Eine Geschichte aus Windaschybel, der Traumwelt DER WEG DES LIMAREN Kapitel 12 Inhalt: Tyquan, der Sohn eines Wüstenhändlers, ist schon seit frühester Kindheit anders als der Rest seines Volkes. Denn bei Einbruch der Nacht verwandelt er sich in ein Wesen, das von vielen bewundert und von allen gefürchtet wird - in einen Limaren. Die einzige Hoffnung auf Erlösung bietet eine alte Legende der Rogasch, eines Wüstenvolkes, das abgeschieden von allen in den lebensfeindlichsten Gebieten Morner te Lobessas lebt. Um von seinem Fluch erlöst zu werden, begibt sich der junge Krieger auf eine gefährliche Reise durch ganz Windaschybel, immer auf der Suche nach Hinweisen und Personen, die ihm dabei helfen können, sich selbst besser zu verstehen.
Kalter Wind peitschte ihm ins Gesicht und die Luft roch nach Gewitter. Inzwischen vermied er es, in Wolken einzutauchen, aus Angst, von einem Blitz getroffen zu werden. Da diese jedoch sehr tief hingen, bewegte er sich gefährlich nahe am Erdboden und es war ihm mehr als bewusst, dass ihn so jeder, der zufällig gen Himmel blicken sollte, unweigerlich entdecken musste. Am meisten besorgte ihn jedoch der helle Schimmer, der von Osten kam. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Wenn es ihm nicht gelingen würde, bis zu einer Siedlung zu gelangen, in der es einen fähigen Heiler gab, so sanken Nadims Überlebenschancen, die ohnehin schon ziemlich gering waren, gegen Null.
Das Herz des Diebes, der kraftlos in seiner Klaue hing, schlug bereits beunruhigend langsam und schwer. Inzwischen schien er das Bewusstsein verloren zu haben, was alles andere als ein gutes Zeichen war.
Plötzlich endete der Wald unter ihm und er schwebte über eine freie, fast baumlose und karge Ebene, wobei er immer der Morena folgte.
In der Ferne glaubte er bereits die Dächer der Stadtgebäude Mornas auszumachen, als ihn seine Kräfte verließen. Obwohl er wusste, dass es nichts bringen würde, versuchte er dagegen anzukämpfen, doch letztendlich musste er einsehen, dass es unmöglich war, die Rückverwandlung hinauszuzögern. Eiligst ging er in den Sinkflug über und setzte schließlich mitten im Nirgendwo sacht auf dem vegetationslosen Boden auf. Dann legte er den Bewusstlosen ab und entfernte sich ein paar Schritte von ihm.
Die ersten Regentropfen benetzten bereits seine Schuppen, als die Transformation einsetze. Er wusste, dass dieser Ort zu ungeschützt war, um sich sicher zu fühlen und dennoch hatte er keine andere Wahl, als die Verwandlung zuzulassen. Unter Schmerzen zogen sich die Schuppen in seine Haut zurück, verschwanden Schwanz und Klauen und sein Körper schrumpfte auf das Maß, das seine Menschenhaut tragen konnte. Keuchend vor Anstrengung blieb Tyquan eine Weile auf dem harten Boden liegen.
Von einem Moment zum anderen prasselten dicke Regentropfen auf ihn nieder, durchnässten in Windeseile den Boden und bildeten Pfützen, da das Wasser nicht schnell genug versickern konnte. Auf der nackten Haut fühlten sich die Tropfen wie eisige kleine Bisse an, was den Limaren dazu veranlasste, sich eiligst zu erheben.
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er in der Eile, in der sie aus Simena Vrengar geflohen waren, vergessen hatte, sich um seine Kleider und Waffen zu kümmern, sodass er nun, da die Schuppen seiner Drachengestalt verschwunden waren, schutzlos den Naturgewalten ausgeliefert war. In Anbetracht der Umstände war dies jedoch ein Problem, dessen er sich später annehmen musste. Erschöpft von dem langen Flug ließ er sich neben dem bewusstlosen Nadim zu Boden sinken. Selbst ihm, der er schon einige unschöne Verletzungen gesehen hatte, wurde übel, bei dem Anblick, der sich ihm bot.
Langsam und unregelmäßig hob und senkte sich das rote Etwas, das Nadims Herz darstellte und das die Fuchsfrauen erbarmungslos durch seinen Brustkorb hindurch freigelegt hatten. Es grenzte an ein Wunder, dass es nicht längst seine Tätigkeit eingestellt hatte. Erst jetzt fielen Tyquan auch die Schnitte und die Brandverletzungen auf, die den Körper des Diebes zierten, als wären es blutige Tätowierungen.
Hastig drehte er den anderen ein wenig auf die Seite, einerseits, damit der Regen nicht weiterhin ungehindert in Nadims offenen Brustkorb fallen konnte und andererseits, weil er schon all zu oft hatte miterleben müssen, wie ein Ohnmächtiger an seiner eigenen Zunge oder an Erbrochenem erstickte.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und nur wenig später ließ ein gewaltiges Donnern die Erde erbeben. Nur einen Moment lang dachte Tyquan an die Gefahr, die ihnen beiden hier auf dieser freien Ebene drohte, doch dann machte er sich wieder daran, den Dieb einigermaßen zu verarzten. Inzwischen hatte er aus den Überresten von dessen Hemd provisorische Verbände gefertigt. Den größten davon wickelte er nun um den Oberkörper des Verwundeten und knotete ihn über dem Loch in seiner Brust zu. Dabei musste er sich eingestehen, dass dies wohl kaum ausreichen würde, um ihm das Leben zu retten, doch immerhin konnten so Regen und Schmutz einigermaßen aus diesem Bereich ferngehalten werden. Da er ansonsten nicht viel tun konnte, wickelte er die übrigen Stoffreste über die Striemen an Nadims Armen, die inzwischen heftig zu bluten begonnen hatten und natürlich um das klaffende Loch, das einmal Nadims Auge beinhaltet hatte. Als er dem anderen ins Gesicht sah, erkannte er, wie blass es in dem von den Wolken geschaffenem Zwielicht aussah. Er hatte bereits viel Blut verloren, möglicherweise zu viel…
Ein weiterer Blitz erhellte die Umgebung und für einen Augenblick glaubte der Limar einen rötlichen Schatten zu erkennen, der jedoch gleich wieder verschwunden war, sodass er sich nicht sicher sein konnte, ob es tatsächlich ein Fuchs gewesen war und selbst wenn seine Augen ihn nicht getäuscht hätten, so war es schlechterdings unmöglich, dass ihnen jemand gefolgt war. Dazu war die Distanz, die sie in der Nacht zurückgelegt hatten, zu groß.
Unschlüssig erhob er sich und starrte auf den Bewusstlosen hinab.
Dann wandte er sich um und blickte in die Richtung, in der er die Stadt vermutete, doch er konnte nichts außer karges Land entdecken, das hier und da von Felsen und Schutt bedeckt und mit nur wenigen, äußerst widerstandsfähigen Pflanzen und sogar verkrüppelt wirkenden Bäumen bewachsen war. Schließlich horchte er noch auf sein Innerstes. Er war es nicht gewohnt solche Strecken im Flug zurückzulegen, da es hohe Konzentration und Anspannung erforderte, seinen Limarenkörper in der Luft zu halten. Auch jetzt schmerzten seine Muskeln noch und es kostete ihn große Mühe, überhaupt auf den Beinen zu bleiben. Was er benötigte war Nahrung und davon konnte er weit und breit nichts entdecken.
Wieder fiel sein Blick auf Nadim.
Er würde es nicht schaffen, ihn bis nach Morna zu tragen. Nicht in diesem Zustand und doch könnte jede vergeudete Sekunde dessen Tod bedeuten.
Ob zuvor nie gekannter Unentschlossenheit verzweifelt, schaute er sich noch einmal nach allen Richtungen um. Widersprüchliche Gefühle wallten in ihm auf. Schließlich hatte er nie darum gebeten, dass Nadim ihn weiterhin begleitete, als sie Morner te Lobessa verlassen hatten. Ohne ihn wäre er in Semeta nie in Gefangenschaft geraten. Und doch hatte er es dem Dieb zu verdanken, dass er überhaupt erst so weit gekommen war. Wäre dieser nicht dabei gewesen, als diese Kopfgeldjäger ihn erwischten, so wäre er diesen vermutlich nicht so einfach entkommen. Egal, was man ihm auch vorwerfen konnte, Nadim war offensichtlich kein Feigling und aus welchem Grunde auch immer, schien es ihn nicht zu stören, dass sein Miteisender sich des Nachts in eine Feuer speiende Bestie verwandelte.
Seufzend und sehr vorsichtig ergriff er den anderen unter den Achseln und schleifte ihn langsam über den Boden zu einer Felsformation, die ihnen zumindest vor dem nun aufkommenden Wind ein wenig Schutz bieten würde. Kaum dort angekommen, entfernte sich Tyquan ein Stück und brach von einem der krank aussehenden Bäume einige längere Äste ab, an denen zu seiner Überraschung sogar Blätter hingen, von denen die meisten jedoch sofort zu Boden fielen, als sie in Bewegung gerieten. Lange Zeit wanderte er in einem Umkreis von mehreren Schritten um die Felsen herum und sammelte alles auf, das er für nützlich hielt. Immer wieder brach er lange Äste ab, von denen er inzwischen einen beachtlichen Haufen neben Nadim aufgestapelt hatte. Außerdem fand er noch die Knochen eines pferdeähnlichen Tieres, an denen hier und da noch etwas sehniges Fleisch hing, das bereits von Maden befallen war, weshalb er sich darauf beschränkte, einige Knochen und einen Großteil des übrig gebliebenen Schweifes mitzunehmen.
Währenddessen prasselte der Regen unablässig auf seine ungeschützte Haut ein. Seine Sicht war beschränkt, da sich auch Nebelschleier gebildet hatten und so dauerte es eine Weile, bis er wieder zurückgefunden hatte. Mit akribischer Sorgfalt begann er, die gesammelten Äste so gegen die Felsen zu legen, dass sie ein einigermaßen undurchlässiges Dach bildeten. Dabei rammte er das untere Ende in den Boden. Wo dieser zu hart war, als dass man den Ast einfach hätte hineinstecken können, machte er sich zuvor mit den spitzen Knochen zu schaffen und lockerte die oberste Schicht auf. Die oberen Teile band er mit den Schweifhaaren zusammen, sodass sie sich durch den Wind nicht voneinander entfernen konnten. Zu guter letzt band er noch mehrere kleine Äste waagrecht an die anderen, um die Stabilität und die Wasserundurchlässigkeit der Konstruktion zu erhöhen. Dazwischen hatte er immer wieder einige der Blätter eingearbeitet, die sich nicht auf den Ästen gehalten hatten und so war ein passabler Unterschlupf entstanden. Auch den, nun einigermaßen trockenen Bereich, unter den Ästen, hatte er mit Blättern bedeckt und aus den Resten dessen, was er in der Umgebung zusammengesucht hatten, hatte er sogar eine Art Tür gebaut.
Sorgfältig darum bemüht, Nadim nicht noch zusätzlich Schmerzen zu bereiten, schob er ihn in den Unterschlupf, in dem sie bequem zu zweit Platz fanden. Dann griff er nach der provisorischen Tür und lehnte sie gegen den Rest des Baus. Ein Rascheln zog seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Stelle des Bodens und kaum hatte er erkannt, was sich dort bewegt hatte, da hatte er es auch schon mit einer blitzschnellen Bewegung in der Hand. Der Skorpion versuchte alles, um sich aus dem unliebsamen Griff herauszuwinden, doch Tyquan gab ihm keine Gelegenheit dazu. Mit geübten Fingern trennte er Stachel und Beine ab, warf alles aus dem Unterschlupf und steckte sich den Rest des Tieres in den Mund. Es knirschte mehrmals und der Geschmack, der sich in seinem Mund ausbreitete, war alles andere als angenehm, doch immerhin war dies ein Anfang.
*
Ruckartig setzte Tyquan sich auf.
Fast vollkommene Stille schien ihn zu umgeben, was ihm klar machte, dass das Gewitter weiter gezogen sein musste. Vereinzelt fiel durch die Löcher zwischen den Ästen Sonnenlicht herein. Das war es jedoch nicht, was den Limaren aufgeschreckt hatte, sondern das Geräusch von leisen Schritten, das nun, da er angespannt horchte, nicht mehr zu vernehmen war. Darum bemüht, keine unnötigen Laute zu verursachen, stemmte er sich in die Höhe und kroch auf den Ausgang zu. Derweil packte er einen dicken, losen Ast fester. Dann stieß er die Tür auf und baute sich drohend zu seiner vollen Größe auf, wobei er den Ast, wie einen Kampfstab vor sich hinhielt.
Im ersten Moment blendete ihn das grelle Sonnenlicht, sodass er nur eine schemenhafte Gestalt erkennen konnte, doch nach mehrmaligem Blinzeln schnellten seine Augenbrauen erstaunt in die Höhe.
„Ich wollte Euch nicht erschrecken“, erklärte die Frau mit sanfter Stimme und kam einen Schritt näher. Ihr wallendes rotes Haar schien in der Sonne zu leuchten und wurde nur durch ein einfaches braunes Kopftuch gebändigt. Der Blick ihrer klaren blauen Augen war fest und entschlossen, was Tyquan klar machte, dass sie sich nicht so schnell würde vertreiben lassen. „Hier, nehmt das“, sage sie und erst jetzt bemerkte der Limar, dass sie ihm etwas hinstreckte, das sich, nachdem er danach gegriffen hatte, als Hemd und Hose herausstellte. Erst in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass er völlig unbekleidet war, was ihn jedoch nicht zu der Dummheit verleiten ließ, so schnell wie möglich seine Blöße zu bedecken, da dies mehr als nur lächerlich ausgesehen hätte. So zog er sich in normalem Tempo an, ohne die Frau dabei aus den Augen zu lassen, die seinen Blick lächelnd erwiderte.
„Woher wusstet Ihr…“, begann er als er sich das einfache graue Hemd überzog, doch sie unterbrach ihn.
„Man sagte mir, Ihr hättet einen Verwundeten bei Euch“, meinte sie und kam noch näher. Nun sah er auch, dass sie eine große Tasche mitgebracht hatte. „Darf ich ihn sehen?“
Misstrauisch musterte Tyquan sie noch einmal von oben bis unten. „Aus welchem Grund sollte ich Euch vertrauen?“
„Ihr könnt mir nicht vertrauen.“ Bestimmt, aber immer noch freundlich war ihre Stimme, als sie den Kopf schüttelte. „Allerdings kann ich wohl kaum mehr Schaden anrichten, als schon angerichtet wurde.“
„Ihr könntet ihn töten“, wandte der Limar ein.
„Dasselbe könnte ich auch von Euch behaupten.“ Mit diesen Worten drängte sie sich einfach an ihm vorbei, betrat gebückt den Unterschlupf und kniete sich neben Nadim. Ohne lange zu zaudern griff sie in ihre Tasche und holte eine rostige Schere heraus. Ehe Tyquan auch nur einen einzigen Schritt machen konnte, schnitt sie den behelfsmäßigen Verband auf und sog scharf die Luft ein.
Ein grausiger Geruch stieg dem Limaren in die Nase, woraufhin er in die Knie ging, um besser sehen zu könne.
„Ich brauche Sonnenlicht“, murmelte die seltsame Frau und ohne lange zu überlegen, zerstörte er die Konstruktion, die er vor einigen Stunden mühsam aufgebaut hatte. Licht fiel auf Nadims Körper und als Tyquan ihn ansah, musste er unvermittelt würgen.
Dicke, graue Maden tummelten sich in Nadims Brust und hatten bereits begonnen, seinen noch lebenden Leib zu zersetzen.
© Fianna 01.08.2012
Fianna Re: Re: Re: - Zitat: (Original von EagleWriter am 01.08.2012 - 20:04 Uhr) Zitat: (Original von Fianna am 01.08.2012 - 20:04 Uhr) Zitat: (Original von EagleWriter am 01.08.2012 - 19:57 Uhr) Guten Appetit Lecker Skorpion... ächem^^ lg E:W Vielleicht sollte ich mir weniger "Ausgesetzt in der Wildnis" ansehen ;-) Danke für's Lesen und Kommentieren! Liebe Grüße Fianna Tyquen = Bear Grylls ?^^ Was ihre Essgewohnheiten angeht, vielleicht ;-) |
EagleWriter Re: Re: - Zitat: (Original von Fianna am 01.08.2012 - 20:04 Uhr) Zitat: (Original von EagleWriter am 01.08.2012 - 19:57 Uhr) Guten Appetit Lecker Skorpion... ächem^^ lg E:W Vielleicht sollte ich mir weniger "Ausgesetzt in der Wildnis" ansehen ;-) Danke für's Lesen und Kommentieren! Liebe Grüße Fianna Tyquen = Bear Grylls ?^^ |
EagleWriter Guten Appetit Lecker Skorpion... ächem^^ lg E:W |