Science Fiction
Sonnensturm (3) - 3 - Die Sache mit der Sonne

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"Sonnensturm (3) - 3 - Die Sache mit der Sonne"
Veröffentlicht am 25. Juli 2012, 24 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Über den Autor:

Ich ...bin Österreicherin ...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte ...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist ...lese quer durch viele Genres ...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken
Sonnensturm (3) - 3 - Die Sache mit der Sonne

Sonnensturm (3) - 3 - Die Sache mit der Sonne

Beschreibung

Im Jahr 2212 entdeckt der Linguist Sim Frenkler den Zugang zu einem Depot, das weit fortgeschrittene Technologien enthält und das sich in einem Höhlensystem unter der Grazer Altstadt befindet. Sim, ein Angestellter der Firma Solera & Co, arbeitet für extraterrestrische Auftraggeber, die vor etwa 100 Jahren auf die Erde kamen und seitdem nach diesem Depot suchen, um die darin enthaltenen Maschinen und Baupläne für sich zu beanspruchen. Während seiner Arbeiten stößt der Linguist allerdings auf Daten, die offensichtlich nicht wohlgesonnene Einstellungen der Soleraner den Menschen gegenüber offenbaren. So setzt Sim mit den wenigen, nicht von den Soleranern beeinflussten Staaten alles daran, dieses Depot vor jenen zu finden und die darin enthaltenen Gerätschaften vor ihnen in Sicherheit zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist er bereit alles zu tun, selbst wenn es bedeutet, seine eigenen Freunde zu verraten.

3 - Die Sache mit der Sonne

Dematerialisation.

Ein Begriff, der sich in den letzten neunzig Jahren weltweit mit besonderer Bedeutung in allen Fremdwörterbüchern und Lexika verbreitet hatte und fast sofort Auslöser für manch angeregte Diskussion in Physikklassenzimmern und an den Esstischen wissenschaftlich Interessierter geworden war. Tatsächlich hatten sich sogar Debatierclubs gebildet, deren wöchentlich behandelte Themen im Wesentlichen immer wieder mit diesem einen Wort zu tun hatten. Im Grunde handelte es sich bei all diesen Gesprächen jedoch um reine Spekulation, da niemand wirklich wusste, was es überhaupt damit auf sich hatte.

Man ging davon aus, dass jeglicher Gegenstand, der von einem Dematerialisationsvorgang betroffen war, sich in seine kleinsten Bestandteile auflöste, die sich dann unsichtbar, ob ihrer Winzigkeit, im umgebenden Raum verbreiten würden. Sowohl Physiker als auch Chemiker störten sich dabei an der Tatsache, dass jedes Teilchen, das von einem Körper abgegeben wurde, von einem anderen aufgenommen werden musste, da es nach dem aktuellen Forschungsstand schlechterdings unmöglich war, dass irgendwelche und seien es noch so kleine Partikel einfach verschwanden.

All diese Streitereien hatten Sim, der sich als Linguist nur in sehr geringem Maße für die Naturwissenschaften interessierte, nie gekümmert. Solcherlei Haarspaltereien wirkten auf ihn belanglos, ja sogar lächerlich.

Aus diesem Grunde dachte er auch nicht darüber nach, was gerade mit ihm passiert war, als er die Augen aufschlug und sich in einer engen, schmucklosen Kammer wieder fand. Tatsächlich war ihm in diesem Moment nichts gleichgültiger, als die Analyse des Vorgangs, durch den er hierher gelangt war. Seiner Gedanken hatten sich abgrundtiefe Angst und völliges Unverständnis bemächtigt und drohten ihn zu überwältigen. Zu klarem Denken war er nicht in der Lage und immer wieder tasteten seine unruhigen Finger nach der Hemdtasche, die weiterhin die Daten enthielt, für die die Soleraner auch vor Mord nicht zurückschreckten. Unwillkürlich zuckten seine Gedanken zu Phiena, die er diesen Ungeheuern ausgeliefert hatte, in dem Glauben, diese würden sie, nachdem sie herausgefunden hatten, dass sie nichts wusste, unbeschadet wieder frei lassen. Doch nun, da er gesehen hatte, wie bereits zwei Menschen wegen dieser Informationen, die er noch nicht einmal mit ihnen geteilt hatte, ihr Leben hatten lassen müssen, war er sich dessen nicht mehr so sicher.

Umständlich stemmte er sich in die Höhe, um sein Gefängnis näher zu betrachten. Der Raum war rund und es war gerade Platz genug, um von der Mitte aus in jede Richtung einen halben Schritt machen zu können. Mehrmals umrundete Sim die Zelle und ging letztendlich sogar dazu über, die Wände abzuklopfen, die keinerlei Anzeichen von einer Tür aufwiesen, was zu seiner Beunruhigung beitrug.

Fieberhaft überlegte er, was er nun tun sollte und urplötzlich schossen ihm die seltsamsten Gedanken durch den Kopf, wie etwa Szenen aus Star Wars - Episode 7, einem Nachfolger des berühmten Sechsteilers, aufgrund dessen George Lucas sich sicherlich mehrmals im Grabe überschlagen hätte, wenn er davon wüsste. Unsinnige, längst vergessen geglaubte Gespräche fluteten sein Gehirn und immer wieder brandete die Angst auf, sodass er sich schließlich mutlos wieder zu Boden sinken ließ.

 

Mehrere Minuten lang musste er schon so dagesessen sein, als ihn ein gerade noch wahrzunehmendes Zischen aufsehen ließ.

Fassungslos beobachtete er, wie sich in der zuvor noch fugenlosen Wand, eine Tür abzuzeichnen begann, die dann langsam zur Seite glitt und den Blick auf einen dahinter liegenden Raum freigab, der jedoch von einem Körper verstellt wurde.

Sims Blick wanderte von den einfachen grauen Schuhen, über die graue Hose hinauf bis zu dem weißen Hemd, unter dem zwei dünne, helle Arme hervorlugten, an denen die Adern blau hervorstachen. Dann blickte er dem Soleraner, der sein langes, weißblondes Haar zu einem Zopf geflochten hatte, ins Gesicht und erstarrte für einen Moment, als er registrierte, dass dieser Mann nicht die, für sein Volk, typische Sonnenbrille trug.

So kreuzte sich der Blick des eingeschüchterten, blauäugigen Linguisten mit den ausdruckslosen roten Augen des Soleraners.

„Folgen Sie mir“, sagte dieser nun mit unverwechselbarem soleranischem Akzent und drehte sich um, ohne zu überprüfen, ob seiner Aufforderung Folge geleistet wurde. Sim, dem der Schreck noch tief in den Knochen steckte, wagte es nicht, sich zu widersetzen und gehorchte ohne zu murren. Hastig schritt er dem Hellhäutigen hinterher, wobei er aufgrund seiner derzeit an Panik grenzenden Angst, nicht bemerkte, dass sich ihnen noch zwei weitere Soleraner anschlossen, deren rote Augen keine seiner Bewegungen aus den Augen ließen.

Im Schnellschritt folgten sie langen, verwinkelten Gängen, vorbei an offensichtlich gut gesicherten Türen und teilweise auch Fenstern, durch die man einen Blick ins Innere der oft sehr interessant ausgestatteten Räume hätte werfen können, wenn man nicht gerade innerlich vor Aufregung starb.

Mit jedem Schritt wurde der Linguist nervöser, begann unkontrolliert zu zittern und war noch weniger dazu in der Lage, klare Gedanken zu fassen, als zuvor.

Als sie endlich am Ziel angelangten, war er mit den Nerven völlig am Ende.

Die werden mich töten, die werden mich töten, die werden mich TÖTEN!!!, schrie eine hysterische Stimme in ihm, während eine andere viel leisere und kraftlosere erwiderte: Ruhe bewahren und abwarten. Es wird schon gut gehen. Du musst sie nur davon überzeugen, dass sie dich brauchen.

Eben jene zweite Stimme, die eigentlich fast unterging durch das Geschrei der ersten, war es, die Sim all seinen Mut, von dem er ohnehin schon herzlich wenig besaß, zusammenkratzen ließ, sodass er, ohne dazu aufgefordert zu werden das Speicherplättchen hervorholte und erklärte: „Wenn Sie mich nicht sofort zurückbringen, zerstöre ich das hier und dann finden Sie den Eingang nie.“

Eine Zeit lang herrschte Schweigen, als der Soleraner, der ihn hierher geführt hatte, sich zu ihm umdrehte. Aus einer Tür im hinteren Bereich des Raumes kamen zwei weitere Hellhäutige herein und musterten den Gefangenen ausführlich. Fragend blickte der vor ihm stehende, zu den neu hinzugekommenen hinüber. Seltsame kehlige Laute, die nur entfernt an Worte erinnerten, kamen aus dem Mund eines der beiden, woraufhin der Mann in schallendes Gelächter ausbrach.

Wenige Herzschläge später fand Sim sich ausgestreckt auf dem Boden liegend wieder, von wo aus er zu dem hämisch grinsenden Soleraner aufblickte, der das Speicherplättchen triumphierend zwischen zwei Fingern hielt.

Ein zorniges Schnarren schallte durch den Raum, woraufhin Hände den am Boden Liegenden ergriffen und wieder in die Höhe stemmten. Völlig widerstandslos ließ dieser das mit sich geschehen und beobachtete, wie einer der später Hinzugekommenen mit offensichtlicher Unzufriedenheit auf denjenigen einredete, der Sim die Daten auf so spektakuläre Weise abgenommen hatte.

Und in diesem Falle war das Wort spektakulär keinesfalls übertrieben. Tatsächlich hatten die langsamen Sinne des Linguisten nämlich weder wahrgenommen, wie der Mann sich ihm genähert hatte, noch hatte er irgendetwas gespürt, bevor er auf dem Boden aufgeschlagen war. Immer noch konnte er sich nicht erklären, wie dies überhaupt hatte geschehen können und doch war es unbestreitbar, dass es passiert war.

„Bitte entschuldigen Sie Calviros über alle Maßen ungebührliches Verhalten“, wandte sich da plötzlich eine Stimme an ihn, die zu seiner Überraschung ein sehr gutes und deutliches Deutsch sprach, wenngleich sie jedes Wort überdeutlich betonte. „Er mag es nicht besonders, wenn man ihm droht.“

Obwohl Sim immer noch innerlich bebte vor Angst, konnte er sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen.

Daraufhin wandte sich derjenige, der zu ihm gesprochen hatte, zu dem hinter ihm stehenden um und sie verfielen in eine kurze, jedoch hitzige Diskussion.

„Ich…“, versuchte der Linguist erneut, sich durch Worte aus dieser Situation herauszuwinden, „…ich…ihr könnt ohne meine Hilfe nicht hineingelangen. Diese Daten nützen euch gar nichts, wenn ihr mich tötet.“

Entweder ehrliche oder aber meisterhaft vorgetäuschte Bestürzung zeigte sich auf dem Gesicht desjenigen, der der deutschen Sprache mächtig war, als er hastig erwiderte: „Töten? Aber wer spricht denn davon? Ich versichere Ihnen, dass Ihnen von uns keine Gefahr droht.“

Mit einer unmissverständlichen Geste, forderte er den Soleraner, den er als Calviro bezeichnet hatte, dazu auf, näher zu treten. „Uns interessieren auch nicht die Daten, die Sie gestohlen haben. Jedenfalls nicht …“ Er stockte und suchte nach den richtigen Worten, dann fuhr er fort: „…jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie sich andere dafür interessieren.“ Damit nahm er dem anderen vorsichtig das Speicherplättchen aus der Hand und reichte es Sim, der trotz seiner alles überschattenden Furcht für einen Augenblick völlig verblüfft war. Gleichzeitig schlich sich Misstrauen in seine Gedanken, doch dies hinderte ihn nicht daran, rasch nach dem Gegenstand zu greifen und ihn wegzustecken. Noch einmal würde er sich nicht überrumpeln lassen, schwor er sich.

„Was wollt ihr dann?“, wagte er schließlich zu fragen und wurde daraufhin gebeten, sich an einen Tisch zu setzen, der, wie ihm jetzt erst auffiel, die Hälfte des gesamten Raumes einnahm. Ein leichter Stoß in den Rücken trieb ihn auf einen Stuhl zu und da es keinen Sinn hatte, sich stur zu stellen, folgte er der unmissverständlichen Aufforderung und ließ sich auf einen der unbequem aussehenden Stahlstühle fallen, die am Boden festgeschraubt waren. Auch Calviro, der Soleraner, mit dem er gesprochen hatte und ein anderer, der bisher schweigend dem Geschehen beigewohnt hatte, setzten sich, während die beiden, die Sim hierher eskortiert hatten, auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes Aufstellung nahmen. Erst jetzt fiel dem Linguisten auf, dass sie die einzigen waren, die Waffen trugen oder aber sie waren die einzigen, die diese offen zeigten.

„Um es zumindest für den Anfang kurz zu machen“, begann der Soleraner wieder zu sprechen: „Das Gespräch, das wir gleich führen werden, läuft einzig und allein darauf hinaus, dass wir Hilfe brauchen.“

Wiederum runzelte Sim die Stirn, sagte jedoch kein Wort, woraufhin der andere fort fuhr. „Wir brauchen Hilfe und zwar von Ihnen.“

 

*

 

Es ist beeindruckend, wie laut allgemeines Schweigen doch sein kann. Ebenso erstaunlich ist es, wie viele Arten des Nichtssagens es eigentlich gibt.

Als der Soleraner sein letztes, überbetontes Wort ausgesprochen hatte, herrschten im Raum gleich mehrere Arten davon und alle schienen dröhnend laut zu sein, aufgrund der Stille, die ringsum herrschte.

Zum einen hörte man, aufgrund der Abwesenheit von Worten, das leise Atmen der Anwesenden, untermalt von schwerlich als rhythmisch zu bezeichnenden Stampfgeräuschen, die Calviro mit seinem Bein erzeugte, das er unruhig auf und ab bewegte.

Zum anderen sind es gerade jene sich hinziehenden sprachlosen Augenblicke, in denen die Gedanken eines jeden einzelnen Purzelbäume schlagen und schreiend das Summen übertönen, das den meisten erst bewusst wird, wenn sie fast völliger Lautlosigkeit ausgesetzt sind.

„Ich...was…wie?“ Sim brachte nichts als zusammenhangloses Gestammel zustande und brach schließlich kopfschüttelnd ab.

„Beginnen wir doch ganz von vorne“, meinte der, der als erster gesprochen hatte. „Mit Calviro haben Sie ja bereits Bekanntschaft geschlossen. Das“, er deutete auf den Mann, der neben ihm saß, „…ist Resan, ein Spezialist in Sachen Astrophysik, wie Sie das auf ihrem Planeten nennen und mein Name ist Gris.“

„Sie sind wohl auch Sprachwissenschaftler?“, forschte Sim nach, der nun, da die Angst sich ein klein wenig zurückgezogen hatte, doch neugierig wurde. „Welche Erdensprachen beherrschen Sie sonst noch?“

Ein Lächeln breitete sich auf Gris Gesicht aus, als er erklärte: „Nun, es dürfte genügen, wenn ich Ihnen sage, dass es ausreichend sind, um sich mit fast jedem Volk einigermaßen in seiner Muttersprache verständigen zu können.“

Gerade öffnete Sim, der von der Ehrlichkeit dieser Aussage nicht gerade überzeugt war, den Mund, um etwas zu erwidern, als Calviro unwirsch in Soleranersprache dazwischen fuhr. Ein längeres Streitgespräch entstand, dann wandte Gris sich wieder an ihren „Gast“.

„Calviro hat Recht. Es ist zwar nicht so, dass wir es besonders eilig hätten, aber Sie sollten trotzdem so schnell wie möglich erfahren, was unsere Beweggründe sind.“

„Sie haben zwei meiner Begleiter auf dem Gewissen“, gab Sim zu bedenken. „Ist Ihnen das überhaupt klar? Wieso sollte ich Ihnen jetzt noch helfen?“

„Dieser Angriff war nicht unser Werk“, hielt Gris entschlossen dagegen. „Es waren Soleraner, ja, aber nicht wir. Das ist nicht unsere Art, zu arbeiten. Wenn es nicht absolut notwendig ist, vermeiden wir den Einsatz von Gewalt.“

Darauf schwieg Sim, da er nicht recht wusste, was er erwidern sollte. Aus diesen Soleranern wurde er einfach nicht schlau. Unwillkürlich musste er an die Daten denken, die er nun wieder bei sich trug und ein Schaudern lief ihm über den Rücken. Wenn das eine List war, um ihn dazu zu bringen, ihnen freiwillig zu helfen…

„Diejenigen, die Sie verfolgten und die ihre Freunde töteten, sind Mitglieder der Firma Solera & Co, so wie auch Sie es einmal waren. Sie würden alles dafür tun, um Sie wieder in ihre Gewalt zu bekommen, aber das wird ihnen nicht gelingen. Nicht, wenn Sie sich uns anschließen.“

„Euch anschließen?“, fragte Sim mit hochgezogenen Augenbrauen nach. „Wer seid ihr denn überhaupt und aus welchem Grund habt ihr mich hierher geholt, wenn ihr tatsächlich nicht an den Informationen interessiert seid?“

„Nun, wie schon erwähnt, wir brauchen Ihre Hilfe und letztendlich wollen wir genau das, was auch Sie wollen. Ich nehme an, dass Sie sich die Daten bereits gründlich angesehen haben?“

Wortlos nickte Sim.

„Dann wissen Sie auch, was Solera & Co mit dem vorhat, das da unter dieser Stadt verborgen liegt?“

Wieder gab der Linguist mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass diese Annahme richtig war. Dann fügte er allerdings noch hinzu: „Ich weiß, was sie vorhaben, aber ich weiß nicht, aus welchem Grund. Ich meine, so etwas tut man doch nicht einfach so. Schließlich ist es nicht gerade einfach zu bewerkstelligen, selbst mit den Gerätschaften, die sie dort vorzufinden hoffen.“

Eine Weile schwieg Gris und blickte sein Gegenüber nachdenklich an, dann sagte er etwas auf Soleranisch, woraufhin der Stille, den er als Resan bezeichnet hatte, nickte.

„Haben Sie sich eigentlich nie gefragt, warum wir so aussehen?“

Auf ein Stirnrunzeln von Seiten Sims hin, präzisierte der andere seine Frage: „Warum wir Soleraner so hellhäutig sind, weshalb wir auf Ihrem Planeten Sonnenbrillen tragen müssen?“

„Nun ja, vermutlich wegen der UV – Strahlung, die bei Ihnen wohl nicht so stark ist, wie bei uns.“

Gris nickte. „Genauso ist es, allerdings kennen Sie nicht das gesamte Ausmaß dieses Problems. Unser Planet, Solera, umkreist seit ewigen Zeiten zwei Sonnen. Eine davon ist schon vor Abermillionen von Jahren ausgebrannt, wie wir es nennen. Unsere Wissenschaftler, wie Resan hier, wären mit diesem Ausdruck alles andere als zufrieden, weil es so einfach dann doch nicht ist. Ich weiß nicht, wie vertraut Sie mit der Entwicklung von Sternen sind, aber das ist nicht von Bedeutung. Auf jeden Fall hatten wir ja noch eine zweite Sonne, die uns weiterhin mit ausreichend Energie versorgte, jedenfalls eine Zeit lang.“

Er legte eine kurze Pause ein, wobei seine Gedanken abzuschweifen schienen, sodass er durch Sim hindurch sah, der fasziniert gelauscht hatte. Er wusste, dass Sterne nicht ewig Bestand hatten. Auch ihre eigene Sonne hatte schließlich ein Ablaufdatum, würde sich irgendwann aufblähen, zu einem Roten Riesen und die Erde einfach schlucken. Worauf der Soleraner jedoch hinaus wollte, war ihm immer noch nicht ganz klar, wenngleich er bereits eine Ahnung zu haben glaubte. Obwohl er ungeduldig darauf wartete, mehr zu erfahren, drängte er den anderen nicht zum Weitersprechen.

Nach einigen stillen Minuten, fuhr dieser von selbst fort: „Wir wissen nicht genau, wie es passierte oder warum. Aber unsere Wissenschaftler konnten errechnen, dass das alles schon über 2000 Jahre lang so ist. Seit diesen zwei Jahrtausenden nahm die Strahlkraft unserer Sonne kontinuierlich und immer rascher ab, sodass unsere Haut nicht mehr dunkel wurde. Wie Leichenfunde aus Zeitaltern vor der genannten Zeitspanne belegen, waren wir nicht immer so hellhäutig, was ganz einfach darauf zurückzuführen ist, dass unsere Sonne uns nicht mehr mit genügend UV – Strahlung versorgen konnte, um unsere Haut zu bräunen.“

„Ihr könnt aber trotzdem damit leben“, bemerkte Sim, woraufhin Gris schnaubte: „Eigentlich hatten wir keine Probleme damit. Schwierigkeiten, so dachten wir, würden sich nur ergeben, wenn sich die UV –Strahlung wieder erhöhen würde, was sie aber nicht getan hat, weshalb wir uns auch lange Zeit keine Sorgen machten. In den letzten paar Jahrhunderten kam es jedoch vermehrt zu ungewöhnlichen Vorkommnissen, die allesamt von unserer Sonne ausgingen, wie unsere Forscher schließlich feststellen konnten. Sonnenstürme legten unsere Kommunikationssysteme lahm und immer wieder kam es dadurch zu totalem Chaos. Aus diesem Grunde richtete man eine Station ein, die sich speziell mit der Überwachung unseres Energie spendenden Sterns beschäftigten und es dauerte nicht lange, bis diese eine beunruhigende Entdeckung machten.

Um es kurz zu machen, sie fanden heraus, dass unsere Sonne, anders, als es bei Sternen üblich ist, im Begriff war, sich einfach aufzulösen. Sie haben mit Formeln und Fachbegriffen um sich geworfen, haben Spekulationen angestellt und alles Mögliche getan, um ihre Entdeckung zu widerlegen, doch letztendlich blieb es dabei.

Unsere Sonne stirbt, Simeon.

Sie wird nicht zu einem Weißen Zwerg werden, ebenso wenig zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch. Und ganz sicher wird es keine Supernova geben. Sie wird einfach verlöschen und mit ihrer Zeit ist auch die unsere gekommen, denn ohne eine Sonne kann es nun mal kein Leben geben.“

Bestürzt blickte Sim dem anderen in die Augen, die wie die der anderen in einem unheimlichen rot leuchteten.

„Das ist also der Grund?“, brachte er schließlich hervor. „Das ist der Grund, weshalb…“ Er konnte nicht weiter sprechen. Das ganze war einfach zu ungeheuerlich. Wie würden wohl die Menschen auf seinem Planeten reagieren, wenn sie erführen, dass ihre Lebensspenderin bald einfach fort sein würde, dass sie sich damit auch von ihrem eigenen Leben würden verabschieden müssen.

„Ja, das ist der Grund, aus dem die Firma Solera & Co gegründet wurde. Schon lange wusste man von dem Technologieversteck auf diesem Planeten. Allerdings gab es zuvor keinen Anreiz, sich auf diese lange und beschwerliche Reise zu begeben. Trotz unserer Technik, die es uns erlaubt, mehrere Parsecs in nur wenigen Sekunden zurückzulegen, hat es mehrere Jahre gedauert, bis wir endlich hier ankamen. Doch das, was wir hier finden würden, war unserer Ansicht nach, die Mühen wert. Womit wir jedoch nicht gerechnet hatten, war, dass dieser Planet bewohnt ist. Das stellte uns einerseits vor das Problem, dass wir die entdeckten Technologien möglicherweise teilen müssten und andererseits…“ Schuldbewusst senkte er den Kopf und schwieg.

„Andererseits konntet ihr nicht einfach die nächst beste Sonne in euer Sternensystem mitnehmen“, beendete Sim den Satz des anderen, woraufhin wieder ein vielstimmiges Schweigen einsetzte.

„Aber das sehen nicht alle so“, fuhr Sim erbittert fort. „Nicht alle Soleraner haben Skrupel davor, einem anderen Planeten die Sonne zu stehlen.“

„Nicht alle“, seufzte Gris.

„Nur wir fünf.“

Diesen Worten folgte ein Schweigen, das alle Anwesenden zugleich durchdrang, das durch die dicken Stahlwände hindurch entschlüpfte, sich mit der Sphärenmusik verband und letztendlich in den Weiten des schwerelosen Raums verhallte. 

 


© Fianna 25.07.2012

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Fianna
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Araegis Ok es fäng an interessant zu werden, also so richtig. Ich frag mich wie die eine Sonne stehlen wollen ^^ bestimmt ziemlich aufwändig, wäre schade wenn da ein kleines Teil fehlen würde und es daher nicht klappt oder so^^ wieder ziemlich spannend geschrieben :D den schluss fand ich richtig gut :D
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Naja...das ganze ist ja schon ziemlich lang geplant, weshalb die Soleraner schon so einige Ideen haben, um die Sonne mitzunehmen.
:-)

Liebe Grüße
Anna
Vor langer Zeit - Antworten
Araegis na da bin ich mal gespannt^^
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von Zentaur am 10.09.2013 - 00:40 Uhr) dein Buch ist sehr spannend geschrieben.

lg Helga


Freut mich immer wieder das zu hören :-)

Danke für's Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur dein Buch ist sehr spannend geschrieben.

lg Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von EwSchrecklich am 03.08.2012 - 13:02 Uhr) Oh, jetzt beginne ich zu verstehen worum es bei der ganzen Sache geht.
Wie immer spannend und toll geschrieben. ^^

lg


So sollte es auch sein. Letztendlich dreht sich eben doch alles um die Sonne :-)

Dankesehr für's Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
EwSchrecklich Oh, jetzt beginne ich zu verstehen worum es bei der ganzen Sache geht.
Wie immer spannend und toll geschrieben. ^^

lg
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von RogerWright am 26.07.2012 - 19:57 Uhr)
Die Frage ist wie lange diese Skrupel vorhalten werden, oder ob sie sich nicht irgendwann mal ganz schnell auflösen und vor allem wie man einen fast weltumspannenden Kontrollapparat austricksen will um seine Ziele zu vereiteln, freue mich schon auf die Fortsetzung!


Wird auf jeden Fall alles andere als einfach werden und Gewissenskonflikte werden wohl nicht ausbleiben....

Danke für's Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright 
Die Frage ist wie lange diese Skrupel vorhalten werden, oder ob sie sich nicht irgendwann mal ganz schnell auflösen und vor allem wie man einen fast weltumspannenden Kontrollapparat austricksen will um seine Ziele zu vereiteln, freue mich schon auf die Fortsetzung!
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von EagleWriter am 25.07.2012 - 23:38 Uhr) Jetzt wirds interessant, offenbar bekommt er ja doch auch Unterstützung von Seiten der Soleraner.
Aber ob die fünf sich nicht doch umentscheiden ? immerhin steht die Wahl ja zwischen der Erde und ihrer Heimat...

ich bin mal gespannt.


Die Lebenszeit von Solera läuft jedenfalls immer schneller ab und all zu viele Alternativen gibt es derzeit nicht.

Danke für's Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
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