Von Toleranz und Hoffnung
„Was glaubst du, was wäre, wenn der Mensch in jeder Hinsicht tolerant sein würde“, sagte er und ließ sich auf einem Stein nieder, der mitten aus den Fluten eines kleinen Baches hervorragte.
„Für alles zu sein, ist genauso schlecht, wie gegen alles zu sein“, erklärte sie und verschränkte die Arme.
„Ich habe gerade daran gedacht, dass es dann keine Kriege mehr geben würde. Entschuldige, das ist ein utopischer Gedanke,…und dumm ist er auch noch.“ Er ließ seine Finger ins Wasser gleiten, blickte in die Ferne.
„Nicht dumm…naiv vielleicht, aber das
ist ein Unterschied“, erwiderte sie und ließ sich neben ihn sinken.
„Dumm daran ist nur, dass die „Rasse“ Mensch, ohne einander umzubringen, nicht überleben kann. Sonst wären wir zu viele und Mutter Natur müsste sich etwas einfallen lassen.“
„Irgendwie wäre es möglich.“
„Ja, nur in meinen Träumen…du weißt, was ich meine“, seufzte er.
„Hm…“
„Ich hoffe nur, dass, bevor wir uns wirklich gegenseitig auslöschen, irgendetwas passiert, das den Menschen wieder hoffen lässt.“ Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen.
„Hoffen kann man immer, auch wenn
nichts passiert“, erwiderte sie und hielt seinem durchdringenden Blick stand.
„Aber hoffen allein wird so langweilig mit der Zeit.“
„Das finde ich nicht.“
„Mir wird deshalb langweilig, weil ich ganz genau weiß, dass das Gegenteil meiner Hoffnungen eintreten wird.“
„Du weißt gar nichts.“ Mit diesen Worten erhob sie sich, wandte ihm den Rücken zu und streckte ihr Gesicht mit geschlossenen Augen dem Wind entgegen. Für eine Weile hörte man nur das Rauschen des Wassers.
„Naja…wie man es nimmt…oder was meinst du dazu?“ Er ließ seine Beine ins kühle Nass gleiten.
Ohne sich zu ihm umzudrehen oder auch nur die Augen zu öffnen, erklärte sie: „Hoffnung braucht es genau dann, wenn es nur noch schlecht aussieht…ansonsten ist sie eher überflüssig. Und solange irgendjemand hofft, dass es besser wird, besteht immer noch die Möglichkeit, dass das auch so sein wird.“
„Trotzdem wird sich die Menschheit selbst auslöschen“, beharrte er. „Da kann ich noch so sehr hoffen, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Zuerst geht es um Geld, um Öl,…Wasser….“
Sie drehte sich zu ihm um, ging in die Knie, blickte ihm in die Augen und ergriff die Hand, die er ins Wasser hielt.
„Hätte die Menschheit nicht immer wieder gehofft und geträumt, dann würde es uns schon lange nicht mehr geben.“
„Nun…das stimmt wohl, aber so wie wir im Moment dastehen, wäre es für mich ein Wunder, wenn wir dieses Jahrhundert noch aushalten würden. So geht es nicht gut weiter.“
„Werden wir sehen.“
„Wir sehen gar nichts mehr.“
„Auch gut.“
Unaufhaltsam, lief das Wasser an den beiden vorbei, kümmerte sich nicht um die gesprochenen Worte, kümmerte sich nicht um das, was nicht ausgesprochen worden war. Es strebte lediglich dem
Horizont entgegen, um darüber hinaus zu fließen.
© Fianna 06/06/2013