Geschäfte für Bergwanderungsausrüstung und ähnlich geartete Sportgerätschaften sind ja immer ein Panoptikum des Irrsinns. Man geht in einen solchen Laden und will etwas Bestimmtes erstehen. Plötzlich bemerkt man, dass es faktisch Millionen Modelle gab, die ganz unterschiedliche Eigenschaften hatten, aber immer sauteuer waren, was sie einte. Und das hatte sich auch im Jahr 2112 nicht geändert. Zumindest stand Frederik Delon in einem solchen Spezialgeschäft und blickte auf die Liste der Dinge, die er benötigte. Es waren ordentliche Langlaufskier mit Stöcken, ein großer Rucksack und falls nötig, Spikes für die Stiefel. Doch schon beim ersten Objekt der Begierde taten sich viele Möglichkeiten auf. Nicht das es unterschiedliche Hersteller gab, das nicht. Aber der gleiche Herstelle schuf verschiedene Modelle. Für unterschiedliche Typen von Benutzern waren sie konzipiert sahen aber irgendwie gleich aus, abgesehen von der Farbgebung.
Ein dynamischer Verkäufer stellte sich neben ihn.
„Kann man behilflich sein?“, fragte er säuselnd.
„Ja, irgendwie schon. Naja, ich suche Langlaufskier. Dummerweise kann ich nicht sagen, welche ich kaufen soll.“
Der Verkäufer bekam ein Glänzen in den Augen. Wieder ergab sich ein wunderbar offenes Verkaufsfeld, denn das wehrlose Opfer hatte einen entscheidenden Fehler gemacht. Es hatte gezeigt, dass es ahnungslos war. Natürlich wird der geneigte Leser sich fragen, wie so ein Menschenschlag noch existieren konnte in einer Gesellschaft, die auf den größten Nutzen für alle ausgerichtet war und das Individualstreben eigentlich nur als subsidiär ansah. Man musste sagen, dass Waren verkauft werden sollten um den Preis stabil zu halten, oder besser gesagt, damit man nicht so viel davon vernichten musste. Und so überlebte auch diese Spezies weiter. Dieser Menschenschlag, der schon von Geburt her ein schmieriger Autoverkäufer ist, ein windiger Windbeutel im Dschungel der Geschäftswelt. Da es keinen freien Markt mehr gibt sind diese Insekten, die geradezu vom Konkurrenzkampf lebten, natürlich deutlich dezimiert worden, doch es wird sie immer geben, überall. Die schleimigen Typen, die gnadenlos ihre Chance erkennen das Geschäft ihres Lebens zu machen und wehrlosen Konsumenten sinnlose Waren andrehen.
„Nun, da ist die Frage natürlich, was für ein Lauftyp Sie sind. Laufen Sie häufig Ski?“, startete er seine Tour de Force.
„Nun, früher häufiger, in den letzten Jahren nur in der Saison. Ich bin kein Anfänger, müssen Sie wissen“, antwortete er bestimmt.
„Sicherlich nicht. Aber Sie sind auch kein Profi. Ich finde, die folgenden drei Modelle könnten zu Ihnen passen. „Pistenspaß“ ist besonders für lange Strecken geeignet. Die Gleitwirkung ist unglaublich. Sie sind noch nie so lange mit nur einem kräftigen Stoß geglitten. Kraftsparend und ein wahrer Spaß. Was halten Sie davon?“
„Naja. Ganz so das Richtige ist das nicht. So extreme Strecken lege ich nicht zurück. Außerdem brauche ich einen Ski, der auch Steigungen gut verkraftet. Also eher so ein vielseitiges Mittelstreckenmodel. Da scheint mir der „Klettermaxe“ ganz geeignet.“
Der Verkäufer fluchte innerlich. Der verdammte Kunde hatte eine konkrete Vorstellung und projizierte sie perfekt auf exakt ein Modell. Da konnte nur noch die Variation des Modells helfen.
„Eine gute Wahl, grundsätzlich. Aber da haben wir noch die Frage der Bindung.“
„Was gibt es denn bei der Bindung?“, wollte Frederik neugierig wissen.
„Nun, das Problem wie wir das machen ist natürlich, dass nicht jede Bindung zum Ski passt. Und die Bindung kann viel ausmachen, gerade was den Komfort ausmacht bzw. wie viel Kraft Sie haben aufzuwenden. Passend zum Modell empfehle ich die „Superflex 3000“. Damit müssen Sie nicht viel Kraft aufwenden um ihre Kraft optimal zu übertragen, sie unterstützt Sie sogar. Möchten Sie einmal hineinfahren und es an unserem Testlaufband ausprobieren?“, fragte er siegessicher. Wenigstens hier witterte er ein Geschäft.
„Diese Bindung kostet so viel wie die Ski. Gibt es keine Günstigeren?“
„Aber das wirkt sich dann negativ auf die Kraftübertragung…“
„Die anderen Modelle!“, verlangte Delon. Genervt zog der Verkäufer zwei, gerade halb so teure Modelle, hervor.
„Das ist die „Supersport“, die besonders Gut die Kraft überträgt, dafür härter ist. Und das ist die „Biegeecht“, die ist sehr angenehm zu tragen, dafür werden Sie mehr Kraft aufwenden müssen“, brabbelte er herunter. Diese Modelle wollte er eigentlich nicht vorstellen, weshalb er eine Lieblosigkeit an den Tag legte, die schon beinahe himmelschreiend war.
„Ich nehme das letztgenannte Modell. Aber ich bin noch nicht fertig. Zum Modell gibt es doch auch Stöcke?“
Der Verkäufer verwies schnell auf diese, denn da gab es nichts, was er anders präsentieren konnte.
„Dann brauche ich noch einen großen Rucksack.“
Jetzt glitzerte es plötzlich wieder in den Augen des überlebenden Kapitalismusknilches, den es ja eigentlich nicht mehr geben dürfte.
„Dann folgen Sie mir bitte. Mein Assistent wird die bisher gekauften Sachen zusammensuchen!“, schrie er fast schon und aus einer entfernten Ecke, vielleicht hinter einem Regal, kam plötzlich ein junger Mann hervor, dem man die Unlust an seiner beruflichen Stellung ansehen konnte. Es war vermutlich ein Schüler, der Saisonal aushalf um sein Taschengeld aufzubessern. Die Organisation von jungen Menschen in Jugendorganisationen war vorgeschrieben, doch die beschäftigten die Kinder nicht permanent. Und wenn man über die Ferien arbeitete, war man von den Ferienspielen ausgeschlossen, wo man mit allen anderen wegfuhr und sich amüsierte und nebenbei gemeinnützigen Dienst unentgeltlich tat und in verschiedenen Kursen eingetrichtert bekam, wie der Staat für sie sorgte und wie sie sich ja richtig ihm gegenüber verhalten mussten. Praktisch eine Vertiefung dessen, was man in der Schule nur in kleinen Dosen verabreicht bekam, weil man da einen größeren Fokus auf die Bildung der Kinder im Allgemeinen legte und nur nebenbei immer wieder erwähnte, wie dieser Aspekt nun in jeder denkbaren Art und Weise sozialdienlich sein konnte. Um sich dem zu entziehen verdienten sich die Älteren gerne was dazu, aber dafür machten sie dann auch solche Jobs, die nicht so das große Los waren. Mit versuchter Untergebenheit nahm er die ihm zugewiesenen Geräte aus den Auslagen und transportierte sie schon einmal zur Kasse.
„So, bei den Rucksäcken gibt es eigentlich für jeden das passende Modell, aber natürlich müssen wir uns wieder fragen, was wollen denn Sie?“
„Welcher hat das größte Volumen?“, fragte Frederik Delon direkt. Dem Verkäufer wurde schlecht. Direkte Fragen waren ein Graus für ihn.
„Da haben wir den Travelmaster 4000 und den „Verstaualles““. Er wies auf beide Modelle.
„„Travelmaster“, weil er höher ist, das kommt mir gelegen.“
„Aber, wollen Sie denn nicht die speziellen Eigenschaften erfahren, die die jeweiligen Modelle bieten?“, fragte der Verkäufer in einem letzten Anflug von Hoffnung.
„Halten beide Schnee, Wind, Kälte und Regen fort?“
„Ja“, antwortete er so, als wäre diese Frage eher ein Witz, bis er einen Sekundenbruchteil später bemerkte, dass diese schnelle Antwort das Ende der Möglichkeit eines Geschäftes bedeutete, denn Delon verwies nun allein auf das favorisierte Modell.
„Sie wissen, was ich will“, antwortete er grinsend, da er bemerkte, dass er den Verkäufer damit extrem ärgerte. Dieser rief seinen Lemuren herbei und der nahm den Rucksack zum Tresen mit.
„Und jetzt fehlen nur noch Spikes für meine Schuhe“, schloss Delon fröhlich. Der arme Verkäufer verwies auf ein Regal, in dem verschiedene Modelle lagen. Hier war aber nur die Schuhgröße entscheidend. Und nachdem man 2 Modelle probiert hatte war das Passende bereits gefunden.
Delon bezahlte mit seinen Wertmarken die Gegenstände und verstaute sie sogleich in seinem neuen Rucksack. Die Skier, mit passender Bindung, schnallte er sich an die Füße und fuhr zum Hotel zurück, wo ihn Svetlana bereits bei einer heißen Tasse Tee erwartete.
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Svetlana hatte am nächsten Morgen wieder Übungsstunden bei ihrem Skilehrer. Da sich die beiden, also sie und Frederik, die gemeinsamen Frühstücke nicht entgehen lassen wollten, waren beide auch zur selben Zeit auf. Da sie nun aber nicht bei ihm sein konnte hatte er freie Bahn seinen eigenen Geschäften nachzugehen. Die Ausrüstung, die er sich verschafft hatte, wollte er nämlich nicht einfach nur nutzen um durch die schöne Landschaft zu fahren. Den Weg hatte er ja jetzt gefunden. Zumindest hatte er ihn auf der Karte gefunden und kannte deshalb seine ungefähren Koordinaten. Der Weg aber interessierte ihn jetzt erst einmal nicht so sehr, wie eine bestimmte Personalie. In den Unterlagen, welche er sich mitgenommen hatte befand sich auch eine Adresse, zumindest eine ungefähre Wegbeschreibung und ein Bild, sowie ein Name. Dexter, so hieß die gesuchte Person, trug Sonnenbrille und Pudelmütze, selbst in geschlossenen Räumen und wohnte hier irgendwo in einer Berghütte. Dieser Dexter sollte ein Ingenieur sein, wahrscheinlich für alle möglichen Dinge, die einen Motor hatten und auf mindesten zwei Rädern fuhren. So sagte man zumindest. Es gab nur Gerüchte über ihn, soweit ein paar Leute ihn gesehen hatten, vornehmlich in der kleinen Werkstatt in der Nähe des Hotels, wo sich auch ein paar Wohnhäuser der einheimischen Bevölkerung anschlossen. Mahr wusste man nicht über ihn, außer, dass er es fertig bringen sollte die Chips zu manipulieren, die man in sich trug. Und genau einen solchen Mann brauchte Frederik, denn wenn er dem Pfad folgen wollte, dann war ihm natürlich bewusst, dass eine Grenzüberschreitung sofort würde registriert werden und dann wäre es schneller mit ihm aus, als er es sich denken konnte. Und auch hier hüllte sich der Mantel des Schweigens über diesen Dexter. Niemand wusste, wie er dieses Wunder zustande brachte. Wahrlich konnte man sagen, dass viele kluge Köpfe schon versucht hatten diese Chips außer Gefecht zu setzten bzw. zu überlisten. Doch die Entwickler dieser übten sich ebenfalls darin und fertigten Chips, die eben diesen erfolgreichen Manipulationen entgegen wirken konnten. Man konnte sich also niemals sicher sein, ob die heute erfolgreich entwickelte Methode nicht schon morgen wieder fehlschlagen konnte bzw. überlistet wurde von den Entwicklern selbst.
Doch dieser Typ stand schon seit längerer Zeit unter dem Verdacht, dass er eine absolut narrensichere Methodik hatte. Sein Name wurde mit Ehrfurcht gesprochen. Dass er noch auf freiem Fuß war, diesen Tatbestand konnte sich eigentlich niemand so recht erklären. Aber man vermutete, dass man noch nicht eingegriffen hatte, weil es keine Beweise dafür gab, dass er so etwas konnte, denn die unwahrscheinliche Situation, dass die Behörden von diesem Gerücht noch nichts hatten mitbekommen, das wollte niemand glauben. Die Behörden wussten Gerüchte meist bevor sie überhaupt in der Welt waren. Also, warum sollte es in diesem speziellen Fall anders sein?
Delon setzte trotzdem darauf, auch wenn er sich dessen bewusst war, dass die Behörden vielleicht auch ihn dann entdecken würden, natürlich würden sie es entdecken, aber wüssten nicht, was die beiden gesprochen hatten.
Warum er nicht einfach zur besagten Werkstatt fuhr? Nun, dieser Platz war viel zu öffentlich, als dass man sich dort über solche Delikaten Sachen unterhielt. Das dürfte jedem Leser einleuchten. Deshalb gab man den Interessierten eine ungefähre Adresse. Man offerierte hier keine genaue Adresse, weil es die nicht gab. Die Berghütten hatten keine genaue Zuweisung, also musste man mit Beschreibungen ausreichen. Und so einfach war das nicht, denn gewisse Orientierungspunkte gab es nicht, wenn der Schnee sie zudeckte. Zum Glück hatte Delon es fertig gebracht eine Winterbeschreibung ausfindig zu machen.
Der Leser wird sich nicht zu Unrecht fragen, wieso man einen solchen Aufwand betrieb, wenn man doch einfach Einheimische müsste fragen. Das Problem war, dass der Name Dexter ein Deckname war und der wahre Name nicht bekannt war. Mit Dexter konnte entweder kein Einheimischer etwas anfangen und wenn doch, dass waren hier alle viel zu gesetzestreu, als dass sie irgendjemanden den Weg zu seiner Hütte würden weisen. Man verwies dann immer auf die Werkstatt. Das nutzte aber nichts, weil der dort Angetroffene würde nicht einmal diese Information herausgeben, denn auch diese konnte schon zu delikat sein.
Deshalb machte sich Delon auf die Suche nach der ominösen Berghütte, die selbst kein besonderes Erkennungsmerkmal haben sollte, abgesehen von einer blauen Rundumleuchte über der Eingangstür. Zumindest konnte man sie dann wenigstens erkennen, wenn man vor ihr stand.
Ausgestattet mit der Wegbeschreibung, die ein wenig abseits des Hotels begann, bei einer Bank, die er aber bei dem Erkundungsspaziergang mit Svetlana am ersten Tag hatte ausfindig machen können.
Nachdem er sie erreicht hatte holte er seine Beschreibung hervor und begab sich auf die Suche. Mehrmals musste er ein lautes Fluchen unterdrücken, denn selbst diese angeblich wintertaugliche Beschreibung führte ihn zu Stellen, an denen er sich fragte, wie er es denn bitte schaffen sollte die entsprechenden Hinweisen ausfindig zu machen. Manchmal waren sie auch so versteckt in der überzuckerten Landschaft, dass er minutenlang um Bäume fuhr, bis er gefunden hatte, was er suchte.
Schließlich hatte er sich zum letzten Punkt vorgekämpft von dem aus man die Hütte angeblich schon sehen müsste. Dummerweise, war dem nicht so, oder besser gesagt, als Delon schon wütend umkehren wollte bemerkte er, dass man an einer bestimmten Stelle stehen musste um die Hütte zu sehen, die deutlich weiter unten war. Nur an dieser Stelle konnte man so weit nach unten blicken, an den anderen blickte man nur auf schneebedeckte Felswände.
Recht schnell hatte er sich einen Weg zu der Hütte gebahnt und erblickte auch die Rundumleuchte. Er kramte die Beschreibung hervor und korrigierte sie so, dass sie ihm jetzt den optimalen Weg wies, vor allem, dass sie sich jetzt nur noch an Markierungen orientierte, die er sofort wahrnehmen konnte.
Der anschließende Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich jetzt sputen musste, wenn er nicht allzu spät wieder im Hotel sein wollte. Svetlana sollte davon ja auch nichts mitbekommen. Und so musste er jedem verdacht aus dem Weg gehen. Eine geringe Verspätung konnte er schnell erklären, eine zu große kaum noch, denn wie sollte er sich herauswinden. Wenn er erklären musste, dass er seine Liebste so lange hatte warten lassen, dann mussten das wichtige Gründe sein. Natürlich hatte er einen wichtigen Grund, doch welcher konnte es sein, den sie nicht sofort durch schnelle Erkundigung entkräften konnte? Also blieb ihm nicht anderes üblich, als einfach an dieser Stelle abzubrechen und zurück zu kehren. Am nächsten Tag hatte sie ja wieder Übungsstunden, da konnte er sich zur Hütte begeben. Er begann erst am Mittag mit seiner Arbeit, also war er früh noch anwesend. Das hatte Delon auch feststellen können, denn er erblickte eine leuchtende Lampe durch eines der Fenster, bevor er sich so schnell es ihm möglich war, wieder zum Hotel begab.
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Er war heilfroh, dass er sich fast nicht verspätet hatte, denn Svetlana lag noch in der Wanne, als er das Badezimmer betrat.
„Wieso ziehst du dich nicht einfach aus und wir beide planschen ein wenig im Wasser?“, fragte sie verführerisch.
Der Badeschaum verhüllte alles, was sich unterhalb der Wasseroberfläche verbarg, doch genau das, was er nicht sehen konnte, regte die Phantasie von Delon sehr stark an. Zudem war er ja selbst ziemlich erfolgreich gewesen. Zudem war ihm bewusst, dass er sie jetzt befriedigen konnte und er dann Ruhe hatte vor irgendwelche Fragen. Er musste nur sagen, dass er am kommenden Tag zur gleichen Zeit wie heute einen anderen Platz ansteuern würde und damit hatte es sich, dann würde sie doch keine Fragen stellen.
Also zog er seine Kleidung aus und legte sich in das warme Wasser, welches ihn sofort wie ein wärmendes Laken umspielte. Unter ihm wand sich Svetlana wie eine Schlange und erregte ihn dabei außerordentlich.
„Heute mal anders herum“, lispelte sie und vollführte dann eine geschmeidige Drehung um 180 Grad und drückte ihren Hintern an sein steifes Glied.
Dieser Aufforderung kam er postwendend nach. Svetlana stieß dabei mehrere kleine Schreie der Freude aus, die sie aber immer unterdrückte, indem sie sich auf die Hand biss. Bei dem Akt spritzte auch viel Wasser aus der Wanne, doch das störte die beiden herzlich wenig. Erst als sie erschöpft aufeinander liegen blieben erkannte man das angerichtete Malheur.
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Nachdem man sich notdürftig angezogen hatte und das Bad halbwegs getrocknet hatte begaben sich die beiden zusammen ins Bett und schliefen nebeneinander ein. Jedenfalls tat Frederik dies, Svetlana erhob sich vom Bett und öffnete den Rucksack ihres Liebsten. Dann ging sie in die kleine Küche und bereitete eine Wegzehrung zu, die sie ihm in den Rucksack stecken wollte. Das Hotel führte auch eine stattliche Sammlung von kleinen Kühlbehältern, in denen sich die Speisen wochenlang hielten.
Nachdem sie einen der Behälter damit ausgestattet hatte wollte sie ihn einstecken, bemerkte aber auch seine Unterlagen. Neugierig holte sie diese hervor und war erst ein wenig verlegen, weil sie ja ihrem Freund nachschnüffelte, doch als sie erkannte, was Fakt war, packte sie die Sachen aus und legte sie auf ihre Seite des Bettes. Jetzt wartete sie nur noch darauf, dass Frederik erwachte, damit sie ihn zur Rede stellen konnte. Solange kuschelte sie sich in eine warme Decke und nahm mit dem Sessel vorlieb.         Â
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Frederik erwachte und wusste in diesem Moment noch nicht, was ihn erwarten würde. Er tastete nach seiner Freundin, fand sie aber nicht, stattdessen erblickten seine Augen, die sich panisch im Zimmer umsahen, seine Pläne und Svetlana, wie sie sich im Sessel regte.
„Na, wieder munter?“, fragte sie tonlos.
„Ja, aber, was soll denn das?“, fragte er verschlafen, denn anders als sie war er nicht munter und überblickte die Situation nicht recht. Ihm war nur klar, dass das auf gar keinen Fall gut war. Und er erkannte auch, jedenfalls unscharf, dass sein ursprünglicher Plan zumindest eine andere Richtung bekommen musste.
„Was das soll?“, fragte sie und bebte vor Erregung. „Das getraust du mich zu fragen?!“, wurde sie lauter. „Du hast, das schließe ich zumindest aus deinen Aufzeichnungen, einen Weg gesucht, der dich in das Gebiet der Nichtproletarier bringt und nebenbei hast du eine Person aufgesucht, die in aller Munde ist, aber nicht im positiven Sinne. Sag mal, werden wir morgen noch zusammen sein, oder wird dich die geheime Staatspolizei vielleicht schon in wenigen Stunden abgeholt haben?“, fragte sie zynisch.
„Jetzt rede bitte kein Blech. Den Typen habe ich bisher och nicht zu Gesicht bekommen und folglich keine Silbe mit ihm gesprochen. Du kannst also beruhigt sein, dass ich nicht abgeholt werde.“
„Und was ist mit den Karten? Hast du die etwa angefertigt, als du gesagt hast, du nutzt sie um lauschige Plätze für uns allein zu finden? Hast du unsere Liebe als Alibi dafür benutzt deinen dummen Träumen nachzuhängen? Dummen Träumen, die dich ganz schnell von mir entfernen?!“, fragte sie wütend und brach in Tränen aus.
Frederik war sofort bei ihr und wollte sie in die Arme schließen, doch sie verweigerte sich.
„Lass mich! Du liebst mich gar nicht! Du liebst nur deine dumme Idee von Freiheit, von dem einen Tag da drüben. Ich bin dir ja egal, alle anderen sind dir ja egal, du Holzkopf. Also fass mich nicht an!“, brachte sie unter Tränen und verstärkt unverständlich hervor. Svetlana warf sich auf die freie Bettseite, auf der gerade eben noch Frederik gelegen hatte und weinte in das Kopfkissen.
Er verstaute erst einmal die Sachen wieder im Rucksack und erblickte dann das liebevoll zubereitete Brot. Er entnahm das Behältnis und setzte sich neben ihr auf das Bett.
„Schatz, ich…“, er wusste nicht weiter. Was sollte er denn sagen? Dass er sie doch liebte? Das war doch nicht so war, wie er es ausdrücken konnte. Dass alles wirkte, nüchtern betrachtet, wie eine reine Charade, die er ersonnen hatte um seinem dummen Träumen nachzuhängen.
Er fuhr mit dem auch nach außen hin kalten Behältnis über ihren Rücken, was sie heftig erzittern ließ und sie ihr Gesicht ihm zuwenden ließ.
„Was?!“, entfuhr es ihr, während die Tränen, wie Bäche, über ihre Wangen liefen.
„Das hast du nur für mich gemacht?“, fragte er verlegen.
„Ja, aber bilde dir da nichts drauf ein. Das habe ich für den Frederik Delon gemacht, von dem ich dachte, dass er mich mehr liebt als seine kindischen Träume!“
„Svetlana, ich liebe dich auch viel mehr als diese Träume. Nur in letzter Zeit hatte ich so das Gefühl, als könnte ich eben diesen Traum ergreifen und deshalb das Ganze.“
„Du Dummkopf!“, spie sie ihm entgegen.
„Was wäre denn gewesen, wenn man dich dabei entdeckt hätte? Wenn man dich abgeholt hätte? Was wäre? Na, hast du darauf eine schlaue Antwort?“, fragte sei herausfordernd.
„Du hast natürlich Recht, ich hätte keine Antwort gehabt und dann wäre ich von dir getrennt worden. Und natürlich auch von allen anderen. Ich weiß ja selbst nicht recht, was da in mich gefahren ist! Ich hatte nur plötzlich diesen irren Plan und er schien mir auch umsetzbar! Natürlich war es dämlich, das sind solche Pläne immer, aber irgendwie…“
Er stoppte.
„Ich würde es dir nicht verübeln, wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben wölltest“, schloss er und warf sich auf das Bett.
Ein paar Minuten später fühlte er, wie schlanke Finger über seinen Rücken wanderten.
„Nein, ich werde mich nicht von dir abwenden, auch wenn ich gute Gründe hätte. Aber ich liebe dich dafür einfach zu sehr, mein zuckersüßes Verhängnis“, schwelgte Svetlana und küsste seinen Nacken.
Frederik drehte sich zu ihr um.
„Du bist mir nicht mehr böse?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Ein wenig noch, aber nur noch ganz wenig. Wenn du mich ganz fest hältst und viel küsst, dann könnte ich darüber hinweg kommen.“
Frederik drehte sich zu ihr und nahm Svetlana in seine Arme.
„Ich habe so viel Glück mit dir, Schatz!“, brachte er hervor, bevor er begann sie vor Freude zu küssen.
Das ging noch eine Weile so weiter, bis sie schließlich das Feuer im Zimmerkamin entfachten und die Karten, außer der von Svetlana, und die Fotos sowie Daten zu dem ominösen Dexter im Feuer verschwinden ließen.     Â
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Das große Buffet im Speisesaal war aufgebaut worden. Langsam strömten die Gäste herein. Unter ihnen waren auch Svetlana und Frederik. Mit Tellern und Geschirr bewaffnet schritten sie, praktisch als Veteranen der Essensausgabe, mit hohem Tempo an den unentschlossenen Neuen vorbei, die schnell in den Schlangen hingen blieben und wenige Minuten später, als noch viel mehr Gäste einströmten, selbst die Orientierung verloren und sich dann blind griffen, was sie kriegen konnten.
Während die beiden nicht nur souverän ihre Teller befüllten schaffte es Frederik auch, durch das Gewirr der Leiber hindurch, eine der Zeitungsexemplare, welche in einer langen Reihe an der Wand hingen, zu erheischen. Fröhlich begeben sich die beiden zu einem der Tische, der an der großen Panoramaglasscheibe stand.
Svetlana genoss den heißen Kaffee und lehnte sich entspannt zurück.
„Ist das nicht alles herrlich? Vor allem jetzt, wo wir alle Spannungen ausgeräumt haben?“, fragte sie hintergründig lächelnd, denn den Namen der Differenzen konnte sie unmöglich laut in der Öffentlichkeit nennen.
„Ja, das ist es, in der Tat“, antwortete Frederik knapp und musste selbst schmunzeln, weil ein Unwissender unmöglich erahnen konnte, was sie da eigentlich sprachen. Er öffnete anschließend die Zeitung an einer beliebigen Stelle auf und erschrak. Svetlana konnte sein Gesicht nicht sehen, da es das Zeitungspapier verbarg und doch spürte sie, dass etwas in der Luft lag. Das Papierrascheln war ihr nicht geheuer vorgekommen.
Delon blickte auf ein Bild, welches einen Menschen zeigte, die von zwei Mitgliedern der Geheimen Schutzpolizei abgeführt wurde. Der Mann hatte verbotene Schriften gehortet. Das Ganze hatte sich in der Nähe abgespielt, denn die Nähe zum Hotel wurde explizit im Artikel genannt. Doch der Mann war nicht entscheidend, sondern einer der Beamten, der Delon sehr bekannt vorkam.
„Svetlana, hast du den Mann schon einmal gesehen?“, fragte er knapp, reichte ihr die Zeitung und deutete dabei auf den einen Polizisten. Auch sie erstarrte und musste das Printmedium sofort schließen.
„Aber, das ist doch der von deinem…“, weiter kam sie nicht. Er nickte nur und legte die Zeitung zur Seite. Das Frühstück nahmen beide, in bedrückter Stimmung essend, ein. Der eine Beamte auf dem Bild sah dem Foto von Dexter erschreckend ähnlich.