Mit dieser Geschichte möchte ich gerne wieder einmal begründen, weshalb ich keine Jäger mag.
Es ist nun schon ein paar Jahre her, da trat der Jäger in unserer Familie an mich heran und bat mich, die von ihm geschossenen Gänse bratfertig zu machen, dass heißt zu rupfen und auszunehmen. Es war schon dunkel draußen, ich warf also nur einen Blick aus der Hintertür und sah dort zwei große graue Tiere hängen. Begeistert war ich nicht davon, dachte aber: was soll’s, morgen kümmerst du dich darum.
Kurz darauf kam mein Sohn Dirk zur Hintertür herein und fragte: „Was machen denn die toten Schwäne da draußen?“ „Schwäne?“ ich erschrak, machte endlich Licht vor der Tür, was ich natürlich auch schon vorher hätte machen können und sah geschockt auf zwei Jungschwäne mit grauem Gefieder. Diese wunderschönen Tiere hingen jetzt also an unserer Hauswand, undenkbar. Wie gerufen stand der Schütze plötzlich hinter mir und fragte: „Willst du jetzt anfangen?“ „Nein“, schnauzte ich: „Ich mache die ganz bestimmt nicht zurecht, ich esse keine Schwäne.“ „Na gut“, er drehte sich um und wandte sich an unseren Sohn: „Dann kannst du das ja machen.“ Wie auf Kommando kam von meinem Sohn: „Ich esse keine Schwäne.“
Der Gesichtsausdruck des Weidmannes verfinsterte sich, wurde allerdings etwas heiterer, als er Swea, unsere Jüngste und einzige Tochter kommen sah: „Swea, ich habe Schwäne geschossen. Wollen wir die morgen essen?“ Große Hoffnung schwang in seiner Stimme mit. Swea blieb entsetzt stehen. Mit weit aufgerissenen Augen erwiderte sie ungläubig: „Schwäne, hast du etwa Schwäne geschossen? Warum? Ich esse keine Schwäne.“
Einen Sohn hatte er noch in petto, den Ältesten, der eigentlich immer froh war, wenn er wohlwollend von seinem Vater angesprochen wurde und zu fast allen Schandtaten für ihn bereit war. „Benjamin,“ klang es aus dem Mund des gierigen Schützen: „Machst du morgen bitte die Schwäne bratfertig, damit wir beide die essen können, die anderen wollen nicht, die wissen eben nicht, was gut ist. Früher aß man Schwäne nur an Fürstenhäusern. Das war eine Delikatesse.“
„Dann esse du sie doch, Herr Graf, kannst sie dir gerne zubereiten, wir essen dann auswärts“, brummelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und wandte mich von ihm ab. Ehe er es sich versah, hatten sich alle Familienmitglieder in unterschiedliche Richtungen verzogen. Nur Dirk stand noch vor ihm und fragte: „Warum hast du die überhaupt geschossen?“ Als Antwort kam: „ Weil die im Jagdschein stehen.“
Dirk wandte sich von ihm ab, raunte mir aber im Vorbeigehen noch ins Ohr: „Sein Name steht auch im Jagdschein.“
Kochend vor Wut, schlüpfte dieser Killer in seine Stiefel, ging türenknallend zu den armen toten Schwänen, nahm sie ab, schwang sie sich über die Schulter und verschwand mit ihnen in die Nacht.
In den nächsten Tagen war ich natürlich neugierig, wer denn nun die Delikatesse Schwäne zubereitet hatte. Jäger halten an und für sich zusammen, also rief ich unter fadenscheinigen Gründen mehrere von ihnen an, begann ein belangloses Gespräch und fragte zum Schluss: „Wie haben denn die Schwäne geschmeckt?“ „Schwäne“, kam es von allen Seiten: „Wir essen doch keine Schwäne.“
Bis heute weiß ich nicht, wo diese Schwäne geblieben sind. Vielleicht hat er sie ins Moor gefahren in der Hoffnung, dass ein anderer Jäger einen Fuchs dabei erwischt, wie er sie frisst, um dann sagen zu können: „Seht einmal, so harmlos sind die Füchse nicht, die können sogar Schwäne reißen.“ Vielleicht hat er sie aber auch vergraben.
Für mich sind Schwäne einfach nur wunderschöne Tiere, ästhetisch, ansprechend, prachtvoll, elegant und liebenswert. Bis heute kann ich nicht verstehen, weshalb ein Mensch sie töten kann, nur weil sie im Jagdschein stehen. Für mich ist das allerdings auch wieder ein weiterer Beweis der Mordlust von Jägern. Ich weiß, man sollte sie nicht alle über einen Kamm scheren, aber was bitteschön kann einen Menschen veranlassen, junge Schwäne zu töten?
Vielleicht sollten die Jagdscheine überarbeitet werden. Besser wäre es aber wahrscheinlich, die Jäger genauer zu kontrollieren. Auch ein Jäger muss nicht alles schießen, was ihm vor die Flinte kommt. Wie kann ich meine Kinder gewaltfrei erziehen, ihnen erklären, dass man mit Gewalt im Leben nichts erreicht, wenn ihr Vater mordlüstern durch Wald und Feld streift? Ich bin allerdings auch froh, dass meine Kinder ohne große Worte meine Meinung geteilt haben und nicht dazu bereit waren, die Schwäne zu essen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass manch einer meint, meine Phantasie wäre mit mir durchgegangen, aber auch bei dieser Geschichte handelt es sich um eine Tatsache. So sind Jäger nun mal.