Gleich zu Beginn ein guter Rat an alle Eltern: Ihr solltet es euch gut überlegen, in Wünsche eurer Kinder einzuwilligen, sonst ergeht es euch vielleicht wie mir in dieser Geschichte, die eine Wende nahm, mit der ich wirklich nicht rechnen konnte.
Es war Spätsommer, viele Felder waren schon abgeerntet. Nur der Mais stand noch in voller Pracht, d. h. er war noch nicht ganz reif, hatte aber schon Kolben gebildet. Es waren jene Maiskolben, die noch nicht völlig durchgehärtet waren, aber schon die Farbe der ausgereiften Frucht erkennen ließen. In diesem Reifestadium schmecken sie süßlich und sind auch noch ausgesprochen saftig. Ich konnte also den Wunsch meiner Kinder gut nachvollziehen. Sie fragten mich mit Unschuldsmine: „Meinst du, Mama, dass jemand etwas dagegen hat, wenn wir uns ein paar von den Maiskolben holen?“ „Nein, sagte ich, ich glaube nicht, dass es jemanden stört, holt euch ruhig ein paar, ich erlaube es euch.“
Dieser fatale Satz, hätte ich das nur nie gesagt, denn ein paar Tage später sprach mich ein Nachbar an, der nicht nur Landwirt, sondern auch eingefleischter Jäger ist: „Du, Christa“, sagte er: „Ich glaube, wir haben hier Wildschweine. Die sind in mein Maisfeld eingebrochen und haben da ihr Unwesen getrieben. Eine richtige Schneise haben sie hineingeschlagen. Du kannst es dir ja mal ansehen. Ich werde mich heute Nacht auf die Lauer legen, vielleicht erwische ich ja eines“.
Sollte er sich ruhig auf die Lauer legen, die Wildschweine würden sich sicherlich nicht sehen lassen, denn die schliefen nachts friedlich in ihren Betten in meinem Haus. Wenigstens nachts konnte ich in der Regel sicher sein, dass sie keinen Unfug anstellten.
Ich machte mich schon am nächsten Tag auf den Weg zum Maisfeld mit den Hunden als Alibi. Die Hunde waren oft dabei, wenn ich irgendwelche Schandtaten meiner Kinderschar aufdeckte.
Es war schon helllichter Tag, als ich mich mit unseren Dackeln auf den Weg machte. So konnte ich wenigstens sicher sein, dass mir kein Jäger auf der Suche nach Wildschweinen über den Weg laufen würde. Das hätte mich sicherlich in Erklärungsnot gebracht, denn ich bin eine ehrliche Haut.
Was ich am Tatort sah, verschlug mir echt den Atem. Es sah tatsächlich so aus, als wären Wildschweine am Werk gewesen. Meine Kinder hatten nicht, wie abgesprochen, ein paar Maiskolben gepflückt, sondern tatsächlich mehrere Quadratmeter dieses Feldes völlig vernichtet. Die Pflanzen waren heruntergetreten, verschwunden waren aber nur die leckeren Kolben.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Jägern meines Heimatortes niemals gebeichtet habe, wer diese Wildschweine tatsächlich waren. Ich schmunzelte nur still in mich hinein, wenn ein weiterer Jäger mit geschulterter Flinte sich bei Sonnenuntergang auf den Weg zu diesem Maisfeld machte (Ich mag Jäger nicht sonderlich gern).
Meinen Kindern erteilte ich Unterricht in Mengenlehre und erklärte ihnen den Unterschied zwischen wenig, ein paar, viel und sehr viel.
In den folgenden Jahren durften sie zwar weiterhin zu dieser Jahreszeit ab und an Maiskolben naschen, aber nur die, die ich ihnen vorsichtig aus einem Maisfeld herausholte. Ich bin zwar ihre Mutter, aber eine Bache bin ich nicht.
In Zukunft war ich allerdings vorsichtiger, wenn sie mich fragten: „Mama, dürfen wir, meinst du, das wäre in Ordnung?“ Ich liebe meine Frischlinge.