Eine Geschichte aus Windaschybel, der Traumwelt DER WEG DES LIMAREN Kapitel 13 Inhalt: Tyquan, der Sohn eines Wüstenhändlers, ist schon seit frühester Kindheit anders als der Rest seines Volkes. Denn bei Einbruch der Nacht verwandelt er sich in ein Wesen, das von vielen bewundert und von allen gefürchtet wird - in einen Limaren. Die einzige Hoffnung auf Erlösung bietet eine alte Legende der Rogasch, eines Wüstenvolkes, das abgeschieden von allen in den lebensfeindlichsten Gebieten Morner te Lobessas lebt. Um von seinem Fluch erlöst zu werden, begibt sich der junge Krieger auf eine gefährliche Reise durch ganz Windaschybel, immer auf der Suche nach Hinweisen und Personen, die ihm dabei helfen können, sich selbst besser zu verstehen.
Unruhig schritt Tyquan den Gang auf und ab; bewegte sich mit großen Schritten von der einen Wand zur anderen. Beide kannte er inzwischen so gut, dass er genau wusste, wo die alten Bretter von Holzwürmern befallen waren und wo sich ob der ständigen Feuchtigkeit bereits Schimmel gebildet hatte. Seine Gedanken waren wirr und völlig zusammenhanglos. Er konnte sich auf nichts wirklich konzentrieren und doch wusste er genau, was er zu tun hatte und was er tun würde. Es bedurfte nur noch eines einzigen Gespräches mit Nadims Helferin in Not und er konnte aufbrechen, dies alles hinter sich lassen. Zwar mit einem leicht unguten Gefühl im Magen aber doch überzeugt von der Richtigkeit seines Handelns. Seit nunmehr drei vollen Tagen wartete er darauf, dass es dem Dieb besser ging, doch bisher hatte sich nicht viel getan. Tyquan selbst war inzwischen wieder vollends bei Kräften und erst heute Morgen war Rakesh aufgetaucht, der, wie es ihm beigebracht worden war, die Ausrüstung seines Reiters, die dieser bei seiner Flucht mit Nadim zurückgelassen hatte, bei sich getragen hatte. Somit gab es eigentlich nichts mehr, das den Limaren an diesem Ort hielt, sofern man von Nadim absah, der jedoch auch wenn er sich auf dem Weg der Besserung befinden sollte, nur eine Last für seine weitere Reise darstellen würde, weshalb es für sie beide besser war, wenn Tyquan allein aufbrach und den Dieb in den kundigen Händen Barbaras, so der Name der Heilerin, zurückließ.
Er verstand ohnehin nicht, weshalb er sich überhaupt darüber Gedanken machte. Schließlich hatte er den Dieb nicht darum gebeten, ihn zu begleiten,…jedenfalls nicht für so lange.
Ein Knarren ließ ihn aus seinen Gedanken auffahren. Ein roter Haarschopf war das erste was er sah, bis die Heilerin sich zu ihm umdrehte. Ein kleines Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie den Umherschreitenden erblickte. Leise zog sie die Tür hinter sich zu.
„Wie sieht es aus?“, fragte Tyquan ohne Umschweife, woraufhin Barbara sich an ihm vorbeizwängte und ihm zu verstehen gab, dass er ihr folgen solle. Erst als sie die einfache Küche erreicht hatte, in der außer der Herdstelle nicht mehr als ein kleiner Tisch und zwei wackelige Stühle standen, erklärte sie:
„Die Schwellung ist einigermaßen zurückgegangen. Was die angeknacksten Rippen angeht, von denen ich Euch schon berichtet habe, so habe ich das Gröbste richten können, allerdings sind ein paar Knochensplitter ins Gewebe eingedrungen, von denen ich, wie ich hoffe, den Großteil herausholen konnte. Alles in allem denke ich, dass er es überstehen wird. Was er jetzt braucht ist Ruhe.“
Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, den er nicht recht zu deuten vermochte, bevor sie sagte: „Wisst Ihr, eigentlich solltet Ihr Euch eher seinen Tod als seine Genesung wünschen.“
Vor Verblüffung ob dieser Worte brachte Tyquan einen Moment lang keinen Ton heraus. Dann murmelte er: „Wie war das?“
„Ich weiß, was Ihr seid“, erklärte Barbara schlicht, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließ und seine Reaktionen genauestens studierte. „Jemand wie Ihr sollte jemandem wie ihm nicht vertrauen. Wisst Ihr, ich habe bestimmte Fähigkeiten, die über die Heilkunst hinausgehen und ich habe ein schlechtes Gefühl bei diesem Menschen. Irgendwann wird er Euch in den Rücken fallen. Es sei denn, Ihr beendet es. In seinem Zustand würde er nicht einmal etwas mitbekommen.“
„Wie könnt Ihr Euch anmaßen, so etwas zu sagen“, brauste der Limar auf. „Ihr wisst gar nichts. Dieser Mann hat mir schon zwei Mal das Leben gerettet. Ich schulde ihm etwas.“
„Aber nicht Euer Leben“, warf die Heilerin ein. „Ihr seid zu wichtig.“
Tyquan schnaubte, nicht wissend, ob er lachen oder losbrüllen sollte. Was bildete sich dieses Weib überhaupt ein? Anstatt jedoch seinem Zorn Luft zu machen, zwang er sich ruhig zu bleiben. „Ich bitte Euch, auf ihn Acht zu geben, ihm wieder auf die Beine zu helfen. Mehr verlange ich nicht. Ich lasse Euch auch etwas Geld da, damit Ihr es nicht umsonst tun müsst.“
„Ich will Euer Geld nicht“, erwiderte sie. „Dieser Mann ist gefährlich, auch wenn er nicht so aussieht.“
„Vielleicht beruhigt es Euch ja, wenn ich sage, dass ich nicht vorhabe, noch einmal zurückzukommen. Nadim ist mir schon viel zu lange gefolgt. Es hätte gar nicht erst so weit kommen dürfen.“
Barbara musterte ihn auf unbeschreibliche Weise und ihr Schweigen machte ihn irgendwie unruhig. Doch dann erklärte sie: „Das ist Eure Sache. Ich dürfte mich eigentlich gar nicht einmischen, aber ich konnte Euch nicht ungewarnt lassen.“
„Ich danke Euch, für Eure Sorge. Doch diese ist völlig unbegründet. Heute Nacht werde ich aufbrechen und Ihr werdet mich nie wieder sehen.“
Nach kurzem Überlegen zog er seinen Geldbeutel hervor und legte ihn auf den wackeligen Tisch. „Hier, nehmt das für Eure Mühen.“
*
Schleppend zogen sich die Stunden hin, während Tyquan darauf wartete, dass der Tag der Nacht wich. Rakesh hatte er vorausgeschickt mit dem Großteil seiner Ausrüstung. Er wusste, dass auf den Hengst Verlass war. Dieser war nämlich klüger als so manch anderer Vertreter seiner Art und um vieles kräftiger.
Seit seinem Gespräch mit Barbara hatte er diese nicht mehr gesehen. Es schien, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Als er noch einmal Nadims Zimmer betreten hatte, um ein letztes Mal nach dem unglücklichen Dieb zu sehen, hatte er sie auch dort nicht vorgefunden. Der Gestank der von dem Bettlägrigen ausgegangen war, war ihm fast unerträglich gewesen und doch hatte er sich dazu durchgerungen, eine Weile einfach dazustehen und den anderen anzusehen. Was glaubte dieses Weibsbild bloß zu wissen, das er nicht wusste? Er hatte ihr nicht gezeigt, wie sehr ihn ihre Worte beunruhigt hatten und doch konnte Tyquan sich nicht wirklich vorstellen, dass Nadim ihm jemals zum Verhängnis werden sollte. Dazu hätte er schon genügend Möglichkeiten gehabt.
Nun saß der Limar lässig gegen einen Stein gelehnt da und labte sich an den letzten Sonnenstrahlen. Zu seinem Glück lag Barbaras kleine Hütte weit genug außerhalb Mornas, sodass es kein Problem sein würde, sich hier in der Nähe der Verwandlung zu unterziehen. Trotzdem hatte Tyquan beschlossen, sich ein Stück zu entfernen, um der Kräuterheilerin keine Schwierigkeiten zu bereiten, falls ein besonders eifriger Bürger einen limarenähnlichen Schatten von ihrem Grundstück verschwinden sehen sollte. Als es merklich kühler wurde, stieß er sich von dem Stein ab und setzte sich schnellen Schrittes in Bewegung, verfiel bald in einen trabähnlichen Lauf. Gerade verschwand er hinter einer unnatürlich anmutenden Felsformation, als die Verwandlung einsetzte. Schmerz durchzuckte seinen Körper und als er hinter dem Geröll wieder zum Vorschein kam, breitete er seine Flügel aus und tauchte in den leicht rötlich gefärbten Himmel ein, mit den Gedanken bereits beim Ybeleran-Gebirge. Dort könnte sich das befinden, nach dem er schon sein ganzes Leben lang gesucht hatte: Erlösung.
*
Langsam kroch die Sonne vom Boden hinauf zum Himmel. Wie ein Lumpenbündel hockte Tyquan zwischen ein paar Sträuchern und versuchte wieder zu Kräften zu kommen. Etwas entfernt rauschten die Wasser der Morena in aberwitziger Schnelle die Hänge herab. Er konnte die Kühle des nahen Nasses spüren, genauso wie Rakesh, der schnaubend und nervös tänzelnd neben seinem Herrn stand. Dieser erhob sich nun langsam, ein wenig schwankend und griff nach den Waffen, die der Hengst bisher für ihn getragen hatte. Das Gelände war zu steil und der Boden zu unsicher, um das Tier mit zu nehmen, weshalb er ihn hier zurücklassen würde. Mit leicht zittrigen Fingern schnürte sich Tyquan die Scheide seines Katanas um und befestigte die Armbrust auf seinem Rücken, sodass er sie im Notfall schnell zur Hand hatte. Die zugehörigen Bolzen ruhten neben seinen zahlreichen Messern in einem ledernen Köcher.
„Wenn wir Glück haben, ist dies das letzte Mal, dass wir uns auf diese Reise begeben haben“, erklärte er Rakesh und klopfte ihm sacht auf den Hals. Der Hengst schnaubte. Irgendetwas schien ihm an diesem Gebirge ganz und gar nicht zu gefallen. Ob dieses einfachen Verhaltens runzelte der Limar die Stirn und sah sich noch einmal genauer um. Die halbe Nacht hatte er damit verbracht, in seiner Limarengestalt über den Gipfeln zu kreisen, derer zwei sich wie Zwillinge glichen. In der Dunkelheit war ihm nichts Merkwürdiges aufgefallen, was einerseits gut, andererseits schlecht war. So bedeutete das zumindest, dass ihn kein allzu großer Ärger erwarten dürfte. Allerdings wusste er somit auch nicht, wo er mit seiner Suche anfangen sollte. Seufzend begann er schließlich den Aufstieg, der sicherlich mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde. Er wusste, dass es wenig Sinn hatte, einfach auf gut Glück loszuwandern, doch im Moment blieb ihm nichts anderes übrig. Sollte er auf Minenarbeiter treffen, so könnten diese ihm seine Suche eventuell erleichtern, doch der Kontakt mit Menschen barg gleichzeitig auch immer Gefahren, da sie von Natur aus neugieriger waren als es ihnen guttat.
Er war bereits seit mehreren Stunden unterwegs, als er Geräusche hörte, die eindeutig nicht natürlich waren. Bisher hatten ihn lediglich das Krächzen von Krähen, der heulende Wind und gelegentliches Scheppern beim Abrutschen einer Gerölllawine begleitet. Nun jedoch vernahm er eindeutig das Schlagen von Metall auf Stein. Nun musste er sich also entscheiden. Sollte er um Rat fragen und damit riskieren, dass die Männer sich in seine Belange einmischen wollten oder aber sollte er auf eigene Faust das ganze Gebirge durchkämmen? Letzteres, so wusste er, könnte Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte. Das Ybeleran-Gebirge war nicht nur von seiner beachtlichen Höhe her sondern auch aufgrund seiner Ausbreitung, die mehrere Hunderte Kilometer betrug, das beeindruckendste Naturdenkmal Windaschybels. Es wäre schlicht und einfach lächerlich zu glauben, hier völlig allein zurecht zu kommen, geschweige denn etwas zu finden, von dem man noch nicht einmal genau wusste, was es überhaupt war.
Mit einem unguten Gefühl im Magen schritt Tyquan also weiter und näherte sich den hämmernden Geräuschen. Bald konnte er auch raue, tiefe Stimmen hören und im nächsten Moment war der Blick frei auf die Personen, die diese Geräusche verursachten. Einen Moment lang, hielt der Limar im Gehen inne und beobachtete von seiner erhöhten Position aus das Geschehen.
Zu sehen waren drei Männer, allesamt bärtig und braungebrannt. Auf ihren Häuptern ruhten unförmige graue Mützen und an ihren Gürteln hingen unübersichtlich nicht die Werkzeuge von Bergarbeitern. Hastig ging Tyquan in Deckung. Wen auch immer er da beobachtete, sie schienen sich aufs Töten zu verstehen oder zumindest glaubten sie das.
„Bitte,…lasst doch diesen Unsinn…ich“, tat sich da eine leisere, flehende Stimme hervor, woraufhin ein grobes Lachen erklang.
„Schnauze!“, knurrte einer der drei, griff blitzschnell nach einem hammerartigen Wurfgerät an seinem Gürtel und schleuderte dieses in jene Richtung, aus der das Jammern gekommen war. Ein spitzer Aufschrei war zu hören, dann wieder Gelächter.
Tyquan verlagerte sein Gewicht etwas und rutschte vorsichtig zur Seite, um einen Blick auf die vierte Person zu werfen, die ihm bisher nicht aufgefallen war. Seine Stirn runzelte sich als er erkannte, dass es sich um ein Kind handelte…einen Jungen, vielleicht gerade neun, zehn Jahre alt.
„Du sagtest, er würde hier auftauchen. Dein Meister hat dich uns anvertraut, damit du uns hilfst, aber stattdessen hast du uns schon zigmal einer falschen Fährte folgen lassen du verdammtes Gör!“ Erneut wurde etwas nach dem Jungen geschleudert, der mit einfachen Stricken an einen Felsen gebunden war und sich somit nicht ducken konnte. Allerdings ging auch jenes Geschoss, wie die vorherigen daneben, was darauf schließen ließ, dass die drei ihn nicht verletzen wollten,…oder aber auch einfach nur, dass sie ein schlechtes Ziel hatten.
„Ich habe euch nicht angelogen“, wimmerte das Kind und zerrte an seinen Fesseln. „Meine Kräfte sind noch nicht ganz ausgereift, aber ich schwöre, diesmal wird er kommen. Er….“ Plötzlich stockte er ihm Sprechen und ein Zucken durchlief seinen Körper. Mehrmals öffnete und schloss sich sein Mund, ohne dass Worte daraus hervorkamen…dann keuchte er wie ein Greis, der nur noch wenige Atemzüge zu leben hat: „Er ist da…“
Wie ein Mann wandten sich die drei um. In Sekundenschnelle waren Waffen in ihre Hände gewandert und Tyquan wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich weiter zu verstecken. Es sirrte leise, als er sein Katana zog.
Warum mussten seine Tage bloß ständig auf diese Art ausklingen?
© Fianna 01/05/2013
Fianna Re: - Zitat: (Original von EagleWriter am 01.05.2013 - 23:51 Uhr) Juhu.. es geht weiter.^^ Tyquan hat auch einfach kein Glück lg E:W Ja...ich dachte mir, dass ich die Geschichte nicht einfach so unvollendet im Raum stehen lassen kann ;-) Was wäre schon ein Held, der in Glück badet? Vermutlich unzufrieden... Danke, dass du nach der langen Pause trotzdem an der Geschichte dranbleibst. Liebe Grüße Fianna |
EagleWriter Juhu.. es geht weiter.^^ Tyquan hat auch einfach kein Glück lg E:W |