Romane & Erzählungen
Ich bin nicht Schuld

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"Ich bin nicht Schuld"
Veröffentlicht am 23. Juni 2008, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Ich bin nicht Schuld

Ich bin nicht Schuld

Da war er nun, der Stuhl, von dem die anderen Mädchen so oft erzählt hatten. Aber Hannelore hatte ihn sich nicht so recht vorstellen können. Sie saß im Behandlungszimmer des Arztes. Mitten im Raum war eine spanische Wand aufgestellt.

Hannelore saß vor dem großen Schreibtisch des Arztes und neben ihr ihre Mutter. Hannelores Mutter hätte es sich um kein Geld der Welt nehmen lassen, Hannelore jetzt allein zu lassen. Hannelore saß zusammengesunken in diesem Stuhl und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Der Arzt, ein Mann um die fünfzig mit grauen Schläfen, die man trotz der wenigen Haare, die er auf dem Kopf hatte, erkennen konnte, senkte den Kopf und sah das junge Mädchen aus stahlblauen Augen über den Rand seiner Brille an. „Na, was haben wir denn für ein Problem, Kindchen?“ fragte er. Hannelore blickte auf ihre Hände und flüsterte: „weiß nicht“, während sie mit dem Saum ihres Pullis spielte. Schnell ergriff ihre Mutter das Wort und erzählte von der Vermutung, dass Hannelore schwanger sei. „Sie hat zugenommen, besonders am Bauch und isst vielzuviel.“ „Nana, so schlimm wird es schon nicht sein.“ Der Arzt schüttelte seinen massigen Kopf: „In der Pubertät kann man das nie so genau sagen, das spielt der Körper oft verrückt. Und wenn es so sein sollte, ist es dann nicht ein Grund, sich zu freuen?“ „Sich zu freuen?“ Die Stimme ihrer Mutter überschlug sich fast, so aufgebracht war sie: „Das Kind ist gerade mal eben 16 Jahre alt. Da ist das ganz bestimmt kein Grund, sich zu freuen. Aber was will man von so einer schon erwarten.“ Der Arzt räusperte sich verlegen und meinte: „Naja, ich werde sie jetzt erst einmal untersuchen und dann sehen wir weiter. Hannelore, würdest du dich bitte unten herum freimachen? Dazu gehst du am besten da hinter die Wand.“ „Hä“, kam von Hannelore. Ihre Mutter fauchte: „Du sollst dich ausziehen, deine Hose und deine Unterhose, nun mach schon.“

Wozu stand diese Wand mitten im Raum, wenn sie danach sowieso halbnackt wieder hervorkommen musste? Aber Hannelore schlurfte hinter diese Abdeckung, zog sich Hose und Unterhose aus und kam dann wieder hervor. Sie zog an ihrem mittlerweile viel zu kleinen Pulli, um möglichst viel ihrer Blöße zu verdecken. „So, Hannelore, nun setz dich mal auf diesen Stuhl und lege deine Beine auf die Lehnen an den Seiten.“ „Will nicht“, murmelte sie. Nein, sie wollte wirklich nicht auf dieses kalte Monstrum, auf dem sie sich nur ausgeliefert fühlen würde. Warum konnte Peter jetzt nicht bei ihr sein? „Nun mach schon.“ Hannelore hörte an der Stimme ihrer Mutter, dass diese allmählich ungeduldig wurde. Sie wusste aus Erfahrung, was es hieß, wenn ihre Eltern ungeduldig wurden. Dann hatte es in ihrer Kindheit regelmäßig Schläge gesetzt. Schläge gehörten für sie zum Alltag wie für andere Kinder in den Arm genommen zu werden. Sie war niemals in den Arm genommen worden und hatte sich mit der Zeit auch daran gewöhnt. Aber an Schläge gewöhnte man sich nie. Ständig war Hannelore mit eingezogenem Kopf durch das Haus gelaufen, weil sie nie wusste, wann ihr Vater oder ihre Mutter nach ihr schlagen würden. Erst wenn es hieß: „Dann muss ich wohl den Rohrstock holen“, konnte sie sicher sein, wieder einmal Schläge einstecken zu müssen. Dann konnte sie sich darauf einstellen. Dann biss sie ihre Zähne zusammen, trotzig, um ihren Eltern zu zeigen: Es macht mir nichts mehr aus, was aber meistens noch mehr Schläge nach sich zog.

Also setzte sie sich auf diesen entsetzlichen Stuhl, legte die Beine in die Halterungen, schloss die Augen und dachte nur: Hoffentlich ist das bald vorbei, Peter, hilf mir.

Aber Peter war weit weg. Sie lag da, entblößt und ausgeliefert. Langsam streifte der Arzt sich Handschuhe über und führte einen Finger in sie ein, während er die andere Hand auf ihren Bauch legte. „Ja“, murmelte er: „Schwanger, ganz sicher, ich denke so ungefähr im fünften Monat. Glückwunsch.“ „Glückwunsch, Glückwunsch?“ fauchte Hannelores Mutter: „Wollen sie vielleicht das Balg großziehen? Das bleibt doch wieder alles an mir hängen. Na, mein Mann wird begeistert sein. Hannelore, da kannst du dich auf etwas gefasst machen.“

Still liefen Hannelore Tränen über das Gesicht. Sie sagte nichts. Was hätte sie jetzt auch sagen sollen? Vielleicht das sie Peter liebte? Vielleicht, dass er zu ihr stehen würde? Darauf würde jetzt sowieso niemand hören. Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullis über das Gesicht.

„Geh doch schon einmal ins Wartezimmer“, meinte der Arzt ganz ruhig: „Ich will mich noch ein wenig mit deiner Mutter unterhalten.“ Hannelore gehorchte – wieder einmal.

Im Wartezimmer nahm sie sich eine von den Illustrierten, eine Zeitschrift für Eltern. Sie schlug sie auf, obwohl sie nicht lesen konnte, aber oft waren schöne Bilder darin. Aus dieser Zeitschrift strahlte sie ein Babybild an, rosig, klein, zart und unendlich hilflos. , Ein Baby’,

dachte Hannelore, eigentlich gar nicht so schlecht.

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Hörbuch

Über den Autor

Chrissy55
Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.

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NStellaObuz Re: Re: Baby -
Zitat: (Original von Chrissy55 am 25.06.2008 - 20:36 Uhr)
Zitat: (Original von nstella am 25.06.2008 - 00:15 Uhr) Sehr schön erläutert , wenn über Baby s geschrieben ist , dann liebe ich es , bist auf diese Mutter. Hat mir gefallen , 6 Sterne mit mir liebe grüsse Stella


Ich bin mit ganzem Herzen Mutter meiner drei Kinder und finde Babys so toll, dass ich einmalgesagt habe, wenn es danach gehen würde, könnte ich in Produktion gehen, aber man muss ja auch daran denken, dass man allen Kindern gerecht wird. Meine Kinder sind übrigens meiner Meinung nach das Paradebeispiel, dass Erziehung auch hervorragend ohne Gewalt funktioniert. Das wichtigste im Leben auch bei der Erziehung ist meiner Meinung nach die Liebe. Solange Kinder das GEfühl haben, einen Platz zu haben, an dem sie immer willkommen sind und geliebt werden, egal, was passiert, so lange haben sie das wichtigste im Leben und geben diese Liebe und das Vertrauen hundertfach zurück. Es gibt nichts Schöners auf de r Welt als Kinder. Gern würde ich dir einmal meine Kinder vorstellen, aber wer weiß, wo uns das Leben hinführt, eines Tages vielleicht. Bis dahin kann ich nur weiter über sie schreiben, zumindest hin und wieder.
LG Chrissy und Danke



Liebe Chrissy,
wir müssen die Babys und die Kinder immer wie eine Erwachsene behandeln mit Respekt und mit Ihnen liebevoll umgehen, so bald wir in die Augen schauen, müssen wir oder sollten wir sofort erkenne, was meinem Kind fehlt . Dafür sorgen das es den kleinen Herzen gut geht. Ich liebe alle Kinder der Welt, weil sie so Ehrlich sind. Vieleicht lernen wir uns kennen, man weisst man ja nie oder?habe vielen dank und viel freude mit deinen Engeln.
vlg Stella
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Chrissy55 Re: Baby -
Zitat: (Original von nstella am 25.06.2008 - 00:15 Uhr) Sehr schön erläutert , wenn über Baby s geschrieben ist , dann liebe ich es , bist auf diese Mutter. Hat mir gefallen , 6 Sterne mit mir liebe grüsse Stella


Ich bin mit ganzem Herzen Mutter meiner drei Kinder und finde Babys so toll, dass ich einmalgesagt habe, wenn es danach gehen würde, könnte ich in Produktion gehen, aber man muss ja auch daran denken, dass man allen Kindern gerecht wird. Meine Kinder sind übrigens meiner Meinung nach das Paradebeispiel, dass Erziehung auch hervorragend ohne Gewalt funktioniert. Das wichtigste im Leben auch bei der Erziehung ist meiner Meinung nach die Liebe. Solange Kinder das GEfühl haben, einen Platz zu haben, an dem sie immer willkommen sind und geliebt werden, egal, was passiert, so lange haben sie das wichtigste im Leben und geben diese Liebe und das Vertrauen hundertfach zurück. Es gibt nichts Schöners auf de r Welt als Kinder. Gern würde ich dir einmal meine Kinder vorstellen, aber wer weiß, wo uns das Leben hinführt, eines Tages vielleicht. Bis dahin kann ich nur weiter über sie schreiben, zumindest hin und wieder.
LG Chrissy und Danke
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NStellaObuz Baby - Sehr schön erläutert , wenn über Baby s geschrieben ist , dann liebe ich es , bist auf diese Mutter. Hat mir gefallen , 6 Sterne mit mir liebe grüsse Stella
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