Irgendwie ist es in unserer Familie üblich gewesen zu versuchen, auf die anderen Rücksicht zu nehmen. Ich finde das auch gut so, denn so lernten die Kinder schon früh, dass sie nicht allein auf der Welt sind und es nicht immer alles so laufen konnte, wie sie es gerne hätten. Für den einen der anderen in der Familie gab es andererseits leider auch immer mal wieder Dinge, die ohne diese Rücksichtnahme vielleicht niemals passiert wären.
Worauf ich hinaus will ist die Sache mit dem Skateboard. Der Vater meiner Kinder hatte seit vielen Jahren Probleme mit seiner Wirbelsäule, so dass er hin und wieder auch zu den unmöglichsten Zeiten, beispielsweise mitten in der Nacht, Tabletten einnehmen musste.
So war es auch in jener Nacht. Ich muss dazu anmerken, dass unser Haus über einen ca. 10 Meter langen Flur verfügte. Am vorderen Ende befand sich das Wohnzimmer, wo er auch seine Tabletten aufbewahrte, am hinteren Ende befand sich das Schlafzimmer. Der Flur verlief völlig gerade. Es bereitete also generell überhaupt keine Schwierigkeiten, sich an der geraden Wand im Dunkeln Richtung Wohnzimmer zu tasten. Genau so dachte auch der Kranke. Licht wollte er aus Rücksicht auf den Rest der Familie nicht anmachen. So stand er leise auf, ertastete den Türgriff und schlich zum Schlafzimmer hinaus.
Leise betrat er den Flur. Dann war es allerdings mit der Ruhe der Familie vorbei, denn er setzte – natürlich völlig unbeabsichtigt – einen Fuß auf das Skateboard, das einer unserer Söhne dort vergessen hatte. Sofort setzte sich dieses Gefährt in Bewegung und transportierte ihn in rasanter Geschwindigkeit Richtung Wohnzimmer. Auf halber Strecke allerdings warf es seinen Benutzer ab und rollte allein die restlichen Meter über den Flur. Durch seinen Aufschrei am Ende der Fahrt waren wir natürlich alle geweckt worden. Aus unterschiedlichen Zimmern erschienen jetzt die restlichen Familienmitglieder. Der Ärmste lag da wie ein umgekippter Käfer. Er hatte sich voll auf den berühmten Steiß gesetzt. Die Schmerzen waren ihm ins Gesicht geschrieben. Dirk überblickte als erster die Situation, schlich an seinem Vater vorbei ins Wohnzimmer, klemmte sich das Skateboard unter den Arm und versuchte, mit diesem Unheil bringenden Gerät an seinem Vater vorbeizuschleichen. Als er mit dem unfreiwilligen Skateboardfahrer auf gleicher Höhe war, kam aus dessen schmerzverzerrten Mund: „Wenn ich noch einmal ein Skateboard oder etwas Ähnliches hier im Haus sehe, verbrenne ich es.“
Die Kinder und ich versuchten, Mitleid auszudrücken, während das Lachen uns allen im Halse steckte. Er aber kroch mehr oder weniger in das Wohnzimmer. Nun lohnte es sich doch wenigstens, die Tabletten gegen Rückenschmerzen einzunehmen.
Ein Skateboard allerdings, das ist wahr, wurde seit diesem Tag nie wieder in der Wohnung gesichtet.