Vorbemerkung zur vierten Folge
Um Euch Lesern den Ãœberblick über die einzelnen Folgen zu erleichtern, ist jeder einzelnen Folge eine Angabe zur Szene und zu den auftretenden Personen vorangestellt.Â
Szene: Nachdem Oskar Adam angerufen, zum Mitschleppen von sechs Sixpacks verdonnert und in seinen seltsamen Plan eingeweiht hat, trifft er sich endlich im Strandbad mit Olga, seiner Angebeteten, dem möglichen Opfer seines Plans. Adam und den anderen Jungs hat er absichtlich eine spätere Zeit für das Treffen genannt, um ein wenig mit Olga allein zu sein, ehe die anderen kommen. Ob ihm das etwas hilft? Davon handelt diese vierte FolgeÂ
Personen: Oskar und Olga; später von Ferne Adam; schließlich ein ungepflegter Typ und zwei Zivilermittler der Secuforce
Und das ist in den ersten drei Folgen bisher geschehen: Oskar hat bei seinem guten Kumpel Adam angerufen, um den an das Treffen der Clique im Strandbad am "Goldenen Erpel" zu erinnern. Adam hat, obwohl er der Hauptlieferant für das Bier sein sollte, die Verabredung total vergessen. Oskar nutzt Adams schlechtes Gewissen aus und lässt sich von ihm versprechen,noch viel mehr Bier als ursprünglich zugesagt mitzubringen. Nun will Oskar Adam auch noch für einen idiotischen Plan gewinnen: Das ganze Treffen soll für Oskar nur die Gelegenheit bilden, die von ihm angebetete Olga zu treffen, damit er eine letzte Chance bekäme, bei Olga zu landen. Mit Olga verbindet Oskar nämlich eine heftige aber leider unglückliche Verliebtheit. Weil er sich nun nicht mehr traut, Olga direkt zu umwerben, will er etwas inszenieren, um sie zu beeindrucken. Er hat da auch schon einen Plan, aber in den muss er nun, ob er will oder nicht, Adam einweihen, und ihn außerdem dafür gewinnen, bei dem Plan mitzumachen. Es gelingt Oskar sogar, Adam zu überreden, bei der Sache mitzuspielen, aber echte Begeisterung kann er bei seinem Kumpel nicht wecken. Deshalb bleibt Adam ein unsicherer Kandidat. Trotzdem macht Oskar sich ins Strandbad auf, um Olga schon ein bisschen früher zu treffen.
Eine Promenade mit Olga
Ein Treffpunkt der schönen, jungen, gesunden und vor allem unternehmungslustigen Menschen in Kys – es gäbe keinen weniger geeigneten Ort für ein Rendezvous mit dem Mädchen, dem ein verliebter Junge endlich in angemessen romantischer Weise seine Verehrung gestehen und dieses Geständnis vergolten wissen will. Doch genau so ein Ort war das Strandbad an der Kirna nun einmal. Weit im Süden der Halbinsel gelegen, auf der sich die Kernstadt von Kys erstreckt, und die auf der einen Seite von der Villn und auf der anderen von der zum Baden einladenden Kirna umspült wird, ist das Bad schon deshalb ideal, weil es ganz nahe an den Ausgeh-Straßen der Kernstadt liegt. Mich mit Olga an einem weniger belebten Ort zu treffen – es gibt da zum Beispiel einen sehr hübschen und ruhigen, zum Knutschen wie gemachten kleinen Park an der Südspitze der Halbinsel – das hätte ich mich nicht geÂtraut. Ich hatte mich also an das realistisch Mögliche gehalten und es mit dem ohnehin Angenehmen verbunden, als ich die Verabredung im Strandbad getroffen hatte. Als sie ankam, tat ich ganz überrascht, ihr zufällig schon am Eingang über den Weg zu laufen, eben dort, wo ich sie abgepasst hatte. Außerdem teilte ich scheinbar ihre Verwunderung über das Zuspätkommen der anderen, das in Wahrheit ein zu frühes Eintreffen von uns beiden war, ich hatte ihr ja nicht umsonst eine zu frühe Zeit genannt.
„Wenn du magst, können wir ja hier oben unter den Bäumen ein bisschen entlang spazieren, bis die Jungs kommen. Tut mir wirklich leid, die sind sonst nicht so unpünktlich.“
Mit diese heuchlerischen Worten verbarg ich meine zitternd grenzenlose Freude über die Gelegenheit mit Olga eine gute Viertelstunde lang allein haben zu können, noch dazu an einem Ort, an dem ich mit der bloßen Gesellschaft eines solchen Mädchens neidische Blicke ernten und viel Renommee machen würde.
„Sehr gerne“, stimmt Olga zu, nicht ahnend, wie sehr schon der Klang ihrer Stimme mein Herz zum Klopfen brachte.
Ihre Stimme war nicht eigentlich schön zu nennen – so abstrus hatte ich das einmal für mich formuliert –, zu hoch für einen verwegen klangvollen Alt und zu rauchig für einen hellen Sopran war diese Stimme, dafür aber ganz einzigartig und immer dazu bereit, heitere Freundlichkeiten zu artikulieren.
„Sehr gerne“, sagte sie noch einmal, „das finde ich das Schönste an dem Strandbad, dass man hier so herrlich unter den Bäumen laufen und die Leute beobachten kann. Ein richtiges Lustwandeln ist das – aber ich hoffe, du hältst mich nicht für albern, wenn ich gerne Leute beobachte?“
„Nein, überhaupt nicht“, versicherte ich eilig und hätte dasselbe getan, wenn sie mir erzählt hätte, sich in ihrer Freizeit gerne mit dem Auswendiglernen von Nummernschildern zu beschäftigen. Außerdem log ich: „Ich mache das auch total gerne, manchmal komme ich nur deswegen hierher.“
„Ach ja?“ fragte sie, so dass mir nicht entgehen konnte, wie sicher sie meine Flunkerei durchschaut hatte, ohne sie mir vorhalten zu wollen. „Schön. Geht das denn auch mit deinem Rucksack? Sind da nicht die schweren Flaschen drin? Wolltest du nicht Likör oder so ein Zeug mitbringen?“
„Klar geht das“, antwortete ich mit einem Anflug von Empörung.
Für wen hielt sie mich denn, wenn sie glaubte, ich würde an so einem lächerlichen Rucksack zu schwer zu tragen haben? Fast bedauerte ich es, mich meiner Last durch die nicht ganz freiwillige Hilfe Adams entledigt zu haben, dann hätte zwar mein Handgepäck geklirrt, aber ich hätte Olga vormachen können, wie wunderbar ich auch mit einem schweren Rucksack auf dem Buckel ‚lustwandeln’ konnte. Das Verdienst, den guten Freunden zu Gefallen, Getränke zum Strandbad zu schleppen und unter den Augen der Kassierer – und noch schlimmer: der allgegenwärtigen Secuforce-Protektoren – ins Bad hinein zu schmuggeln, diese Meriten musste ich Adam lassen.
Gar keine schlechte Idee für ein weiteres Mosaiksteinchen meiner Konversation: „Meine Flaschen bringt übrigens der Kumpel mit, den ich dir vorstellen wollte.“
„Dieser Achim?“
„Adam“, korrigierte ich sie, „Adam Bocca. Wirklich eine Seele von einem Freund. Ich konnte nämlich die Flaschen nicht selber mitbringen, weil“ – Obacht jetzt! – „weil ich noch dringend in der Uni-Bibliothek vorbeimusste, um…“ – bloß nicht übertreiben! – „um für einen anderen Kumpel noch eine Downloadkarte zu holen.“
„Aha?“
„Ja, klingt kompliziert, aber bei uns in der Clique, weißt du, da hilft jeder jedem. Funktioniert prima – wenn man so tolle Freunde wie Adam hat.“
„Klingt nicht kompliziert, aber einfach zu schön, um wahr zu sein“, sagte sie so sachlich, dass ich mir einbildete, sie triebe schon jetzt Spott mit mir. „Willst du mit diesem…“
„Adam?“
„Ja, mit Adam, willst du mit dem vielleicht zusammenziehen? Scheint ja der perfekt fürsorgliche Mitbewohner zu sein, wenn er dir deinen Alk abnimmt, damit du einen entspannten Bummel mit mir machen kannst.“
Waren meine Ausreden so durchsichtig gewesen? Ich versuchte, es doch noch zu retten: „So ist er halt, der Adam, wirklich ein Freund, der immer an seine Freunde denkt, ganz uneigennützig. Als Mitbewohner wäre er für mich auf Dauer zu anstrengend. Ich für meinen Teil wäre zu sehr Egoist und würde ihn doch nur ausnutzen.“ Dass ich das auch prima außerhalb einer Wohngemeinschaft mit Adam hinbekam, war mir bewusst, verschwieg ich jedoch selbstverständlich. „Aber eine Freundin zum Beispiel, also die würde er bestimmt ganz liebevoll umsorgen und ohne ihr auf die Nerven zu gehen – er hat nämlich keine.“
Solchen Sätzen höre ich schon beim Aussprechen an, was für einen Unsinn sie darstellen.
Olga lachte prompt ihr heiteres, gar nicht schadenfrohes Lachen: „Wolltest du mich ihm nur vorstellen oder gleich mit ihm verheiraten? Und vor allem: Wie hängt das zusammen, seine Fähigkeit zur liebevollen Fürsorge mit seinem bedauerlichen Zustand, sie keiner Freundin angedeihen lassen zu können?“
„Pech!“ entfuhr es mir. „Ich meine: Er hat wohl nur Pech, dass er nicht… nicht so gut ankommt. Seinem Glück muss man wohl auf die Sprünge helfen.“
„Man – du“, schlug Olga vor.
„Wie gesagt, wir sind eine ganz tolle Clique und…“; und ich merkte, dass meine Konversation, die ich mir so luftig und leicht, als reines Vergnügen vorgestellt hatte, dass dieses Gespräch also auf ein Desaster zusteuerte.
Als Olga dann zum Glück vorschlug, wir sollten lieber wieder umkehren, um nicht außer Sichtweite des „Goldenen Erpels“ und damit des ungefähren Treffpunkts zu geraten, da sah ich, wenngleich von weitem, das nächste Desaster auf mich zukommen. In Gestalt von Adam, versteht sich.
Der arme Kerl hatte es zwar entgegen aller Wahrscheinlichkeit geschafft, mit seiner albernen fahrbaren Einkaufstasche voller Alkohol durch die Eingangskontrolle des Strandbades zu gelangen. Das gute Wetter musste ihm geholfen haben, denn an so einem prachtvollen Samstagmittag strömten die jungen und Junggebliebenen in solchen Massen herbei, allesamt gut ausgestattet mit preiswerten mitgeschleppten, stimmungshebenden Getränken, dass die Kassierer gut beraten waren, zu kapitulieren und die Kontrollen auf verbotener Weise von außen mitgebrachten Alkohol faktisch einzustellen. Adam hatte auf dieser Flut der Feierfreudigen einfach nur mitschwimmen müssen. Geschafft hatte er es deswegen noch lange nicht. Getrieben von seinem schlechten Gewissen war er überpünktlich erschienen und hatte damit nicht nur meine Vorab-Promenade mit Olga verkürzt, sondern vor allem sich in die unangenehme Lage versetzt, im Gewühl des sich füllenden Strandbades nach uns von der Clique zu suchen. Desorientiert hielt er nach uns Ausschau und bemühte sich zugleich redlich, sein überladenes Einkaufswägelchen auf dem zum Fluss hin abschüssigen Hang auf Kurs zu halten.
Da geschah es! Das Wägelchen kam ihm aus und schrammte den gewaltig verfetteten Rücken eines bemerkenswert blassen Jungen mit langem, filzigem Haar. Der Kerl – niemand, mit dem sich gepflegte Oberschüler wie wir uns freiwillig abgegeben hätten – zeigte wenig Verständnis für die Nöte unseres Bierlieferanten. Der Langhaaraffe sprang, kaum hatte Adam ihn touchiert, empört auf und versetzte Adam einen so gewaltigen Schubser, dass der arme Junge beinahe zu Boden gegangen wäre. Selbst aus der Entfernung konnte ich zweifelsfrei erkennen, wie es aussichtslos es gewesen wäre, mit diesem Zombie sprechen zu wollen, um die Wogen zu glätten. Adam war da leider optimistischer – also dümmer. Er ging doch glatt mit einer beschwichtigenden Geste auf den Doofmann zu, der das, er konnte wohl nicht anders, als den handgreiflichen Versuch an einer kecken Gegenwehr missverstand. So fing sich Adam gleich noch einen kräftigen Schubser und hätte vielleicht auch noch einen Kinnhaken abbekommen, wenn nicht – Unglück im Unglück – eine Streife von Zivilermittlern der Secuforce auf den Plan getreten wäre.