Benjamin muss ungefähr 5 oder 6 Jahre alt gewesen sein, als er mich beim Einkaufen darum bat, seinen Einkauf selbst zu tätigen. Ich drückte ihm also am Eingang des Supermarktes eine Mark in die Hand und machte mich an meinen eigenen Einkauf.
Schon bald darauf sah ich ihn in der Spielwarenabteilung stehen, eine Verkäuferin neben sich, die ihn über die Preise der ihm gefallenden Artikel informierte. Er blickte auf das Geldstück in seiner Hand und stellte schon bald fest, dass er sich damit seine Wünsche nicht erfüllen konnte.
Also machte er sich auf den Weg in die Süßwarenabteilung. Hier beschäftigte er eine weitere Verkäuferin. Auch hier musste er offensichtlich feststellen, dass sein Geld weniger Wert war, als er dachte. – Den geringen Wert des Geldes stelle ich übrigens frustriert bei jedem Einkauf fest, nur dass ich dazu keine Verkäuferin brauche.
Benjamin hat mir übrigens nicht davon erzählt und auch nicht die Verkäuferinnen, zu diesem Schluss bin ich allein durch die Beobachtung gekommen.
Ich wusste mein Kind gut aufgehoben, Verkäuferinnen gab es genug in diesem Laden, also kümmerte ich mich intensiv um den Einkauf und sah nicht mehr nach Benjamin.
Als ich den mittlerweile vollen Einkaufskorb zu unserem Auto schob, in dem der Vater meiner Kinder mit unserem Jüngsten rauchend wartete, war von Benjamin immer noch nichts zu sehen. Das wunderte mich nun aber doch. „Benjamin ist noch im Laden“, sagte Rolf.
Also packte ich die Waren aus, schob den Einkaufswagen zurück und machte mich noch einmal auf, um meinen Ältesten bei seinem Einkauf zu unterstützen. Ich wunderte mich schon, dass es länger dauerte, dass ein so kleines Kind eine Mark ausgab, als mein Familieneinkauf. Wer weiß, wie viele Verkäuferinnen er inzwischen beschäftigt hatte.
Ich betrat den Laden und konnte schon beim Eintreten meinen Sohn an der Fleischtheke stehen sehen. Mir schwante nichts Gutes. Schnurstracks machte ich mich auf den Weg zur Fleischabteilung und zu meinem Kind. Die Fleischereifachverkäuferin legte gerade Aufschnitt auf die Waage. Ich rief: „Halt, Benjamin, was machst du hier?“ Strahlend sah mein Kind mich an, eine mittlerweile sehr warme Mark in der Hand. Die Verkäuferin erzählte: „Er hat vier Würstchen gewünscht, vier Scheiben Mettwurst und die Mortadella wiege ich gerade ab.“ „Stopp, „ sagte ich, er hat nur eine Mark.“ „Ach“, kam von ihr: „ich dachte, er wäre geschickt worden, weil er so spontan vier Würstchen und vier Scheiben Mettwurst verlangt hatte.“ Sie packte die Waren zurück, schenkte meinem glücklichen Kind – hier bekam er wenigstens was für sein Geld – ein Würstchen in die Hand „Schenk ich dir.“ Dann verließen wir fluchtartig den Laden. Die Mark kam in seine Spardose. Ein paar mehr von diesen Dingern und er würde wahrscheinlich auch in einer anderen Abteilung etwas kaufen können.
So früh musste also mein Sohn erkennen, wie wenig man für sein Geld bekommt. Ich kaufte in der nächsten Zeit lieber erst einmal mit ihm zusammen ein, denn die Sache war mir schon ein wenig peinlich.
Übrigens, mittlerweile ist Benjamin 30 Jahre alt und weiß, wie wenig er für sein Geld bekommt.
Das Leben ist eines der Schwersten und das Geld eines der Härtesten.