Schweigend verharre ich, sehe bewegungslos zu, wie die letzten Sonnenstrahlen hinter den fernen Berggipfeln verschwinden und versuche mich zu wappnen vor dem, was kommen wird.
Bedrückende Stille umfängt mich, drückt auf meine Ohren, macht mich taub für die Welt.
Langsam kommt die Dunkelheit, hüllt mich ein, verschluckt mich, macht mich blind für das Leben.
Und nun folgt sie, schleicht sich herein, sickert hindurch, überwindet die Mauer und packt mich mit eisigen Klauen; macht mich hilflos, unempfänglich für die Wahrheit.
Angst vor dem, was war, was eigentlich vorbei ist, was irgendwann geschah und doch die Zukunft formt.
Angst, was sein könnte, was vielleicht nie geschieht, was im Morgen lauert und selten Sinn ergibt.
Angst die Augen zu schließen, in Träumen zu ertrinken, in Glück und Schmerz zu baden und dem Schönen nachzuwinken.
Angst die Augen zu öffnen, die Welt wirklich zu sehen, die Fehler und die Chancen und darauf zuzugehen.
Angst zu viel zu sagen, sich in Worten zu verlaufen, zu verletzen, zu versagen
und sich falsch auszudrücken.
Angst zu lang zu schweigen, sich in Stille zu verstricken, den richtigen Moment zu verpassen und an Ungesagtem zu ersticken.
Angst vor der Finsternis, die alles verbirgt; wenn die eigenen Fehler im Schatten versinken und aus allem eines wird.
Angst vor dem Licht, das alles zertrennt; wenn klar wird, dass nichts vollkommen ist und man sich plötzlich selbst nicht mehr kennt.
Angst das zu vergessen, was einst wichtig erschien, was Teil ist meiner
Seele und doch könnte es vergehen.
Angst mich zu erinnern an jenes, was geschah, was Kummer mir bereitet, mich schluckt mit Haut und Haar.
Angst nicht zu verstehen, das Leben falsch zu deuten, den Pfad entlang zu gehen, nicht wissend, was der Grund ist.
Angst es zu erkennen, zu wissen, zu verstehen, den Sinn ganz zu ergründen und dann damit zu vergehen.
Angst mich zu entscheiden, auf etwas festzulegen, die eine Tür zu schließen und die andere zu durchschreiten. Angst zu lang zu zögern, Zeit ungenutzt zu lassen, zu hadern und zu zaudern, bis die
Tage leer verblassen.
Angst für Recht zu kämpfen, zu Meinungen zu stehen, zu handeln statt zu warten und aufrecht fort zu gehen.
Angst zu akzeptieren, Gehörtes zuzulassen, andere zu verstehen, deren Gedanken zu erfassen.
Angst vor dem, was wahr ist, was unumstößlich gilt, was bis zur tiefsten Wurzel die Welt zusammenhält.
Angst vor dreisten Lügen, die schneller als der Wind, zahlreicher als Sand und doch viel schwerer sind.
Angst das zu verlieren, was mir wichtig
ist, was man nicht in Unzen oder in Metern misst.
Angst vor dem Bekommen, vor dem Gewinn von Glück, zu schnell ist es verronnen, kommt niemals mehr zurück.
Angst im Tod zu leben, im Leben tot zu sein, Verzweiflung zu erleben, dem Wahnsinn nah zu sein.
Angst vor falschen Zielen, zu glauben, hoffen, leben;
Angst vor einfach allem, was uns ist hier gegeben.
Ein silberner Lichtschein fällt durch mein Fenster, drängt einen kleinen Teil der Dunkelheit zurück, kämpft mit den
Schatten. Langsam hebe ich den Kopf und erblicke den Mond, der den Platz der Sonne eingenommen hat.
Und ehe ich in bodenloser Furcht gänzlich erstarre, erkenne ich die Wahrheit und meine Verzweiflung schwindet, die Angst, die mich zu ertränken drohte, geht zögernd, unwillig, doch ihr bleibt keine andere Wahl als zu verschwinden, sich zurückzuziehen in die Finsternis, die ihr seit jeher als Versteck dient, von wo aus sie jenen auflauert, die dazu fähig sind, sie zu empfinden.
Den Menschen.
Jenen, die alle Angst haben.
Denn so wie Licht nur bestehen kann, solange es Dunkelheit gibt, so gäbe es
ohne Angst keine Freude, kein Glück.
Um all dies zu empfinden braucht es die Angst und sie sitzt in jedem und wartet, wartet auf den richtigen Zeitpunkt um zuzuschlagen. Jedoch sind nur die wenigsten mutig genug, um sich ihrer Angst zu stellen, sich diese einzugestehen. Nur die wenigsten bringen die Tapferkeit auf, der Angst ihre Macht zu entreißen und sie zu kontrollieren.
© Fianna 08.09.2012