Biografien & Erinnerungen
Löwenmutter

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"Löwenmutter"
Veröffentlicht am 26. Juni 2008, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Löwenmutter

Löwenmutter

Ihr kennt mich nun schon eine ganze Weile und niemand kann sich wahrscheinlich vorstellen, dass ich Gewalt anwende. Tue ich in der Regel auch nicht. Im Grunde meines Herzens bin ich nämlich ein außerordentlich friedlicher Mensch es sei denn – ja, es sein denn, jemand wagt es, einem meiner Kinder etwas zu tun. Dann werde ich zur Löwenmutter, dann wachse ich über mich hinaus. Anmerken möchte ich noch, dass diese Geschichte tatsächlich so passiert ist.

Es macht mir nichts aus, wenn jemand mich angreift. Ich persönlich kann jede Menge einstecken. Wenn mich jemand beleidigt, ignoriere ich es, wenn jemand über mich lacht, lache ich mit. Nur – und diese Warnung ist wirklich ernst gemeint – lasst meine Kinder in Ruhe, sonst bekommt ihr es mit mir zu tun.

Hätte es jemals jemand gewagt oder würde es jemals jemand wagen, sich an meiner Tochter gegen ihren Willen zu vergreifen, dann würde er das nicht überleben, dessen bin ich mir sicher.

Nun aber endlich zu meiner Geschichte:

Damals lebte bei uns ein junges Mädchen zur Untermiete. Wir haben ihr Obhut angeboten, weil ihr Vater Alkoholiker war und sie es Zuhause nicht mehr länger aushielt. Ihr Freund, Jörg K., 21 Jahre alt, war gelernter Kfz-Mechaniker, locker 1,90 Meter groß und breitschultrig. Hätte mir vor diesem Ereignis jemand gesagt, dass ich ihm gegenüber jemals handgreiflich werden würde, hätte ich geantwortet: „Im Leben nicht, ich bin doch nicht verrückt, er ist doch viel stärker als ich.“ Stimmt so auch alles, aber an diesem besagten Tag, hat dieser Jörg K. meinen Sohn angegriffen. Ich weiß noch, dass der Auslöser für diesen Ausraster eine völlig belanglose Angelegenheit war. Jörg K. begann nun, auf Benjamin einzuschlagen und zu treten. Meine beiden anderen Kinder und Julia hatten sich aufgeregt um dieses Schauspiel herum versammelt und schrieen auf Jörg ein, er solle doch aufhören. Unsere Rauhaardackelhündin Trina sprang aufgeregt kläffend um die beiden jungen Männer herum. Ich kam erst Minuten später hinzu, durch den Lärm aufmerksam geworden. Ich sah nur, dass Benjamin hilflos am Boden lag und Jörg K. auf ihn einschlug und eintrat. Ich habe noch nie in meinem Leben so einen Kontrollverlust und so eine Aggressivität bei einem Menschen gesehen.

Ich kam hinzu, stürzte mich auf Jörg, packte ihn tatsächlich am Kragen, beförderte ihn zur Haustür und warf ihn hinaus. Dann schrie ich ihm hinterher, er solle es ja nicht wagen, sich noch einmal bei uns im Haus oder in der Nähe des Hauses blicken zu lassen, dann würde er etwas erleben.

Seitdem habe ich diesen jungen Mann auch nie wieder gesehen. Um unser Haus machte er zukünftig einen großen Bogen. Das war auch besser so. Ich fuhr sofort mit Benjamin zum Arzt. Wir machten Fotos und erstatteten Anzeige wegen Körperverletzung. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, weil für die Allgemeinheit kein Interesse an der Verfolgung dieser Straftat bestand. Ich muss zugeben, dass ich von der Staatsanwaltschaft sehr enttäuscht war.

Nur wenige Wochen später sahen wir uns im Familienkreis den Film „Schindlers Liste“ an. Meine Kinder meinten: „Mama hätte die SS-Männer reihenweise zusammengehauen.“ „Und“, sagte mein Mann: „Was hätte ihr das gebracht?“ Ich antwortete nur: „Eine Mutter denkt nicht darüber nach, was ihr das bringt. Es gibt Situationen, in denen reagiert eine Mutter nur.“

Heute weiß ich sicher, dass das wahr ist. Jede Mutter ist in der Lage, über sich hinauszuwachsen, wenn sie das Gefühl hat, ihre Kinder werden bedroht. Auch ich habe in dieser Situation überhaupt nicht nachgedacht, ich habe nur reagiert. Gedanken an eigene Gefahr oder daran, dass er mir kräftemäßig überlegen sein konnte, hatte ich in dieser Situation nicht. Ich sah mein Kind bedroht und habe gehandelt, so einfach ist das.

Also seit lieber friedlich euren Mitmenschen gegenüber, denn jeder Mensch hat eine Mutter, die zur Löwenmutter wird, wenn sie ihr Kind in Gefahr sieht.

 

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Hörbuch

Über den Autor

Chrissy55
Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.

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Chrissy55 Re: Löwen -
Zitat: (Original von rumpi am 26.06.2008 - 22:49 Uhr) sollten doch eigendlich alle Eltern sein.Du hast sehr mutig aber vollkommen richtig gehandelt.
Wenn jemand meinen Kindern etwas an tun will,dann werde auch ich zum Tier,aber meistens sind wir dann noch die dummen.

LG,Karsten

Mag sein, lieber Karsten, aber erinnerst du dich an Marianne Bachmeier, die den Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschossen hat? Ich kann sie verstehen. Ich würde genauso reagieren. Ich denke, es gibt Situationen, in denen liebende Eltern - es gibt ja scheinbar auch andere, auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann, nicht nachdenken sondern einfach reagieren. Andererseits würde wirklich nie jemand, der mich kennt, wagen, meinen Kindern etwas anzutun. Was übrigens das Positive an dieser Geschichte ist, ist, dass das es das Urvertrauen meiner Kinder zu mir noch gestärkt hat. Ich bin aber heute nicht so gut drauf, deshalb schreibe ich auch zu deinen Texten meine Kommentare lieber erst morgen, hab Geduld. Danke dafür LG Chrissy
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rumpi Löwen - sollten doch eigendlich alle Eltern sein.Du hast sehr mutig aber vollkommen richtig gehandelt.
Wenn jemand meinen Kindern etwas an tun will,dann werde auch ich zum Tier,aber meistens sind wir dann noch die dummen.

LG,Karsten
Vor langer Zeit - Antworten
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