sie bot ihm das Bett, ihr Bett, sie sehnte sich nach menschlicher Nähe nach jemandem, der ihr Wärme bieten konnte, doch wie sollte Schulz das, der selbst kalt geworden war, dem jeder Kontakt Angst bereitete?  

Er lag auf etwas Stroh, es war nicht schön, es war nicht besonders gemütlich, aber es gab ein Laken und eine Decke und sogar ein kleines Kissen, das war mehr als man erwarten konnte. Schließlich legte er sich zur Ruhe, wollte schlafen.

Die Augen geschlossen und schon begann das Schauspiel.

„Aufstehen! Wir müssen raus, der Iwan greift an!“, schreit ihm sein General an. „Aufstehen!“, schreit er erneut doch die wütende Fratze verblasst, als Schulze sich erhebt. Er befindet sich in einem dunklen Sumpf, überall ist Rauch, es stinkt verfault. Und da kommen sie, die verwesenden Leichen derer, die er getötet. „Na Bruder? Wie geht es dir? Immer noch am Leben? Willst du uns nicht beitreten, es ist so schön hier“, meint der eine und seine Kinnlade fällt herab. Eine Hand, die Maden blicken aus ihr, die Knochen sind erkenntlich, legt sich auf seine Schulter. „Verreck endlich, damit wir Frieden finden!“, fordert er ihn auf und das Fleisch fällt vom Kopf, ein Totenschädel lacht ihn höhnisch an, die Hölle aus seinem Mund erkennt man, es stoben Flammen, es stinkt nach Schwefel. Doch die Toten versinken unter der Erde, welche sie verschlingt. Da läuft plötzlich Helga an ihm vorbei. „Bist du es?“, fragt sie, die so schön ist wie immer, keine Wunden an ihrem Körper. „Oh, Verzeihung“, spricht sie und will weitergehen. „Ich bin es doch!“, ruft er ihr nach doch sie dreht sich schnell um. „Nein, mein Herbert war ein guter Mensch. Sie sind voller Blut. Ihre Hände triefen, Sie können nicht Herbert sein.“

Die Hände bluten, er spürt keinen Schmerz. Das ist das Blut der Toten, welches an seinen Händen klebt. Er will es wegwischen, doch es wird immer mehr, er kann es nicht stillen. Er stellt der Fliehenden Helga nach und packt sie an der Schulter, doch diese fällt wie getroffen zu Boden, Schmerzen an der Stelle, wo sie berührt worden ist. Wimmernd liegt sie darnieder und explodiert dann. Fetzen bleiben Schulze, der schreien will, doch die Kehle kann keinen Laut herauslassen, das Herz kann nicht mehr weinen.

„Wir werden kämpfen, Soldaten, bis zum Endsieg! Es wird jeder Blutstropfen nicht umsonst geflossen sein, wenn wir erst einmal über diese Welt herrschen!“, schreit eine unsichtbare Stimme, sie dröhnt, lässt ihm fast das Trommelfell zerplatzen. Es ist die des Verführers, der sie damals alle an die Front werfen ließ, wo sie jämmerlich krepierten.

Ein Mann kommt auf ihn zu. Er trägt dunkle Kleidung, einen dunklen Hut mit breiter Krempe und raucht eine Zigarette. Eine Sense auf seiner einen Schulter. „Mein lieber Schulze, es ist wunderbar, dass du noch lebst“, meint er und blickt ihn an. Es ist ein Totenschädel, der fröhlich grinst. Die Augen brennen rot, die knorrige Hand legt sich auf die Schulter des Angesprochenen. „Alles tot, aber du lebst noch. Sieh sie alle, die dahingingen.“ Sie kamen an einen Fluss, der rot vom Blut war, die Hände der gefallenen streckten ihre Hände bittend nach oben und machten fassende Bewegungen. Sie wollten jeden hinunter ziehen, der dem Ufer zu nahe kam. „Du bist ein glücklicher Mann, weil du noch lebst.“ „Was macht das Leben für einen Sinn, da niemand mehr ist, den ich liebe, da alles verloren ist, was ich einst hatte?“ Da blickt ich  der Tod an und drückt ihm auf die Brust, dass das Blut spritzt. „Du hast doch die Medaille!“ Ein grausames Lachen entfährt ihm und Schulze rennt auf den Fluss zu, doch er kann nicht hinein, nicht an das Ufer. „Bald bist du einer von ihnen!“, höhnt die Stimme hinter ihm. „Beende es und komm zu mir“, fleht Helgas Stimme. „Jetzt machen Sie schon, feiges Schwein!“, schreit der General. „Verreck! Verreck!“, schreien die Gefallenen.

Schulze erwacht. Es ist noch Nacht. Die Luger ist geladen, einen Schuss hatte er sich immer bereit gehalten. Doch in der Fremde nicht genutzt. Doch nun? Er nimmt die Waffe, steckt den kalten Lauf in den Mund. Die Finger zittern, die andere Hand fasst die Haltende fest. „Ich komme, Helga!“, stottert er in den Lauf. Die Augen werden geschlossen und der Abzug gedrückt. Ein Knall und alles ist schwarz. Ruhe, unendliche Ruhe.

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von Fianna am 23.06.2013 - 17:53 Uhr)
Zitat: (Original von RogerWright am 23.06.2013 - 17:51 Uhr)
Zitat: (Original von Fianna am 23.06.2013 - 16:52 Uhr) Da ist dir doch wieder mal eine nachdenklich stimmende Kurzgeschichte gelungen. Vor allem die Beschreibung des Traumes wirkt wirr und ein wenig verstörend, so wie das mit Träumen eben auch in Wirklichkeit ist.

Was mir allerdings aufgefallen ist (deshalb auch der halbe Stern Abzug), sind diese Wortwiederholungen zu Anfang:

Seite 1: "Eine schwere Medaille beschwerte ihm die Brust"

"Irgendwo in diesen Trümmern..." / "Alles ist in Trümern..."

...und du wechselst öfters vom Präteritum ins Präsens. So hast du am Anfang eher im Präteritum geschrieben und den Schluss eher im Präsens. Ich dachte zuerst, dass du vielleicht den Traum im Präsens schreibst und den Rest in Präteritum, hab's mir aber dann noch mal angesehen und gemerkt, dass es doch ziemlich durcheinander ist.

Ansonsten, wie gesagt: Eine tolle Geschichte!

Liebe Grüße
Fianna


Danke, ja da mit den Zeitformen, da hab ich gestern abend nicht aufgepasst, die werd ich mir in Ruhe mal vornehmen müssen und die Wortwiederholungen nauch, danke für die Anmerkungen.
Das ist gestern so in ca. einer Stunde mal so aus mir, da fällt mir jetzt auch kein sonderlich tolles Wort für ein, herausgeflossen.


Na wenn das so ist, kann man diese Fehler verzeihen :-) Dafür ist der Text an sich trotz der kurzen Entstehungszeit ja wirklich gelungen.


Nun, das sollte jetzt nicht dazu führen, dass ich Welpenschutz genieße. Die Anmerkungen nehme ich gerne zur Kenntnis und werde sie bald umsetzen, das mit der Stunde sollte keine Entschuldigung dafür sein, dass die Fehler an sich drin sind, bitte nicht so verstehen.
Und nochmnal danke für das Lob.
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: Re: -
Zitat: (Original von RogerWright am 23.06.2013 - 17:51 Uhr)
Zitat: (Original von Fianna am 23.06.2013 - 16:52 Uhr) Da ist dir doch wieder mal eine nachdenklich stimmende Kurzgeschichte gelungen. Vor allem die Beschreibung des Traumes wirkt wirr und ein wenig verstörend, so wie das mit Träumen eben auch in Wirklichkeit ist.

Was mir allerdings aufgefallen ist (deshalb auch der halbe Stern Abzug), sind diese Wortwiederholungen zu Anfang:

Seite 1: "Eine schwere Medaille beschwerte ihm die Brust"

"Irgendwo in diesen Trümmern..." / "Alles ist in Trümern..."

...und du wechselst öfters vom Präteritum ins Präsens. So hast du am Anfang eher im Präteritum geschrieben und den Schluss eher im Präsens. Ich dachte zuerst, dass du vielleicht den Traum im Präsens schreibst und den Rest in Präteritum, hab's mir aber dann noch mal angesehen und gemerkt, dass es doch ziemlich durcheinander ist.

Ansonsten, wie gesagt: Eine tolle Geschichte!

Liebe Grüße
Fianna


Danke, ja da mit den Zeitformen, da hab ich gestern abend nicht aufgepasst, die werd ich mir in Ruhe mal vornehmen müssen und die Wortwiederholungen nauch, danke für die Anmerkungen.
Das ist gestern so in ca. einer Stunde mal so aus mir, da fällt mir jetzt auch kein sonderlich tolles Wort für ein, herausgeflossen.


Na wenn das so ist, kann man diese Fehler verzeihen :-) Dafür ist der Text an sich trotz der kurzen Entstehungszeit ja wirklich gelungen.
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: -
Zitat: (Original von Fianna am 23.06.2013 - 16:52 Uhr) Da ist dir doch wieder mal eine nachdenklich stimmende Kurzgeschichte gelungen. Vor allem die Beschreibung des Traumes wirkt wirr und ein wenig verstörend, so wie das mit Träumen eben auch in Wirklichkeit ist.

Was mir allerdings aufgefallen ist (deshalb auch der halbe Stern Abzug), sind diese Wortwiederholungen zu Anfang:

Seite 1: "Eine schwere Medaille beschwerte ihm die Brust"

"Irgendwo in diesen Trümmern..." / "Alles ist in Trümern..."

...und du wechselst öfters vom Präteritum ins Präsens. So hast du am Anfang eher im Präteritum geschrieben und den Schluss eher im Präsens. Ich dachte zuerst, dass du vielleicht den Traum im Präsens schreibst und den Rest in Präteritum, hab's mir aber dann noch mal angesehen und gemerkt, dass es doch ziemlich durcheinander ist.

Ansonsten, wie gesagt: Eine tolle Geschichte!

Liebe Grüße
Fianna


Danke, ja da mit den Zeitformen, da hab ich gestern abend nicht aufgepasst, die werd ich mir in Ruhe mal vornehmen müssen und die Wortwiederholungen nauch, danke für die Anmerkungen.
Das ist gestern so in ca. einer Stunde mal so aus mir, da fällt mir jetzt auch kein sonderlich tolles Wort für ein, herausgeflossen.
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Da ist dir doch wieder mal eine nachdenklich stimmende Kurzgeschichte gelungen. Vor allem die Beschreibung des Traumes wirkt wirr und ein wenig verstörend, so wie das mit Träumen eben auch in Wirklichkeit ist.

Was mir allerdings aufgefallen ist (deshalb auch der halbe Stern Abzug), sind diese Wortwiederholungen zu Anfang:

Seite 1: "Eine schwere Medaille beschwerte ihm die Brust"

"Irgendwo in diesen Trümmern..." / "Alles ist in Trümern..."

...und du wechselst öfters vom Präteritum ins Präsens. So hast du am Anfang eher im Präteritum geschrieben und den Schluss eher im Präsens. Ich dachte zuerst, dass du vielleicht den Traum im Präsens schreibst und den Rest in Präteritum, hab's mir aber dann noch mal angesehen und gemerkt, dass es doch ziemlich durcheinander ist.

Ansonsten, wie gesagt: Eine tolle Geschichte!

Liebe Grüße
Fianna
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