Beschreibung
Ein Küken erzählt aus seinem Leben
Hugo Hahn
Piep, piep, piep, darf ich mich vorstellen? Ich bin Hugo Hahn. Genau genommen bin ich erst Hugo Hähnchen, ich bin nämlich noch ein ganz kleines Hühnerküken. Das heißt, Huhn ist nicht einfach Huhn, sondern es gibt von uns sehr viele Rassen. Ich gehöre zu den edlen Antwerpener Bartzwergen perlgrau. Glaube aber ja nicht, dass ich deshalb eingebildet bin, nein, keineswegs.
Ich bin klein, pummelig und über und über mit grauen Flaumen bedeckt. Aus dem hellen Grau stechen meine schwarzen Knopfäuglein richtig hervor. Als mein Frauchen mich zum ersten Mal sah, sagte sie begeistert: „Oh, wie süß! Wenn die nicht mir gehören würden, würde ich sagen, die sind zum Klauen.“ „Die“, das sind meine Geschwister und ich. Doch bevor wir auf die Welt kommen konnten, musste meine arme Mama 21 Tage, also ganze drei Wochen, auf den Eiern sitzen, in denen wir heranwuchsen. Kurz bevor wir geschlüpft sind, haben wir im Ei sogar schon gepiepst. Das Schlüpfen ist unheimlich anstrengend. Wir haben vorne auf dem Schnabel einen kleinen Zacken. Das ist der Eizahn. Den brauchen wir nur zum Schlüpfen. Deshalb verschwindet der hinterher. Ansonsten haben Hühner ja keine Zähne. Mit diesem Eizahn habe ich von innen die Schale rundherum aufgepickt. Als ich das endlich geschafft hatte, brauchte ich nur noch kräftig zu strampeln und schon war ich draußen. Zuerst war ich natürlich noch ganz nass und total erschöpft von der schweren Arbeit. Da lag ich nun unter meiner Mama und musste mich erst einmal verpusten. Als ich dann trocken war, war ich das flauschige Küken, das ich jetzt bin.
Wir Hühnerküken können sofort laufen und selbst trinken und fressen. Am ersten Tag unseres Lebens brauchen wir aber noch kein Futter. Wir haben dann nämlich aus dem Ei noch eine Reserve. Am nächsten Tag fangen wir aber gleich an, uns leckeres Futter zu suchen. Unsere Mutter hilft uns dabei. Sie zeigt uns, was wir essen können. Wenn wir frieren, können wir uns immer unter ihre Federn verkriechen. Da ist es schön mollig warm. Meine Mama passt immer gut auf uns auf und beschützt uns vor den anderen Tieren auf dem Hühnerhof. „Gluck, gluck, gluck“, ruft sie. Das heißt soviel wie: „Bleibt schön bei mir.“ Ich bin aber etwas neugierig. Gestern habe ich mich verlaufen. Plötzlich waren meine Mama und meine Geschwister weg. Da hatte ich schreckliche Angst. „Piep, piep, piep“, rief ich. Meine Mama antwortete gleich und ich war so froh, als ich wieder bei ihr war, dass ich mich gleich unter ihre Federn verkroch.
Auf dem Hühnerhof gibt es für uns viele leckere Sachen. Da gibt es Körner, Gras, Essensreste und manchmal sogar Regenwürmer. Die mag ich besonders gern. Leider sind die so furchtbar groß. Auch sind sie sehr stark, wenn sie in der Erde stecken. Als ich einen gefunden hatte, musste ich beide Füße kräftig gegen die Erde stemmen und zog und zog. Trotzdem bekam ich ihn nicht heraus. Ich konnte ja auch nicht nach meiner Mama rufen, denn dann hätte ich den Regenwurm ja loslassen müssen und dann wäre er bestimmt ganz schnell in die Erde gekrochen. Also zog ich nach Leibeskräften. Endlich sah meine Mama mich. Schnell kam sie und half mir. Wir teilten uns dann den Regenwurm. Für mich allein wäre er auch viel zu groß gewesen.
Manchmal streite ich mich mit meinen Geschwistern um ganz besondere Leckerbissen. Dann hält jeder an einem Ende fest und wir ziehen, bis endlich einer loslässt oder das leckere Futter auseinanderreißt und jeder etwas davon fressen kann.
Die Welt, in der wir wohnen, ist riesengroß und wir sind furchtbar klein. Du kannst dir sicher nicht vorstellen, dass jemand über einen kleinen Zweig stolpert. Mir ist das aber schon oft passiert. Wenn ich vor mir etwas Interessantes sehe, dann achte ich nicht darauf, wo ich hintrete und schon liege ich da, ganz lang gestreckt, den Kopf auf der Erde. Ich piepse dann ganz empört und meine Mama kommt sofort angelaufen, weil sie meint, es hätte mir jemand etwas getan. Das wagt aber keiner, denn meine Mama ist sehr stark. Sie hat es wirklich nicht leicht mit mir und meinen Geschwistern.
Wenn ich etwas größer werde, dann bekomme ich allmählich richtige Federn, wie die anderen Hühner sie haben. Dann versuche ich auch bald zu krähen wie mein Papa. Jeden Morgen kräht er bis er fast heiser ist. Ich finde das ganz toll. Er sieht dann auch ganz stolz aus, weil er die Brust so rausstreckt, den Kopf nach hinten legt, den Schnabel aufreißt und so laut kräht, dass sie Menschen meinen, es könne gar nicht von so einen kleinen Tier kommen.
Mein Papa hat das Kommando hier im Hühnerhof. Aber uns darf er nichts tun. Wenn er das versucht, dann hackt ihn meine Mama. Papa sucht auch immer nach Futter und wenn er etwas gefunden hat, dann ruft er alle anderen Hühner. Wir Hühner kratzen gerne in der Erde. Da ist auch oft Futter versteckt. Leider haben wir auch oft Ungeziefer wie Flöhe, Milben oder so. Deshalb baden wir ab und zu gerne im Sand. Das mögen diese Quälgeister nämlich gar nicht haben. Ich mag diese Quälgeister aber auch nicht. Die wollen nur unser Blut. Wenn meine Mama auf uns solche blöden Tiere entdeckt, dann frisst sie die einfach auf.
Mama hat mir erzählt, dass es von uns Hühnern sehr viele Rassen gibt. Es gibt uns in sehr vielen Farben und Größen. Einige haben eine Haube auf dem Kopf, so dass sie gar nicht richtig gucken können. Andere haben Federn an den Füßen. Es gibt ganz kleine und ganz große Hühner. Es gibt auch Hühner, die kämpfen sollen. Kampfhähne heißen sie. Wir haben einen Bart aus Federn. Wenn ich groß bin, will ich auch mal auf eine Ausstellung, damit alle sehen können, wie schön ich bin.
Aber wo ist denn meine Mama? „Mama, piep, piep, Mama, piep, piep! “ Ach, da ist sie ja. Na dann nichts wie hin, dass ich sie nicht noch einmal verliere. Ich verkrieche mich jetzt schnell unter ihre Flügel. Tschüs!