Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
Rafail Coel lief durch die noch im Dunkeln liegenden Straßen. Ein grauer Himmel erstreckte sich über ihm, aber darauf achtete man eigentlich nicht mehr.
In den Städten war der Himmel immer grau. In den letzten hundert Jahren hatte die Industrie sich durch die schier endlos erscheinenden Rohstofflieferungen aus den Kolonien zehnmal so schnell entwickelt wie im gesamten Zeitraum zuvor. Das hatte allerdings seinen Preis gefordert.
Auf der einen Seite war durch die beinahe nicht mehr vorhandenen Ressourcen auf der Erde diese gesamte Industrie von Lieferungen aus dem All abhängig und auf der anderen Seite stand die Erde kurz vor einem totalen ökologischen Kollaps, denn auf so etwas wie Umweltschutz.. achtete niemand. Die meisten schon Anfang des 21 Jahrhunderts gefährdeten Arten waren mittlerweile völlig ausgestorben. Panda, Löwen, Tiger oder Wale sah man höchstens noch als Ausstellungsstücke der Naturkundlichen Museen.
Andere Lebewesen, vor allem Nutztiere, hatte man mit viel Aufwand auf anderen Planeten ansiedeln können.
Aber es blieb ein Fakt, dass die Erde biologisch ein sterbender Planet war. Wer sich erholen wollte, buchte eben einen Flug auf einen der Kolonieplaneten und blieb ein paar Wochen dort. Auf der Erde ans Meer zu fahren wäre ohnehin nicht empfehlenswert gewesen. Vor allem vor der Chinesisch-Japanischen und der Amerikanischen Küste hatte das Wasser teilweise den Säuregrad von Essig.
Coel schob diese Gedanken beiseite. Es ging ihn nichts an. Und hatte er nicht selbst dazu beigetragen?
Anfangs hatte das Parlament eine äußerst aggressive Expansionspolitik betrieben. Lebensfreundliche Welten ohne Intelligente Spezies waren, ohne jede ökologische Rücksicht, besiedelt worden. Und Welten mit eigenen Bevölkerung… nun auch dort hatte man kurzen Prozess gemacht.
Wenn es keinen Handel gab… war es wertlos. Wen kümmerten ein paar hunderttausend Lebend denn?
Die hohen Herren des Parlaments und der Wirtschaft sicher nicht.
Die Unity und ihre Botschafter allerdings wurden nicht Müde, diese Missstände immer wieder anzuprangern. Sie drohten nie. Aber das war auch nicht nötig.
Allgemein wurde angenommen, dass alle Kulturen sich in einem technologischen Rahmen von 300 Jahren mehr oder weniger Entwicklung bewegten, je nachdem wie schnell der Fortschritt ablief.
Aber die Unity… war ein Ausreißer in die umgekehrte Richtung. Diese Wesen waren nur als seltsam zu beschreiben und wieso sie sich überhaupt die Mühe machten, die aus ihrer Sicht wohl geradezu primitive Menschheit zu unterstützen… war ein Rätsel, auf das sie auch keine genaue Antwort gaben, wenn man sie fragte.
Aber verärgern wollte sie sicher niemand…
Coel suchte sich weiterhin einen Weg durch die Häuserschluchten. Die Gebäude, die links und rechts von ihm aufragten waren das typische Bild der meisten Städte auf der Erde.
Hoch aufragende Türme aus Glas und Stahl, die teilweise Terrassen mit Pflanzen besaßen, welche zumindest einen kleinen Farbfleck darstellten. Auf den Dächern gab es Solarzellen, welche die Bauten mit Strom versorgten. Wenn die Sonne zu sehen gewesen wäre, hieß das.
Kleinere Siedlungen und Dörfer waren mittlerweile eine Seltenheit geworden und entweder mit den sich ausbreitenden Städten verschmolzen oder verlassen worden.
Auf den Straßen herrschte reger Verkehr. Mehrere Magnetschienenbahnen rasten an ihm vorbei. Eigentlich hätte er mit einer davon sein Ziel erreichen können. Aber trotz seinem verkrüppelten Bein ging er lieber zu Fuß. Auch wenn das bedeutete, das er sich auf eine Krücke stützen musste. Es gab ihm zumindest etwas das Gefühl, sein Leben unter Kontrolle zu haben.
Was nicht wirklich der Fall war.
Er sah erneut auf die Karte, die Cain ihm am Tag zuvor übergeben hatte.
Die Adresse gehörte zu einem grauen Gebäudekomplex am Westende der Stadt, ein Bauwerk, das soweit er wusste der GTDF gehörte. Etwas, das zu erwarten gewesen war.
Auf der Rückseite befand sich ein einfacher schwarzer Magnetstreifen. Vermutlich war irgendwo in der Karte noch ein ID-Chip verbaut, für den Fall das jemand anderes als der eigentliche Besitzer sie verwenden würde. Eine todsichere Methode eine lange Zeit in einer Zelle zu verbringen. Wenn eine falsche ID nicht sofort einen Selbstschussmechanismus auslöste.
Und wenn genau das Cains Absicht war überlegte er… Wenn er ihm eine falsche Karte gegeben hatte um ihn so loszuwerden… etwas, das wie ein Einbruchsversuch oder Unfall wirken würde?
Jetzt hör aber auf, ermahnte Coel sich selbst. Du wirst ja wirklich paranoid. Wenn er das nicht schon längst war.
Die GTDF hätte ihn jeden Moment in den letzten 10 Jahren ausschalten können. Und nur die Drohung, sein Wissen werde bei seinem Tod an die Öffentlichkeit kommen hatte ihn beschützt. Einen schwachen Schutz, basierte er doch auf einer Lüge. War er tot, verstaubten seine Daten in einem Bankschließfach. So sah es aus.
Aber es war eine glaubhafte Lüge…
Wieder holten ihn seine Erinnerungen ein.
10 Jahre zuvor…
Am Sammelpunkt wurden sie sofort in Gewahrsam genommen. Die Horus war das Flaggschiff der Flotte, die das Parlament und die GTDF in den letzten Jahren aufgestellt hatten. Ein gewaltiges, aus Stahl, das ohne Bewegung mitten im All schwebte.
Ein Schiff der Titan-Klasse, Schiffe ,die leicht ein dutzend Kilometer Durchmesser hatten und als mobiler Hangar , Versorgungsstation und Kommandoposten diente.
Gegen Artherium und in beinahe jeden denkbaren anderen Konflikt, hätte ein Schiff dieser Bauart gereicht, aber in der Ferne konnte Coel noch weitere, kleiner Fregatten glitzern sehen, die dem Giganten Geleitschutz gaben.
Über Funk hörten Coel und Martin, der Pilot, sobald sie in Reichweite waren, die wütende Stimme des Flottenkommandanten, der ihnen unter Androhung sie sonst abschießen zu lassen, befahl in einem der Schiffshangars zu landen.
Er war nicht einmal halb aus dem Shuttle, als sie auch schon ein ganzes Kommando Sicherheitsleute umstellt hatte.
Und an Bord der Horus saß Coel nun grade in einer Einzelzelle und überlegte sich, was er sagen würde.
Ihm war klar, das ihm selbst im besten Fall eine Anklage wegen Befehlsverweigerung und Verrat drohte… bestenfalls und wenn er sich beim Verhör gut verkaufte.
Schlimmstenfalls würde in den nächsten Minuten einfach ein bewaffneter Offizier in der Zelle auftauchen und Rafail Coels leben beenden.
Vermutlich würde das Ganze dann als Fluchtversuch abgestempelt werden und er in einem der zahllosen Gräber landen den dieser Konflikt schon gefordert hatte.
Doch nichts von beidem geschah. Weder erschien jemand um ihn abzuholen… noch um ihn endgültig wegzuschicken.
Stunden vergingen, in denen er sich jeden Winkel des kleinen Raums genau ansah, in der vergeblichen Hoffnung auf eine Fluchtmöglichkeit oder vielleicht auch einfach nur aus Langeweile.
Der Raum wurde auf drei Seiten durch massive Wände aus Metall begrenzt und auf der vierten, die die auf den Gang hinausführte durch eine durchsichtige Scheibe aus bruchsicherem Glas.
Dahinter verlief der Zellengang. Soweit er wusste hatte die Horus drei Zellendecks, ursprünglich gedacht für Kriegsgefangene. Vermutlich waren alles bis auf seine und die seines Piloten, der wohl auch irgendwo festgehalten wurde, leer.
Er legte sich auf die einfache Pritsche und ging in Gedanken den Aufbau des Schiffs durch, soweit er ihn noch in Erinnerung hatte. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit.
Die GTDF hatte keine Gefangenen auf Artherium gemacht.
Unter den Zellendecks lag die Energieversorgung, mit den Nova-Reaktoren und den Antrieben.
Über den Zellendecks lagen die Depots. Waffen, Lebensmittel und Fahrzeuge für die Einsatztruppen. Darüber wiederum lag eine Forschungsebene, wo man vermutlich selbst jetzt noch die Ergebnisse ihres... Tests… auswerteten.
Und darüber das Kommandodeck und die Schiffnavigation. Hier würde alles zusammenlaufen. Die Steuerung des Stahlgiganten, die Feuerkontrolle… und die Lebenserhaltung. Gewaltige Tanks mit Sauerstoff und Algen im Herzen des Schiffs und CO2 Filter sorgten dafür, dass die kleine Stadt im All Monatelang ohne Versorgung von außen überdauern konnte.
Die Lebenserhaltung…
Er betrachtete die Zellentür aus Plexiglas. Die Zellen waren Vakuumdicht, denn bei einem Ausbruchsversuch würde einfach die Luft aus den Gängen gezogen werden… Jeder der sich dann nicht in einer Zelle aufhielt wäre sofort Tod.
Das hieß aber auch, dass jede Zelle eine eigene Sauerstoffversorgung hatte…
Er suchte die Wände ab und entdeckte eine Stelle, an der auf der ansonsten makellosen Stahlwand Schweißnähte zu erkennen waren. Aber offenbar war bei der Arbeit geschlampt worden.
An einigen Stellen war die Naht brüchig.
Einen Versuch war es in jedem Fall Wert.
Er nahm so gut es ihm mit seiner Beinverletzung möglich war Anlauf und warf sich mit der guten Schulter gegen die Wand.
Der Stahl gab erstaunlich leicht nach. Offenbar hatte man hier tatsächlich gespart. Oder die Werftarbeiter hatten einfach einmal früher Pause gemacht. Was es auch war, die dünne Metallplatte gab nach. Das Metall hing nun nur noch an einer einzigen Schraube und Coel konnte es leicht entfernen.
Vorsichtig legte Coel die Platte bei Seite und lauschte. Einen akustischen Alarm schien es zumindest nicht zu geben.
Entweder hatte man hier wirklich gespart… oder er hatte einfach unvorstellbares Glück.
Hinter dem Panel lag ein Lüftungsschacht. Wie er erwartet hatte. Irgendwie musste der Sauerstoff ja in den Raum.
Es würde nicht unbedingt leicht werden, aber er könnte so zumindest aus der Zelle gelangen. Die Frage war nur wo der Schacht endete. Das Beste wäre es, zu Versuchen das Depotdeck zu erreichen und sich ein Schiff aus dem Hangar zu schnappen. Und dann zu beten, das die Horus ihn nicht in Stücke schoss.
Ein einziges Railgun-Projektil reichte um jeden Fluchtversuch seinerseits in einer Trümmerwolke enden zu lassen.
Allerdings wollte er vorher Martin suchen. Er wollte ihn nicht zurück lassen, solange er die Möglichkeit hatte, ihn zu befreien. Und seien Überlebenschancen stiegen drastisch mit einem vernünftigen Piloten.
Coel zog sich so gut er konnte mit einer Handdurch den Schacht, bis er an ein Gitter. Der schwache Luftstrom der ständig durch den Schacht ging sorgte dafür, dass er fror. Der Rest des Schiffs wurde immer auf angenehme 15 Grad geheizt. Bei der Lüftung hatte man aber auf jegliche Heizung verzichtet, da diese nur im Schiffsinneren verliefen und somit vor der Kälte des Vakuums ausreichend geschützt waren.
Er spähte durch das Gitter in den Raum vor ihm.
Niemand war zu sehen, aber das hieß nichts…
Schließlich beschloss Coel es zu riskieren.
Er drückte das Gitter, das lediglich über zwei Klammern gesichert war, aus seiner Verankerung und ließ sich auf den Boden fallen, der aus einem schwarzen reflektierenden Material bestand. Etwas zu seiner linken blendete ihn…
Rafail sah auf und stolperte unwillkürlich einige Schritte zurück. Er hatte die Reaktoren noch nie selbst gesehen.
Coel befand sich in einem kleinen, halbkreisförmigen Kontrollraum. Der Boden bestand wie er vorher schon gesehen hatte aus einem schwarzen Material.
Vor ihm, in einem Halbkreis angeordnet waren mehrere Konsolen mit Instrumenten. Allerdings schien sich niemand hier aufzuhalten.
Und hinter den Instrumenten konnte er durch eine Glasscheibe einen Blick auf das Herz des Schiffs werfen. Auf die Technologie, die es den Menschen ermöglichte sich soweit von daheim zu entfernen.
Das, was er durch das Sichtfenster sah, hätte auch jeder Nichtastronom als Miniatursonne identifizieren können.
Der glühende Ball, der einfach mitten im weitläufigen Raum zu schweben schien, war der absolute Höhepunkt der technischen Entwicklung.
Coel kannte das Prinzip nur Oberflächlich, aber in erster Linie stellte die künstliche Sonne die Energiequelle für das Schiff dar. Und erlaubte es dem Stahlgiganten sich schneller als das Licht zu bewegen.
Einer der Physiker der Wissenschaftsabteilung hatte einmal versucht ihm das Prinzip zu erläutern.
Er hatte nur halbherzig zugehört, versuchte nun aber sich wieder daran zu erinnern.
Wie hatte er es beschrieben?
Im Raum selbst konnte sich nichts schnelle als das Licht bewegen, das war physikalisch unmöglich.
Aber der Raum selbst konnte sich durchaus schneller als das Licht ausdehnen, was zur Zeit des Urknalls wohl auch der Fall gewesen war…
Eine alte Theorie. Eigentlich müsste man nur den Raum anstelle des Schiffs bewegen und schon gäbe es keine Beschränkungen mehr.
In der Praxis erwies sich das als etwas komplizierter. Die benötigte Energiemenge… war gewaltig. Gewaltig genug um die Energie einer Miniatursonne zu verbrauchen…
Er hatte nicht richtig zugehört. Bei Gelegenheit sollte er noch einmal Nachfragen. Das hieß, wenn er die je bekam.
Alles was er wusste war, dass bei der Zündung der Antriebe Energiemengen im Äquivalent einer Supernova im Miniaturformat freiwurden. Weshalb diese, außer in Notfällen, nur genutzt wurden, wenn man sich außerhalb der Reichweite eines Planeten, mindestens aber außerhalb von dessen Gravitationsfeld befand.
Aber die Energie direkt auf ein Ziel zu richten…
Das war Wahnsinn. Und niemand hatte so etwas bisher auch nur in Erwägung gezogen. Bisher.
Er wendete sich von dem Anblick ab und ging durch die einzige Tür in der Rückwand des Raumes.
Ein Flur, an dessen Decke zahllose Kabel verliefen. Zwei Techniker in weißen Overalls standen in einer Tür auf der linken Seite und unterhielten sich.
Coel ging einfach an ihnen vorbei. Offensichtlich war seine Flucht noch nicht bemerkt worden, denn lediglich einer der zwei sah sich kurz nach ihm um, bevor er sich wieder dem Gespräch zuwendete.
Zumindest wusste er nun, wo er sich befand. Auf der Technik und Energieversorgungsebene.
Er musste also zurück durch die Zellen und hinauf ins Depot.
Und er musste Martin dort irgendwie wiederfinden. Der Mann wurde sicherlich auch in einer der Zellen festgehalten. Wenn er die Möglichkeit bekam, musste er ihn befreien. Aber der Pilot war vermutlich weniger in Schwierigkeiten als er selbst. Wenn sich der Deutsche daran hielt, Coel die alleinige Schuld zu geben würde man ihm wohl gerne glauben. Immerhin war er es, den man nun hängen sehen wollte. Und desto schwerer die Anschuldigungen, desto besser.
Die Horus verfügte über ein Fahrstuhlsystem, über das man jede Ebene erreichen konnte. Als Coel sich seinen Weg den Gang hinab suchte hielt er genau danach Ausschau. Dann könnte er seine Ziele schnell erreichen, statt sich seinen Weg durch die Labyrinth-artigen Gänge der Schiffsebenen zu suchen. Und Geschwindigkeit war jetzt alles, worauf es ankam.
Außer den zwei Technikern war er niemanden mehr begegnet, aber das war nicht weiter verwunderlich. Wie er die Trading and Defence Force kannte war die halbe Mannschaft in irgendeinem Konferenzraum versammelt um den Abschluss des Einsatzes zu besprechen.
Coel erreichte eine der Fahrstuhltüren und trat hindurch.
Einen Moment studierte er die Bedientafel. Die Markierung für Zellendeck fand er schnell und darüber….
Büro des Kommandanten / Cain Steel.
Zeit jemanden einen Besuch abzustatten, bevor er endgültig von hier verschwand.
EagleWriter Re: - Zitat: (Original von DangerousInc am 14.01.2013 - 23:01 Uhr) Das Bild ist super, hoffe ich hab bald Zeit zum Weiterlesen... Danke lg E:W |
DangerousInc Das Bild ist super, hoffe ich hab bald Zeit zum Weiterlesen... |
EagleWriter Re: - Zitat: (Original von Fianna am 27.08.2012 - 20:25 Uhr) Das ist immerhin mal eine anständige Erklärung für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit. Und wieder ist es die Rückblende, die das Kapitel besonders spannend macht :-) Liebe Grüße Fianna Wird noch eine Weile so weitergehen. lg E:W |