Es treffen sich drei Herren, die bei gutem Essen darüber debattieren, wie ein gerechter Staat oder die gerechte Gesellschaft grundsätzlich gestrickt sein sollte. Ob sie atheistisch oder religiös sie sollte, was sich daraus ergibt, wo die Grenze des Strafens liegt usw. Hier wird nicht der Anspruch erhoben alles gänzlich auszuführen und den jeweiligen Beiträgen wären noch viele Punkte hinzuzufügen, einerseits argumentativ, andererseits was die Anzahl der Themen selbst betrifft, weshal iczh dies nur als Versuch ansehe, der nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Der Autor würde sich aber über angeregte Diskussionen bei den Kommentaren und weiterführende Anmerkungen der Leser freuen.
„Meine sehr verehrten Freunde“, begann der Gastgeber. Genauso eröffnete er jedes dieser Zusammentreffen, es war ein Ritual, was in seiner Eingespieltheit und Feierlichkeit etwas schon fast klerikales hatte, doch dies zuzugestehen traute sich niemand im Raum.
„Ich freue mich, dass ihr beide euch hier wieder eingefunden habt. Wollen wir also ohne Umschweife zum wichtigen Teil des Abends kommen.“
Er griff hinter sich und zog eine Porzellanterrine hervor, die er in der Mitte des runden Tisches drapierte, an dem die drei Herren saßen und so ein Dreieck bildeten. Einem jeden der beiden Gäste und auch sich selbst schenkte er von der leichten Suppe ein, welche sie zur Anregung genossen, dazu reichte er leichtes Weißbrot mit einem Aufstrich, dessen Konsistenz nicht genau, sowie die Ingredienzen lieber nicht erforscht werden wollten, denn das Ergebnis war eine schmierbare, graue Masse undefinierbaren Geschmackes, welche die Speichelproduktion jedoch auf das Äußerste anregte.
Alle Herren trugen leichte Hausmäntel, die eigentliche Garderobe, die ihre Profession angab hatten sie im Flur gelassen, jedoch nicht ihre darin steckende Einstellung. Links saß Thomas, der Pfarrer in der örtlichen Gemeinde war. Ihm gegenüber saß Dennis, ein Germanist und renommierter Autor verschiedener Abhandlungen über den Ursprung verschiedener Sprachen. Ihr Gastgeber war David, ein schon etwas väterlich anmutender Mann, der aber kaum älter war als die beiden Gäste, denn alle kannten sich seit der gemeinsamen Kindheit. Er war Richter am hiesigen Verwaltungsgericht.
„Ich setzte mich noch nicht, denn noch muss das Thema des heutigen Abends ausgegeben werden. Und ich weiß, es wird euch beide freuen, besonders aufgrund eurer geistigen Einstellungen im engeren Sinne. Und es ist keine geringe geistige Herausforderung, denn wir werden heute einmal den Versuch des Anrisses einer gerechten Gesellschaft starten“, begann er freundlich, nachdem er das Thema ausgebreitet hatte und setzte sich.
„Du gibst uns ein großes Thema, aber keinen Startpunkt? Ich muss dich tadeln, David!“, kam es von Seiten Dennis.
„Oh, ich bin untröstlich und dabei kündigte ich es doch in der Vorrede bereits an. Nun, ich denke wir nutzen den Startpunkt, den viele dieser Diskussionen in der Zeit der Aufklärung nahmen und die sie wohl auch heute noch haben muss, denn ohne diese wichtige Frage, praktisch diese Urfrage zu klären, kann man nicht sinnvoll weiterargumentieren. Ich spreche davon, ob es Gott gibt“, warf er in den Raum und die beiden Gäste blickten sich wie erstarrt an.
„Natürlich sollten wir gewisse Regeln beachten, die dem Fair Play entspringen, ich denke, da sind wir uns alle einig“, sagte er und die Gäste nickten zustimmend.
„Die letzte Diskussion eröffnete Dennis, deshalb ist es heute an Thomas. Bitte, erhelle uns.“
„Ihr beiden gestattet mir doch sicherlich erst einmal ein wenig Suppe und einen Bissen Brot, ich möchte die Vorspeise ungern kalt werden lassen. Zudem muss ich meine Stimmbänder gewissermaßen ölen.“
Allgemeine Zustimmung folgte, die jedoch den Beginn heraus zögerte und die dramatische Spannung nur verstärkte.
„Ich könnte ja einfach behaupten, dass man sich die Wirkungen betrachten muss, dass man sieht, was gewirkt wird. Man solle sich doch nur den Menschen betrachten, das Bild Gottes und dann auf die Ursache schließen. Das wäre leicht und doch würde man erwidern, dass man dieses Spiel vom Regress infinit weiterführen kann. Was ist das Resultat? Eine unendliche Kette ohne Ergebnis, bis wir nicht sagen, dass da Gott zuerst steht oder eben der Urknall. Das bringt uns nicht weiter, das gestehe ich. Auch will ich nicht auf so abstraktes wie das Schöne hinweisen und sagen, dass nur der weiseste aller Weisen dies hätte schaffen können und nur Gott hat diese absolute Weisheit. Dann kann man doch auch sagen, dass gerade die wunderbaren christlichen Bauten, sakrale Schmuckkästchen, wenn ich es so sagen darf, von seiner Schöpfung, also dem Menschen errichtet wurden, dass also auch wir schöpfend tätig werden können, dass aber nichts beweist. Auch hier landen wir nur dabei, dass wir fragen, wer der unbewegte, oder bewegte Beweger war.“
Er nahm wieder ein paar Löffel Suppe zu sich und beobachtete erfreut, dass seine Freunde, gerade Dennis sehr interessiert folgten. Dann lehnte er sich entspannt auf seinem Stuhl zurück und sprach weiter.
„Nun, was dann? Wir wollen Gott ja nicht voraussetzen, denn das wäre an der Wirklichkeit vorbei gedacht, obwohl der Gläubige dies nicht so empfinden würde. Aber ein anderes ist zu bedenken. Gott muss ja nicht zwangsweise wirken in dieser Welt. Manche Ansicht sagt ja, er stieß an und wartet nun ab, was seine Schöpfung tut, wir gehen davon aus, denn ich will nicht die Schöpfung der 8 Tage heranziehen, denn sonst erkläre ich die Evolution für falsch und nicht vereinbar mit der Schöpfung. Aber trotzdem, auch ohne wirken, hat er doch großen vollbracht, indem er alles vielleicht begann aber zumindest doch aber das Ziel ist. Gott ist ein spirituelles Ziel, welches uns eine Richtung gibt, wir können leben, weil wir wissen, was kommen kann, weil wir unser Leben so gestalten, dass wir gute Christen oder andere Gläubige sind. Und das ist es doch, was der Mensch so nötig braucht. Einen identitätsstiftenden Beginn und vor allem ein großes Ziel. Wir planen jeden Tag und sehen immer Etappen aber es braucht ein Ziel außerhalb der kapitalistischen Arbeitswelt, welches uns erstrebenswert erscheint. So muss ich doch sagen, kann ich nicht sagen, ob es ihn gibt, aber ich bin doch soweit, dass ich sagen kann, dass er eine Notwendigkeit ist um die sonst entstehende Leere zu füllen“, schloss er und leerte als Letzter seinen Teller.
„Dann wäre jetzt Dennis dran, aber vorher sollten wir noch klären, ob der Hauptgang serviert werden soll, oder ob wir noch warten sollten, bis er seine Ausführungen beendet hat.“
„Ich würde auch mit dem Hauptgang vor mir gerne sprechen, denn ehrlich gesagt hat der Speichelfluss mich sehr hungrig gestimmt und das kann ein Stück Brot nicht füllen, ich möchte sagen, auch ich fühle eine gewisse Leere“, flog die Spitze gegen den Vorredner, der aber herzlich darüber lachen konnte.
Und so präsentierte David mehrere Terrinen, unter denen sich der Tisch bog.
„Ihr habt die Wahl. Hähnchenbrust, Kartoffelbrei, Gemüse, gebratenen Reis und zwei Arten von Saucen.“
Seine Gäste bedienten sich vorsichtig und auch David nahm sich ein wenig Kartoffelbrei und dann eröffnete David.
„Nun, man kann dem ja nicht so viel entgegen halten, denn unser Freund hat sich ja selbst ein paar Argumente zerstört, was ich ihm hoch anrechne, denn damit schone ich meine Stimme. Aber ich möchte natürlich noch Ergänzungen tätigen. Dazu gehört eben auch zu sagen, dass man gerne diesen Standpunkt einnehmen kann, aber er doch nicht so einfach ist. Ich meine es geht auch mit Gott, aber da hat Thomas schon eine gewisse Richtung gewiesen. Er muss ja nicht wirken sagtest du. Ich sage, wenn er ist, dann kann er nicht. Gott ist, wenn Allmächtig, dann zu keinem Wirken fähig, denn alles Wirken verringert seine Allmächtigkeit. Das bedeutet, dass er sich nur in den von ihm definierten Naturgesetzen manifestiert. Das bedeutet aber, dass wir nicht zu ihm beten müssen, dass es keinen wirkenden Gott gibt, sondern nur einen Beobachter. Aber wenn wir alles naturwissenschaftlich erklären können, wozu Gott? Dann können wir doch gleich sagen, dass es ihn nicht gibt. Natürlich schließt sich daran an, was auch du angeschnitten hast, die Frage danach, ob wir das können, sind die Menschen bereit in einer gottlosen Welt zu leben? Ich meine die säkulare Welt zeigt es deutlich, dass man die Gesellschaft auch formen kann, ohne eine Religion zur Staatsreligion zu erklären, oder öffentlich zu postulieren. Und ich behaupte auch, dass der Mensch sehr gut ohne privaten Glauben leben kann, denn was hindert ihn daran seiner Gesellschaft nützlich zu sein und sich selbst Gutes zu tun? Nichts. Erfüllung kann man doch gerade in dieser eigenen schöpferischen Tätigkeit finden. Ich glaube das kann keiner von uns bestreiten, denn wir alle schaffen Dinge. Bücher, Reden, wir haben Kinder, die wir lieben und Frauen, die wir vergöttern. Ist denn das alles plötzlich weg, nur weil Bande fehlen, die die Religion vorgibt? Ich meine, dass dem nicht so ist, also brauchen wir keinen Gott, die Frage, ob er ist oder nicht kann man getrost ad acta legen, wie es mein Freund ja auch indirekt bereits getan hat, weil er auf die Frage verwies, ob wir ihn brauchen.“
David nickte.
„Ich weiß nicht, ob du etwas erwidern möchtest, Thomas?“
„Ja. Man kann nicht vergessen, dass viele Kulturen eben auf Religion gegründet sind. Man kann sagen, dass diese ursprünglich starken Bande mit der Zeit marginalisiert werden, dass sie vielleicht auch heute keine große Zeitgemäßheit mehr haben werden, aber man kann doch solche Kulturellen Gemeinsamkeiten nicht einfach wegwischen. Und dass es sehr viele Gläubige gibt, deren Zahl wächst, trotz des postmetaphysischen Zeitalters. Verlieren wir das bitte nicht aus den Augen. Und ja, es wird wohl nicht gleich der totale Sittenverfall eintreten, wenn wir dies überwinden, aber gibt es nicht auch die, die Hilfe suchen? Die eben nicht im Leben selbst ihren Sinn sehen? Sind es nicht solche haltlosen Menschen, die die Hilfe von Uns mehr brauchen denn je? Was wäre, wenn wir diesen Seelen plötzlich sagten, es gäbe da nichts weiter und der Tod sei der natürliche Schlussakkord ohne Nachhall, abgesehen von der Reputation, die man sich schuf. Eine gewisse Trostlosigkeit, findest du nicht auch?“
Dennis nickte zustimmend.
„Dann glaube ich diese Runde erst einmal schließen zu können?“, fragte David und die Gäste nickten, während sie sich aus der Weinkaraffe bedienten, die vor ihnen stand.
„Es ist wohl zu erkennen, dass man nicht genau sagen kann, ob wir Gott negieren, oder nicht. Ich glaube zu meinen, dass wohl der Standpunkt frei wählbar ist, persönlich. Ob man glaubt, oder eben im Glauben Erfüllung findet oder nicht, dass sollte die Privatangelegenheit sein, die nicht vorgeschrieben werden kann. Dann kommen wir aber schon auf das Feld der moralischen Implikationen. Religionen geben uns dafür ja eben Leitfäden für das richtige, tugendhafte Leben. Ich glaube, das muss unser Freund nicht ausführen. Aber was wäre denn, wenn diese nicht wären?“, fragte ihn David.
Thomas, der gerade seinen Kartoffelbrei genoss, genehmigte sich einen Schluck Wein.
„Nun, wir würden nicht augenblicklich verrohen, das nicht. Aber es gibt wichtige Dinge, in deren Grenzbereichen die Ethik der Religion, der Moral, eine wichtige Rolle spielt. Für das alltägliche Leben in keinen Dingen, wie der Frage, ob ich lügen soll oder treu usw. Aber in der Wissenschaft sehe ich doch die weitaus größeren Felder dafür gegeben, sofern wir unsere eigenen Probleme nicht überhöhen. Was ich meine sind die exzessiven Spielereien der Wissenschaft wie das Klonen, genetische Manipulieren, die Massenvernichtungswaffen. Für die Wissenschaft alles in Ordnung, denn es ist ja alles gut, aber ich denke dass gerade hier die Vorsicht der Religion und des Glaubens notwendig ist um uns davor zu bewahren die fatalen letzten Schritte zu gehen. Wenn dort keine Skrupel mehr gegeben sind, dann wird die Vernichtung der menschlichen Rasse in einem noch deutlich extremeren Maße vorangetrieben als so schon. Ich sehe gerade darin eine wichtige Implikation und Einmischung der Religion und ihrer Moral, die wohl höhere Hürden legt als die eigene Verantwortlichkeit es tut, aber das ist auch gut so, denn gerade dadurch werden wir zum Denken angeregt. Und gleiches gilt für die Gesellschaft. Sie belästigt den Fortschritt, der sonst blind ins Fatale mündet. Ich denke das wäre es wohl, was die gottlose Welt erwarten würde.“
Dennis schnitt gerade an seiner Hühnerbrust herum, als er die Pause seines Gegenübers bemerkte.
„Bravo. Wahrlich muss ich sagen ist das ein großes Problem. Entspringt alle Implikation der Lust, so will ich es sagen, dann möchte ich dieses Szenario gestalten. Der Mensch hat von Natur Triebe, die es zu befriedigen gilt. Natürlich kann man damit auch über das Ziel hinausschießen. Verfeinert man diese Lusterfüllungen jedoch dahingehend, dass man sie unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass man etwas mehr nur als besondere Augenblicke genießt und sonst normal in deren Befriedigung ist, so kann auch daraus eine in der Tat normale und keinesfalls falsche Gesellschaft entstehen. Vor allem, wenn man erkennt, dass doch die höchste Freude im utilitaren Tun für aller Nutzen sieht, dann kann man sich auch leicht vorstellen, dass man so schädliche Dinge wie Massenvernichtungswaffen an sich verwirft. Sie haben keinen objektiven Nutzen für die Menschheit außer andere zu vernichten und sich selbst über Leichen zu erheben. Dieselbe Nutzlosigkeit hat Krieg. Im Gegensatz dazu hat Religion diese nicht verhindert, sondern gar befeuert. Sie konnte nicht verhindern, dass man sie missbrauchte um die eigenen egoistischen Interessen dahinter zu kaschieren. Die Religion war damit Steigbügelhalter großer Verbrechen, was sie als moralische Instanz nicht allzu günstig dastehen lässt. Da ist es doch eher die atheistische Sicht, die es verhindern kann. Und wenn wir dies auf das Schlusswort unseres Gastgebers anwenden, dann muss es diesen geben, denn er kontrolliert die Religion, wie diese andersherum.“
David genehmigte sich einen Schluck und nickte zustimmend.
„Dann sind wir also alle auf dem Standpunkt, dass wir unterschiedliche Ansichten über die Religion haben, aber darin überein kommen, dass man jedem seinen Glauben lassen soll und beide Seiten, also Glaube und Atheismus sich gegenseitig kontrollieren müssen und das Veto einzulegen haben, wenn die andere Seite zu weit geht. Ich meine das ist ein Standpunkt, der gewissermaßen säkular ist, jedoch diesen insoweit erweitert, dass beide Seiten ein lebhaftes Interesse an der anderen haben müssen, denn ohne Wissen über die Anderen, kann man sie nicht zurückweisen. Darin dürften wir übereinstimmen.“
Dieser Zusammenfassung und Ausführung konnte niemand etwas entgegen halten.
„Da wir also hier angekommen sind möchte ich sagen ist das Fundament ja gelegt insofern, was die Religion oder Nichtreligion dieser Gesellschaft betrifft. Ich will einen Punkt ansprechen, der gewiss auch heute so aktuell ist wie zu Zeiten seiner ersten Fragestellung. Kann diese Gesellschaft gleiche Menschen schaffen, also sozial Gleiche?“, fragte David in die Runde.
„Da möchte ich beginnen“, setzte Dennis ein, der sich gerade Gemüse und Hollondaise auf den Teller tat, wobei er auch ein paar Kartoffeln nutzte, die David vorhin nicht erwähnt hatte, weil er sie erst später auf den Tisch gestellt hatte.
„Das Wort sei dir erteilt, vor allem, weil Thomas gerade sehr hingebungsvoll seine Kartoffeln zerstampft“, sprach dieser lächelnd und Thomas konnte sich seinerseits ein Lächeln nicht verkneifen.
„Die Religion hat Gleichheit nicht gefördert, auch wenn sie anerkennt, dass die Menschen an sich gleich sind. Doch schon darin, dass man argumentiert, die Gleichheit durch den Sündenfall zerstört worden ist, legt man den Grundstein für spätere Ungleichheit sondersgleichen. Natürlich muss es immer die geben, die die Richtung vorgeben, es gibt immer die Lenker, doch das kommt daher, weil man sich repräsentieren lassen will. Würde man den allgemeinen Willen immer zum Ausdruck bringen, bedürfte es keiner Repräsentation, also auch keiner Lenker, denn man wäre es selbst. Auch darin hat die Religion leider das Problem, denn da geht es ja immer stufenweise, es gibt immer den höheren Hirten. Ich will nicht sagen, dass gerade in der Verwaltung dieses Prinzip abgeschafft werden soll und doch gibt es Bereiche, in denen man es nicht braucht. Gesetze z.B. bedürften dieses Verhältnisses, dieser Subordination nicht, sie bedürften nur Übersetzern in die Sprache der Juristen, aber der Wille dahinter soll dem aller Bürger entspringen, dem, was sie wirklich wollen. Daraus ergeben sich kleine Ungleichheiten, was das Gehalt oder die spezialisierte Bildung angeht, doch diese sind entweder notwendig oder verschmerzbar. Aber auch einen weiteren Fehler machte die Religion, denn sie wahrte lange den status quo. Durch Heilsversprechen blieb man dumm und man wollte es so, denn die Mächtigen profitierten von einem unterwürfigen Volk. Ein gebildetes, atheistisches Volk würde sich so nicht herumkommandieren und würde sich nehmen, was ihm zusteht, an stelle auf seinem korrekten Platz zu bleiben, nämlich im Staub seiner Möglichkeiten.“
Thomas nickte kurz und erwiderte: „Das mag stimmen. Aber das gerade war wohl doch ein verstärkt geschichtlicher Exkurs. In einem aufgeklärten und von Bildung durchzogenen Staat werden die Menschen doch eben gerade nicht solche Heilsversprechungen als Zurechtweisungen auf ihren Platz ansehen, sondern als Lebenshilfe um ihren Weg weiter zu beschreiten, jetzt aber mit einer helfenden Stütze. Es gibt immer noch diese rückständigen Länder, doch darin ist doch auch in unserer westlichen Welt ein Egoismus. Wir sind es doch, die das toll finden die Menschen zu verblenden, auch unter Zuhilfenahme, da gebe ich dir recht, der Religion. Doch ist es nicht die Gesellschaft an sich, die das tut? Eine, die eben nicht an die Gleichheit glaubt und daran, dass wir alle Kinder Gottes sind? Es ist eben diese, die sich schon immer über andere erhob und die Säkularisation hat diesen Effekt nicht geschmälert. Wir sagen nicht mehr, dass wir die Kolonialherren sind, die den Bimbo im Buch zivilisieren, aber wir spielen uns immer noch so auf und tun genau das, was wir schon früher nicht taten. Wir beschäftigen uns nicht mit diesen Menschen, sondern nehmen ihnen, was sie haben und woran sie glauben, nur zur eigenen Bereicherung. Würden wir aber alle, Atheisten wie Gläubige, und alle, die dazwischen stehen, eben diese Gleichheit korrekterweise anerkennen und den Nutzen für alle sehen, dann, mein Freund, würden nicht nur die Kriege gestoppt, sondern würde die Ausbeutung auch aufhören. Ich halte es also nicht für ein allein religiöses Problem sondern für die Notwendigkeit aller die Menschen dahingehend zu erziehen, dass wir ihnen verständlich machen, dass wir eine große Gemeinschaft sind, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Hautfarbe etc. Dass wir eine Weltgemeinschaft sind, eine Rasse, die zusammenhalten muss, wenn sie sich nicht selbst auslöschen will.“
Seine Tischnachbarn applaudierten beide.
„Sehr gut gesprochen, Thomas“, meinte David. „Damit nimmst du mir das Resümee unter diesem Punkt vorweg. Ich hoffe, das wird nicht zur Gewohnheit“, drohte er scherzhaft und alle drei lachten.
„Gut, ich trage gleich das Dessert auf. Doch zuvor will ich noch einen Punkt geklärt haben. Eine Gesellschaft muss auch strafen, das dürfte niemand anzweifeln. Und was auch klar sein dürfte ist, dass, je nachdem ob man glaubt oder nicht, die Grenzen dessen, was man pönalisiert unterschiedlich gezogen werden. Das heißt eine wichtige Aufgabe ist doch die Weltgemeinschaft oder die eine Gesellschaft, die wir uns nun explizit heraus nahmen, dahingehend zu schulen, dass sie eine vernünftigen Diskurs darüber führen kann, was man strafen soll und was nicht. Denn bei allem Optimismus ist doch das Leben zu vielfältig, die Eindrücke zu unterschiedlich, als dass man im Detail alle zur gleichen Meinung bringen kann, aber ich denke die wichtigsten Eckpunkte kann man abstecken.“
Die Gäste nickten und aßen die letzten Reste ihres Hauptganges.
„Da kommen wir zur absoluten Grenze, der Todesstrafe. Es wird ja weltweit unterschiedlich gesehen, aber gestattet mir diesen Punkt so auszuführen, wie ich ihn korrekt empfinde und ihr könnt dann Einwürfe tätigen oder eben nicht. Nun, wir dürften alle darin übereinstimmen, dass Mord ein Straftatbestand ist, der wohl mit keinem vergleichbar ist, denn er beendet, egal in welcher Facette er auftritt, sei es eine schwere Folge oder auch nur im Grunddelikt des Totschlages, so muss man doch sagen ist dies zu bestrafen. Fraglich ist, ob man den Mörder auch morden darf. Wenn aber eine Gesellschaft Mord bestraft und als schlimmste Strafe ansieht, ich verweise gerne auf die besondere Systematik in unserem StGB, dann muss man doch sagen würde die Gesellschaft sich selbst nicht gerecht, wenn sie töten würde. Die Motive mögen egal sein, aber was wären wir für unmoralische und vor allem inkonsequente Richter, wenn wir uns zugestehe, was wir allen anderen absprechen? Demnach sollte die Todesstrafe weiterhin verboten sein oder, sofern sie es noch nicht ist, verboten werden.“
Die Zuhörer nickten zustimmend und schwiegen anerkennend über die Ausführungen ihres Freundes.
„Dann kommen wir zum Dessert.“
Er tischte jedem eine Waldfruchtgrütze auf und reicht dazu wahlweise Vanillesoße.
„Dann ist nur noch die Wirtschaftsart zu hinterfragen, also die Frage, wie werden wir arbeiten? Thomas sollte beginnen.“
„Es ist doch hier nicht schwierig den letzten Schluss zu ziehen. Die Religion muss die bestehende ausbeuterische Arbeitsweise geißeln, denn wenn wir wirklich gleich sind, und das suggeriert man uns doch, wenn man sagt, dass alle austauschbar sind, dann sollte auch eine gleiche Entlohnung in den Berufen erfolgen. Und alle arbeiten für das Wohl der Gemeinschaft so viel, wie nötig dafür ist. Wie viel gearbeitet wird hängt dann von der Notwendigkeit ab und auch davon, was benötigt wird. Gewisse zweige sterben und andere blühen und anders herum. Man muss den Menschen nur die Möglichkeit geben sich frei entfalten zu können und ihm auch in der Arbeit, einem, auch ich sehe es so, ihn definierenden Punkt, wahre Erfüllung möglich werden zu lassen.“
„Da stimme ich mit dir überein, aber es gibt einen faden Beigeschmack. Ich meine die Religion ist es doch, die zum Teil problematisch auf das Leben danach oder die Wiedergeburt verweist. Also kann dies doch eben nur dazu führen, dass man sich knechten lässt, weil man glaubt, dass es dann besser sei zu leiden und später entlohnt zu werden als seine Rechte hier zu fordern. In einer atheistischen Gesellschaft entsteht dieses Problem nicht.“
Thomas verzehrte sein Dessert und seufzte.
„Ich muss die unglückliche Rolle der Kirche, vor allem während der Industriellen Revolution, nicht erwähnen, die ist uns allen wohl bekannt. Aber heutzutage will die Religion doch dafür nicht mehr Steigbügelhalter sein. Sie hat auch eine andere Aufgabe. Sie muss aufdecken, wie quasireligiöses Verhalten den Menschen willig seinen ständigen Kampf in den Tretmühlen des Kapitalismusses ertragen lässt. Wir müssen dahingehend Mission und Aufklärung betreiben, dass wir zwar anerkennen, dass es diese Entspannungssachen und alles dort gibt, dass man diese aber eben als ein Ausgleich nutzen soll, genau wie andere Hobbys oder religiöse Betätigungen im Privatbereich, aber eben dadurch das Berufsleben nicht auf Teufel-komm-heraus erträglicher machen soll, denn dies ist es, was wir ja gerade nicht wollen. Wir müssen umso mehr einen korrekten leitfaden für alle Religionen entwickeln, der eben diese Anwendung verneint, wobei, wenn wir diese Gesellschaft geschaffen haben, solche Strukturen gar nicht mehr entstehen können. Aber im Sinne der Lehre sollten alle dies erfahren, denn wer weiß denn, auf dem langen Weg zu dieser Gesellschaft werden viele Stolpersteine lauern und da müssen wir alle zusammen dafür kämpfen, dass diese sich nicht bilden“, schloss er.
„Wahr gesprochen, ich erkenne das ohne Murren an“, schloss nun auch Dennis.
„Meine Herren, damit haben wir heute Abend doch schon eine Menge geschaffen. Einige wichtige Grundlagen wurden austariert. Und da wir nun soweit sind könnten wir ja in die Details gehen wie die Gesetzgebung und die Staatsstruktur. Aber ich glaube davon erst später mehr“, schloss David und die gesättigten Gäste schlossen sich diesem Schlusswort an, bevor sie sich mit einer Runde Skat zerstreuten.
RogerWright Re: - Zitat: (Original von Fianna am 03.04.2013 - 23:08 Uhr) Ist schon irgendwie unheimlich, wie sehr sich deine Gedankengänge in mancher Hinsicht mit meinen überschneiden :-) Mir fällt eigentlich nicht wirklich eine Ergänzung ein, wenngleich es zu jedem der angeschnittenen Themen eine große Anzahl von weiteren Ansatzpunkten gäbe, wie du ja schon ganz zu Beginn angemerkt hast. Beim Lesen sind mir ein paar Fehler ins Auge gestochen,...allerdings nur auf den ersten Seiten, was entweder daran liegt, dass du danach keine weiteren Fehler eingebaut hast oder dass ich vom Lesen so eingenommen war, dass mein Fehlersuchauge keine Zeit hatte, um sich um so etwas banales wie Rechtschreib- oder Tippfehler zu kümmern ;-) Seite 2: "Ale Herren..." (Ich denke das erklärt sich von selbst :-) "Ich setze mich nicht, denn noch murr..." (vielleicht eher muss?) Auf jeden Fall mal wieder ein toller Text von dir! Liebe Grüße Fianna Danke. Die Inspiration für diesen text holte ich mir aus dem Buch "Böse Philosophen" von Philip Blom. Empfehle ich nur wärmstens. Würde mir im Rahmen unseres Rousseau-Seminars vorgeschlagen zur Erarbeitung meines Seminarthemas. Nach der Lektüre will man plötzlich gut ein dutzend weitere bedeutende Schriften lesen. Spinoza, Hume, etc. Werde die angemerkten Fehler entfernen, danke auch wieder dafür. |
Fianna Ist schon irgendwie unheimlich, wie sehr sich deine Gedankengänge in mancher Hinsicht mit meinen überschneiden :-) Mir fällt eigentlich nicht wirklich eine Ergänzung ein, wenngleich es zu jedem der angeschnittenen Themen eine große Anzahl von weiteren Ansatzpunkten gäbe, wie du ja schon ganz zu Beginn angemerkt hast. Beim Lesen sind mir ein paar Fehler ins Auge gestochen,...allerdings nur auf den ersten Seiten, was entweder daran liegt, dass du danach keine weiteren Fehler eingebaut hast oder dass ich vom Lesen so eingenommen war, dass mein Fehlersuchauge keine Zeit hatte, um sich um so etwas banales wie Rechtschreib- oder Tippfehler zu kümmern ;-) Seite 2: "Ale Herren..." (Ich denke das erklärt sich von selbst :-) "Ich setze mich nicht, denn noch murr..." (vielleicht eher muss?) Auf jeden Fall mal wieder ein toller Text von dir! Liebe Grüße Fianna |