Fantasy & Horror
Insula araneae - Die Insel der Spinnen - Komplettfassung

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"Insula araneae - Die Insel der Spinnen - Komplettfassung"
Veröffentlicht am 02. Oktober 2012, 140 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich ...bin Österreicherin ...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte ...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist ...lese quer durch viele Genres ...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken
Insula araneae - Die Insel der Spinnen - Komplettfassung

Insula araneae - Die Insel der Spinnen - Komplettfassung

Beschreibung

"Die Spinnen würden zurückkehren in die Herzen der Menschen. Sie würden sie wieder in ihren Bann ziehen. Sie würden sie mit ihrer eigenen dunklen Seele konfrontieren. Dazu waren die Spinnen schließlich da, um den Menschen die Augen zu öffnen. Dazu brauchte es eben die Angst."

Epilog

Als Katharina ihr Leben aushauchte, geschah etwas mit der Insula araneae. Niemand sah etwas, doch die Menschen spürten es. Tief in ihren Herzen hatte sich etwas verändert. Etwas war verschwunden. Die Menschen waren nicht in der Lage zu sagen, was es war, was sie verloren hatten, doch allgemeine Erleichterung machte sich breit.

Der Angriff auf Magicanaturae stoppte abrupt. Die Angreifer zerfielen zu Staub. Ein starker Wind kam auf und trug den Staub fort. Den Staub, der das symbolisierte, was aus den Herzen der Menschen verschwunden war.

Die Angst. Die Angst vor der eigenen schwarzen Seite der Seele war von den Menschen gewichen. Der Lebensnehmer hatte diese Angst mit sich genommen, als er von dieser Welt gegangen war. Er hatte diese Angst mit sich genommen und etwas viel Schlimmeres hinterlassen.

Den Glauben, rein zu sein.

Der Schatten des Lebensnehmers war von den Menschen gewichen. Sie wurden unvorsichtig und lebten ohne sich vor sich selbst in Acht zu nehmen.

Der schwarze Teil ihrer Seele war fort und sie dachten, es gäbe nichts, wovor sie sich jetzt noch fürchten müssten. Damit hätten sie wohl recht gehabt, wäre nicht das Schiff angekommen.

Dadurch, dass der Lebensnehmer die Welt verlassen hatte, hatte er auch die Barriere mit sich genommen, die die Insula araneae von der restlichen Welt getrennt hatte. Schiffe konnten nun den Großen Ozean überqueren, ohne von den Fluten verschluckt zu werden.

Viele Jahre nach dem Verschwinden des Lebensnehmers kam ein Schiff an. Ein Schiff aus einem anderen Teil der Welt. Menschen waren auf diesem Schiff und sie brachten Schätze mit sich, die zuvor noch niemand auf der Insula araneae gesehen hatte. Diese Schätze waren aber auch der Untergang der Insel.

Es nistete sich wieder etwas ein in die Seele der Menschen. Still und leise kehrte etwas zurück, das eigentlich nie ganz verschwunden gewesen war. Niemand hatte es bemerkt, da niemand darauf geachtet hatte.

 

*

 

In einer anderen Welt beobachtete jemand diese Entwicklung. Jemand, der diese Entwicklung vorausgesagt hatte.

Er sah, wie die Menschen der Insula araneae begannen, mit den Fremden Krieg zu führen, um sich deren Schätze anzueignen. Die Fremden trugen den Sieg davon und ließen eine verwüstete Insel zurück.

Die dunkle Seite war in die Seele der Menschen zurückgekehrt. Sie war nie wirklich fort gewesen. Der Lebensgeber hatte den Menschen eine Chance gegeben, doch sie hatten sie nicht ergriffen.

Der Lebensnehmer lächelte. Tausend Jahre waren für ihn keine lange Zeit. Er konnte warten.

Die Spinnen würden zurückkehren in die Herzen der Menschen. Sie würden sie wieder in ihren Bann ziehen. Sie würden sie mit ihrer eigenen dunklen Seele konfrontieren. Dazu waren die Spinnen schließlich da. Um den Menschen die Augen zu öffnen. Dazu brauchte es eben die Angst.

Der Lebensgeber verstand das nicht. Er baute auf das Gute im Menschen. Doch der Lebensnehmer wusste es besser. Wenn etwas stark war im Menschen, dann das Schwarze, das sich in jedem Menschen verbirgt und zum Vorschein kommt, wenn es gebraucht wird.

Der Lebensnehmer wusste das und das würde ihm die Rückkehr ermöglichen. In tausend Jahren war es soweit. Er musste nur abwarten. In tausend Jahren oder in den tausend Jahren danach.

Die Menschen würden ihm die Rückkehr schon ermöglichen.

Sie konnten sich einfach nicht ändern. Nicht in hundert Jahren, nicht in tausend Jahren. Sie waren dazu verdammt, auf ewig Werkzeuge des Bösen zu sein.

 

*

 

In einer anderen Welt saß Katharina beim Frühstück. Sie war allein. Die Menschen, mit denen sie zusammenlebte, waren zur Arbeit gegangen.

Diese Welt schien wahrlich das Paradies zu sein. Ewiger Frieden prägte das Antlitz dieser Welt. Die Menschen waren mit sich ins Reine gekommen. Jeder lebte sein Leben für sich. Man half einander und legte Streitigkeiten bei, indem man sich aussprach.

Dieses System funktionierte. So einfach es auch war. Die Menschen sahen ihre Fehler ein. Sie lernten daraus. Der Lebensgeber hatte Recht. Menschen lernten aus ihren Fehlern. Manchmal. Diese Menschen hatten auch aus den Fehlern anderer gelernt. Es waren Menschen wie sie, die dem Lebensgeber geholfen hatten, den Lebensnehmer zu verbannen. Sie wussten, was für Folgen es haben konnte, wenn man sich nicht vor sich selbst in Acht nahm.

Denn die wirkliche Gefahr, die einen Menschen bedrohte, war er selbst. Nicht die anderen. Er selbst war der Einzige, der sein Leben wirklich zerstören konnte.  

Denn jeder war der Herr über sein eigenes Leben und weder der Lebensgeber, noch der Lebensnehmer konnten sich in dieses Leben einmischen. Sie konnten jemanden nur beeinflussen, doch die Entscheidung an sich lag beim Menschen selbst.

Katharina wusste das jetzt.

Nun war es nur noch an der Zeit, dass das auch die Menschen lernten.

Und sie würden es lernen. Irgendwann.

Sie würden es lernen müssen, ansonsten würden sie ihre Welt zerstören und damit auch sich selbst.

 

© Fianna 2009

Der Ernst des Lebens

Die Tage nach ihrer Rückkehr vergingen wie im Flug. Am schönsten war es doch noch immer zu Hause. Katharina war froh, endlich wieder in ihrem Bett schlafen, ihre Kleider (natürlich Jungensachen) tragen und ihre Freundinnen treffen zu können. Wieso musste Magicanaturae nur so weit von ihrem Heimatdorf entfernt sein?

Katharina hatte viel Zeit für sich, da ihr Vater arbeiten musste und ihr Bruder ihm dabei half. Außer ihrer Großmutter ab und an zur Hand zu gehen, hatte sie also nichts zu tun.

An einem regnerischen Tag, etwa zwei Wochen nach ihrer Rückkehr, kehrte Katharina gemeinsam mit ihrer Großmutter die Stube aus. Dabei erzählte sie der alten Frau von ihrem Traum, den sie vor der Abreise aus Magicanaturae gehabt hatte.

Während die alte Frau über den Traum des Mädchens nachdachte, hörte man nur das Scharren der Besen auf dem Boden und das Trommeln der Regentropfen an den Fenstern. Schließlich sagte sie: „Spinnen deuten auf die eigene dunkle Seite hin oder auch auf einen Mutterkonflikt. Manchmal bedeuten sie aber auch nur, dass man sich vor etwas fürchtet. Wenn man die Spinnen mit dem zusammenlegt, was du zuerst geträumt hast, dann könnte es ja auf die Angst hindeuten, dass deine Mutter verschwindet.“

Die alte Frau verstummte und sah Katharina an. „Kannst du mir noch mehr erzählen? Über irgendetwas, das dich dazu gebracht haben könnte, dich um deine Mutter zu sorgen?“

Katharina dachte scharf nach und stieß auf etwas. „Neumond.“ Fragend blickte die alte Frau von ihrer Arbeit auf und hörte auf zu kehren. Erklärend fügte Katharina hinzu: „Meine Mutter hat uns erzählt, dass Heilerinnen verschwinden, an jedem Neumond eine, und dass auch schon vor eintausend Jahren Heilerinnen verschwunden sind. Vielleicht habe ich deshalb davon geträumt, dass sie verschwindet, aber was haben dann die Spinnen in meinem Traum zu suchen? Ich fürchte mich nicht vor Spinnen.“

Ihre Großmutter öffnete die Tür und kehrte den Staub nach draußen. Katharina sah einen Blitz, der den Himmel für einige Sekunden erhellte. „Du hast mir vorhin nicht richtig zugehört. Ich sagte, Spinnen deuten auf eine Angst hin, aber ich habe nicht gesagt, dass es die Angst vor Spinnen ist. Vielleicht hängt es mit dem zusammen, was du von deiner Mutter gehört hast. Lass mich noch ein bisschen darüber nachdenken, ja? Sobald ich auf ein Ergebnis komme, teile ich es dir mit.“

Katharina wollte widersprechen, doch da stürzte ihr Vater durch die Tür. Ein starker Windstoß wirbelte einige Blätter in die Stube. Ihr Vater humpelte stark und konnte sich nur noch mit größter Mühe auf den Beinen halten.

„Was ist denn passiert?“ Das Mädchen eilte zu seinem Vater und stützte ihn. „Wo ist er? Wo ist Rainer? Ich ziehe ihm das Fell über die Ohren, wenn ich ihn erwische!“ Ihr Vater keuchte schwer. Katharina drängte ihn, sich auf einen Stuhl fallen zu lassen. „Erzähl doch erst einmal, was überhaupt passiert ist.“

Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Der Junge ist einfach abgehauen, mitten in der Arbeit. Ich bin ihm nach und wollte ihn fragen, was los ist, dann hat er eines meiner Werkzeuge nach mir geworfen. Bisher konnte er dieses Werkzeug noch nicht einmal leicht anheben und er hat es einfach geworfen, als wäre es ein Kieselstein. Es hat mich am Fuß getroffen und mich somit daran gehindert, ihm zu folgen. Ich weiß einfach nicht, was ihn da geritten hat.“

Ein Stöhnen erklang, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag. Erschrocken und verwirrt zugleich sah Katharina sich um. Zuerst erkannte sie nicht, was passiert war, doch dann sah sie es. Ihre Großmutter lag am Boden und zuckte stark. Das Mädchen lief zu ihr und hob ihren Kopf an. Die Augen hatte ihre Großmutter weit aufgerissen und es schien, als wolle sie etwas sagen, doch Katharina konnte einfach nichts verstehen. Da riss ihre Großmutter sie plötzlich bei den Haaren näher zu ihrem Mund und sie hörte, was sie sagte.

„Magicanaturae, er will“, die nächsten Worte verstand sie nicht, „ist Lebensstehler. Halte … auf, sonst … … verloren.“ Die Hand, die sie zuvor noch so fest an den Haaren gehalten hatte, fiel schlaff herunter. Ihre Großmutter verstummte. Sie lag still da und rührte sich nicht mehr. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von Zufriedenheit.

Tränen stiegen Katharina in die Augen, als sie sich aufrichtete. Ihr Vater nahm sie in die Arme. Er konnte sich zwar kaum auf den Beinen halten, doch er hielt Katharina fest. Sie fing sich schneller, als sie es erwartet hatte. Sie musste herausfinden, was ihre Großmutter mit ihren letzten Worten gemeint hatte. Immer noch schluchzend wischte sie die letzten Tränen fort. „Was ist ein Lebensstehler, Vater?“

Er sah ziemlich erschrocken aus, als sie ihn dies fragte, und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. Vorerst schien es, als würde er gar nicht antworten, doch dann sagte er, so leise, dass Katharina sich zu ihm beugen musste: „In Legenden heißt es, dass der Lebensnehmer in irgendeiner Form auf dieser Welt existiert. Diese Form wechselt ständig. Er lebt cirka eintausend Jahre, dann wird er schwach und stirbt, es sei denn, er findet einen Menschen, der einen Pakt mit ihm eingeht. Diese Menschen, die einen Pakt mit dem Lebensnehmer schließen, nennt man Lebensstehler, da sie wehrlose Opfer zum Lebensnehmer bringen, damit dieser ihnen die Lebenskraft nehmen kann. Wie der Lebensgeber, lebt auch der Lebensnehmer schon eine unglaublich lange Zeit, was heißt, dass es auch schon unheimlich viele Lebensstehler gegeben haben muss. Es heißt, dass sich dem Lebensnehmer niemand widersetzen kann, da er einen mit allen Mitteln dazu bringt, ihm einen Eid zu leisten.“

Katharinas Vater verstummte und sie dachte über seine Worte nach. Ein Lebensstehler? Wen könnte ihre Großmutter bloß gemeint haben? Hatte ihr Bruder etwas damit zu tun, oder war er nur durch Zufall zu dieser Zeit verschwunden?

Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Wie hatte sie nur so blind sein können. Neumond war in zwei Wochen. Genau die Zeit, die man brauchte, um nach Magicanaturae zu kommen.

Sie musste sich beeilen.

 

*

 

Ihre Hand juckte, wie schon seit langem nicht mehr. Sie war nun schon seit beinahe zwei Wochen unterwegs. In der heutigen Nacht war Neumond. Und zwar nicht nur irgendein Neumond, sondern der Neumond, mit dem der Sommer in den Herbst überging. Gerade in dieser Nacht war das Böse auf der Insula araneae besonders mächtig.

Katharina hatte nur selten geschlafen und war beinahe am Ende ihrer Kräfte, als sie Magicanaturae erblickte. Irgendetwas stimmte nicht mit der Stadt. Als sie sich dem Hafen genähert hatte, fiel ihr auch auf, was nicht stimmte.

Sie sah keine Menschen. Kein einziges Boot lag vor Anker und kein einziger Händler pries seine Waren an. Auch die Soldaten, die gewöhnlich das Tor bewachten, waren verschwunden.

Anstatt spielende Kinder, beschäftigte Frauen und streitende Männer anzutreffen, sah sie nichts als leere Gassen. Alle Fenster waren geschlossen und die Türen verriegelt. Die Akademie der Heilerinnen, die über den anderen Gebäuden aufragte, schien ebenso verlassen zu sein wie die restliche Stadt. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, ging Katharina einfach weiter.

Erst als sie vor der Schmiede stand, merkte sie, dass sie keineswegs ziellos durch die Gassen gelaufen war. Sie suchte den einzigen Menschen auf, den sie hier kannte, Tom.

Vorsichtig drückte sie die Tür nach innen. Sie war nicht verschlossen. Sie betrat den Raum und sah zwei Männer, die in größter Eile ihre Sachen packten. Der jüngere von ihnen sah auf, als sich die Tür öffnete. Es war Tom, doch er sah anders aus als das letzte Mal.

Sein Gesicht wirkte eingefallen und sein Blick war wachsam. „Kathi, was machst du denn hier?“ Er klang ziemlich besorgt.

„Das ist eine lange Geschichte. Wo sind denn alle?“

„Wir haben keine Zeit zu reden“, sagte der andere Mann, der wohl Toms Vater sein musste. „Sie wird uns begleiten. Komm!“

Er ging an Katharina vorbei und verließ die Schmiede mit einem großen Bündel in der Hand. „Was ist hier los?“, versuchte es Katharina noch einmal, doch Tom schüttelte nur den Kopf, ergriff sie am Arm und zog sie mit sich nach draußen.

Er zog sie durch viele Gassen und Seitenstraßen und deutete ihr schließlich, sie solle eine Stiege hinaufsteigen. Es war die Stiege zur Stadtmauer.

Tom folgte ihr und drängte sie weiterzugehen, als sie sich noch einmal umdrehen wollte. Langsam bekam sie es wirklich mit der Angst zu tun. Auf der Mauer angekommen, sah sie, dass sie nicht die Einzigen waren. Die ganze Mauer entlang waren Menschen verteilt. Männer, Frauen und Kinder. Die Stiege, über die sie die Mauer erklommen hatten, war der einzige Zugang zu diesem Teil der Mauer. Am anderen Ende endete sie an einem Turm.

„Würdest du mir jetzt endlich sagen, was hier los ist?“, fragte sie Tom, als er sich zu einer Zinne begab und hinabblickte. Dieser Teil der Mauer war nicht besonders hoch. Vielleicht zwei bis drei Meter. Tom wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als ein Horn erschallte.

Der Ton kam aus dem Wald, der sich gegenüber dieser Mauer befand. Hier, am Ende der Pfahlbauten, schloss der Wald fast gänzlich an die Mauer an. Nur ein kleiner Streifen offenen Landes teilte ihn von der Stadtmauer.

Katharina erschrak, als sie sah, dass aus dem Wald plötzlich Menschen liefen. Sie trugen dreckige Rüstungen und jeder von ihnen besaß eine Waffe. Außerdem hatten sie Leitern bei sich. Dort wo der Wald begann, stellten sich Bogenschützen auf.

„Weißt du, ich glaube ich bin froh, wenn ich tot bin.“ Katharina sah, dass diese Worte von einem Jungen kamen, der etwa zehn Jahre alt sein musste. Ein zweiter, etwa im selben Alter, erwiderte: „Red nicht so einen Unsinn. Wir müssen doch auf unsere Schwester aufpassen.“

Dabei zeigte er mit dem Kinn auf ein kleines Mädchen, das zwischen den Jungen kauerte. Es musste so um die fünf Jahre alt sein. Katharina ging zu ihm hin und hockte sich vor dem Mädchen nieder. Hinter sich hörte sie, wie jemand darüber sprach, wie man sich vor den Pfeilen schützen sollte. Vorsichtig griff Katharina nach der Hand des Mädchens. „Wie heißt du denn?“ Das Mädchen sah sie mit großen grünen Augen an. „Victoria.“ Die Stimme des Mädchens zitterte so stark, dass Katharina sie fast nicht verstand.

„Hast du Angst, Victoria?“

„Nein. Meine Brüder haben gesagt, der Lebensgeber beschützt kleine Mädchen wie mich.“

Überrascht über diese selbstsichere Antwort, wusste Katharina zuerst nicht, was sie sagen sollte. Schließlich sagte sie nur: „Ich bin Kathi und es freut mich, dass du so mutig bist.“ Victoria lächelte.

Das, was danach geschah, würde Katharina bis an ihr Lebensende nicht vergessen. Victoria wollte ihr gerade von ihren Eltern erzählen, als es geschah.

Ein Pfeil durchbohrte den Schädel des kleinen Mädchens. Ihr Lächeln gefror. Katharina vergaß einen Moment zu atmen. Nein. Das konnte nicht sein. Es konnte doch nicht sein, dass das Leben wirklich so unfair war. Wie konnte der Lebensgeber nur so grausam sein, einem Kind, das noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hätte, das Leben zu nehmen? Tief erschüttert ließ Katharina das tote Mädchen sacht zu Boden gleiten.

Plötzlich rempelte sie jemand an und sie stürzte zu Boden. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, erkannte sie, dass die Menschen auf der Mauer bereits mit den Angreifern kämpften. Einer der Angreifer kam plötzlich die Treppe heraufgelaufen. Von Furcht gepackt wich Katharina zurück, bis es nicht mehr weiter ging. Am Ende der Mauer mühten sich zwei Frauen damit ab, die Angreifer von der Mauer zu stoßen.

Inzwischen hatten es schon mehrere Angreifer auf die Mauer geschafft. Katharina wurde sich plötzlich darüber bewusst, dass sie keine Waffe besaß.

Ein Angreifer ging auf sie los. Instinktiv stützte das Mädchen sich am Rand der Mauer ab und trat den Angreifer so fest, dass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten stürzte. Ein zweiter ersetzte sofort den Platz des ersten und ging mit einem rostigen Schwert auf sie los. Eilig griff Katharina nach einer Eisenstange, die neben den zwei Frauen stand, und schob sie zwischen sich und die Waffe des Angreifers. Ihre Arme erbebten unter dem kräftigen Schwerthieb und die Spitze der Waffe ritzte ihre Haut.

Als der Angreifer sein Schwert wieder zurückzog, schlug sie ihm mit der Eisenstange den Schädel ein. Auch gegen den nächsten Angreifer konnte sie sich zur Wehr setzen. Zumindest verletzte sie ihn so stark, dass er sich nicht mehr aufrichten konnte. Plötzlich fragte sie sich, was sie hier eigentlich machte. Wieso tötete sie diese Männer? Sie hatten ihr doch nichts getan. Sie wusste nicht einmal, wer sie überhaupt waren.

Doch es war wohl, wie Tom es gesagt hatte, als sie die Männer getötet hatte, die ihr etwas hatten antun wollen. Sie war das Opfer. Sie hatte sich nur verteidigt. Aber war das Grund genug, um Leben auszulöschen? Katharina kam zu keiner befriedigenden Antwort.

Als sie jedoch die Eisenstange gegen den nächsten Krieger erheben wollte, stockte sie plötzlich mitten im Schlag. Auch der Krieger stockte und fiel dann vor ihren Füßen zu Boden, da ihm jemand von hinten auf den Kopf geschlagen hatte.

Katharina  ließ die Eisenstange fallen. Ihr Verstand sagte, dass sie das nicht tun sollte, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Es war, als wäre ihre Seele in einem fremden Körper gefangen. So musste ihre Seele nun mit ansehen, wie ihre Beine sich in Bewegung setzten. Zielstrebig steuerte sie die Stiege an, über die sie die Mauer betreten hatte. Plötzlich stand da Tom. Er ergriff sie am Arm und wollte sie zurückhalten. Ihre Seele krümmte sich vor Schmerzen, als sie sah, wie ihre Arme Tom packten und von sich fort schleuderten. Sie fragte sich, woher sie plötzlich diese Kräfte hatte.

Nun war der Weg frei.

 

*

 

Sie hatte keine Ahnung, wohin ihre Füße sie überhaupt trugen. Inzwischen hatte sie die Stadt hinter sich gelassen und war in einen Wald gelangt. Als wüsste sie genau, wohin sie musste, bog sie bei manchen Bäumen ab und bei anderen ging sie einfach geradewegs vorbei. Schließlich gelangte sie zu einem Höhleneingang. Alles in ihr sträubte sich dagegen, diese Höhle zu betreten, doch wie schon auf der Wehrmauer, hatte sie ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle. So betrat sie die Höhle und folgte dem einzigen Gang, den es gab.

Irgendwann, landete sie in einer Sackgasse, doch als ihr Innerstes schon aufatmen wollte, sah sie, wie ihre Hand nach einem vorstehenden Felsen griff und ihn nach unten drückte. Ein höllischer Lärm erklang und gleich darauf tat sich ein Spalt auf, durch den sie sofort hindurch trat. Wieder folgte sie dem Gang, bis sie an eine Wegspaltung kam. Ihre Füße jedoch schienen genau zu wissen, wohin sie mussten, denn Katharina hielt nicht einmal kurz an. Sie betrat den rechten Gang und kehrte auch nicht um, als er so eng wurde, dass sie auf Knien gehen musste. Obwohl es stockfinster war, schlug sie sich kein einziges Mal irgendwo an.

Vor sich erkannte sie plötzlich einen Lichtschein. Irgendetwas in ihrem Innersten sagte ihr, dass es besser wäre, wenn sie in der Dunkelheit blieb, doch ihr Körper gehorchte ihr noch immer nicht.

Sie betrat eine gigantische Höhle mit riesigen Stalagmiten. Ganz gegen ihre Natur blickte sie sich nicht um. Sie ging geradewegs auf die Mitte der Gigantenhöhle zu.

Schon von weitem sah sie, dass dort jemand stand. Als sie ganz nahe war, erschrak sie fürchterlich über das, was sie sah.

Genau in der Mitte der Höhle stand ein riesiger Stein, der durchbrochen worden war. In diesem Loch befand sich ein gigantisches Spinnennetz und in diesem Spinnennetz klebte eine Frau mit langen schwarzen Haaren.

Davor stand ein Junge mit derselben Haarfarbe. Ein höllisches Grinsen lag in seinem Gesicht, als er seine Schwester sah. Hätte ihr Körper ihr gehorcht, hätte sie den Jungen geschlagen und beschimpft, doch so, konnte sie ihn nur anstarren.

Ihre Mutter sah sie mit traurigen Augen an. Der Mund war ihr mit Spinnenweben verklebt worden.

Lange Zeit geschah nichts, doch dann hörte Katharina plötzlich Geräusche. Es hörte sich an wie kleine Füße auf Steinboden. Ihr Verdacht wurde bestätigt, als aus vielen Gängen, die in die Höhle führten, Spinnen gekrochen kamen. Sie scharrten sich um das riesige Spinnennetz in der Mitte und begannen ihre vordersten Beine aneinander zu schlagen.

Katharina lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ihre Angst vergrößerte sich noch, als sie die Spinne sah. Sie war riesig und hatte einen roten Hinterleib. Sie hockte plötzlich in dem Netz, an dem Katharinas Mutter klebte.

Die Spinne kroch langsam auf die Frau zu. Katharina bäumte sich innerlich auf und versuchte den Bann, der ihren Körper gefangen hielt, zu durchbrechen, doch es gelang ihr nicht. Ihr Bruder grinste sie nur weiter hämisch an. Was hatte man bloß mit ihm gemacht?

„Oh, nicht doch. Ich habe gar nichts mit ihm gemacht. Er tut alles nur, weil er es will.“

Katharina erschrak, als sie dies hörte. Hörte? Nein, so konnte man es nicht bezeichnen. Sie wusste einfach, was die Spinne sagen wollte oder was sie bereits gesagt hatte? Sie konnte es nicht sagen. Aber woher wusste sie eigentlich, dass es die Spinne war, die mit ihr sprach? Und woher wusste dieses Vieh überhaupt, was sie dachte?

Plötzlich fuhr ihr ein unglaublicher Schmerz durch die Adern. Es fühlte sich an, als flösse Blei anstatt Blut darin.

„Wage nie wieder, so von mir zu denken!“

Katharina versuchte etwas. Anstatt zu versuchen, mit der Spinne zu sprechen, dachte sie, was sie sagen wollte. „Ich denke von dir, wie es mir passt.“

Wieder durchflutete sie dieses grauenhafte Gefühl. Es war beinahe nicht auszuhalten.

„Du wirst mir gehorchen, so wie dein Bruder.“

„Nein, das werde ich ganz bestimmt nicht.“

„Überlege dir deine Antwort lieber ganz genau. Mein Gift fließt in deinen Adern. Ich kann dir Schmerzen zufügen, gegen die, jene, die du gerade gespürt hast, nichts anderes sind, als ein lästiges Zwicken.“

Dies war eindeutig eine Drohung, doch Katharina wollte nicht so schnell klein beigeben.

„Du kannst mich foltern, so sehr du willst. Ich bin bereits gestorben, als ich gesehen habe, was du meinem Bruder angetan hast.“

Die Spinne strich Katharinas Mutter mit ihren vorderen Beinen über die Stirn.

„Ich sagte doch schon, dass ich ihm nichts angetan habe. Ich habe ihn vor dieselbe Wahl gestellt, vor die ich dich jetzt stelle. Nur muss ich dir zuerst deinen Standpunkt erklären.

Ich kann dich mit einem einzigen Gedanken töten, foltern oder dich auch tausend Tode sterben lassen. Ich kann auch deine Familie töten, foltern oder tausend Tode sterben lassen. Erinnerst du dich an deine Großmutter? Sie hat am eigenen Leib erfahren, was es heißt sich mir zu widersetzen. Willst du, dass ich deinen Vater auf dieselbe Weise töte?

Katharinas Selbstvertrauen schwand ein wenig, doch es war noch genug da, um zu erwidern:

„Mein Vater ist nicht hier. Du kannst ihm nichts anhaben.“

Wenn es nicht schier unmöglich gewesen wäre, glaubte sie, die Spinne höhnisch lachen zu hören.

„Hast du es denn noch immer nicht begriffen? Ich hätte dich wahrlich für klüger gehalten. Dabei hat deine Großmutter es dir doch erklärt.

Du hast von Spinnen geträumt. Spinnen stehen für das Böse in sich selbst und das Böse bin ich. Ich bin in jedem von euch und ich kann jederzeit von euch Besitz ergreifen, wenn ihr schwach werdet. Bei euch Menschen ist das so einfach. In eurem Innersten wollt ihr es sogar.

Weißt du, ich habe die Erfahrung gemacht, dass man starke Menschen viel schneller brechen kann als schwache. Bei dir bin ich mir nicht ganz sicher. Was bist du, Mensch, stark oder schwach?“

Tränen traten Katharina in die Augen. Tränen der Verzweiflung. Was sollte sie bloß tun? Dies war keine einfache Spinne. Dies war der Lebensnehmer persönlich.

„Wenigstens das hast du verstanden. Aber ich bin nicht nur der Lebensnehmer, weißt du. Man kennt mich unter vielen Namen.“

Katharina unterbrach ihn.

„Was willst du von mir?“

„Ich habe dir eine Frage gestellt“, erklärte der Lebensnehmer, „und ich möchte, dass du sie beantwortest.“

„Ich bin schwach im Kämpfen, aber stark im Herzen und im Geist.“

„Rührend. Wusstest du eigentlich, dass man meist das genaue Gegenteil von dem ist, das man denkt, dass man ist? Nein, natürlich nicht. Du bist nur ein Mensch, du könntest so etwas nicht verstehen.“

„Wieso willst du gerade mich als Lebensstehler haben?“

„Als Lebensstehler? Nein. Was denkst du denn von mir. Für dich habe ich eine wichtigere Aufgabe. Du bist stark. Nicht nur im Herzen und im Geist. Du kannst mir gute Dienste leisten und das wirst du auch. Du musst dich mir nur noch verpflichten.“

Ein verzweifelter Plan kam Katharina in den Sinn.

„Wofür haben sich dir die anderen Lebensstehler verpflichtet?“

„Oh, da gibt es so vieles. Dein Bruder tat es für sein Leben. Sein Vorgänger für Reichtum und der vor ihm tat es für Wissen. An den ersten erinnere ich mich noch genau, denn er tat es für ein ewiges Leben. Ich denke,  inzwischen hat er es bereut.

Du kannst dich entscheiden, ob ich dich dazu zwingen soll, dich mir anzuschließen oder ob du es freiwillig machst für etwas, das du dir wünschst. Entscheide dich richtig. Ich kann dir alles geben. Ich gebe dir mein Wort als Lebensnehmer, dass ich dir jeden Wunsch erfülle, wenn du dich mir freiwillig anschließt.“

„Wieso ist es dir so wichtig, dass ich mich dir freiwillig anschließe?“

„Das wirst du noch früh genug erfahren. Aber hör auf, mich auf die Probe zu stellen. Irgendwann in den nächsten tausend Jahren wird wieder jemand geboren werden, der so ist wie du und ich kann warten. Also, entweder entscheidest du dich jetzt, oder ich töte dich, nachdem ich deiner Familie das Leben genommen habe.“

Katharina überlegte fieberhaft. Sie hatte Angst um ihren Vater, um ihre Mutter und auch um ihren Bruder, der dastand und sie hämisch angrinste. Er war damals noch ein kleiner Junge gewesen, als er an einem Spinnenbiss beinahe gestorben wäre. Als Kind war man leicht zu beeinflussen. Doch sie war kein Kind mehr. Trotzdem ließ sie sich in gewisser Weise doch beeinflussen. Sie dachte an ihre Familie und sagte dann:

„Ich gehöre dir, wenn du meine Familie gehen lässt. Meine ganze Familie. Lass meine Mutter frei, lass meinen Vater in Frieden und entlasse meinen Bruder aus deinen Banden, dann verpflichte ich mich dir auf ewig.“

„Einverstanden. Komm her.“

Katharinas Mutter löste sich plötzlich von dem Spinnennetz und fiel zu Boden. Rainer lief zu ihr und half ihr auf. Somit hatte der Lebensnehmer sein Versprechen wohl eingelöst. Nun war sie an der Reihe. Endlich gehorchte ihr Körper ihr wieder. Sie hätte weglaufen können, doch der Lebensnehmer hatte ihr gezeigt, dass für ihn niemand unerreichbar war.

Langsam näherte sie sich dem Spinnennetz. Wie aus weiter Ferne hörte sie ihre Mutter etwas rufen, doch sie verstand es nicht. Ihre Ohren wollten es nicht hören.

Sie wusste genau, was sie tun musste. Mit dem Rücken stellte sie sich an das Spinnennetz und klebte sofort daran fest. Sie begann zu sprechen.

„Auf dein Gift, das durch meine Adern fließt, schwöre ich, dir zu dienen und keinen deiner Befehle in Frage zu stellen. Als Gegenleistung lässt du meine Familie auf immer in Frieden leben.“

Dann wiederholte sie:

„Auf dein Gift, das durch meine Adern fließt, schwöre ich, dir zu dienen und keinen deiner Befehle in Frage zu stellen. Als Gegenleistung … .“

Und so ging es weiter. Immer wieder wiederholte Katharina diese zwei Sätze, während die Spinne, die niemand Anderes als der Lebensnehmer war, damit begann, sie mit ihrem Netz einzuspinnen. Durch dieses Netz würde nicht nur Katharina, sondern auch der Lebensnehmer für immer an ihr Versprechen gebunden sein.

Als Katharina schon beinahe bis zur Hälfte eingesponnen war, stockte die Spinne plötzlich. Irgendwie hörte Katharina Teile einer Unterhaltung, von der sie nichts wusste. Die Spinne schien mit sich selbst zu sprechen.

„Nein, das habe ich nicht. Ich gehe diesem Handwerk nun schon seit so vielen Jahren nach. Ich mache keine Fehler.“

„Oh doch, du hast einen Fehler begangen. Einen fatalen Fehler, der das ganze Gefüge, wie es seit langer Zeit Bestand hatte, durcheinander bringen könnte. Ich werde stärker mit jedem Faden, den du um dieses Mädchen spinnst.“

„Schweig! Du lügst!“

„Ich kann nicht lügen, hast du das etwa vergessen in der langen Zeit, in der ich nichts zu sagen hatte? Du siehst es doch selbst. Ich kann mich wieder mit dir unterhalten. Das letzte Mal geschah dies, als du schon beinahe am Ende warst.“

„Wie kann ich dieses Netz durchbrechen? Wie kann ich mich von diesem Mädchen lösen? Sag es mir!“

„Du kannst dich nicht von dem Mädchen lösen. Es hat dich besiegt. Es hat etwas getan, was vor ihm noch kein anderer getan hat.“

„Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, mich von ihr zu lösen. Es muss!“

„Nur weil es dir nützen würde, heißt es noch lange nicht, dass es auch etwas gibt, das dir helfen kann.“

Das Gespräch wurde kurz unterbrochen. Die Spinne, der Lebensnehmer, hatte sie beinahe ganz eingesponnen. Nur ihr Kopf war noch frei.

„Spürst du, wie deine Kraft schwindet? Du hast die Menschen lange genug unterjocht. Nun bin ich dran. Nun werde ich die Geschicke der Welt lenken.“

„Du weißt ja gar nicht, wovon du da redest. Ich habe die Geschicke der Welt nie gelenkt. Schon seit vielen tausend Jahren nicht mehr. Die Menschen haben ihr Schicksal bereits in die eigene Hand genommen.“

„Natürlich. Der Übeltäter gibt sich nie selbst die Schuld. Ich habe die Menschen erschaffen. Nie würden sie darauf kommen, sich gegenseitig zu bekämpfen, wenn du es ihnen nicht einflüstern würdest. Nie würden sie füreinander nur Hass empfinden, wenn du ihnen nicht im Herzen sitzen würdest.“

„Oh doch, das würden sie. Du wirst es schon sehen. Du hast die Menschen geschaffen. Das ist wahr. Aber das ist lange her. Seitdem ist viel geschehen. Die Geschichte der Menschen bewegt sich von einem Krieg zum nächsten.

 Sie haben sich verändert und sind gewachsen. Sie haben ihre eigenen Interessen entdeckt. Sie denken nicht mehr an andere. Sie denken nur noch an sich selbst.

Du hast versagt. Die, die du geschaffen hast, die sich gegenseitig geholfen haben, gibt es nicht mehr. Alle sind sie nur noch auf den eigenen Vorteil bedacht.“

„Nein. Nicht alle. Du übersiehst da etwas. Dieses Mädchen hat nicht an sich gedacht. Es hat sein eigenes Glück geopfert, um das anderer zu retten. Du siehst in allen Menschen nur das Schlechte. Solange es Menschen wie dieses Mädchen gibt, besteht auch Hoffnung. Menschen machen Fehler, doch sie lernen daraus. So habe ich sie geschaffen. Die Menschen werden wieder zueinander finden. Sie müssen nur erst den richtigen Weg erkennen.“

„Glaube mir. Bis sie diesen Weg gefunden haben, haben sie sich gegenseitig ausgelöscht. Das ist das Wesen des Menschen. Er hört erst auf, wenn die anderen am Boden liegen und selbst dann tritt er ihnen noch ins Gesicht.

Sieh es endlich ein. Du hast es vermasselt. Ich mag zwar jetzt verschwinden, aber glaube mir. Ich kehre wieder. Die Menschen können nichts ohne mich. Sie sind nichts ohne mich. Du wirst es schon sehen.

In wenigen Jahrtausenden werden wir uns wieder sprechen.

Vorausgesetzt, die Menschheit hat sich bis dahin noch nicht selbst vernichtet.

Wir werden sehen.“

Plötzlich verstummte diese Stimme. Katharina war vollkommen eingesponnen. Sie bekam keine Luft mehr, wollte sich aufbäumen.

„Du kannst die Bande nicht zerbrechen, die du geschlossen hast. Wenn du es tust, wird das Unheil über die Menschheit kommen.“

„Aber wieso ich? Wieso muss ich die Menschheit vor diesem Unheil bewahren? Kann das denn nicht jemand Anderes machen?“

„Du bist die Erste seit vielen Jahrtausenden, die ihr eigenes Leben nicht über das anderer gestellt hat. Du bist so weit gegangen, um deine Familie zu retten. Wenn du jetzt umkehrst, wird alles von vorne beginnen. Ich befehle dir nicht, zu mir zu kommen. Ich bitte dich.“

„Wohin komme ich, wenn ich dir folge?“

„Weißt du. Es gibt viele Bezeichnungen dafür. Manche nennen es Paradies, die anderen sagen einfach nur Himmel.“

„Soll das heißen, dass ich sterbe?“

„Auch dafür gibt es viele Bezeichnungen. Weißt du, die Menschen haben die wahre Bedeutung des Wortes Tod schon längst vergessen. Es bedeutet nicht, dass man einfach einschläft und ewig träumt. Es bedeutet aber auch genauso wenig, dass einfach nichts mehr ist. Tot sein bedeutet übergehen.

Wenn man stirbt, geht man über in eine andere Welt. Dort beginnt man erneut.“

„Und wie ist diese Welt?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Es könnte eine Welt sein, die sich von dieser in nichts unterscheidet. Vielleicht kommst du aber auch in eine Welt, in der Legenden Wirklichkeit werden.

Also. Willst du mich begleiten, oder aber willst du zurück in dein altes Leben?“

Katharina dachte lange darüber nach, doch dann kam sie zu einem Entschluss.

„Mein altes Leben gibt es nicht mehr. Ich komme mit dir. Egal wohin. Ich vertraue dir.“

„Dann komm! Du wirst es nicht bereuen.“

Der Dieb

Amata ging nun schon zum dritten Mal ihren Bericht durch. Sie durfte sich keine Fehler erlauben. Die Heilerinnen waren streng, wenn es um die Beurteilung von Leistungen ging. Schon der kleinste Fehler konnte sie ihren Ausbildungsplatz an der Akademie kosten. Zum Glück hatte Alexandra sie an ihre Aufgabe erinnert. Auch wenn sie damit wohl nur bewirken hatte wollen, dass sie mit ihrer Familie allein sein konnte.

Es musste schön sein, eine Familie zu haben. Amata hatte sich immer einen Mann und Kinder gewünscht, doch durch einen Reitunfall war sie nicht mehr dazu fähig, Kinder in die Welt zu setzen. Ihr damaliger Verlobter hatte sie verlassen.

Lange hatte sie gebraucht,  um diesen Verlust zu verkraften. Dieser Vorfall hatte sie jedoch erst dazu bewegt, Heilerin zu werden. Diese Akademie war für sie, was die Familie für Alexandra war. Der Sinn des Lebens. Eines unfairen Lebens voller schwerer Prüfungen.

Amata rückte ihre Gedanken wieder zurecht. Sie musste sich auf ihren Bericht konzentrieren. Wo war sie gewesen? Sie hatte es einfach vergessen. Jetzt musste sie wieder von vorne zu lesen beginnen.

Ihre Kerze ging aus. Verärgert suchte Amata nach einer neuen und entzündete diese an einem der Kerzenleuchter an der Wand.

Als sie wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte, stimmte etwas nicht. Irgendetwas fehlte. Kaum hatte sie die Kerze auf den Tisch gestellt und sich wieder hingesetzt, da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Wo war ihr Bericht?

Verwirrt durchsuchte sie die Bücher auf ihrem Schreibtisch. Nein. Er war nicht mehr da. Doch wo war er? Hatte sie sich etwa nur eingebildet, ihn geschrieben zu haben? Nein, das konnte nicht sein. Schließlich hatte sie ihn fast dreimal durchgelesen.

Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Verzweifelt blickte sie sich um und da sah sie ihn. Er hielt ihren Bericht in der Hand. Es war Alexandras Sohn. Sie erkannte ihn wieder, weil er ihr Buch aufgehoben hatte. Nun fuchtelte er mit ihrem Bericht. Verärgert ging sie auf ihn zu. „Gib mir meinen Bericht zurück, du ungezogenes Kind! Was fällt dir eigentlich ein?“ Kaum war sie ihm so nahe, dass sie nur die Hand ausstrecken musste, um ihn zu berühren, da wich er einen Schritt zurück, drehte sich um, öffnete die Tür und verschwand nach draußen.

Hastig setzte Amata ihm nach. Sie brauchte diesen Bericht. Sie hatte keine Zeit, um einen neuen zu schreiben und wenn sie den oberen Heilerinnen erklären würde, dass ein kleiner Junge ihr den Bericht gestohlen hatte, würden diese es als Ausrede abtun und sie sofort aus der Akademie werfen. Der Junge lief gerade die Treppe hinab, als sie die Tür durchquert hatte. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, beschleunigte sie ihre Schritte. „Haltet den Jungen auf!“, rief sie, „Er hat meinen Bericht gestohlen!“

Diejenigen, die sie hören konnten, waren schlichtweg zu überrascht, um den Jungen aufzuhalten, weshalb Amata nichts anderes übrig blieb, als ihn eigenhändig zu verfolgen.

Sie hoffte, ihn in der Stadt einzuholen.

Dazu kam es jedoch nicht. Der Junge lockte sie quer durch die Stadt und führte sie schließlich in einen Wald. Die Sonne war schon beinahe untergegangen. Sie musste bald in den Palast zurück, sonst brachte ihr der Bericht auch nichts mehr.

Vor ihr tat sich plötzlich eine Höhle auf. Amata blieb sofort stehen. Sie mochte keine Höhlen. Sie waren ihr unheimlich.

Doch der Junge konnte nur dort hinein sein. Dort drinnen musste sie ihn kriegen, schließlich endeten Höhlen meistens plötzlich, bevor man sich versah.

Wieso hatte sie bloß so ein dummes Gefühl dabei, als sie die Höhle betrat?

 

*

Der Junge saß auf einem Stein und grinste sie unverhohlen hämisch an. „Wieso hast du dich nicht an die Regeln gehalten? Das wäre besser für dich gewesen.“

Ohne auf dessen Worte zu achten, befahl sie: „Gib mir meinen Bericht, sonst bekommst du großen Ärger!“

Der Junge grinste nur noch breiter. „Du bist es, die Ärger bekommt, und zwar gewaltigen Ärger.“ Das wurde ihr nun doch zu viel. Verärgert schritt sie auf den Jungen zu und riss ihm ihren Bericht aus den Händen. Er hielt ihn nicht einmal fest.

Als sie sich umdrehte, hatte sie plötzlich ein ungeheuer starkes Angstgefühl. Sie wollte sich noch einmal zu dem Jungen umwenden, doch da spürte sie einen stechenden Schmerz an ihrem Hinterkopf und sie verlor das Bewusstsein. Der Bericht entglitt ihren Händen und wurde vom Wind aus der Höhle getragen.

 

*

Als sie die Augen aufschlug, spürte sie noch immer den stechenden Schmerz in ihrem Hinterkopf. Benommen blickte sie um sich.

So wie es aussah, befand sie sich noch immer in einer Höhle, doch es schien nicht mehr dieselbe wie noch zuvor zu sein.

Die Höhle, in der sie sich nun befand, war riesig, beinahe gigantisch. Die größte, die sie je gesehen hatte.

Plötzlich fiel ihr auf, dass sie keineswegs auf dem Rücken lag. Stattdessen stand sie aufrecht da. Seltsam, dabei spürte sie nicht einmal, dass sie auf den Füßen stand. War sie etwa tot? War das das, was nach dem Tod kam? Respekteinflößend genug erschien es ihr. Doch dann erblickte sie ihn. Alexandras Sohn. Sie wollte zu ihm hingehen und ihn schütteln, weil er ihren Bericht gestohlen hatte, doch sie konnte sich nicht bewegen.

Erst jetzt fielen ihr die Spinnen auf. Rundherum hockten sie, wie schwarze Bälle mit Augen, die sie anstarrten. Es war zwar ein lächerlicher Gedanke, dass sie sie anstarren könnten, doch es schien ihr in Anbetracht der Umstände ziemlich glaubhaft zu sein.

Als die Spinnen plötzlich begannen, mit ihren vordersten Füßen aneinander zu schlagen, klappte ihr Unterkiefer herab. Das konnte es doch nicht geben. Diese Tiere applaudierten. Aber wem? Die Antwort schien sich ihr zu nähern. Sie hatte ein ziemlich unangenehmes Gefühl. Plötzlich fühlte sie einen brennenden Schmerz in ihrer linken Schulter. Dann war ihr plötzlich, als zöge jemand das Leben aus ihr heraus.

Verschwommen sah sie noch den Jungen, der sie immer noch hämisch angrinste. Er hatte ihr nicht nur den Bericht gestohlen. Nein. Viel schlimmer. Dies war kein gewöhnlicher kleiner Dieb. Dieser Junge, den sie verschwommen vor sich sah, war ein Lebensstehler. Ein Werkzeug des Lebensnehmers. Ein Werkzeug des Bösen.

Wieder zu Hause

Der Tag ihrer Abreise brach an. Sie hatten beinahe die ganze Nacht mit Alexandra gesprochen. Schweren Herzens hatten sie sich schließlich von ihr verabschiedet. Niemand wusste, wie lange sie sich nun nicht mehr sehen würden. Beim letzten Mal waren es drei Jahre gewesen. Würde es wieder so lange dauern, oder gar noch länger? Katharina wusste es nicht. Irgendwie war sie auch froh darüber.

Wenn sie nämlich nicht wusste, wann sie ihre Mutter das nächste Mal besuchen konnten, konnte sie jeden Tag von neuem hoffen.

Sie waren spät in der Nacht zurück zu ihrer Herberge gegangen. Rainer war erst kurz vor ihrem Aufbruch von der Akademie wieder zu ihnen gestoßen. Er hatte erklärt, dass er sich mit ein paar Freunden getroffen hatte.

Todmüde war Katharina in ihr Strohbett gefallen und war augenblicklich eingeschlafen. In ihren Träumen hatte sie eine Gruppe von Frauen gesehen, die immer weniger wurden. Die letzte hatte das Gesicht ihrer Mutter gehabt. Schlussendlich war auch sie verschwunden. Kaum war keine der Frauen mehr da gewesen, hatte Katharina von Spinnen geträumt.

Als sie erwacht war, hatte sie die Einzelheiten des Traumes schon wieder vergessen. Sie versuchte, sich den Rest einzuprägen, um zu Hause ihre Großmutter nach der Bedeutung dieses Traumes fragen zu können. Schon immer hatte ihre Großmutter ihre Träume gedeutet. Wenn Katharina als kleines Kind Alpträume gehabt hatte, hatte ihre Großmutter sie für sie gedeutet, und danach hatte das Mädchen sich nicht mehr so sehr gefürchtet.

Wenn man das Wesen von Albträumen verstand, dann waren sie gar nicht mehr so schlimm. Meistens wollten sie einen nur vor etwas warnen oder auf etwas aufmerksam machen. Katharina hatte sich dies gemerkt und ging seitdem jedes Mal, wenn sie einen Albtraum gehabt hatte, zu ihrer Großmutter, um herauszufinden, worauf sie achten oder was sie ändern sollte.

Katharina tat es nur leid, dass ihre Großmutter zu alt war, um die anstrengende Reise von ihrem Heimatdorf nach Magicanaturae mit ihnen zu unternehmen. Bestimmt hätte sie ihre Tochter gerne wieder einmal gesehen.

Während Katharina so in Gedanken versunken gewesen war, hatten sie die Stadt bereits verlassen. Sie passierten den Hafen, an dem es wie immer ziemlich bunt zuging. Einige Boote legten ab, während andere wieder anlegten.

Beinahe wie der Lauf des Lebens. Einige gingen und andere kamen.

Wie kam sie bloß ständig auf so etwas? Es war wie ihr Vater immer sagte; sie dachte zu viel nach. Dadurch kam einem das Leben gleich viel grauer vor.

Genervt hob Katharina den Kopf, als sie einen Ruf vernahm. Er kam von einem Boten. Er lief ihnen geradewegs entgegen. Vermutlich hatte er es ziemlich eilig. Hastig wichen Katharina und ihr Vater aus. Rainer schaltete zu spät und wurde unsanft von dem Boten angerempelt. Dieser entschuldigte sich nicht einmal dafür, sondern lief einfach weiter, bis zum Tor. Dort reichte er einem der Soldaten ein Stück Papier und brach zusammen.

 

*

 

Nach diesem seltsamen Zwischenfall ereignete sich so gut wie gar nichts mehr. Katharina schritt neben ihrem Vater her, während Rainer ein Stück hinter ihnen ging.

Anscheinend war ihm nun doch einmal die Puste ausgegangen. Obwohl sie der festgetretenen Straße folgten, trafen sie nicht viele andere Reisende.

Einmal kam ihnen ein Mann auf einem großen Pferd entgegen, der elegant gekleidet war. Ohne auch nur von ihnen Notiz zu nehmen, ritt er an den dreien vorbei.

Eine freudigere Begegnung war die mit einem Bauern, der in ihre Richtung reiste. Er lieferte Heu aus und bot ihnen an, mit ihm auf seinem Heukarren zu fahren.

Dankend nahmen die drei an.

Somit kamen sie bei der Heimreise schneller voran als bei der Anreise. Als es bereits dunkel wurde, setzte der Bauer sie bei einem Gasthaus ab. Er selbst musste erst seine Pferde versorgen, dann würde auch er dort einkehren.

Katharina schmerzten alle Knochen, als sie das Gasthaus betrat. Der Karren hatte entsetzlich gewackelt. Ihr war es, als hätte sie jeden Stein gespürt. Trotzdem waren sie mit dem Heukarren schneller vorangekommen, als wenn sie zu Fuß gegangen wären.

Der Bauer hatte gute Pferde und somit hatten sie heute eine Strecke zurückgelegt, die sie zu Fuß drei Tage gekostet hätte.

Auch morgen würden sie wieder mit dem Bauern reisen. Sie hatten erfahren, dass er, nur ein Dorf von dem ihren entfernt, sein Heu abliefern musste. Deshalb konnte er sie bis dorthin mitnehmen.

Müde und mit schmerzenden Knochen ließ Katharina sich angezogen auf eines der schäbigen Betten fallen und schlief sofort ein.

 

*

 

Am nächsten Morgen weckte sie ihr Vater. Er und Rainer waren schon aufbruchsbereit. Ihr Bruder reichte ihr ein Stück Brot und dann setzten sie ihre Reise fort.

Die Luft war noch kühl, doch die Vögel zwitscherten in voller Lautstärke. Katharina genoss den Gesang der Vögel und den Geruch der frischen Luft.

Niemand sagte etwas und der Bauer schien sich dabei ziemlich unwohl zu fühlen.

„Wollt ihr ein Lied hören?“, fragte er plötzlich.

Katharina sah ihn nur verständnislos an, während ihr Bruder begeistert den Kopf hob. Nachdem er sich noch einmal geräuspert hatte, begann der Bauer mit einer erstaunlich schönen Stimme zu singen.

 

„Es war einmal ein Wandersmann

Tridi hei hai ho tridi hei hai ho,

der klopfte an des Todes Türe an,

tridi hei hai hei hai ho.”

 

Und so ging das Lied weiter. Eigentlich war es völlig unsinnig, doch es vertrieb die Langeweile und die Zeit verging wie im Flug.

Katharina atmete den Geruch des Heus ein und versuchte zu vergessen, dass ihr alles wehtat. Sie versuchte, in eine bessere Position zu rutschen und erschrak, als sie etwas Haariges spürte. Langsam sah sie an ihrer Hand hinunter und sie hatte sich nicht getäuscht. Auf ihrer Hand saß eine fette Spinne. Das Mädchen atmete tief durch, um den Ekel hinunterzuschlucken und schüttelte die Hand. Die Spinne fiel zu Boden.

Wenige Minuten später hatte Katharina diesen Vorfall schon wieder vergessen. Als die Sonne am Zenit stand, teilte der Bauer Karotten aus.

Ihr Vater gab jedem noch ein Stück Brot und sie aßen schweigend vor sich hin.

Die Sonne machte Katharina schläfrig. Wäre nicht das unablässige Holpern gewesen, wäre sie bestimmt eingeschlafen.

So jedoch döste sie nur vor sich hin. Zumindest glaubte sie das.

„Katharina. Kathi, wach auf!“

Erschrocken schlug die Angesprochene die Augen auf. Zuerst war sie sich nicht sicher, ob sie sie wirklich geöffnet hatte, denn es war immer noch dunkel, doch dann erkannte sie das Gesicht ihres Vaters, der sie geweckt hatte. Sie war tatsächlich eingeschlafen. Inzwischen war es stockdunkel.

Nur die Lichter, die aus dem Gasthaus, vor dem sie angehalten hatten, herausleuchteten, spendeten Licht. Ansonsten war es finster. Ihr Vater half ihr von dem Heuwagen herunter. Sie war noch nicht ganz wach.

Seltsam, obwohl sie geschlafen hatte, fühlte sie sich kein bisschen ausgeruht. Beinahe war ihr, als wäre sie noch erschöpfter als zuvor. Dabei hatte sie den ganzen Tag doch nichts anderes getan, als dazuliegen und vor sich hin zu träumen.

Außerdem juckte ihre Hand. Geistesabwesend kratzte sie daran.

Als sie in das Gasthaus eintraten, musste sie mehrmals blinzeln. Nach der vollkommenen Dunkelheit draußen musste sie sich erst wieder an das Kerzenlicht gewöhnen.

Die Gaststube war wie ausgestorben. Nur der Wirt hockte hinter seinem Tresen. Er schien zu schlafen. „Entschuldigt, dass wir Euch so spät noch stören“, begann ihr Vater, „aber wir bräuchten eine Unterkunft für die Nacht.“

Der Wirt rührte sich nicht.

Vorsichtig ging ihr Vater auf ihn zu und sprach ihn erneut an. Als er immer noch nicht reagierte, tippte er ihn leicht mit dem Finger an. Auch das weckte den Wirt nicht auf. Schließlich schüttelte ihr Vater den Mann kräftig durch. Der Kopf des Wirtes schlug wild hin und her und als ihr Vater den Mann losließ, fiel er von dem Stuhl, auf dem er saß, und landete unsanft auf dem Boden.

Auch das weckte den Wirt nicht auf. Nichts würde ihn je wieder aufwecken. Er war tot.

Ein Messer steckte in seinem Rücken. „Verdammt! Geht sofort nach draußen und sagt Reinhold (so hieß der Bauer), er soll die Pferde wieder anschirren! Wir müssen so schnell wie möglich von hier weg! Ich komme gleich nach!“

Dann stürzte er die Treppe nach oben. Katharina wusste nicht, was sie tun sollte, während ihr Bruder nach draußen lief. Schließlich entschloss sie sich dazu, ihrem Vater zu folgen. Vorsichtig stieg sie die Treppe zum oberen Raum hinauf. Erschrocken blieb sie stehen, als sie sah, dass nicht alle Betten leer waren.

Ihr Vater war gerade dabei, die Toten zuzudecken. Überall lagen verstreute Sachen herum und alles war voller Blut. Es mussten Räuber gewesen sein. Eine ganze Bande von Räubern.

Katharina beeilte sich, den Raum wieder zu verlassen, bevor ihr Vater sie sah. Sie eilte nach draußen und übergab sich. Erst jetzt, da sie wieder frische Luft atmete, bemerkte sie, wie grässlich es in diesem Gasthaus gestunken hatte. Der süßliche Geruch hing ihr noch immer in der Nase. Der süße Tod. So sagte man doch.

Doch für Katharina hatte das nicht sehr süß ausgesehen.

Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, dass der Bauer die Pferde bereits wieder angeschirrt hatte. Er führte den Wagen gerade vor das Wirtshaus, als ihr Vater herauskam.

Sein Gesicht war wie versteinert. Vermutlich sah auch sie selbst nicht besser aus. Immerhin hatten sie dasselbe gesehen. Ihr Vater deutete ihr, sie solle auf den Karren klettern. Rainer saß bereits im Heu, als das Geschrei begann.

Von allen Seiten schien es zu kommen, wobei Katharina nicht verstand, was gerufen wurde. Es gab jedoch keinen Zweifel daran, dass es die Räuber waren.

Ihr Vater sprang neben dem Bauern auf den Wagen und riss ihm die Zügel aus der Hand. Die Zugpferde setzten sich in Bewegung und rannten geradewegs auf zwei der Räuber zu, die mitten auf der Straße standen. Ihr Vater machte keine Anstalten den Wagen anzuhalten. Stattdessen trieb er die Pferde noch weiter an und so blieb den überraschten Räubern nichts anderes übrig, als aus dem Weg zu springen.

Katharina hielt sich am Wagen fest, um nicht herunterzufallen. Sie warf einen Blick nach hinten und wäre im nächsten Moment froh gewesen, es nicht getan zu haben.

„Sie haben Pferde und holen auf!“, rief sie ihrem Vater über das Geschrei hinweg zu und hoffte inständig, dass er sie gehört hatte.

Tatsächlich schien er sie gehört zu haben, denn er gab dem Bauern die Zügel zurück, schrie ihm etwas ins Ohr und kletterte nach hinten in den Wagen.

Plötzlich hielt er ein Schwert in der Hand. Noch nie hatte Katharina ihn damit gesehen. Zwar hatte sie gewusst, dass er seine Waffen aufbewahrte, doch hätte sie nie gedacht, dass er sie mit sich führen könnte. Die berittenen Räuber waren nur noch wenige Meter entfernt.

Katharinas Vater richtete sich auf und hob sein Schwert, als einer der Räuber zu einem Sprung ansetzte.

Entsetzt keuchte Katharina, als sie plötzlich einen Pfeil aus der Schulter ihres Vaters ragen sah. Dieser ignorierte diesen einfach und schlug auf den Räuber ein, der von seinem Pferd aus auf den Wagen gesprungen war.

Der Räuber war so sehr damit beschäftigt, irgendwo Halt zu finden, dass er keine Gelegenheit dazu hatte, sich zu verteidigen.

Einen Kopf kürzer stürzte er vom Wagen. Das reiterlose Pferd geriet ins Straucheln, als es auf die Leiche seines Reiters stieß und rempelte das neben ihm laufende Pferd an.

Der Räuber, der dieses Pferd ritt, hatte sich gerade zum Sprung bereit gemacht und fiel nun vornüber zu Boden.

Zwei andere Räuber, die plötzlich links und rechts des Wagens aufgetaucht waren, attackierten nun ihren Vater. Katharina wandte den Blick nach vorne, als sie sah, wie ihr Vater einem von ihnen den Schädel spaltete. Blut spritzte.

Dadurch sah sie, dass die Zugpferde führerlos waren. Der Bauer hing schlaff zur Seite. Vier Pfeile ragten aus seiner Brust.

So gut es eben ging, griff Katharina nach den Zügeln des Wagens. Sie lenkte die Pferde zurück auf die Straße und damit wieder ins Sichtfeld der übrigen Räuber.

Es gab keinen Ausweg.

Die einzige Möglichkeit, ihnen zu entkommen, wäre, den Heuwagen zurückzulassen, doch wie sollte sie die Pferde so schnell abspannen und das auch noch, während sie liefen. Es war einfach unmöglich. Trotzdem musste sie es versuchen. Hier ging es nicht nur mehr um ihr Leben.

Fieberhaft tastete sie nach dem Messer in ihrem Stiefel. Dabei musste sie sich auch darauf konzentrieren, die Straße nicht aus den Augen zu lassen. Da fiel ihr wieder ihr Bruder ein.

„Rainer, wir müssen die Pferde abspannen. Versuche, auf eines der Pferde aufzusitzen und halte das andere fest. Ich versuche solange, sie vom Wagen loszubekommen.“

Sie konnte nicht nachsehen, um sich zu vergewissern, dass er sie gehört hatte, doch als sie sah, wie er sich langsam zu den Pferden vorarbeitete, wusste sie, dass er verstanden hatte.

Inzwischen hatte sie auch ihr Messer gefunden. Sie beugte sich nach vorne und schnitt einen Strang nach dem anderen durch. Dabei hielt sie sich mit den Füßen am Wagen fest.

Rainer hatte bereits ein Pferd erreicht und hielt das andere bei seinem Geschirr fest. Katharina schnitt, so schnell sie konnte, doch es dauerte einfach viel zu lange.

Auf einmal schlug neben ihr ein Schwert in das Holz und durchtrennte die Stränge, die das Pferd hielten, auf dem Rainer saß. Es lief plötzlich schneller als das andere und Rainer sah sich gezwungen, loszulassen, um nicht vom Pferd zu fallen.

Als Katharina aufsah, um zu sehen, wer die Stränge durchgeschnitten hatte, erschrak sie. Neben ihr lag ein toter Mann. Er hatte kurz geschorenes, helles Haar und einen geflochtenen Bart. Er sah aus wie ein ganz normaler Mann, nicht wie ein Räuber. Was hatte ihn wohl dazu veranlasst, sich dieser Bande anzuschließen? Möglicherweise hatte er eine Frau und Kinder, die hungerten. Sie würden nun ohne Vater aufwachsen müssen.

Katharina musste sich zusammenreißen, um ihre Gedanken von dem Toten loszureißen, dessen Schwert die Stränge durchtrennt hatte. Sie blickte zu ihrem Vater zurück, doch der war nicht mehr da. Angst machte sich in ihrem Herzen breit und schnürte ihr die Kehle zu. Plötzlich ergriff sie jemand und zog sie zu sich. Katharina schrie.

Jemand drückte sie fest an sich und sie spürte, dass sie auf einem Pferd saß. Zornig wehrte sie sich gegen den Griff. Dann schlug ihr jemand ins Gesicht und eine Stimme sagte: „Kathi, lass das, sonst fällst du noch hinunter.“

 

*

 

Sie hatten es geschafft. Sie hatten die Räuber hinter sich gelassen. Vermutlich hatten sie sich mit dem Wagen und dem einen Pferd, das sie erbeutet hatten, zufrieden gegeben.

Katharina war mehr als froh darüber. Mittlerweile führten sie das Pferd neben sich her. Es war erschöpft, was ja eigentlich kein Wunder war. Immerhin hatte es drei Reiter getragen, und zwar im Galopp. Katharina führte das Pferd an den improvisierten Zügeln.

Kaum hatten sie die Räuber einige Kilometer hinter sich gelassen, da hatten sie angehalten. Das Pferd hatte Schaum vor dem Mund gehabt und hatte sich erst einmal ausruhen müssen. Außerdem waren auch Katharina, ihr Vater und ihr Bruder am Ende ihrer Kräfte.

Während der Pause, die sie eingelegt hatten, hatte das Mädchen dem Pferd die Überreste des Kutschengespanns abgenommen und aus einigen der Seile so etwas Ähnliches wie ein Zaumzeug hergestellt.

Die Sonne war inzwischen aufgegangen und sie hatten sich schon wieder auf den Weg gemacht. Sie waren noch mindestens einen Wochenmarsch von ihrem Zuhause entfernt.

Niemand war sehr gesprächig. Alle hingen ihren eigenen Gedanken nach.

Bei den kleinsten Geräuschen horchten sie auf. Der Wald war zu etwas Bedrohlichem geworden.

 

*

 

Der Rest der Reise verlief ereignislos. Zweimal mussten sie unter freiem Himmel übernachten, ansonsten fanden sie jedes Mal ein Wirtshaus.

Als sie jedoch nur noch einen Tagesmarsch von ihrem Heimatdorf entfernt waren, ging ihnen das Geld aus. Deshalb beschlossen sie, die Nacht durchzumarschieren. Abwechselnd ritten sie auf dem Pferd des toten Bauern.

Die ersten Sonnenstrahlen ließen sich blicken, als Katharina die Umgebung wieder bekannt vorkam. In der Ferne erblickte sie Rauchsäulen, die sich in den Himmel kringelten. Neben der Straße standen Zäune, die Felder einschlossen, auf denen Kühe und Schafe grasten.

Der Geruch von frisch gebackenem Brot schlug ihnen entgegen, als sie das Dorf betraten. Erst jetzt wurde Katharina klar, wie hungrig sie eigentlich war.

Während sie durch das Dorf gingen, riefen manche Leute ihnen Grüße zu, andere fragten, wie die Reise gewesen sei. Auf die Grüße antworteten sie nur mit einem Nicken, während sie die Fragen gar nicht beachteten.

Katharina wollte nur noch eins. Nach Hause.

Sie war so glücklich, als sie ihr Haus betrat. Endlich waren sie wieder zu Hause. In Sicherheit.

Die Akademie der Heilerinnen

Die letzte Nacht war wirklich schrecklich gewesen. Nicht nur, dass ihr Vater sie angeschrieen hatte, weil sie zu spät nach Hause gekommen war. Er hatte sie auch noch dafür verantwortlich gemacht, dass Rainer verschwunden war.

Als dieser schließlich zur Herberge gekommen war, hatte ihn ihr Vater nur gefragt, wo er gesteckt habe. Er hatte erzählt, er wäre bei der Familie einer seiner Freunde gewesen und hatte dort die Zeit übersehen.

Ihn war ihr Vater nicht angefahren, weil er zu spät gekommen war. Ungerecht war das. Einfach nur ungerecht.

Wuterfüllt hatte Katharina sich schlafen gelegt und sich vorgenommen, am nächsten Tag nicht mit ihrem Vater zu sprechen. Nur die Vorfreude darauf, ihre Muter wieder zu sehen, hatte diesen Zorn ein wenig beschwichtigt.

Als Katharina aufgewacht war, war es ihr vorgekommen, als hätte sie sich eben erst schlafen gelegt. Noch dazu hatte sie Bauchschmerzen, weil sie gestern nichts mehr gegessen hatte.

Sie setzte sich im Bett auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Nachdem sie noch einmal herzhaft gegähnt hatte, suchte sie nach ihrem Kleid. Erst als sie statt einem dunkelgrünen ein dunkelblaues Kleid mit weißen Rüschen vorfand, erinnerte sie sich daran, dass sie ihr Kleid gegen das Kleid von Toms Schwester eingetauscht hatte.

Es wunderte Katharina keineswegs, dass Toms Schwester dieses Kleid nie trug. Es sah grauenhaft aus. Niemals würde jemand so etwas freiwillig anziehen.

Als sie bemerkte, dass ihr Vater und ihr Bruder noch schliefen, suchte sie ihren Stiefel und zog das Messer, das darin steckte, heraus.

Tom hatte es ihr wieder gegeben, nachdem sie das Gasthaus „Zum lachenden Narren“ verlassen hatten.

Zuerst hatte sie es nicht zurückhaben wollen, doch dann hatte der junge Mann sie davon überzeugt, dass es nützlich sein könnte.

Jetzt war es ihr in der Tat von Nutzen. Sie legte das hässliche Kleid auf den Boden und begann damit die Rüschen abzutrennen.

Aus den langen Ärmeln machte sie kurze und die Rüschen am Kragen riss sie einfach so fort. Danach sah der Kragen ein wenig zerfetzt aus, doch sie verbarg dies, indem sie ihn einmal umbog.

Auch die Rüschen am Ende des Kleides trennte sie mit ihrem Messer ab. Als sie damit fertig war, sah das Kleid gar nicht mehr so schrecklich aus wie noch kurz zuvor. Zufrieden setzte sie sich wieder auf ihr Bett.

„Wieso zerschneidest du dein Kleid?“ Erschrocken zuckte Katharina zusammen. Ihr Bruder saß im Schneidersitz auf seinem Bett und blickte zu ihr.

„Wieso nicht?“, fragte das Mädchen zurück.

Rainer hob die Schultern und schüttelte den Kopf. Katharina hoffte inständig, dass er ihrem Vater nichts davon erzählte. Dieser würde sich sicher nicht mit einer solchen Antwort zufrieden geben. Fast, als hätte er ihre Gedanken gehört, richtete sich nun auch ihr Vater auf und setzte sich auf die Bettkante.

„Ihr seid schon wach. Wieso habt ihr mich nicht geweckt?“

„Wir sind auch gerade erst aufgewacht“, sagte Katharina schnell und erinnerte sich zu spät an ihren Schwur, nicht mit ihrem Vater zu sprechen.

Ihr Vater und Rainer begannen sich anzuziehen und auch Katharina griff nach ihrem Kleid. Hastig zog sie es über und um zu verbergen, dass es ihr zu groß war, entfernte sie die Rüschen von einem abgetrennten Stück Soff und verwendete es dann als eine Art Gürtel.

Sie war die letzte, die sich angezogen hatte. Wieder ein Vorteil von Männerkleidung. Man konnte sie schnell an und ausziehen und sie passte immer.

Rainer und ihr Vater warteten, wie gestern, im Eingangsraum. Auch der Mann hinter dem Tresen, Oskar, wie sie jetzt wusste, war bereits wach.

Gemeinsam zogen die drei los. Zurück durch die Gassen und Straßen, durch die sie gestern gekommen waren. Diesmal war Katharina fest entschlossen, sich den Weg zu merken, falls sie wieder auf sich allein gestellt sein sollte.

Sie brauchten fast eine halbe Stunde, um sich der Akademie auch nur zu nähern. Schließlich trennten sie nur noch fünfhundert Stufen vom Eingang. Katharina hatte sie an den Malen zuvor gezählt, an denen sie ihre Mutter besucht hatten.

Es war anstrengend, so viele Stufen hinaufsteigen zu müssen. War man erst einmal oben, musste man sich hinsetzen, um wieder zu Atem zu kommen.

Dann erwartete einen eine zweite Treppe, diesmal mit nur fünfzig Stufen und danach musste man durch viele verschiedene Gänge und Räume gehen, um endlich zum Aufenthaltsraum der angehenden Heilerinnen zu kommen.

Eine Heilerinnenausbildung konnte ein ganzes Leben dauern. Es gab immer wieder neue Krankheiten und immer wieder neue Methoden, um sie zu bekämpfen, was es einer angehenden Heilerin nicht gerade einfach machte.

Ihre Mutter studierte hier nun schon seit beinahe fünfzehn Jahren und war immer noch nicht höher im Rang gestiegen.

Die Akademie wurde ausschließlich von Frauen verwaltet und nur Frauen konnten hier studieren. Warum, wusste Katharina nicht. Vermutlich hing es mit denselben Gesetzen zusammen, die es Frauen verboten, Männerkleidung zu tragen.

Bei diesem Gedanken konnte Katharina ein Schnauben nicht unterdrücken. Gesetze sollten da sein, um den Menschen das Leben zu erleichtern, nicht um es ihnen zu erschweren.

Vielleicht lagen solche Ungerechtigkeiten daran, dass die Gesetzmacher Männer waren. Katharina wusste es nicht. Es hatte sie auch nie sonderlich interessiert. Zu Hause gab es nur ein Gesetz. Nämlich: Tue nur das, was du willst, dass es auch die anderen tun.

Man konnte es zwar auf alle möglichen Weisen auslegen, doch es hatte sich schon einige Male bewährt.

Katharina schrak zusammen, als eine große Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Es war die Tür zum Aufenthaltsraum der untersten Heilerinnen.

Irgendwo hier drinnen musste ihre Mutter sein. Suchend sah Katharina sich um. Der Aufenthaltsraum sah nicht gerade aus wie ein Raum, in dem man sich entspannte. Überall standen hohe Bücherregale mit Büchern, die das Wissen von tausenden von Jahren enthielten. Manche davon waren nicht einmal in ihrer Sprache geschrieben.

Auch die Frauen, die sich hier aufhielten, sahen nicht gerade so aus, als würden sie sich entspannen. Die meisten saßen tief über ein Buch gebeugt da und machten sich Notizen.

Einige von ihnen unterhielten sich auch, doch die Themen schienen vielmehr kompliziert, als unterhaltend zu klingen.

Alles in allem sahen die Frauen hier aus, als wüssten sie nicht, was Spaß war.

Ein Schrei durchdrang die unangenehme Stille und der Frau, die ihn ausgestoßen hatte, wurden sofort missbilligende Blicke zugeworfen.

Doch die Frau achtete nicht darauf. Sie hatte nur Augen für die Besucher. Ihre Familie. Mit wehenden schwarzen Haaren kam sie auf sie zugelaufen.

Es war Alexandra. Katharinas und Rainers Mutter. Sie schloss sie alle fest in die Arme und schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen.

Erst nach mehreren Sekunden lockerte sie die Umarmung. „Wie lange ist das her? Es kommt mir vor, als wären es Jahrhunderte gewesen, seit ich euch das letzte Mal gesehen habe. Ihr seid inzwischen ja fast erwachsen.“

Noch einmal schloss sie sie alle in die Arme. Immer noch ruhten ungehaltene Blicke auf ihnen. Alexandra sah sich kurz um. „Vielleicht ist es besser, wenn wir auf mein Zimmer gehen. Dort durchbohrt uns niemand mit solchen Blicken.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete sie die Tür und ging ihnen voraus. „Es ist wirklich schön, euch wieder zu sehen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, sich mit diesen Heilerinnen hier zu unterhalten. Sie reden über nichts anderes als über Krankheiten, Seuchen und Heilungsmethoden. Wirklich anstrengend. Hier hat sich nicht viel verändert, seit ihr das letzte Mal hier wart. Und bei euch? Hat sich irgendetwas getan?“

„Nun ja“, begann Katharina, „Kinder wurden geboren, alte Menschen sind gestorben, Ehen wurden geschlossen und so weiter und so fort.“

Inzwischen waren sie bei Alexandras Zimmer angekommen. Sie öffnete die Tür und ließ sie zuerst eintreten, dann folgte sie und schloss die Tür wieder.

Ihre Mutter teilte sich ihr Zimmer mit zwei anderen Frauen. Nur eine davon war anwesend. Sie saß in einem bequem aussehenden Stuhl und las ein Buch. „Oh. Hallo Amata. Ich dachte, du müsstest noch eine Arbeit fertig schreiben.“

Die Frau schlug sich mit einer Hand an die Stirn und sprang auf. Dabei fiel ihr das Buch aus dem Schoß und landete aufgeschlagen auf dem Boden. Rainer griff danach. Er blickte sich kurz die aufgeschlagene Seite (es war die erste) an und gab der Frau das Buch wieder zurück.

„Danke, dass du mich daran erinnert hast, Alex.“ Hastig stürzte die Frau aus dem Zimmer. Die Tür knallte hinter ihr zu. „Seht ihr, nichts als Stress.“

Alexandra ließ sich auf ihr Bett fallen. Dieses bestand nicht nur aus einem Strohsack und ein paar Laken. „Ich möchte mich einfach einmal wieder normal unterhalten, ohne ständig darüber nachdenken zu müssen, was ich sage. Wisst ihr“, sie setzte sich wieder auf und sah sie an, „es heißt, dass Heilerinnen aus heiterem Himmel verschwinden. Jeden Neumond eine andere. Keiner sieht sie je wieder. Lydia, eine meiner Zimmerbewohnerinnen, ist letzten Neumond in die Bibliothek gegangen und seitdem hat sie keiner mehr gesehen. Ihre Sachen hat man dagelassen, für den Fall, dass sie doch noch zurückkommt.

Ich persönlich glaube jedoch nicht, dass wir sie je wieder sehen werden.“

„Und seit wann verschwinden Heilerinnen? Kannst du dich noch an das erste Mal erinnern, dass eine verschwunden ist?“ Dieses Thema hatte Katharinas Aufmerksamkeit erregt.

Ihre Mutter dachte nach. Ziemlich lange. Sie zählte die Tage an ihren Fingern ab.

„Wenn ich mich recht erinnere, dann verschwand die erste Heilerin vor annähernd eintausend Jahren.“

„Sollte das jetzt ein Scherz sein? Wenn es einer war, dann war es nämlich der schlechteste, den ich je gehört habe.“

„Mit so etwas scherzt man nicht, Katharina“, erwiderte ihre Mutter streng.

„Die erste Heilerin, die ich kannte, verschwand vor vier Neumonden. Heute Nacht ist es wieder so weit. Ich würde darauf wetten, dass heute wieder eine von uns verschwindet.“

Diese Worte missachtete Katharina einfach.

„Was meintest du dann mit die erste Heilerin verschwand vor annähernd eintausend Jahren?“

„Ach Kind. So etwas dürfte dich eigentlich gar nicht interessieren.“

„Dafür ist es schon zu spät. Meine Neugier ist geweckt. Also bitte erzähle mir, was du weißt. Du sagtest doch, du würdest dich gerne einmal wieder über etwas Normales unterhalten. Jetzt hast du Gelegenheit dazu. Bitte erzähle es uns.“

Ergeben seufzte Alexandra. „Ich kann dir einfach keine Bitte abschlagen. Aber bitte setzt euch. Es ist eine etwas längere Geschichte.“

Die drei kamen ihrer Bitte nach und setzten sich. Katharina setzte sich neben ihre Mutter, während ihr Vater und Rainer sich auf Lydias Bett fallen ließen.

„Vor eintausend Jahren und vier Neumonden, verschwand die erste Heilerin. Die Akademie war damals genau eintausend Jahre alt. Die erste Heilerin, die verschwand, war eine unbedeutende, die einen der untersten Ränge bekleidete. Sie verschwand an einem Neumond, während eines Spazierganges. Sie war einfach nicht mehr aufzufinden.

Damals glaubten einige, sie wäre weggelaufen, weil sie das Leben hier nicht mehr ertragen hatte, doch als am Neumond darauf wieder eine Heilerin verschwand, waren sich die Leute nicht mehr so sicher. Die klügsten Köpfe Magicanaturaes versuchten herauszufinden, was mit den Heilerinnen geschehen war, doch ehe sie eine zufrieden stellende Antwort gefunden hatten, verschwand bereits eine dritte Heilerin. Abermals an einem Neumond.

Da es diesmal eine Heilerin erwischt hatte, die einen höheren Rang bekleidet hatte, gaben sich die Gelehrten noch mehr Mühe, um die Ursache für das Verschwinden der Heilerinnen zu finden. Bald einigten sie sich darauf, dass es sich nur um Ritualmorde handeln konnte, da jeden Neumond eine Heilerin verschwand. Sie glaubten, das Problem lösen zu können, indem sie die Heilerinnen dazu anhielten, sich nur noch in Gruppen durch die Akademie zu bewegen und auch nie allein spazieren zu gehen.

Dadurch wurde alles jedoch nur noch schlimmer. Am nächsten Neumond fand man die Leichen von zwei Heilerinnen, eine dritte verschwand spurlos.

Die Gelehrten waren ratlos und wussten nicht, was sie tun sollten. Sie ließen die Umgebung nach irgendwelchen Hinweisen durchsuchen, doch sie fanden nichts.

Danach verschwanden noch fünf weitere Heilerinnen. Unter ihnen war auch die damalige Leiterin der Akademie. Wie bei ihren Vorgängerinnen wurden ihre Leichen nie gefunden. Es war, als wären sie einfach vom Erdboden verschluckt worden.

Hier bei uns sind bereits vier Heilerinnen verschwunden. Wenn das Muster beibehalten wird, dann heißt das, dass heute eine fünfe verschwindet und in den nächsten vier Monaten werden weitere vier verschwinden. Vermutlich wird unter den letzten auch die Leiterin der Akademie sein.“

„Und was tut ihr, um zu verhindern, dass weitere Heilerinnen verschwinden?“ Rainers Frage klang beiläufig, als täte er nur so, als interessiere es ihn.

„Es ist uns nicht mehr erlaubt, nach Dunkelwerden unsere Zimmer zu verlassen. Jedes der Zimmer wird nach Sonnenuntergang von Soldaten bewacht.“

„Und?“, fragte Katharina.

„Was und?“ Ihre Mutter sah sie fragend an.

„Glaubst du, es nützt etwas?“

„Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht so angespannt. Es kann jeden erwischen. Jeden Einzelnen von uns. Dem Entführer scheint es auf nichts anzukommen. Jedenfalls bei den ersten paar Opfern nicht. Die Leiterin muss sich am meisten fürchten, denn sie wird ganz bestimmt geholt werden. Die Frage ist nur, wann.“

Und so unterhielten sie sich noch lange hin und her. Einmal erzählte ihnen Alexandra etwas, dann wieder erzählten sie. Drei Jahre waren eine lange Zeit und es gab viel zu erzählen. Rainer schien es jedoch bald zu viel zu werden, denn er verließ das Zimmer in etwa fünf Stunden nach der Mittagszeit.

Katharina und ihr Vater unterhielten sich noch lange mit Alexandra. Sie lachten oft und freuten sich einfach den anderen zu sehen. Sie unterhielten sich über Belangloses. Doch es zählten nicht die Worte, sondern wie sie gesagt wurden. Denn so wie man bei Briefen oft hinter den Zeilen lesen musste, so musste man bei Gesprächen hinter die Worte hören. Dahinter lag die Seele des Gesprächs verborgen.

Die Höhle

Es war dunkel hier drin. Die Fackel, die Theo mitgebracht hatte, spendete nur spärliches Licht.

Sie alle waren völlig aus dem Häuschen gewesen, als sie diese Höhle gefunden hatten. Die Sonne musste schon weit gewandert sein, seit sie die Höhle das erste Mal betreten hatten.

Inzwischen hatten sie sich schon zu den hinteren Gefilden vorgearbeitet. Sie hatten allerhand gefunden. Schmuck, verrostete Messer, Haarspangen, Zähne und Knochen. Hier mussten wohl einmal wilde Tiere gehaust haben. Das schreckte die drei Jungen jedoch keineswegs ab, es zog sie sogar noch mehr an. Noch immer war kein Ende des Stollens in Sicht. Vermutlich befanden sie sich schon unter der Stadt.

Plötzlich polterte etwas hinter Rainer. Er wandte sich um, doch er sah nichts. Als er sich wieder nach vorne wandte, erschrak er. Vor ihm saß eine Spinne.

Es schien, als würde sie ihm direkt in die Augen sehen. Rainer nahm einen Stein und schlug nach ihr, doch sie wich aus und verzog sich wieder zurück in ihre Höhle.

Der Junge atmete erleichtert auf. Er mochte keine Spinnen. Als kleiner Junge war er einmal von einer gebissen worden. Er wäre gestorben, wenn sein Vater nicht mit ihm zur Akademie der Heilerinnen gereist wäre, wo auch seine Mutter studierte. Die Heilerinnen hatten das Spinnengift aus ihm herausholen können, doch die Angst vor Spinnen war geblieben.

„Was ist denn los, Rainer? Hast du ein Gespenst gesehen?“ Rob war zurückgekommen und blickte ihn fragend an. „Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Ich habe mich nur gerade gefragt, wie spät es wohl ist.“

Rob drehte sich wieder um und eilte Theo hinterher. Die beiden waren Brüder. Sie hatten beide dunkelrotes, kurz geschorenes Haar und blaue Augen. Wenn man sie nicht kannte, hätte man sie kaum auseinander halten können.

Rainer beeilte sich, um die beiden wieder einzuholen. Sie waren bereits um eine Ecke gebogen. Als der Junge ebenfalls um die Ecke bog, blieb er erschrocken stehen. Rob und Theo waren nicht da. Er ging wieder zurück und untersuchte, ob es noch einen anderen Gang gab, doch da war nichts. Langsam ging er wieder um die Ecke, doch seine beiden Freunde blieben verschwunden. Statt ihnen saß eine Spinne in dem Stollen. Schon wenn es nur eine kleine gewesen wäre, hätte Rainer vor lauter Angespanntheit vermutlich geschrieen, doch diese Spinne war beinahe so groß wie seine Faust.

Er hasste Spinnen. Wieso war er bloß in diese Höhle gegangen? Hastig griff er nach einem Stein, ohne die Riesenspinne aus den Augen zu lassen. Blind tastete er über die Steine und suchte einen, der groß genug war. Plötzlich fühlte er etwas Weiches. Er wandte den Blick darauf und stieß erneut einen Schrei aus. Ruckartig zog er die Hand zurück.

Eine zweite Spinne war neben ihm am Boden gehockt und als er einen Stein gesucht hatte, hatte er sie berührt. Diese Spinne hatte in etwa  dieselbe Größe wie die andere. Angeekelt wich Rainer noch einen Schritt zurück. Dabei stolperte er und konnte sich nur im letzten Augenblick an einem herausstehenden Felsen festhalten.

Dieser bewegte sich jedoch plötzlich nach unten. Diesmal verlor der Junge endgültig das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Ein infernalischer Lärm erklang, der Rainer dazu veranlasste, sich die Ohren zuzuhalten.

Kaum war der Lärm verklungen, da richtete sich der Junge wieder auf.

Die Kinnlade klappte ihm herunter, als er sah, was er gemacht hatte. Dieser vorstehende Stein, auf den er sich gestützt hatte, musste eine Art Hebel gewesen sein.

Einer der Felsen hatte sich verschoben und die Sicht auf einen neuen Gang freigegeben.

„Rob, Theo! Könnt ihr mich hören?!“

Außer seiner eigenen Stimme, die von den Wänden widerhallte, hörte er nichts. Er atmete tief durch. Seine Freunde mussten hier irgendwo sein. Die einzige Möglichkeit, um herauszufinden, ob sie in diesem Gang waren, war ihn zu durchsuchen. 

Entschlossen schritt Rainer durch die Öffnung.

Als ihn weder eine Riesenspinne ansprang, noch ein wütender Bär auffraß, fasste er neuen Mut und ging weiter. Kaum hatte er sich jedoch vier Meter von dem Durchgang entfernt, da rollte der Felsen wieder zurück an seinen ursprünglichen Platz.

Schnell lief Rainer zurück, doch er kam zu spät. Der Felsen hatte sich wieder verschlossen. Egal. Er musste sowieso erst seine Freunde finden. Danach konnten sie gemeinsam einen Ausweg aus dieser Situation suchen.

Vorsichtig und auf jedes Geräusch achtend ging Rainer weiter. Hin und wieder glaubte er das Geräusch von kleinen Beinen auf Stein zu hören. Er war sich beinahe sicher, dass es acht Beine waren. Doch vielleicht spielten ihm nur seine überreizten Nerven einen Streich.

Nach einigen Minuten (für Rainer war es, als wären bereits Stunden vergangen) erreichte der Junge eine Stelle, an der der Weg sich teilte.

Ahnungslos blickte Rainer von einem Weg zum anderen. Welchen sollte er gehen? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er sah, dass aus dem linken Gang zwei Exemplare von Riesenspinnen auf ihn zukamen. Hastig ging er zum rechten Gang. Bevor er jedoch dort hineinging, vergewisserte er sich, ob er spinnenlos war.

Als dies der Fall war, ging er weiter.

Inzwischen verfluchte er sich dafür, dass er nicht selbst eine Fackel mitgenommen hatte. Er sah kaum noch die eigene Hand vor Augen. Langsam tastete er sich voran. Immer hatte er Angst, dass er auf eine Spinne treffen könnte. Angestrengt versuchte er diesen Gedanken auszublenden, doch desto mehr er dies versuchte, desto schlimmer wurden seine Ängste.

Manchmal schüttelte er sich, weil er glaubte, Spinnenbeine auf sich zu spüren. Dass der Gang immer enger wurde, trug auch nicht gerade zur Angstlinderung bei.

Er hätte jederzeit umdrehen können. Jedenfalls machte er sich das ständig klar, obwohl er wusste, dass er seine Freunde nicht im Stich lassen konnte. Was, wenn das kein Streich war? Was, wenn ihnen etwas zugestoßen war? Wäre es dann nicht besser, wenn er Hilfe holen würde, anstatt allein und völlig ratlos in dieser Höhle herumzuirren?

Da fiel ihm wieder ein, dass er ja gar nicht zurück konnte. Der Fels war ja hinter ihm zugefallen. Wieso war er nur so dumm gewesen und war durch diesen Durchgang hindurch gegangen? Hätten seine Freunde dasselbe getan, hätte er das doch hören müssen.

Während er so darüber nachdachte, fiel ihm gar nicht auf, dass es plötzlich wieder hell wurde. Erst als es so hell war, dass das Licht ihm in den Augen wehtat, fiel ihm auf, dass sich etwas verändert hatte.

Er befand sich in keinem Gang mehr, sondern in einer Höhle. Die Decke war so hoch, dass er sie fast gar nicht mehr sehen konnte. Mehrere Gänge schienen in diese Höhle zu führen und wieder hinaus.

Wie konnte diese Decke bloß so hoch sein? Keine einzige Stelle in der Stadt lag so hoch. Er musste sich korrigieren. Keine einzige Stelle in der Stadt, außer der Akademie der Heilerinnen, lag so hoch. Aber sie waren doch gar nicht in diese Richtung gegangen. Rainer konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern. Vielleicht waren sie einmal abgebogen und er hatte nichts davon bemerkt.

Eigentlich war das jetzt ja auch egal. Er wollte nur seine Freunde finden und dann auf dem schnellsten Weg hier heraus.

Er trat aus dem Gang heraus, in dem er bis jetzt gestanden hatte und betrat die Höhle. Sie war wirklich riesig. Die Stalagmiten waren mindestens dreimal so groß wie er.

Ehrfürchtig betrachtete er diesen Ort. Nur der Lebensgeber konnte so etwas geschaffen haben. Aber, hieß es nicht, dass der Lebensgeber keinen Einfluss auf die Gebiete unter der Erde hatte?

Rainer musste sich hier sehr tief unter der Erde befinden.

Das musste dann heißen, dass der Lebensnehmer dies alles hier geschaffen hatte. Das konnte der Junge sich jedoch nicht vorstellen.

Wie konnte jemand wie der Lebensnehmer etwas so Schönes wie das hier erschaffen?

Egal, wer dies nun geschaffen hatte, Rainer konnte ihm gegenüber nichts anderes als Respekt empfinden.

Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Er wandte sich um, erblickte jedoch nichts Gefährliches. Schließlich wandte er den Blick wieder auf die Höhle. Diesmal sah er sich jedoch aufmerksamer um. Der Junge ging ein paar Schritte weiter und blieb abrupt stehen, als er das sah, was sich in der Mitte dieses Meisterwerks befand.

Zuerst hatte er es für einen großen Stein gehalten, der in der Mitte durchgebrochen war, doch nun, da er näher heran war, erkannte er, dass in dem Loch, das sich in dem Stein befand, ein Spinnennetz gebaut worden war.

Es war das größte Spinnennetz, das er je gesehen hatte.

Selbst die Riesenspinnen, die er zuvor gesehen hatte, hätten in diesem Netz winzig ausgesehen. Wie Mücken, die sich in einem normalen Spinnennetz verfangen hatten.

Als er daran dachte, was ein solch gigantisches Netz gebaut haben konnte, schauderte es ihn und er beeilte sich, auf einen der Gänge zuzugehen.

Gerade wollte er den nächst besten betreten, als er sah, dass eine ganze Menge Spinnen daraus hervorkrabbelte.

Auch als er sich an den nächsten wandte und an den übernächsten, sah er das gleiche. Überall waren Spinnen. Von einem unangenehmen Gefühl ergriffen, legte Rainer den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Ein kalter Schauder des Entsetzens lief ihm über den Rücken, als er die Spinnen sah, die sich an ihren Fäden herabließen.

Sie waren noch größer als die, die er zuvor als riesig bezeichnet hatte. Diese Spinnen waren beinahe so groß wie sein Kopf.

Plötzlich spürte er, dass ihm eine Spinne über den Stiefel lief. Rainer schleuderte sie fort und zog sich in die Mitte des Raumes zurück. Inzwischen kamen aus allen Gängen Spinnen.

Es war, als wäre er in einem Albtraum gefangen.

Als er etwas Klebriges an seinen Fingern spürte, wusste er, was er sehen würde, wenn er sich umwandte. Anstatt sich jedoch umzuwenden, wollte er wieder einen Schritt nach vorne treten.

Es ging nicht. Er hing fest.

Verzweifelt versuchte er, sich aus dem Riesenspinnennetz zu befreien, doch es ging einfach nicht. Er saß in der Falle.

Nun wusste er zumindest, wie sich eine Fliege fühlen musste, die in einem Spinnennetz gefangen war. Er hätte alles dafür gegeben, um diese Erfahrung nie machen zu müssen.

 

*

 

Unbeweglich, wie er noch immer war, beobachtete Rainer die näher kommenden Spinnen. Sie waren nur noch einen Meter entfernt, als sie stehen blieben.

Angstschweiß rann dem Jungen über die Stirn. Er fragte sich, was jetzt wohl geschehen würde.

Noch nie hatte er sich so sehr gewünscht, dass eine seiner Fragen unbeantwortet blieb. Er spürte, wie das Netz zu vibrieren begann. Unter die Spinnen kam Bewegung. Sie begannen, ihre vordersten Beine aneinander zu schlagen. Beinahe sah es so aus, als applaudierten sie. Wäre dieser Eindruck nicht völlig grotesk gewesen, hätte Rainer wohl daran geglaubt.

(Wenige Sekunden später tat er es wohl auch)

Inzwischen vibrierte das Netz heftiger. Plötzlich spürte der Junge etwas auf seiner Stirn. Es war haarig und fühlte sich nicht gut an.

Seine Fantasie malte sich die schrecklichsten Dinge aus, die jetzt passieren konnten. Doch das, was wirklich geschah, hätte er nie erwartet.

Seine Hände lösten sich plötzlich von dem Netz und wenig später war er völlig frei. So schnell es ging, ohne zu fallen, entfernte Rainer sich von dem Netz. Dabei achtete er jedoch darauf, den anderen Spinnen, die inzwischen wieder völlig ruhig waren, nicht zu nahe zu kommen.

Er wandte sich um und starrte auf das Spinnennetz, an dem er kurz zuvor noch gehangen hatte. Es war nun nicht mehr leer.

Das was Rainer sah, ließ ihn nicht mehr daran zweifeln, dass dieser Ort vom Lebensnehmer geschaffen worden war.

In dem riesigen Netz hockte eine riesige, nein eine gigantische Spinne. Sie musste mindestens zweimal so groß wie er selbst sein. Ihr Hinterleib war blutrot, während der Rest von ihr schwarz war wie die Nacht.

Ihre Augen funkelten ihn wissend an. In diesem Augenblick wurde Rainer klar, dass Spinnen intelligent waren. Nicht nur ihre acht Beine unterschieden sie von den Insekten, sondern auch ihre Gabe, nicht nur durch Instinkt zu handeln.

Alles, was hier geschehen war, war geplant gewesen. Nicht einen Augenblick zweifelte Rainer an diesem Wissen.

Als die Spinne, die Königin der Spinnen, zu ihm sprach, war er keineswegs überrascht.

„Willkommen Rainer. Ich bin erfreut, dich hier zu sehen, obwohl ich kein bisschen überrascht bin. Du warst schon als kleines Kind zu übereifrig.“

Es war nicht so, dass sie wirklich zu ihm gesprochen hätte. Eher kam es ihm so vor, als wusste er, was sie sagen wollte, als hätte sie es schon gesagt und er müsse sich nur daran erinnern.

„Kennst du mich denn noch?“

Erst jetzt schien es Rainer angemessen, zu ihr zu sprechen, doch er tat es nicht, wie man es mit Menschen oder mit Tieren tat. Er tat es auf die Weise, wie man mit einem überlegenem Wesen spricht.

„Ich habe Euch nie vergessen, Mutter.“ Bei diesen Worten verneigte er sich tief und er richtete sich erst wieder auf, als die MUTTER erneut zu ihm sprach.

„Dann weißt du auch sicher noch, was ich von dir verlangt habe, im Gegenzug für dein Leben?“

„Natürlich, wie könnte ich dies vergessen. Ihr sagtet mir ich würde sterben, wenn ich Euch nicht einen Gefallen täte.“

„Sprich weiter, mein Sohn.“ forderte ihn die MUTTER auf.

Mit einer weiteren, diesmal kürzeren Verbeugung fuhr Rainer fort: „Ihr sagtet mir damals, wenn die Zeit gekommen wäre, würdet ihr meine Hilfe brauchen. Wie ich sehe, ist die Zeit nun gekommen, also befehlt mir, Mutter, und ich gehorche, wie ich es Euch geschworen habe.“

Anders als zuvor, erwiderte die MUTTER. Es schien, als würde das Sprechen ihr plötzlich schwer fallen.

„Ich sterbe, mein Sohn. Seit vielen Jahrtausenden schon bin ich die Mutter. In diesen Jahren bin ich immer wieder zu diesem Punkt gelangt. Ich weiß, was ich tun muss, um mich und mit mir unsere ganze Spezies zu retten.

Glaube nicht, dass es mich erfreuen würde, dir diese Befehle zu geben. Ich befehle nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Wenn du nicht tust, was ich von dir verlange, werde ich sterben und mit mir auch alle, die an mich gebunden sind. So wie auch du. Ich habe dich mit meinem Gift an mich gebunden. Danach habe ich dir das Leben gewährt. Du weißt das und deshalb wirst du mir gehorchen. Liege ich mit dieser Annahme richtig?“

„Ja, Mutter“, erwiderte Rainer.

„Dann höre mir jetzt genau zu!

In der nächsten Nacht ist Neumond. Bevor die Sonne untergegangen ist, bringst du mir eine der Heilerinnen aus der Akademie! Hast du das verstanden?

„Ja, Mutter. Eine Heilerin aus der Akademie, bevor die Sonne untergeht“, erwiderte Rainer.

„Gut. Ich möchte aber nicht irgendeine Heilerin. Bring mir jene Heilerin, die den Namen Amata Ress trägt. Bringst du mir eine andere, werde ich dich mit dem Gift, das du immer noch in dir trägst, töten. Hast du das verstanden?“

„Ja, Mutter. Ich habe verstanden und ich werde gehorchen“, erwiderte Rainer.

„Gut, dann kannst du dich schon einmal an die Arbeit machen und pass auf, dass niemand bemerkt, was du tust.“

„Ja, Mutter. Ich werde gehorchen, weil Euer Gift durch meine Adern fließt und mein Herz gefangen hält“, erwiderte Rainer.

Magicanaturae

Der Weg war lang und beschwerlich. Schon mit Pferden wäre es eine anstrengende Reise gewesen, doch zu Fuß war es beinahe ein Gewaltmarsch.

Katharina ging ein kleines Stück hinter ihrem Vater, der entschlossenen Schrittes den Weg entlang eilte. Ihr Bruder Rainer lief voraus.

Manchmal fragte sie sich, woher er nur die Kraft dafür nahm. Sie waren nun schon seit annähernd zwei Wochen unterwegs und hatten nicht sehr viel Schlaf bekommen, da es in dieser Umgebung nicht gerade einen Überfluss an Gasthäusern gab.

Mindestens jede zweite Nacht hatten sie unter freiem Himmel verbracht und während dieser ganzen Zeit hatte es unablässig geregnet.

Erst vor wenigen Stunden hatten die Wolken sich zurückgezogen, um der Sonne Platz zu machen.

Ihr welliges braunes Haar, das ihr bis über die Schultern reichte, war total durchnässt.

Als sie bemerkte, dass sie zurückgefallen war, beeilte sie sich, um ihren Vater wieder einzuholen.

Er war ein großer kräftiger Mann, mit spärlichem Haarwuchs und wachen Augen. Vor zwanzig Jahren hatte er im zweiten Inselkrieg mitgekämpft. Seitdem herrschte Frieden auf der Insula araneae.

Die Erinnerung an den Krieg war jedoch geblieben. Auch jetzt, zwanzig Jahre nach Kriegsende, konnte man die verheerenden Folgen noch erkennen. Manche Dörfer waren noch immer wie ausgestorben und die Männer, die an der Front gekämpft hatten, waren nicht mehr dieselben.

Jedenfalls sagte das ihr Vater immer. Der Krieg endete fünf Jahre vor ihrer Geburt. Zum Glück. Ihr Vater wurde jedoch nie müde zu erklären, dass dies noch lange nicht das Ende sei. Er pflegte zu sagen, dass man sich nur in einer Zwischenkriegszeit befand.

Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Immerhin sollte sie sich freuen. Sie würde endlich ihre Mutter wieder sehen. Wie lange war es her, seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte? Drei Jahre? Sie war sich nicht einmal mehr sicher.

Doch, natürlich. Rainer war damals zehn Jahre alt gewesen. Das war wahrlich eine lange Zeit.

„Wir sind bald da.“

Die raue Stimme ihres Vaters riss sie aus ihren Gedanken.

„Was?“

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Du warst wohl mal wieder in Gedanken versunken, habe ich Recht?“ Sie erwiderte sein Lächeln und erklärte: „Ich habe mich nur gerade gefragt, wie lange es schon her ist, seit wir unsere Mutter das letzte Mal gesehen haben.“

Das Lächeln verschwand. „Drei Jahre, vier Monate und achtzehn Tage.“

„Oh.“ Auch Katharinas Lächeln erlosch.

Eine kurze Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her, dann fragte sie:

„Wenn du sie sosehr vermisst, wieso ziehen wir dann nicht zu ihr? Es ist doch nicht so, dass du dort keine Arbeit finden würdest. Einen Schmied werden sie dort doch sicher nicht draußen stehen lassen.“ Schon oft hatte sie ihn gefragt, wieso sie nicht nach Magicanaturae ziehen konnten und immer wieder hatte ihr Vater irgendeine Ausrede gefunden. Sie verstand einfach nicht, wieso er sich so dagegen sträubte.

Auch diesmal erwiderte er nur: „Die haben dort genügend Schmiede.“

„Wirklich, davon wusste ich gar nichts.“ Sie wollte einfach nicht locker lassen. Vielleicht gelang es ihr ja heute ihn umzustimmen.

„Das wundert mich nicht, schließlich hast du dir die Stadt ja noch nie angesehen.“

Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Sie hatte nie wirklich einen Drang verspürt, sich die Stadt anzusehen. Vielleicht hätte sie es tun sollen, doch wenn sie in Magicanaturae waren, verbrachte sie jede freie Minute mit ihrer Mutter. Die durfte die Ausbildungsakademie jedoch nicht verlassen, was dann bedeutete, dass Katharina gar keine Gelegenheit gehabt hatte, um sich die Stadt anzusehen. Vielleicht sollte sie das nachholen.

„Aber vielleicht“, begann sie erneut, doch als sie dem grimmigen Gesichtsausdruck ihres Vaters begegnete, verstummte sie.

Gerade, als sie trotz des eindeutigen Widerwillens ihres Vaters von neuem beginnen wollte, sprang ihr Bruder aus einem Gebüsch und bewarf sie mit Kletten. Diese verfingen sich sofort in ihren Kleidern und in ihren Haaren.

„He, was soll denn das? Weißt du, wie schwer die wieder herauszubekommen sind?“

Rainer lachte nur noch lauter und sprang neben ihr her. Sie riss eine der Pflanzen aus ihren Kleidern und warf sie nach ihm. Ihr Bruder  war fast so groß wie sie selbst und hatte wie ihre Mutter schwarzes Haar, das er kurz trug.

Als er wieder im Wald verschwinden wollte, rief ihr Vater ihn zurück. Anstatt zu erklären, weshalb, deutete er nach vorne. Die beiden folgten seinem ausgestreckten Arm mit den Augen und freuten sich, als sie die Häuser bemerkten. Sie hatten die Stadt fast erreicht.

Bald würden sie ihre Mutter wieder sehen.

 

*

 

Die Stadt Magicanaturae war auf Pfählen erbaut worden. Sie lag in einem Fjord und war somit gut geschützt vor Riesenwellen.

Es gab einen Hafen mit mehreren Anlegestellen, die alle besetzt zu sein schienen und an dem reges Treiben herrschte. Da es hier fast ausschließlich Fischerboote gab, wurden hier auch Fische angepriesen.

Große Schiffe gab es auf der gesamten Insel nicht. Sie wären schlichtweg überflüssig gewesen. Jeder, egal ob gebildet oder nicht, wusste, dass man die Insula araneae nicht verlassen konnte.

Alle, die es trotz besseren Wissens versucht hatten, waren nie wieder zurückgekehrt. Zeugen zufolge, die das Geschehen von einer Klippe aus beobachtet hatten, verschlang der Ozean die Boote. Niemand, der noch ganz bei Sinnen war, würde also versuchen, den Großen Ozean zu überqueren. Deshalb baute man auch keine großen Schiffe. Somit konnte niemand in Versuchung geführt werden.

Hatte man den Hafen passiert, gelangte man zu einem Tor, das von zwei gelangweilt wirkenden Soldaten bewacht wurde. Bevor ein Fremder die Stadt betrat, musste er alle seine Waffen abgeben, außer er führte einen Passierschein mit sich, der es ihm erlaubte, mit seinen Waffen die Stadt zu betreten.

Katharinas Vater besaß keinen solchen Schein, doch die Soldaten kannten ihn bereits und verzichteten deshalb auf eine Durchsuchung.

Gleich nachdem man das Tor passiert hatte, erblickte man die Akademie, in der angehende Heilerinnen ausgebildet wurden. Dort lernte auch ihre Mutter, Alexandra, seit Katharinas Geburt. Damals, so hatte ihre Mutter es ihr zumindest erzählt, wäre sie fast verblutet und hatte geschworen, sich dem Heilen zu verschreiben, wenn sie überlebte.

Sie hatte überlebt und nur wenige Tage später war sie nach Magicanaturae aufgebrochen, um dort ihr Studium zu beginnen. Alexandra war eine Frau, die zu ihrem Wort stand, auch wenn sie dafür ihre Familie aufgeben musste.

Ihr Mann musste sich nun um die Kinder kümmern und nur ab und zu konnten sie Alexandra besuchen. Ihr Studium nahm viel Zeit in Anspruch, doch an manchen Tagen konnte sie machen, was sie wollte.

In einem Brief hatte sie ihnen mitgeteilt, dass es einen solchen Tag in annähernd zweieinhalb Wochen geben würde. Daraufhin war die gesamte Familie aufgebrochen, um diesen Tag mit ihr zu verbringen.

Dieser Tag war jedoch erst morgen.

Vor einem solchen Tag durfte niemand die Akademie betreten, um die Lernenden nicht zu stören. Somit mussten sie einen ganzen Tag in Alexandras Nähe verbringen, ohne mit ihr sprechen oder sie auch nur sehen zu können.

Die positive Seite dessen war jedoch, dass Katharina dadurch Zeit bekam, sich die Stadt anzusehen. Vielleicht fand sie ja irgendeine Arbeit, die ihr Vater ausführen könnte. Dann könnten sie hier leben und ihre Mutter an jedem Tag, der ihr zur eigenen Verfügung stand, besuchen.

Katharina war so versunken in ihre Gedanken, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie sich einem Gasthaus genähert hatten. Es war das Gasthaus „Zum besoffenen Esel“, in dem sie ständig ihr Quartier bezogen, wenn sie ihre Mutter besuchten.

Der Wirt war sehr freundlich und seine Frau kochte ausgezeichnet. Deshalb war Katharina auch enttäuscht, als ihr Blick auf ein Schild mit der Aufschrift, Geschlossen, fiel.

Ihr Vater ließ sich jedoch nichts anmerken. Er ging einfach daran vorbei und weiter die Straße entlang. Schon früher war Katharina aufgefallen, dass er sich in der Stadt hervorragend auskannte. Vermutlich hatte er sich die Stadt schon öfters angesehen.

Jetzt bog er nach rechts ab, vorbei an einer Tischlerei und wandte sich gleich darauf wieder nach links.

Angeekelt hielt Katharina sich die Nase zu, als sie an einer Gerberei vorbeikamen. Der Gestank verfolgte sie auch noch, als sie um die nächste Ecke bogen. Vermutlich hatte er sich in ihren Kleidern verfangen.

Noch viele Male bog ihr Vater in Gassen ein und folgte Straßen. Sie kamen vorbei an Metzgereien, Färbereien, Tischlereien, Schneidereien und manchmal auch an Schmieden.

Ihr Vater hatte also nicht gelogen. Wieso sollte er auch. In jeder vernünftigen Stadt musste es mindestens eine Schmiede geben.

Katharina hatte inzwischen die Orientierung verloren und verließ sich einfach darauf, dass ihr Vater den Weg kannte. Auch die Akademie konnte sie von hier aus nicht mehr sehen, obwohl sie doch auf einer Anhöhe lag.

Als sie zu ihrem Bruder blickte, schien der nicht annähernd so orientierungslos zu sein wie sie. Das ärgerte sie maßlos. Jeder schien sich hier besser auszukennen als sie.

In diesem Moment schwor sie sich, heute die ganze Stadt zu besichtigen und sich jeden einzelnen Weg zu merken.

Als sie darüber nachdachte, wie verwundert ihr Vater und ihr Bruder dreinschauen würden, wenn sie ihnen genau erklärte, wo welche Händler ihre Stände hatten, wurde sie erneut in ihren Gedanken unterbrochen.

Ihr Vater hatte angehalten und nun standen sie vor einem kleinen, schäbig aussehenden Gebäude, an dem ein kleines Schild angebracht war, auf dem in kaum lesbaren Lettern stand: BETTEN FREI

Entgeistert starrte Katharina auf das Gebäude. Ihr Vater war schon eingetreten und ihr Bruder versetzte ihr einen Schubs, der sie stolpern ließ. Nach einem zornigen Blick in seine Richtung, folgte Katharina ihrem Vater.

Es gab nur zwei kleine Fenster, durch die nicht genügend Sonnenlicht hereinkam, um den gesamten Raum zu erhellen. In einer Ecke brannte eine Kerze, ansonsten war es jedoch dunkel.

Hinter einem Tresen stand ein Mann. Man konnte nur seine Umrisse erkennen. Er schien ziemlich dick zu sein. Sein Kopf war rund und auch in dem wenigen Licht konnte man erkennen, dass seine Ohren abstanden. Er sah aus wie jemand, dem man besser nicht den Rücken zukehrte, wenn man nicht mit aufgeschlitzter Kehle dastehen wollte.

Katharina rügte sich für diese Gedanken. Man sollte jemanden nicht von außen beurteilen, wenn man ihn nicht kannte. Wieso war das bloß so schwer?

Während sie so nachgedacht hatte, hatte ihr Vater bereits bezahlt und der dickliche Mann rief nach jemandem.

Wenige Minuten später standen sie in einem Zimmer, das zehn Betten enthielt. Wenn man es Betten nennen wollte. Eigentlich waren es nur Strohsäcke mit Bettlaken.

Wenigstens hatten sie ein Dach über dem Kopf.

„Also gut“, begann ihr Vater, „ihr könnt euch jetzt ein Bett aussuchen und euch etwas ausruhen, dann gehen wir gemeinsam etwas essen. Ich warte unten auf euch. Kommt runter, wenn ihr ausgeruht genug seid.“

Kaum hatte er sich umgewandt und hatte den Raum über die Stiege verlassen, sagte Rainer: „Ich bin doch kein Mädchen, das sich mitten am Tag ausruhen muss.“ Dann folgte er seinem Vater. Auch Katharina war nicht müde, jedenfalls nicht mehr. Irgendetwas sagte ihr, dass ihr Vater das auch nicht angenommen hatte. Doch warum hatte er sie dann loswerden wollen?

Verärgert wandte sie sich um und folgte ihrem Bruder nach unten. Sie suchte so verzweifelt nach Abenteuern, dass sie ihren Vater verdächtigte irgendetwas auszuhecken.

Kaum war sie unten im Eingangsraum angekommen, erblickte sie auch schon ihren Vater und Rainer, die auf sie warteten. Dann hatten sie also nicht erwartet, dass sie sich schlafen legen würde. Sie fragte sich, was sie getan hätten, wenn sie sich doch dafür entschlossen hätte sich auszuruhen.

Sie schob den Gedanken beiseite. Immerhin kannte ihr Vater sie zu gut. Wenn Rainer etwas nicht tat, weil er dachte, nur Mädchen würden so etwas tun, dann tat sie es erst recht nicht.

So war es nun mal und so würde es immer bleiben.

Ihr Vater wusste das.

 

*

 

Anstatt in einem Gasthaus zu essen, wie Katharina es erwartet hatte, kauften sie sich bei einem Lebensmittelhändler einen Laib Brot, ein großes Stück Käse und ein Stück Speck.

Danach suchten sie nach einem geeigneten Ort, wo sie die Mahlzeit verspeisen konnten. In die schäbige Herberge, in der sie die Nacht verbringen würden, wollte noch keiner von ihnen zurück. So setzten sie sich an den Rand eines Brunnens und verzehrten dort ihre Jause.

Am Abend erst würden sie etwas Warmes zu essen bekommen. Zumindest hatte ihr Vater das gesagt.

Während sie aßen, beobachtete Katharina die Menschen in ihrer Umgebung. Die meisten davon waren Frauen, die in einfache Kleider gehüllt waren. Einige davon nähten vor ihren Häusern und genossen die Sonne, andere sprachen miteinander oder passten auf ihre Kinder auf. Die Männer, die Katharina sah, blickten ziemlich böse drein.

Zwei standen an eine Hauswand gelehnt da und sprachen miteinander.

Währenddessen schienen sich zwei andere zu streiten. Der eine stieß den anderen und kurz darauf rauften sie am Boden. Um die beiden herum bildete sich sofort eine Zuschauermenge, die die beiden Raufbolde eifrig anfeuerte.

Zwei Frauen, die nähten und sich dabei unterhielten, schüttelten nur den Kopf.

Als ihr Vater sich erhob, wurde Katharina bewusst, dass sie die einzige war, die noch nicht fertig gegessen hatte.

Ihr Bruder war nach unten zu der Rauferei geeilt und schloss sich nun der begeisterten Zuschauermenge an. Wie zuvor die beiden Frauen, schüttelte nun auch Katharina unbewusst den Kopf, stand dann auf und wischte einige Brösel von ihrem dunkelgrünen Kleid. Es war wirklich lästig, ein Kleid tragen zu müssen. Zu Hause, am Land, trug sie viel lieber Jungenkleider, doch immer, wenn sie in eine Stadt reisten, musste sie diese grässlichen Kleider anziehen.

Ihr Vater hatte ihr erklärt, dass es den Frauen in den Städten nicht erlaubt war, Hosen zu tragen. Der Anstand verbot es ihnen. Bei den ersten Besuchen hatte Katharina sich noch furchtbar darüber aufgeregt, hatte es mit der Zeit aber akzeptiert, was jedoch nicht hieß, dass sie solche Gesetze nicht bescheuert fand.

Jeder sollte tragen dürfen, was er wollte.

Wieder (sie wusste schon nicht mehr zum wievielten Mal an diesem Tag) wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen.

„Ich habe deinem Bruder gesagt, er kann sich frei in der Stadt bewegen, doch er soll wieder bei der Herberge sein, bevor die Sonne untergeht. Du kannst dir jetzt aussuchen, ob du lieber ihn oder mich begleitest.“

„Wieso kann ich mir die Stadt nicht allein ansehen?“

Ihr Vater seufzte. „Es ist zu gefährlich für ein Mädchen in deinem Alter, allein durch die Stadt zu wandern.“

„Wieso zu gefährlich? Ich bin schon fünfzehn! Hast du das etwa schon vergessen?“ Katharina musste sich zusammenreißen, um ihn nicht anzuschreien.

„Das ist es ja gerade“, sagte ihr Vater, als wäre das Erklärung genug. Als er jedoch sah, dass seine Tochter sich keineswegs beruhigt hatte, fügte er hinzu: „Kathi, du bist jetzt im heiratsfähigen Alter. Ich kann dich nicht allein in einer Stadt herumlaufen lassen, in der es lauter junge Burschen gibt, die keinen Anstand haben. Verstehst du das?“

Die Wahrheit wäre gewesen, dass sie es nicht verstand und sie hätte ihm das auch gerne gesagt, doch sie beherrschte sich und sagte stattdessen: „Reicht es denn nicht, wenn ich Anstand habe, oder denkst du ich könnte ihn verlieren, wenn mir solche Burschen begegnen würden. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du nur so wenig Vertrauen in mich hast.“

Ihr Vater wollte etwas erwidern, doch bevor er dazu kam, sagte sie: „Ich gehe mit Rainer. Aber sicherlich nicht, weil ich denke, dass ich meinen Anstand verlieren könnte.“ Während sie vom Brunnen hinabsprang, sagte sie: „Ich kenne mich nur in der Stadt nicht genug aus, um den Weg allein zurückzufinden.“ Dann lief sie zu ihrem Bruder, der bereits auf sie wartete.

 

*

 

Die Stadt war langweiliger, als sie erwartet hatte. Sie hatte gehofft, irgendetwas zu erleben, stattdessen musste sie den ganzen Tag mit ihrem Bruder verbringen.

Katharina mochte ihren Bruder, solange er sich von ihr fernhielt und sie nicht nervte. Den ersten Teil erfüllte er zum Großteil. Er war nicht oft in ihrer Nähe. Stattdessen traf er sich mit anderen Jungen in seinem Alter, die er wohl von ihren früheren Besuchen kannte.

Mit diesen ging er Katharina jedoch gewaltig auf die Nerven. Nicht nur, dass sie sie ständig auslachten, sie konnte sich nicht einmal revanchieren, da sie mit dem Kleid, das sie trug, nicht so schnell war wie die Jungen.

Schließlich verlor sie endgültig die Geduld, als die Knirpse mit Mist auf sie losgingen. Katharina suchte das Weite. Sie hatte keine Lust, wie ein Bettler zu riechen, dessen Schlafstätte sich neben einem Misthaufen, der ihn wärmte, befand.

Doch auch diesmal waren die Jungen schneller als sie. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Als sie um eine Ecke bog, stürzte sie in das nächst beste Gebäude.

Beinahe wäre sie über die Türschwelle gestolpert, doch sie fing sich wieder und sah sich hastig um. Wie es aussah, war sie in eine Schmiede gestolpert. An den Wänden hingen Hämmer und andere Werkzeuge, von denen Katharina nicht genau wusste, wofür sie waren und in einer Ecke standen ein Schmiedeofen und ein Amboss.

Hinter einem Tisch, der gleich links neben dem Eingang positioniert war, saß jemand. Er hatte dunkles Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte und schien nicht besonders groß zu sein. Der Schmied (wer sollte es sonst sein) hielt ein Buch in der Hand, in dem er wohl gelesen hatte, bevor sie hereingestürzt war.

Als Katharina nach draußen sah, bemerkte sie, dass die Jungen vorbeigelaufen waren, doch als sie sich wieder umwenden wollte, hörte sie plötzlich eine Stimme rufen: „Da ist sie!“

Gleich darauf stürzten drei Jungen herein, alle mit einer Portion Mist bewaffnet.

Katharina hob abwehrend die Hände, auch wenn sie wusste, dass es nicht viel brachte. Die Jungen holten aus, doch da erhob sich plötzlich der Schmied und sagte mit einer erstaunlich jung klingenden Stimme ganz ruhig: „Wenn auch nur ein kleines Stückchen Mist auf diesem Boden landet, werdet ihr erfahren, wozu diese Geräte benutzt werden.“

Die Jungen und auch Katharina folgten mit dem Blick der ausgestreckten Hand des Mannes, der auf eine der Wände deutete, an der Geräte hingen, die nicht gerade angenehm aussahen. Die Jungen schienen dasselbe zu denken, denn sie senkten die Arme und gingen wieder nach draußen.

„Wir kriegen dich noch“, sagte Rainer und folgte seinen Freunden.

Katharina atmete auf. „Danke für Eure Unterstützung.“ Der Schmied lachte auf. „Wir sind beinahe im gleichen Alter. Du kannst ruhig du zu mir sagen.“ Er trat ins Licht.

Und es war wirklich, wie er gesagt hatte. Er konnte nicht älter als siebzehn sein. Sein Gesicht war freundlich und seine braunen Augen strahlten vor Lebenslust. „Ich bin Thomas, aber meine Freunde nennen mich Tom.“ Er streckte ihr die Hand hin.

Zögernd ergriff Katharina sie und sagte: „Katharina.“

„Das ist aber ein ziemlich langer Name. Hast du keinen Spitznamen?“

Sie dachte kurz über diese Frage nach. „Nun ja, mein Vater nennt mich Kathi.“

Er ging an ihr vorbei und blickte aus der Tür. „Warum waren die hinter dir her? Hast du ihnen etwas getan?“

„Das waren Freunde meines Bruders.“

„Oh. Na ja, jetzt bist du sie jedenfalls los.“ Tom blickte sie wieder an.

Entsetzt erwiderte sie: „Was?“ Katharina trat auf die Tür zu und blickte hinaus. Er hatte nicht gelogen. Rainer und seine Freunde waren verschwunden.

„Verdammt noch mal.“ Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Wie soll ich denn jetzt zurückfinden?“ Verärgert ging sie nach draußen und sah sich dort noch einmal um, doch weit und breit waren keine spielenden Jungen zu sehen.

Unentschlossen, was sie jetzt machen sollte, blickte sie sich um. Sie wusste noch, aus welcher Richtung sie gekommen war. Das war einmal ein Anfang. Vielleicht war ihr Bruder ja dort.

Mit ein wenig mehr Selbstvertrauen schritt sie um die Ecke, doch auch dort fand sie ihren Bruder nicht vor. Noch schlimmer, sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, hier je gewesen zu sein.

Orientierungslos sah sie nach links und nach rechts. Katharina war einfach gelaufen und hatte nicht darauf geachtet, wohin. Jetzt musste sie die Konsequenzen für ihr unbedachtes Handeln tragen.

„Hast du dich verlaufen, schönes Fräulein?“

Katharina erschrak, als jemand hinter ihr sprach. Als sie sich umwandte, sah sie drei junge Männer, die sie hämisch angrinsten. Der, der sie angesprochen hatte, fragte nun: „Bist du etwa ganz allein unterwegs? Sollen wir dir helfen, den Weg zurück zu finden?“

„Nein, danke. Ich brauche keine Hilfe.“ Katharina verfluchte sich für die Angst in ihrer Stimme. Hastig drehte sie sich um und wollte sich von den Männern entfernen, doch einer von ihnen griff nach ihr.

Angsterfüllt riss sie sich los und rannte, doch ihre Flucht endete abrupt, als sie in jemanden hineinlief, der sie sogleich festhielt. Wo war sie da bloß wieder hineingeraten? Hätte sie doch bloß auf ihren Vater gehört. Wild trat sie um sich, doch der Griff des Mannes war zu fest. Nun kamen auch noch die anderen drei. Ihr Grinsen war noch breiter geworden.

Verzweifelt wollte Katharina um Hilfe schreien, doch der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Anstatt es erneut zu versuchen, biss sie dem Mann, der sie hielt, so fest sie konnte in die Hand. Dieser schrie auf und ließ einen kurzen Moment locker. Diesen kurzen Augenblick nützte Katharina, riss sich erneut los und trat einem der Männer in den Unterleib. Er krümmte sich und ging zu Boden. Die anderen versperrten ihr jedoch den einzigen Ausweg. Noch einmal versuchte sie, um Hilfe zu schreien, doch ihre Stimme war nicht laut genug. Einer der Männer wollte wieder nach ihr greifen, doch sie wich zurück. Dabei stolperte sie über den Mann, der am Boden lag und fiel ebenfalls hin. Die zwei anderen Männer kamen auf sie zu. Zitternd richtete Katharina sich wieder auf, dann rannte sie, so schnell sie konnte, auf die beiden Männer zu, die erstaunt stehen blieben. Sie wich den Männern aus und wäre ihnen beinahe entkommen, wenn ihr nicht ein Fass im Weg gestanden wäre. Sie wollte darauf springen und bemerkte zu spät, dass das Fass keinen Deckel hatte.

Im letzten Moment versuchte sie mit den Füßen auf dem Rand des Fasses aufzukommen, doch sie rutschte ab und fiel hinein.

Es war mit Wasser gefüllt. Bis zu ihrer Hüfte reichte es und durchtränkte ihr Kleid. Die Männer lachten. Tränen traten ihr in die Augen.

Wo war der Lebensgeber in solchen Augenblicken? Arme packten sie und zogen sie aus dem Fass. Unkontrolliert begann sie zu schluchzen. Innerlich verachtete sie sich dafür. Wie oft hatte sie sich ausgemalt, wie sie sich verteidigte? Wie oft hatte sie behauptet, sie würde in ausweglosen Situationen nicht eine Träne vergießen?

Alles nur Wunschdenken.

Doch wieso sollte sie sich nicht wehren? Sie konnte sich entscheiden, ob sie sich wehren oder es einfach akzeptieren würde.

Da fiel ihr plötzlich das Messer ein, das in ihrem Stiefel steckte. Der Mann, der sie aus dem Fass gehoben hatte, ließ sie los. In diesem Moment zog sie ihr Messer und stach auf ihn ein. Wiederum griffen Arme nach ihr und wollten ihr das Messer entwenden. Doch sie hielt es so fest in der Hand, als wäre es ihr Herz. Wie eine Wilde stach sie damit um sich.

Plötzlich packte jedoch jemand ihre Hand und drehte sie nach oben. Sie ließ das Messer fallen und ihre Verzweiflung kehrte zurück.

Verloren. Sie hatte endgültig verloren. Nun gab es nichts mehr, was sie noch retten konnte. Sie hatte verloren.

In diesem Moment gab sie sich auf.

 

*

 

Noch immer war nichts geschehen. Der Mann stand immer noch da und hielt ihre Hand fest. Ein Weinkrampf hatte sie befallen. Inzwischen tat ihr alles weh. Sie wollte nur noch, dass es vorbei war. Durch ihr endloses Schluchzen hindurch glaubte sie, eine Stimme zu hören.

Sie versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren, doch dies gelang ihr erst, als sie sich dazu zwang. Noch immer weinte sie, doch es gab kurze Pausen zwischen ihren Weinanfällen. In diesen Pausen konnte sie die Worte verstehen und sie stockte.

„ …ist ja schon gut. Es ist vorbei. Sie können dir nichts mehr tun. Es ist vorbei, Kathi.“

Dieses letzte Wort ließ sie in ihrem Schluchzen innehalten. Sie hob den Kopf und blickte dem Mann ins Gesicht, der vor ihr stand und ihr das Messer abgenommen hatte.

Es war Tom.

Noch nie war sie so glücklich gewesen, jemanden zu sehen. Sie entspannte sich ein wenig, lehnte sich dann gegen ihn und begann erneut zu weinen. Er ließ ihre Hand los und nahm sie in den Arm. „Ist ja schon gut. Es ist vorbei.“

Immer noch zitterte sie unkontrolliert.

Es dauerte ziemlich lange, bis sie sich wieder gefangen hatte. In der ganzen Zeit blieb Tom bei ihr und hielt sie fest.

Schließlich löste sie sich aus seinem Griff und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Plötzlich schämte sie sich dafür, dass sie ihre Schwäche so offen gezeigt hatte. Sie wandte sich ab und sah etwas auf dem Boden liegen.

Es war ein Mann und er rührte sich nicht mehr. Er war tot. Als sie sich umsah, erkannte sie, dass drei der vier Männer hier lagen und sich nicht mehr rührten. Erschrocken drehte sie sich wieder zu Tom um. „Warst du das?“

Er blickte ihr fest in die Augen, als er ihr antwortete: „Nein.“

„Aber wer … ?“ Katharina stockte und sah an sich herab. Ihr Kleid war blutverschmiert und auch an ihren Händen klebte Blut. Zuerst verstand sie nicht recht, wieso, doch dann fiel es ihr wieder ein.

Das Messer.

Sie schlug sich die Hand vor den Mund und wieder rannen ihr Tränen über das Gesicht. Leise sagte sie: „Ich war es. Ich habe diese Männer umgebracht. Ich habe Leben ausgelöscht.“

Erneut überfiel sie ein Weinkrampf.

Sie bemerkte zuerst gar nicht, dass Tom sie bei der Hand genommen und aus der Gasse geführt hatte.

Er drängte sie dazu, sich zu setzen. Dann ging er vor ihr in die Knie. „Du hast dich nur verteidigt. Diese Männer sind selbst schuld daran.“ Katharina blickte ihm in die Augen. „Ich hätte sie nicht töten müssen. Ich wollte sie doch nur verletzen. Ich wollte ihnen entkommen und sie nicht töten. Ich bin eine Mörderin.“

„Nein“, entgegnete Tom, „du bist das Opfer, zwar kein wehrloses Opfer, aber du warst das Opfer. Wenn man diese Männer erwischt hätte, wären sie ohnehin hingerichtet worden. Es wäre auf dasselbe hinausgelaufen.“

Katharina versuchte sich zusammenzureißen und um sich abzulenken, fragte sie: „Wieso warst du es, der mich gefunden hat?“

„Nun ja.“ Er richtete sich wieder auf und zog sie ebenfalls auf die Füße, dann ging er mit ihr die Straße entlang. „Weißt du, ich habe gehört, wie du gesagt hast, dass du ohne deinen Bruder den Weg zurück nicht mehr finden würdest. Deshalb bin ich dir hinterher. Dann habe ich gesehen, wie du dich von einem der Männer losgerissen hast und weggelaufen bist. Ich bin euch sofort hinterher. Auf der Straße bin ich dann aber mit einem Mann zusammengestoßen. Ich bin hingefallen und habe kurz die Orientierung verloren. Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, wart ihr verschwunden. Ich habe jede einzelne Gasse nach euch abgesucht und gefunden habe ich dich nur, weil einer dieser Mistkerle aus dieser Gasse gerannt kam. Ich bin sofort hier hergelaufen und du hast mit dem Messer auf mich eingestochen.“

Erst jetzt fiel Katharina ein Blutfleck auf seiner Jacke auf. Sie hatte ihm in ihrer Raserei in die Schulter gestochen.

Tom bog ab und betrat ein Haus. Er schob sie auf einen Stuhl und erklärte ihr, sie solle warten.

Hastig eilte er die Stiege hinauf.

In der Dunkelheit sah sie Bilder. Sie sah die Männer, die tot am Boden lagen. Sie hatte sie getötet und nichts, was sie tat oder sagte, konnte etwas daran ändern.

Von nun an würden diese Bilder sie in ihre Träume verfolgen und jedes Mal, wenn es dunkel sein würde wie jetzt … . Dunkel. Es war dunkel. Die Sonne war bereits untergegangen. Sie hätte längst bei der Herberge sein müssen. Ihr Vater machte sich bestimmt schon Sorgen. Ruckartig stand sie auf und ging auf die Tür zu. Kaum hatte sie diese durchschritten, rief Tom: „Geh jetzt nicht schon wieder ohne dich zu verabschieden!“ Katharina wandte sich um. „Ich muss zu meinem Vater. Er macht sich bestimmt schon Sorgen.“

Der junge Mann kam die Stiege herunter. Irgendetwas hielt er in den Händen, doch Katharina konnte nicht erkennen, was es war. „Mit diesem blutverschmierten Kleid würde ich nicht auf die Straße gehen. Das wäre gefährlich. Die Soldaten würden dich aufhalten. Hier, nimm das.“

Er hielt ihr das Bündel hin, das er in der Hand gehalten hatte. Sie griff danach und schüttelte es auseinander. Es war ein Kleid. „Es gehört meiner Schwester, aber sie trägt es sowieso nie“, erklärte Tom. „Das kann ich nicht annehmen. Es käme mir vor wie Diebstahl“, erwiderte Katharina. „Du kannst es mir ja wieder zurückgeben, aber wenn du unbeschadet zurück zu deinem Vater willst, solltest du es anziehen und mir sagen, wo du wohnst.“

Sie seufzte. „Na gut. Ich ziehe es an, aber ich gebe es dir wieder zurück.“ Tom nickte nur und drehte sich um. Hastig zog Katharina das blutverschmierte Kleid aus und schlüpfte in das Kleid von Toms Schwester.

Es war ihr ein bisschen zu groß, doch sie wollte sich nicht beklagen. „Fertig“, sagte sie nur und Tom drehte sich wieder um.

„Steht dir gut. Jetzt musst du mir nur noch sagen, wo du wohnst, dann bringe ich dich dorthin.“ Er sah sie fragend an.

Katharina versuchte, sich an einen Namen zu erinnern, doch sie wusste nur noch, wie der Besitzer der Herberge ausgesehen hatte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte es auch kein Schild gegeben, das einen Namen gezeigt hätte. Deshalb zuckte sie nur mit den Achseln. „Ich weiß nur noch, wie der Wirt ausgesehen hat.“

„Das ist doch schon einmal ein Anfang. Also, wie hat er ausgesehen?“

Angestrengt versuchte Katharina sich zu erinnern. Er war ziemlich dick, hatte einen runden Kopf und abstehende Ohren.“ Nun dachte Tom intensiv nach und nach einigen Sekunden sagte er: „Tut mir leid, das sagt mir gar nichts.“

„Verdammt“, schimpfte Katharina.

„Schon gut, reg dich nicht auf“, beschwichtigte sie Tom, „ich glaube, ich kenne jemanden, der wissen könnte, von wem du sprichst. Komm mit!“

 

*

 

Zielstrebig hatte Tom sie durch Straßen und Gassen geführt. Katharina hatte schon nach wenigen Abzweigungen wieder völlig die Orientierung verloren. Sie ging dicht neben Tom, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Noch einmal bog er um eine Ecke, dann ging er auf ein großes Gebäude zu. Auf einem Schild über der Tür stand: „Zum lachenden Narren“

Tom hielt ihr die Tür auf und sie trat ein. Als ihr der Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase stieg, lief ihr das Wasser im Mund zusammen und ihr Magen meldete sich. „Mir scheint du hast seit längerem nichts mehr gegessen“, sagte Tom grinsend.

Katharina zuckte nur mit den Schultern, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Es war beinahe fünf Tage her, seit sie das letzte Mal etwas Warmes gegessen hatte.

Tom führte sie zu einem Tresen und deutete ihr, sie solle sich setzen.

„Ich muss zu meinem Vater“, erklärte sie nachdrücklich. „Du weißt aber nicht, wie du dorthin findest. Deshalb sind wir hier. Ein Wirt kennt fast jeden und dieser Wirt kennt diesen Mann, von dem du gesprochen hast, ganz bestimmt.“

Da sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte, setzte sich Katharina auf einen der hohen Stühle, die beim Tresen standen. Auch Tom setzte sich.

Schon nach wenigen Minuten kam der Wirt. Als er Tom erblickte kam er sofort auf die beiden zugeeilt. „Dass ma’ dich wieder einmal sieht. Ich hab’ schon glaub’t, du würd’st gar nit’ mehr kommen.“ Der Wirt sprach seltsam. Man verstand zwar, was er sagte, doch bei manchen Worten verschluckte er Silben.

„Ich suche jemanden, Felix. Deshalb bin ich auch hier.“

Sofort wurde der Wirt hellhörig. „Egal, wen’s such’st, ich kenn ihn.“ „Das hatte ich gehofft.“ Tom lächelte ihr kurz aufmunternd zu.

„Ich suche jemanden, der ziemlich dick ist, einen runden Kopf und abstehende Ohren hat.“ Der Wirt dachte kurz nach. „Abstehn’de Ohren. Da gibt’s viele. Geht’s auch ein bisschen genauer?“ Fragend blickte der Wirt Tom an, der wiederum Katharina anblickte. „Nun ja, er sah aus wie jemand, dem man nicht den Rücken zukehren sollte.“

„Natürlich! Jetzt weiß ich, wen’s mein’st. Den Oskar aus der Viaregina.“ Katharina blickte Tom fragend an. „Die Viaregina? Viaregina? Ach ja, das ist doch die Straße, wo dieser Brunnen gebaut worden ist, oder?“ Er sah den Wirt fragend an. Dieser nickte begeistert. Es schien, als wollte er auch etwas sagen, doch Tom packte Katharina am Arm und führte sie aus dem Gasthaus.

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Über den Autor

Fianna
Ich
...bin Österreicherin
...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte
...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist
...lese quer durch viele Genres
...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken


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Alium Ich kann mich den anderen nur anschließen. Inhaltlich ist die Geschichte packend und ich werde sie auf jeden Fall bis zu Ende lesen ;) , Bis auf einige Wortwiederholungen, die so im Schreibfluss einfach passieren, sprach auch sehr gelungen. Besonders gefällt es mir, wie du mit Vergleichen arbeitest, im richtigen Maß eingesetzt geben sie deiner Geschichte etwas bildhaftes und machen die Charaktere greifbar. ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Freut mich, dass dir meine Geschichte gefällt. :-) Sie ist nun doch schon ein paar Jahre alt und bräuchte dringend mal eine Überarbeitung (eben auch wegen der Wortwiederholungen und so :-) Das mit den Vergleichen mache ich immer wieder mal gerne, weil man sich, wie du ja selbst angemerkt hast, dann besser hineinversetzen kann. Sowas lese ich auch selbst gerne.

Dankeschön für's Lesen, den Kommentar, die Coins und den Favo!

Liebe Grüße
Anna
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von Elaya am 07.10.2012 - 23:11 Uhr) Ich habe bisher(!) nur einen Teil von deinem Text gelesen, aber ich muss sagen das er dir sowohl sprachlich wie inhaltlich sehr gut gelungen ist. Weiter so!
Ganz liebe Grüße
Elaya


Freut mich, dass dir der Anfang gefällt!

Vielen Dank für's Lesen!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
Elaya Ich habe bisher(!) nur einen Teil von deinem Text gelesen, aber ich muss sagen das er dir sowohl sprachlich wie inhaltlich sehr gut gelungen ist. Weiter so!
Ganz liebe Grüße
Elaya
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von EagleWriter am 02.10.2012 - 22:05 Uhr) Hab jetzt angefangen nochmal zu lesen.War ja damals schon begeistert von dem Text ( ,,damals" klingt jetzt irgendwie so lang her^^)
Und auch jetzt wo ich noch mal von vorne anfange muss ich sagen : Gelungen

P.S muss einfach mal fragen,wann solls denn mit ,; Der Weg des Limaren" weitergehen ?

lg
E:W


Freut mich, dass es dir immer noch gefällt!

Was "Der Weg des Limaren" angeht, so kann ich dir nicht genau sagen, wann es weiter geht. Ich komme derzeit nicht zum Schreiben und im November ist dann der NaNoWriMo. Ich hoffe mal, zumindest noch ein paar Kapitel im Dezember schreiben zu können. Tut mir leid, dass die Fortsetzung so lange auf sich warten lässt.

Dankesehr für's Lesen!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von GerLINDE am 02.10.2012 - 20:03 Uhr) Einen Teil habe ich gelesen, weil mich die Überschrift mit den Spinnen interessierte. Und auch den Spinnenteil habe ich jetzt gelesen und den anderen Text aber leider nur überflogen, weil es viel Text ist.

Eine tolle Idee, dass die Spinne Menschen einspinnt.

Ach, da würde ich mir wünschen, dass die unbelehrbaren Menschen, die z.B. andere Menschen ausbeuten und sich bereichern, auch einmal von so einer Spinne eingesponnen werden. Und das so lange, bis sie zur VERNUNFT gekommen sind....

Lieben Gruß
Gerlinde


Freut mich, dass du dich zumindest eingelesen hast.

Das wäre immerhin mal eine neue Art der Konfliktlösung :-)

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
EagleWriter Hab jetzt angefangen nochmal zu lesen.War ja damals schon begeistert von dem Text ( ,,damals" klingt jetzt irgendwie so lang her^^)
Und auch jetzt wo ich noch mal von vorne anfange muss ich sagen : Gelungen

P.S muss einfach mal fragen,wann solls denn mit ,; Der Weg des Limaren" weitergehen ?

lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
GerLINDE Einen Teil habe ich gelesen, weil mich die Überschrift mit den Spinnen interessierte. Und auch den Spinnenteil habe ich jetzt gelesen und den anderen Text aber leider nur überflogen, weil es viel Text ist.

Eine tolle Idee, dass die Spinne Menschen einspinnt.

Ach, da würde ich mir wünschen, dass die unbelehrbaren Menschen, die z.B. andere Menschen ausbeuten und sich bereichern, auch einmal von so einer Spinne eingesponnen werden. Und das so lange, bis sie zur VERNUNFT gekommen sind....

Lieben Gruß
Gerlinde
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