Es ist mal wieder an der Zeit bekannt zu geben, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, mit denen ich so meine Schwierigkeiten habe. Dazu gehört beispielsweise auch das Handy. Ich sage dann immer, ich bin eben kein Handymensch. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie passen wir einfach nicht zusammen. Nicht, dass ich das Handy falschherum an mein Ohr halte, das kriege ich gerade noch hin, aber ansonsten ist es für mich wirklich ein Buch mit sieben Siegeln.
Das fing schon vor Jahren an, als ich in der onkologischen Nachsorge in St. Peter-Ording gearbeitet habe. Der Weg dahin führte mich bei Wind und Wetter 56 km über Landstraßen. Der Vater meiner Kinder gab mir sein Handy – er hatte schon eines – mit den Worten: „Falls du mit dem Auto liegen bleiben solltest oder sonst etwas passiert, kannst du wenigstens jemanden erreichen.“ Ich steckte also das Handy, das ca. 10 cm lang und 5 cm breit war, ein und vergaß es. Nach ca. 14 Tagen kam er dann leicht erbost auf mich zu: „Was ist mit deinem Handy? Ich habe versucht, dich zu erreichen, ging aber nicht.“ Ich: „Es hat auch nicht geklingelt.“ „Zeig mal. Das ist ja auch leer.“
Schnell rechtfertigte ich mich: „Das kann gar nicht sein, ich habe es überhaupt nicht benutzt, ich habe es nur in meiner Handtasche gehabt.“
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie mein Sohn im Hintergrund vielsagend den Kopf schüttelte.
Ich bekam nun die Erklärung: „Das Handy entlädt sich von allein, das müsstest du doch wissen.“
„Und woher bitte schön? Wenn ich in eine Taschenlampe Batterien hineintue und diese nicht benutze, dann ist die doch auch nicht irgendwann leer. Was ist an einem Handy denn anders?“
„Bei Handys ist es nun mal so, erklären kann ich das auch nicht. Aber achte in Zukunft bitte darauf, das Handy regelmäßig zu laden, sonst nützt es dir gar nichts.“
Recht hatte er. Mit einem leeren Handy wäre ich mitten in der Walachei genau so aufgeschmissen, wie ohne Handy. Also wurde ich in der Folgezeit regelmäßig vom Rest der Familie daran erinnert, dieses kleine tragbare Telefon aufzuladen.
Ein kleines tragbares Telefon ist es für mich bis heute geblieben, auch wenn ich es mittlerweile von ganz allein schaffe, an das Aufladen zu denken - jedenfalls meistens.
2003 kaufte ich mir dann in Northeim, wo ich zum Lehrgang war, mein erstes eigenes Handy. Das lag daran, dass die Bildungsstätte neu renoviert worden war, die Möglichkeit, über ein öffentliches Telefon Zuhause anzurufen, aber noch fehlte. Ich muss wenigstens ab und zu wissen, wie es meinen Kindern geht und ihre Stimmen hören. 14 Tage am Stück halte ich es ohne sie nicht aus. Also ging ich in den Laden und legte mir mein Handy zu, selbstverständlich eines mit Karte, um nicht in die Versuchung zu kommen, über Gebühr zu telefonieren. Stolz trug ich den kleinen Karton in meine Unterkunft und unterrichtete sofort mehrere Kolleginnen und Mitstreiterinnen über meine Errungenschaft. „Lass mal sehen, ach, ein Siemens, hab ich auch. Ich stell dir das mal ein. Willst du auch den Wecker gestellt haben? So schreibst du eine SMS. Wir geben unsere Handynummern ein, wenn das für dich in Ordnung ist.“ Ich sah das kleine Gerät von einer Hand in die andere wandern, hörte mir teilweise unverständliche Worte, sah Finger in Windeseile über die viel zu kleine Tastatur flitzen – oder sind ausgerechnet meine Finger zu dick? Es war schon faszinierend, was man nach den Erzählungen der Betrachter alles mit dem Apparat machen konnte. Wohlgemerkt: man, ich kann es bis heute nicht.
Mir war nur klar, dass ich mit Anschaffung dieses Handys eine Guthabenkarte mitgeliefert bekommen hatte. Das wäre doch die Gelegenheit, Heidi, eine frühere Kollegin, anzurufen. Ihre Handynummer hatte ich in meinem Notizblock vermerkt. Die würde staunen. Ja, das tat sie dann auch. Es gab viel zu erzählen – von beiden Seiten – soviel, dass schon nach wenigen die Verbindung unterbrochen wurde und eine mechanische Stimme mir mitteilte: Sie haben noch 10 Cent Guthaben. Um weiterhin mobil telefonieren zu können, sollten Sie Ihr Guthaben möglichst bald aufladen. Die Verbindung wurde unterbrochen. Na toll, da hatte ich nun ein Telefon und konnte trotzdem nicht telefonieren. Dann musste ich mir wohl am nächsten Tag eine neue Karte kaufen. Das war mir eine Lehre, Handygespräche wurden fortan kurz gehalten.
Ich betrachtete das kleine blaue Ding in meiner Hand und hörte noch die Worte: „Was du damit alles machen kannst.“ Naja, warum nicht, probieren geht über studieren. Ich hätte wissen müssen, dass ich nicht in die Handywelt passte, denn am Wochenende musste ich meinem Sohn gestehen, dass mir da etwas passiert ist. „Was hast du gemacht?“ fragte er. Ich gestand: „Ich habe bei meinem Handy die Sprache verstellt, frag mich nicht wie, ich weiß es nicht, aber jetzt erscheint alles auf Französisch. Hilf mir, bitte.“ Dirk nahm mir das Handy aus der Hand. Seine – wie ich bislang dachte – größeren Finger als meine huschten über die Tastatur, bis er kurz aufsah und fragte: „Welche Sprache möchtest du? Türkisch?“ „Dirk!“ „Nagut, ausnahmsweise gebe ich dir Deutsch, wird aber auch nicht viel helfen.“ Ich weiß nicht, was er damit meinte.
In der Folgezeit benutzte ich das Handy nun regelmäßig, um auf den Lehrgängen mit meinen geliebten Kindern zu telefonieren, allerdings wegen der gemachten schlechten Erfahrungen eher im Telegrammstil: Geht es euch gut? Alles in Ordnung? Was Besonderes? Wir sehen uns. Bis dann, hab euch lieb.
Wie schon gesagt: Ich rief meine Kinder an. Damit lässt sich sicherlich auch folgende kleine Geschichte erklären:
Ich saß in der Bahn. Ab und an nervte mich dieser Handykult schon ziemlich. Ständig klingelte irgendwo ein Handy, suchte jemand nach neuen Klingeltönen oder telefonierte wo er ging und stand. Auch diesmal klingelte wieder ein Handy in meiner Nähe – immer und immer wieder. Genervt dachte ich: Geh doch endlich ran. Bis ich bemerkte, dass es mein Handy war, das dort klingelte. Ich nahm meine Tasche und fing an zu suchen, aber entweder ist meine Tasche zu groß, das Chaos darin zu unübersichtlich oder mein Handy zu klein, jedenfalls fand ich es nicht auf Anhieb. Als ich es endlich triumphierend in der Hand hatte, hörte es auf zu klingeln.
Zuhause wurde ich dann mit den Worten empfangen: „Wozu hast du eigentlich ein Handy? Du weißt aber schon, wozu es da ist, oder hast du es wieder einmal nicht aufgeladen?“
Wie ich schon sagte: Handys und ich passen einfach nicht zusammen und sind trotzdem unzertrennlich.