Kapitel 5 Entscheidung
Steel stieg als erster aus dem Wagen und ging auf eine Tür an der Seitenwand des großen Gebäudes zu, dass sie schon aus der Entfernung gesehen hatten. Der Bau bildete vermutlich das Herz der Einrichtung. Die Tür bestand aus Metall und schien massiv in die Wand eingelassen zu sein. Zumindest entdeckte Coel keine Angeln oder eine ähnliche Befestigung.
,, Also , keine Versteckspielchen mehr. Warum bin ich hier?“ , verlangte Coel zu wissen.
Steel zog eine Zugangskarte durch einen weiteren Scanner neben der Tür, dann verschwand die schwere Platte aus Stahl und verstärktem Glas im Boden und legte einen leicht abschüssigen Gang dahinter frei. An den Seiten waren in regelmäßigen Abständen Lichter nagebracht, die für Helligkeit sorgten.
,, Nun gut.“ Cain trat gefolgt von dem Wesen Seyonn und Coel durch die nun offene Tür. ,, Ich denke, ich habe sie lange genug hingehalten.“ , meinte er, während sich die zwei, drei wenn man den schweigenden Vertreter der Unity dazuzählte, ihren Weg durch den langen Tunnelartigen Gang suchten.
Der Weg führte definitiv abwärts. Die großen Gebäude oben waren nur Tarnung, wurde Coel klar.
Wo immer ihr Ziel lag, es lag unter der Erde. Er konnte das Ende des Tunnels vom Eingang aus nicht sehen, also schätzte er, das es wohl gut hundert Meter oder mehr nach unten ging.
,, Vor etwa drei Monaten“, begann Steel , ,, hat ein Handelsschiff im Trinity-System etwas seltsames entdeckt. Oder besser gesagt, das beunruhigende war, was es nicht fand.“
Der Name sagte Coel etwas… Einer der ersten Außenposten die außerhalb des Sonnensystems entstanden waren, heute aber fast bedeutungslos erschien und dessen einzige Existenzberechtigung auf eine Orbitale Handelsstation zurück zu führen war.
,, Trinity-System.. ein kleines Handelsdepot richtig ?“ , fragte er.
,, Genau und eine kleine kaum erschlossene Kolonie. Unauffällig zumindest bis vor einem Viertel Jahr.“ , bestätigte Steel.
,, Ein Jahr auf der Erde dauert 12 Monate“ , erklärte Coel Seyonn, der bei Erwähnung der Zeitspanne fragend aufsah.
,, Das war mir durchaus bekannt. Allerdings, uns wurde gesagt, das die Berichte die GTDF erst vor wenigen Tagen erreichten.“ , antwortete dieser ruhig, aber definitiv ungehalten über die Täuschung.
,, Eine Lüge, die man für gerechtfertigt hielt, nichts weiter. Wie dem auch sei… das Schiff erreichte das System und was es vorfand war äußerst beunruhigend.“
,, Was haben sie entdeckt ?“ , fragte Coel. Nach der Besorgnis die in Cains Stimme lag konnte es nichts Gutes sein.
,, Das kann ihnen der Kapitän des Transporter der zuerst vor Ort war selbst erklären.“
Sie erreichten das Ende des abschüssigen Tunnels. Tunnels.
Ein weiteres Stahlschott , das aufschwang sobald die Gruppe sich näherte.
Dahinter lag etwas, das wie ein Konferenzraum wirkte.
Die einzige Person im Raum war ein Mann, der aussah als sei er direkt dem berühmten Roman von Herman Melville entsprungen.
Coel konnte einfach nicht anders, als an die Gestalt des Kapitän Ahab zu denken.
Wenigstens fehlte ihm kein Bein, dachte er, als er sein gegenüber weiter musterte.
Ein raues Gesicht, das besser zu einem der Entdecker früherer Jahrhunderte, als zu einem Offizier der Handelsflotte gepasst hätte. Graue Haare und wache Augen, welche die drei Neuankömmlinge neugierig musterten.
Und der Mann rauchte doch tatsächlich eine Pfeife. Das Stück Handwerksarbeit aus Holz wirkte in dem mit Computern und anderen Geräten vollgestellten Raum so fehl am Platz, das Coel sich tatsächlich kurz dabei ertappte, wie er in Gedanken sagte ,,Ich fürchte mich nicht vor Ahab, ich fürchte mich vor dem Zorn Gottes“
,, Was meinen sie ?“ , hörte er die seltsame Stimme Seyonns neben sich.
Hatte er etwa laut gesprochen?
,, Nichts wichtiges.“ , antwortete Coel.
,, Das ist Ägir Meksis.“ ,stellte Steel den Mann vor. ,, Er und die Besatzung der Helios, einem Kolossus-Transporter, waren soweit wir das Wissen die ersten vor Ort. Wir habend das System nach ihrem Bericht gesperrt. Den meisten fällt gar nicht auf, das Trinity seit mehreren Monaten offiziell nicht mehr zugänglich ist.“
Nicht sehr verwunderlich. So isoliert und unwichtig wie der Handelsposten dort war, würde es eine Weile dauern, bis man anfing unbequeme Fragen zu stellen.
,, Und was erzählen sie denen, die etwas bemerken ?“ , wollte Coel wissen.
An dieser Stelle mischte sich Ägir ein, der bisher geschwiegen hatte.
,, Die erzählen allen, das die Sonne des Systems spinnt. Solarstürme, die auch für die Schiffe gefährlich werden. Nun in gewisser Weise stimmt das auch… irgendwie.“ Der grauhaarige Mann schloss kurz die Augen, als würde er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen.
,, Also.. was ist genau passiert?“ , langsam wurde Coel wirklich unruhig und wollte die Ursache seines Hierseins nun endlich kennen.
Steel zögerte kurz, dann sagte er: ,, Das Trinity-System existiert nicht mehr.“ Einen Moment hingen die Worte in der Luft. Niemand sagte etwas. Als die Stille schon drücken zu werden drohte trat Steel an den schweren Tisch, der das Zentrum des Raums bildete.
Die Gläserne Oberfläche bildete ein einziges großes Display und mit einigen Handbewegungen Steels erschien eine Karte der Planeten des betroffenen Sonnensystems auf dem Bildschirm.
Vier Welten , die einen rötlich schimmernden Stern im Zentrum umkreisten. Auf einen Glaskasten der etwas über der Tischplatte montiert war, wurde ein dreidimensionales Modell der Karte projiziert.
,, Das war das System, wie wir es in den letzten fünfzig Jahren kannten. Vier Planeten. Drei größtenteils ungastliche Gesteinsbrocken und ein Gasgigant am äußersten Ende. Eine Orbitale Station um den dritten Planeten und eine Kleien Kolonie darauf waren die einzigen Bewohnten Orte. Insgesamt vielleicht fünftausend Menschen.“ Er hielt inne. ,, Würden sie weitermachen?“ , fragte er an den Handelsoffizier Gewandt.
Zwischen der GTDF und der Handelsmarine, ein Komplex aus privaten und staatlichen Unternehmen, die sich zusammengeschlossen hatten, gab es seit der Gründung der Organisationen eine rege Zusammenarbeit.
Was die GTFO an Planeten und Ressourcen eroberte, bereitstellten war das eingebürgerte Jargon, oder erschloss, musste irgendwie zu den Produktionsstätten auf der Erde und Industrieanlagen auf anderen Planeten, den für jede Kolonie extra eine Verarbeitende Industrie aufzubauen, war viel zu umständlich.
Der Kapitän nickte und trat vor.
,, Also.. das war die Situation bisher. Als ich allerdings vor einem viertel Jahr dort ankam… sah es ganz anders aus. Anfangs hielt ich es für einen Fehler der Instrumente. Wir bekamen weder über Funk noch über sonstige Kanäle irgendein Anzeichen dafür rein, das sich jemand im System befand.
Einer der Navigatoren meinte, wir seien möglicherweise einer falschen Berechnung des Sprungcomputers zum Opfer gefallen und am falschen Ort gelandet.“
Coel wusste wovon er sprach. Bei einer Geschwindigkeit, größer als die von Licht führte bereits die geringste Abweichung auf einer Route dazu, dass man leicht mehrere Tausend Kilometer vom eigentlichen Ziel entfernt landete. Um das vorzubeugen verwendeten die meisten Schiffe spezielle Computer, die einen Kurs so exakt wie möglich berechneten. Ging dabei allerdings etwas schief, konnte es durchaus vorkommen, dass man eine halbe Galaxie am Ziel vorbeischoss. Das war zwar ärgerlich und auch gefährlich, aber nichts Ungewöhnliches. Nur ein totalausfall des Computers würde bedeuten, dass man gestrandet war, oder sich daran machen musste einen Kurs zurück manuell zu berechnen, was durchaus Tage dauern konnte. Der einzige Grund, warum es an Bord aller Schiffe der GTDF einen Backup-Computer gab.
,, Das war es jedoch nicht.“ , fuhr Ägir fort. Ich hab den Kurs dreimal überprüft. Wir waren definitiv am Rand von Trinity herausgekommen. Bloß… fehlt die Station. Keine Funksignale und kein Sichtkontakt.“
Er ließ die Worte kurz wirken, bevor er fortfuhr.
,, Kurz darauf hat uns etwas getroffen, das die Außeninstrumente fast lahm gelegt und sämtliche Schiffskameras geröstet hat. Die Ursache dafür… war das hier.“
Die Darstellung des Planetensystems veränderte sich und wurde durch ein einzelnes Objekt ersetzt.
Eine leuchtende Spirale aus Materie wirbelte darum und in unregelmäßigen Abständen jagten zwei Energieblitze daraus hervor, die sich hell wie die Sonne von der dunklen Hintergrundfläche abhoben.
Ungläubig starrte Coel auf das Bild. Er konnte erkennen, wie das Licht der Sterne hinter dem Objekt verzerrt wurde.
,, Ist das eine Computeranimation ?“ , fragte er ungläubig, ,, Sie vermuten nur , dass es das sein könnte ja?“
Steel schüttelte den Kopf. ,, Nein Coel… das ist, eine Kameraaufnahme. Nach den ersten Berichten, haben wir eine Sonde hingeschickt. Das ist eine Zeitrafferaufzeichnung.“
,, Das ganze System ?“ , wollte er wissen.
,, Keine Überlebenden.“
Coel sah wieder auf zu dem Objekt, das auf dem Schirm zu sehen war. Ein schwarzes Loch.
Etwas , das eine derart hohe Dichte besaß, dass es selbst Licht anzog und einfing. Deshalb wirkten die Sterne im Hintergrund der Aufnahme auch so verzerrt. Aber…
,, Hatte die Sonne von Trinity überhaupt genug Masse für.. so was ?“
,, Das Coel ist Teil des Problems. Und der Grund warum sie hier sind. Der Stern war universal betrachtet winzig, viel zu wenig Masse um zu einer Singularität zu werden. Mal davon abgesehen, dass wir das vorher bemerkt hätten. Aber das ist nicht das beunruhigende.
Wir haben einige Untersuchungen angestellt und nun.. . wir haben Reste von Strahlung entdeckt.“
,, Verzeihung, aber das ist bei einem schwarzen Loch wohl auch zu erwarten.“ , mischte sich Seyonn ein, der bisher geschwiegen hatte.
,, So dumm sind wir auch nicht.“ , erwiderte Steel. ,, Wir haben die Strahlung verglichen.“
,, Und ?“
,, Sie waren auf Artherium. Sie haben den Test gesehen. Scheint als würde da jemand unsere eigenen Waffen gegen uns verwenden.“
,, Momentmal.. Auszeit. Die Novawaffe kann Planeten zerstören, schön und gut. Aber wie bitte, kommen wir von der Energieentladung eines Novagenerators zu einem schwarzen Loch?
,, Das ist etwas komplizierter.“ Der Unity-Beobachter trat vor. ,, im Prinzip ist es wohl eine Weiterentwicklung des ursprünglichen GTFO-Modells .“ Eine weitere Karte erschien, die einen blauen Kreis um das schwarze Loch zeigte.
,, Die blauen Bereiche zeigen die Stellen, an denen die Reststrahlung besonders hoch ist. Es scheint, als hätte man nun ja mehrere Novageneratoren in einem Ring um die Sonne angeordnet… und gezündet.“
,, Das bedeutet im Klartext ?“
,, Wir wissen es nicht genau… Aber Sterne sind in einem relativ gesehen, recht zerbrechlichem Gleichgewicht mit ihrer eigenen Schwerkraft. Wenn dann ein entsprechend Starker ,,Stoß“ wenn sie so wollen, von außen kommt… Die Wissenschaftler, die das ganze untersuchen streiten sich noch, über das wie und wann, aber es scheint, das wir es hier nicht mit einer simplen Naturkatastrophe zu tun haben.“
,, Und wozu brauchen sie bitte mich dann ? Sie scheinen ihre meisten Antworten zu besitzen. Und mit Wissenschaft kenne ich mich nicht wirklich aus. Also, was ist es.. taktische Beratung ? Oder einfach nur meine Expertenmeinung als… direkt Geschädigter ? “ Er musste ein sarkastisches lachen unterdrücken.
,, Coel, sie waren einer unserer Besten. Und ich fürchte, wir werden sie erneut als einen der Besten brauchen. Wir haben…“
Rafail Coel unterbrach ihn,, Was immer sie als nächstes sagen, ich bin ganz Offiziell nicht mehr Dienstfähig.
Ich weiß die GTDF denkt sie bekommen dass hin, sie denken immer, sie können alles.
Aber ich war bei vierzehn der besten Ärzte die man für Geld bekommt.
Der Knochen in meinem Bein sind durch die Nova Schockwelle so porös wie ein Schwamm und die Nerven in meinem Arm sind tot. Selbst wenn ich ihnen helfen wollte…“
,, Ich habe ihre Medizinischen Unterlagen hier.“ , hörte er die kalte Stimme Seyonns, der einen Stapel Papiere und Röntgenaufnahmen auf den Display-Tisch warf.
,, Das Arztgeheimnis interessiert sie wohl auch nicht mehr wirklich oder ?“ , fragte Coel wenig überrascht. ,, Dann sollten sie doch eigentlich bereits wissen, dass ich ein Hoffnungsloser Fall bin.“
Seyonn sah auf. ,, Für menschliche Chirurgen vielleicht.“ Das erste Mal schien so etwas wie Emotion in die Stimme des Fremden zu treten. Es klang seltsam amüsiert. Wie jemand, der über einen Affen lacht, dachte er.
Der Unity-Abgesandte bewegte und die Finger über das Display und eine Aufnahme von Coels Beinknochen kam zum Vorschein. Die feinen Haarrisse die den ganzen Knochen durchzogen waren deutlich zu erkennen. Für Cole ein vertrautes Bild.
Die Risse und Brüche verwandelten die Aufnahme in etwas, das mehr an ein Mosaik erinnerte, als an menschliche Knochen.
Es grenzte an ein Wunder, das er noch laufen konnte.
Er war bei dutzenden Ärzten gewesen. Aber jede hatte ihm das gleiche Mitgeteilt. Da war selbst mit der heutigen Technik nichts mehr zu machen und von selbst heilen würde es wenn nur langsam wenn überhaupt jemals.
Und nun eröffnete ihm dieser Fremde, er weigerte sich von Seyonn als etwas anderes zu denken, dass es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gab.
So gern er das geglaubt hätte… blind zusagen würde er allein deswegen nicht.
,, Erst will ich wissen was sie von mir erwarten, sollte ich zustimmen.“
,, Wir erwarten von ihnen, das sie herausfinden, wer da draußen mittlerweile in der Lage ist, ein Sonnensystem zu zerstören.“ , erklärte Steel kühl.
,, Sicher, das nicht sie dahinter stecken ? Irgendeine Abteilung, die aus der Reihe Tanzt ? “ , fragte er und kniff die Augen misstrauisch zusammen.
,, Coel… sie mögen uns nicht, aber glauben sie wirklich die GTDF wäre so skrupellos ? Wir waren alle entsetzt über Artherium, selbst die Generalität. Wir… wussten nicht was wir taten.“
,, Aber sie haben es trotzdem zugelassen.“ , stellte er fest.
,, Also, was sagen sie ?“
Coel überlegte. Er wusste, von seiner Antwort lag in diesem Moment sein weiterer Weg ab.
Ein Nein bedeutete zurück in die Wohnung.. ins Bad zur Schublade mit der Handfeuerwaffe.
Ein Schlussstrich.
Ein Ja bedeutete… alles andere, aber auch einen Weg zu beschreiten, den er dachte für immer verlassen zu haben.
Nach einigen Sekunden fiel seine Entscheidung.
,, Ja… ich bin dabei. Was immer das auch bedeuten mag. Aber eine Warnung Steel. Sollten sie auch nur irgendwie damit drin hängen, sollten sie mir irgendwie in den Rücken fallen… dann schwöre ich ihnen werden sie dafür bezahlen.“
,, Ich kann ihnen versichern, das dem nicht so ist.“