Biografien & Erinnerungen
Erzähl doch mal - Präzendenzfall bei der Giftzentrale in Berlin

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"Erzähl doch mal - Präzendenzfall bei der Giftzentrale in Berlin"
Veröffentlicht am 25. Mai 2008, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Es fällt mir nicht leicht, etwas über mich zu schreiben. Also ganz kurz: 52 Jahre alt,glücklich geschieden, Mutter von drei Superkindern, Psychologisch-technische Assistentin - fühle mich viel jünger als ich bin. Noch Fragen, dann fragt ruhig, ich stehe jederzeit Rede und Antwort.
Erzähl doch mal - Präzendenzfall bei der Giftzentrale in Berlin

Erzähl doch mal - Präzendenzfall bei der Giftzentrale in Berlin

 

 

Früher einmal, als ich mit meiner Familie noch im eigenen Haus mit großem Grundstück lebte, haben wir Hühner und auch anderes Geflügel gezüchtet. Das bedeutete, dass bei uns die Hühner nicht nur zum Eierlegen da waren, nein, sie mussten auch schön sein. Wir hatten uns zwei Rassen ausgeguckt, nämlich Holländische Weißhauben und Antwerpener Bartzwerge Perlgrau. Wer mit Hühnern nichts weiter am Hut hat, als deren Eier oder schlimmstenfalls die Tiere selbst zu essen, dem sagen diese Rassen sicherlich gar nicht. Worauf ich hinaus will ist eigentlich auch, dass wir mit diesen Tieren natürlich auch zu Geflügelausstellungen gefahren sind. Bevor wir das durften, musste sämtliches Geflügel geimpft werden. Eigentlich eine ganz vernünftige Einrichtung, finde ich.

Weniger vernünftig war allerdings, dass der entsprechende Impfstoff in kleine leere Colaflaschen gefüllt wurde, denn es war eine größere Menge vom Verein eingekauft worden, die nun auf alle Mitglieder verteilt werden musste.

Der Vater meiner Kinder kam von einer entsprechenden Versammlung spät am Abend heim, legte die Impfbescheinigung auf den Wohnzimmertisch und holte sich einen Stuhl, um die Flasche mit dem Impfstoff auf den Küchenschrank zu stellen. Er platzierte sie so weit in die Ecke, dass er sich gehörig strecken musste, um sie wieder zu erreichen.

„Gut“, sagte er: „Da kommen die Kinder bestimmt nicht ran.“ Kamen sie aber doch, denn als er am nächsten Tag die Tiere impfen wollte, war die Flasche samt Impfstoff verschwunden. Sofort wurden die Kinder zu ihm zitiert. Drohend fragte er: „Wo ist die Flasche geblieben?“ Dirk, der wusste, dass er mit seinen ausdrucksstarken braunen Augen selten heftige Reaktionen auslöste – Dackelblick, sage ich nur – gestand: „Die haben wir mit Cola aufgefüllt und getrunken.“

Sofort rief ich, die Impfbescheinigung in der Hand, in heller Aufregung unseren Hausarzt an und schilderte ihm die Situation. „Was kann nun mit den Kindern passieren? Sollen wir mit ihnen ins Krankenhaus, die Mägen auspumpen lassen?“ Er aber beruhigte mich, er hätte ja nun die Inhaltsstoffe des Impfmittels, würde sich umgehend schlau machen und sich dann wieder bei uns melden.

Während ich auf den erlösenden Anruf wartete, lief ich die berühmte Rille in unseren Teppich. Ich muss allerdings an dieser Stelle offen gestehen, wenn mein Herumgerenne tatsächlich diese Wirkung gehabt hätte, müsste sich in unserem Wohnzimmer irgendwann ein tiefer Graben befunden haben, denn die Kinder gaben mir oft genug Anlass zur Nervosität.

Schon nach wenigen Minuten kam der erlösende Anruf: „Das Einzige, was passieren könnte, wären grippeähnliche Erscheinungen.“ Da war ich aber beruhigt.

Vierzehn Tage später erhielt ich einen Anruf von der Giftzentrale in Berlin: „Wir wollten nur einmal nachfragen, welche Auswirkungen der Impfstoff bei Ihren Kindern gehabt hat, damit wir das zu unseren Akten nehmen können, so etwas haben wir nämlich noch nie gehabt.“

Damit haben meine Kinder es also sogar geschafft, uns zu einem Präzedenzfall bei der Giftzentrale in Berlin zu machen.

Ob die Kinder aus dieser Sache gelernt haben? Nein. Nur wenige Monate später ereignete sich nämlich Folgendes:

Es war das Jahr, in dem wir bei uns im Haus eine Eistruhe von einer bekannten Firma stehen hatten, um die Haushaltskasse etwas aufzubessern. Wir haben dieses Geschäft allerdings nicht lange betrieben, da der Eiskonsum meiner Kinder und deren Freunde eher zu einem Verlust als zu einem Gewinn führten.

Unser Haus stand nur wenige Meter vom Sportplatz des Ortes entfernt, auf dem natürlich ab und an auch Sportveranstaltungen stattfanden. Um den Verkauf des Eises zu erhöhen, schoben wir die besagte Truhe zum Sportplatz, machten dort regen Umsatz und schoben die Truhe abends wieder zurück.

Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass irgendjemand eine Flasche Johannisbeerkorn in die Truhe gelegt und offensichtlich dort vergessen hatte. Ich lagerte dieses Getränk in der nächsten Zeit im Kühlschrank in der Hoffnung, dass sich der Eigentümer bei mir melden und sie zurückfordern würde, was allerdings nie geschah. Ich hätte ihm schon nach kurzer Zeit diesen Wunsch auch nicht mehr erfüllen können, denn schon nach wenigen Tagen stellte ich fest, dass die Flasche verschwunden war. Übeltäter konnten doch nur wieder meine Kinder sein. Also rief ich sie an den Tatort, zeigte auf die Lücke im Kühlschrank, sah in die Runde und fragte streng: „Wer hat die Flasche rausgenommen? Wer hat das getrunken?“ Die Kinder standen vor mir, die Hände auf dem Rücken verschränkt, leise vor sich hinpfeifend und die Blicke gen Himmel oder in andere Richtungen gewandt, nur nicht in meine.

Meine Stimme wurde jetzt fordernder: „Ihr müsst mir jetzt sagen, wer das getrunken hat.“ Sie merkten wohl nun, dass sie ohne ein Geständnis nicht mehr aus dieser misslichen Lage herauskamen, also hörte ich aus ihren Mündern ziemlich zeitgleich: „Der war es, der war es, die aber auch.“ Dirk sah mich treuherzig an und sagte: „Aber Mama, der Saft war schlecht, den haben wir weggegossen.“

Gott sei Dank. Lächelnd schob ich die Kinderschar zur Küchentür hinaus. Diese Reaktion meiner Kinder war mir nur recht. Zu frühe Erfahrungen mit Alkohol sind ungesund.

Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich meine Kinder liebe, trotz allem?

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Über den Autor

Chrissy55
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