Biografien & Erinnerungen
Vor Inbetriebnahme des Mundwerks

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"Vor Inbetriebnahme des Mundwerks"
Veröffentlicht am 14. Juli 2008, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Vor Inbetriebnahme des Mundwerks

Vor Inbetriebnahme des Mundwerks

Mitunter hasse ich mich selbst für mein loses Mundwerk, auch wenn es mir noch nicht so geht, wie einer Kollegin von mir, die erzählte, dass eine Freundin zu ihr gesagt hat: „Petra, manche Menschen treten ab und zu mal in ein Fettnäpfchen, aber du guckst ab und zu mal raus.“

Trotzdem bringe ich mich auch ab und zu in Situationen, in denen ich vielleicht auch, wie ich meinen Kindern immer wieder gepredigt habe, vor in Betriebnahme des Mundwerks das Gehirn hätte einschalten sollen.

Ich denke da speziell an eine Kollegin, mit der ich regelmäßig zur Frühstückspause in die Kantine ging. Wir waren eine Gruppe von insgesamt fünf Frauen. Andrea war klein, ich meine sehr klein, und sehr zierlich im Gegensatz zu mir. Irgendwann einmal erzählte sie in dieser besagten Pause, dass sie nach Feierabend an den Nordseestrand gefahren war, um noch ein wenig Sonne zu tanken. Ich sagte zu ihr: „Da hast du aber Glück gehabt, dass die Leute von der Seehundaufzuchtstation nicht vorbeigekommen sind, die hätten dich doch glatt mitgenommen und versucht, dich aufzupäppeln.“ Ja, war schon deftig, weiß ich, ich habe mich auch dafür bei ihr entschuldigt, aber gesagt war nun einmal gesagt.

 

Es gibt aber auch eine Aussage, die mir bis heute nicht Leid tut, und zwar wurde meine Tochter im Alter von 13 Jahren in ein künstliches Koma versetzt. Sie lag auf der chirurgischen Erwachsenenintensivstation. Der Arzt erzählte uns, dass noch eine weitere Operation vorgenommen werden müsse, danach würde sie langsam auch dem Koma erwachen. Ich sagte ihm: „Und wenn sie wach wird, bin ich da.“ „Wir werden sehen“, meinte er. Ich also noch einmal: „Und wenn sie wach wird, bin ich da.“ „Wir werden sehen“, erwiderte er nochmals. Also sagte ich zu ihm: „Na gut, dann eben anders: Sie werden sehen, dass ich da bin, wenn sie wach wird oder sie kennen keine Mütter.“ Mein Ex versuchte mich zu besänftigen und meinte, ich hätte überreagiert, aber ich fühle mich heute noch im Recht.

Im Laufe dieses Krankenhausaufenthaltes musste Swea immer wieder eine neue Braunüle gesetzt werden. Sie war letztendlich im Alter von 13 Jahren auf 34 kg abgemagert, so dass das Stechen ihr äußerst unangenehm war. Bei einem unserer Besuche sagte sie: „Guckt mal, wie viele Stiche ich schon habe.“ Ich lächelte sie an und meinte: „Weißt du, dass du einen Stich hast, das wissen wir schon länger.“ Swea betrachtete ihre Arme, zeigte auf ein Einstichloch und sagte: „Ja, ich glaube, der war hier.“ Dann sah sie hoch, bemerkte, dass wir schmunzelten und gab ein: „Oh Mann.“ Von sich. Es ging ihr wieder besser.

 

Vor unserem Haus, das später explodiert ist, befand sich auf öffentlichem Grund und Boden ein Haufen Reisig, bedeckt mit Grasschnitt. Oft sahen wir im Sommer hier eine Ringelnatter in der Sonne liegen. Eines Tages bat uns der Bürgermeister der Gemeinde, diesen Bioabfall zu beseitigen und die angrenzenden Rasenflächen zu mähen. Ich sagte: „Den Rasen mähen ist in Ordnung, aber dieser Haufen bleibt hier. Hier ist das Gelege einer Ringelnatter. Davon gibt es wenig genug, also wird das nicht angerührt.“ „Ist in Ordnung“, stammelte der Bürgermeister. Auch in dieser Situation, meinte mein Ex, hätte ich zu heftig reagiert, aber ich hatte erreicht, was ich wollte, der Reisighaufen blieb dort liegen und die Ringelnatter blieb auch. Also war doch alles gut.

 

Zum Abschluss möchte ich an dieser Stelle zugeben, dass ich echte Schwierigkeiten damit habe, mir Gesichter zu merken und diese den entsprechenden Namen zuzuordnen. Als meine Kinder noch recht klein waren, half ich zeitweise in einem Antiquitätenladen in der Nachbarschaft aus, um die Haushaltskasse aufzubessern. Eines Tages war ich allein im Laden, als ein Kunde den Laden betrat, bei dem ich sicher war, mich an seinen Namen zu erinnern. Er betrachtete ein Bild, das er gerne kaufen wollte. Allerdings war dieses Bild noch nicht mit einem Preis versehen, so dass ich ihm anbot, mit einer Notiz zu vermerken, dass er daran interessiert war. „Wie schreiben Sie sich denn, Herr Fuhrmann?“ fragte ich. Er antwortete: „V E H R S.“ Das war mir so peinlich.

Aber wirklich daraus gelernt habe ich nicht. Manchmal ist mein Mundwerk immer noch schneller als mein Gehirn. Ich glaube, das ist angeboren, wahrscheinlich vererbt, denn mittlerweile hat Swea das gleiche Problem. Wer mich kennt, kann aber gut damit leben.

 

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Chrissy55
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