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Sturm den Maschinen! - Storybattle 15

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"Sturm den Maschinen! - Storybattle 15"
Veröffentlicht am 16. Juli 2012, 14 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Sturm den Maschinen! - Storybattle 15

Sturm den Maschinen! - Storybattle 15

Beschreibung

Die kurze Lebensgeschichte eines Mannes und seiner Freunde in den Zeiten der ersten Phase der Industriellen Revolution.

 

Die Rauchschwaden, welche aus den gewaltigen Schornsteinen der unzähligen Fabriken entstiegen verfinsterten den Himmel, als wollten sie mit aller Macht verhindern, dass auch nur ein Sonnenstrahl den Boden berühre. Die Luft war schwer geschwängert vom alltäglichen Smog, jeder hustete unaufhörlich. Und das in einer Art, wie ich sie von früher nur von den dahinsiechenden Alten kannte.

Alles um mich herum ist betoniert, ein jedes Haus aus Ziegelstein, die Hütten der armen Schweine aus Holz und Wellblech. Alles natürliche, welches zu streben beginnt, muss im Dunst der neuen Zeit verrecken. Keine Krüppelkiefer erhebt sich aus ihrem Sarg aus Cementum, kein zarter Grashalm. Es wachsen nur Dreck und Elend.

Unendlich lange scheint es her, dass die liberalen Kräfte auf den Barrikaden standen um für ein besseres Deutschland zu kämpfen. Als jene, welche uns nun ausbeuten oder der

 

Ausbeutung tatenlos zusehen erhoben und ihre mächtigen, gebildeten Stimmen den Fürsten Königen und dem Kaiser entgegenhielten. Ein Jahr des hoffnungsschwangeren Traumes, welcher, wie das zarte Liebchen, gewaltsam entrissen worden ist, da man selbst zu unvorsichtig war mit der Entrissenen. Gewaltig war das Blutbad, nachdem alles wieder im gewohnten Trott ging.

Zu jener Zeit war es, dass ich mich mit meinem Jungendfreund Mathis von den heimatlichen Gehöften abwandte, die im fernen Ostpreußen stehen und gen den blühenden Städten zog. Lange schon hatte man in unserer Heimat die Schollengebundenheit der Bauern abgeschafft, weshalb schon unsere Eltern hätten gehen können, wohin sie wollten. Doch sie blieben aus Solidarität zum lebenslangen Werk, doch uns zog es wie die wilden Vögel hinaus in ferne Gefilde. Mathis zog nicht allein. Er nahm seine Verlobte Clara mit sich, denn auch sie erlag

 

dem Ruf der großen weiten Welt, in der alles größer und besser war als im feudal geprägten preußischen Hinterland, wo man trotz geistiger Reformen immer noch weit dümmer und beschränkter war als andernorts.

So reisten wir als beschwingte Taugenichtse durch die Lande. Verdingten uns mit allerlei Dingen, so spielten wir kleine Stücke für sommerliche Gesellschaften oder halfen einem verunglückten Kutscher samt Reisenden sicher die nächste Wirtschaft zu erreichen.

Unserem großen Ziele schon nahe, noch immer durchdrungen vom Geiste jener unbeschwerten Tage, war es Mathis, welcher übermütig seiner Verlobten beiwohnte und Clara zu einer werdenden Mutter machte.

Während der langen Reise hatten wir vernommen, dass sich großes geregt haben musste, wie es rumort hatte als man in Frankfurt tagte. Endlich angekommen

 

 

 

vernahmen wir davon nichts mehr, der geschichtliche Zyklus war vorübergegangen. Man hatte aufbegehrt, die Mächtigen hatten zurückgeschlagen und nun hatten sie die Spuren ihrer Bluttaten verwischt. Wir ahnten damals nicht auf welch blutgetränkter Erde wir, gedankenverloren, wandelten.

Doch schnell war es mit der Herrlichkeit vorbei. Als erste Miniatur des Grauens, welches uns erwarten sollte, erblickten wir das Reserveheer des arbeitslosen Proletariats, in welches wir uns auch bald einreihten. Noch heute erschrecke ich, wenn ich an die verhutzelten Männlein blicke, welche nur knapp ein Jahrzehnt älter waren als ich und meine Begleiter. Die Bourgeoisie gebrauchte sie nicht mehr, weshalb man willkürlich ins Heer derer griff, die noch zu zerschinden geeignet waren.

So kamen wir alle drei bald in einer großen Fabrik unter, Clara bei den mechanischen Webstühlen, wir in der Stahlherstellung.

 

 

Von einer schönen neuen Welt konnte niemand sprechen. Die Schichten der Männer waren von 12 Stunden. Wer nicht spurte wurde schon mal für 2 oder gar 3 Schichten hintereinander eingeteilt. Auch die Arbeitsbedingungen der Frauen waren kaum erträglicher.

Clara gebar ihr Kind gar in der Fabrik. Sie erhielt keine Freistellung von der Arbeit kurz vor ihrer Geburt. Als der Vorgang begann schleppte man sie in eine strohbewährte Ecke, ließ sie ihre Tochter auspressen. Das Kind war kaum abgenabelt und gereinigt, ebenso die Mutter gerade notdürftig versorgt, da stellte man die arme Frau wieder an die Maschine. Verweigerung oder Beschwerde in solchen Situationen kosten Lohn und Existenz, denn niemand von uns erhielt einen Lohn, der unserer Schinderei angemessen war. Und trotzdem verlangte man strengsten Kadavergehorsam von einem jeden Arbeiter gegenüber dem allmächtigen bourgeoisen

 

Fabrikbesitzer und seiner Familie, welche, gottgleich, über uns allen schwebten. Daneben waren uns die Tag- und Nachtwächter, unter deren strengen Blicken wir unsere Arbeitskraft bis zur Besinnungslosigkeit hingaben. Sie waren die prügelnden Flammenschwerter der Götter, welche niemand kontrollierte. Wie Ackergäule schrieen und peitschten sie unsere Leiber um noch den letzten Blut- und Schweißtropfen aus uns heraus zu pressen wie aus einem feuchten Leinentuch.  

In jener Not und Elend konnte ein unbefangener und reiner Geist wie der Claras nicht bestehen. Ihre volle Schönheit wurde schnell welk, die Liebe zu Mathis ein Strohfeuer. Alle Leidenschaft erstarb unter der ständigen Last des unbarmherzigen Tickens der Werkuhr. Keine Mahlzeit schien nur annähernd zu nähren und doch konnten wir irgendwie einige Jahre dürftig überleben, traurig der preußischen Knödel gedenkend,

 

 

 

 

die wir aus Jungendtagen kannten.

Maria, so hieß die Tochter meiner Freunde, wurde bald selbst in der Abteilung ihrer Mutter eingesetzt, da die geschickten Kinderfinger die Fäden so gut wieder reparieren konnten, wie es keine Frauenhand in späteren Jahren vermag.

So begab es sich, dass Clara begann Bilsenkraut zu ziehen, ein Gewächs, welches aus Dreck uns Schutt geboren wurde. Immer wieder kochte sie die Blüten aus, versetzte sich so in einen Zustand der weltfremden Glückseligkeit. So verlor sie ihre Anstellung, denn wer der Arbeit fern blieb war es nicht würdig weiter von den Göttern geduldet zu werden. Zumal neue Gottbegnadete hinter jeder Säule warteten in den erhabenen Kreis des werktätigen Proletariats erhoben zu werden.

Einige Tage nach ihrer sofortigen Entlassung erkrankte Clara schwer, Maria blieb bei ihr, wir

 

mussten unserer Arbeit nachgehen, denn für Kranke Menschen muss man besonders viel Geld aufbringen. Sie sind der führenden Klasse unnütz wie ein Kropf, doch die Strafgesetzte verbieten sie einfach zu erschlagen zum Wohle der Gesellschaft. Die abendliche Rückkehr war ein Schlag für uns, denn Clara hatte Maria und sich selbst eine tödliche Dosis des Bilsenkrauttees verabreicht.

Notdürftig, in selbstgezimmerte Holzsärge verpackt, wir waren knapp bei Kasse, vergruben wir die beiden auf dem nahen Friedhof. Ein schlichtes Holzkreuz ziert noch heute die Stelle, die Namen darauf schon lange verblasst für den unwissenden Beobachter.

Um meinen Freund aus der Verzweiflung zu befreien bedrängte ich ihn zu den Versammlungen der Arbeiterschaft mitzugehen. Dort las man aus dem Manifest der Kommunistischen Partei von Marx/Engels. Alle Anwesenden waren entweder bereits vom

 

 

 

Joch des Kapitals zerschunden worden oder befanden sich, genau wie wir, in dessen allesverschlingenden Tretmühle.

Während ich mich zuerst über die große Begeisterung und Ablenkung von Mathis freute, so erschreckte ich mich doch umso mehr, als ich schließlich erkannte, dass er sich einem sehr radikalen Trupp angeschlossen hatte. Man kennt diese heute noch als Maschinenstürmer. Sie wollen die Wurzel allen Übels, die Maschinen, welche den kapitalistische Arbeitsprozess fördern und auch den Menschen zu ihren Sklaven machen, zerstören.

Mit feurigen Reden versuchte ich meinen Freund zu beschwören, doch er wollte sich nicht mit seinem Schicksal abfinden, ein besseres morgen schaffen.  

Lange hielt er jedoch mit seinen Plänen hinter dem Berg, weshalb ich zum falschen Schluss

 

gelangte, er habe sich die Idee aus dem Kopf geschlagen. Doch dann kam der unglückselige Tag, da er und seine Mitverschwörer sich gegen die wandten, die sich knechteten. Die Wärter waren schnell zu Boden geschlagen worden, die Fertigungsanlage mit Schreien attackiert. Testosteron lag in der Luft, die versammelte Arbeiterschaft solidarisierte sich mit den Wahnsinnigen. Bald schon arbeitete die Maschine nicht mehr. Der Kampf war erfolgreich, doch die Schlacht noch nicht endgültig geschlagen. Denn wie ein sterbender Soldat ließ die Maschine, während sie zusammenfiel, ein großes Teil ihrer Metallverkleidung fallen, welches Mathis fast vollständig unter sich begrub. „Sieg!“, hatte er röchelnd hervorgebracht, bevor er verstarb.

Nach diesem Vorfall begann man uns nachzustellen, die Arbeiterversammlungen aufzulösen, mit Massenentlassungen zu beginnen. Als auch ich schließlich nicht mehr

 

 

 

gebraucht wurde wandte ich mich ab von der rußverseuchten Zukunft. Meine Habe packte ich zusammen und machte mich auf in die Welt aus welcher ich einst kam. Bitterlich lachte und weinte ich über die dummen Illusionen, welche wir noch vor Jahren hatten, als wir in die entgegengesetzte Richtung wanderten. Meine Lungen atmeten frische Luft, doch tiefe Atemzüge waren mir nicht mehr möglich. Auch dauerte die Reise diesmal länger. Niemanden vermochte ich zu unterhalten mit meinem kärglichen Aussehen. Ein Gespenst von einem Menschen war ich geworden.

Endlich wieder in der Heimat erkannten meine Eltern mich gar nicht, so entstellt wie ich war. Doch nach dem ersten Schrecken nahm man mich liebevoll auf, wobei ich schon damals fühlte, dass ich dem Grabe näher stand als sie selbst.

Jetzt, da über mir der Himmel endlich wieder weit und klar ist beneide ich im Stillen Mathis,

 

der den kindischen Glauben hatte, dass er den Fortschritt könne stoppen mit seiner heroischen Tat. Niemand kann die Zukunft aufhalten, doch es liegt an uns sie zu gestalten für die kommenden Generationen. Ich selbst war dazu nicht in der Lage, der sich feige dem Unvermeidlichen beugte und schließlich zurückkroch um sich als Besiegter auf das Sterbebett zu werfen.

So ist mein letzter Gedanke die Hoffnung, dass einmal eine Zeit kommt, in der die Maschinen niemanden mehr knechten und versklaven zur Schändung der Masse und zum Wohl der Wenigen.

 

 

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Hörbuch

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Re: - Fehler ausgebessert!

Heute begegnet uns wohl nur noch selten diese Art von Unterdrückung. An ihre Stelle dürfte die Abhängigkeit von möglichst modernen Maschinen getreten sein, denn wer bessere Technik hat kann einen größeren Gewinn erzielen.
Trotzdem kann man festhalten dass wir alle froh sein können in dieser Zeit nicht gelebt zu haben.
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Atmosphärisch dicht und sehr schön erzählt ist deine Geschichte über das Schicksal einiger weniger, stellvertretend für viele, die die Industrielle Revolution erlebten, die sowohl Wohl als auch Übel war, sodass es zur damaligen Zeit wohl nur verständlich war, dass viele diese Veränderungen nicht wollten.

Besonders gelungen finde ich den letzten Absatz, über die Hoffnung, dass es einmal besser sein wird, was jedoch noch immer nicht überall der Fall ist.

Während des Lesens kam mir Heines Gedicht ?Die schlesischen Weber? in den Sinn, vor allem die letzte Strophe:

"Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!"

Ein Fehler ist mich allerdings regelrecht angesprungen und zwar auf Seite 1: ...als wöllten sie mit jeder Macht...(als wollten sie mit jeder Macht - der Konjunktiv wöllten ist soweit ich weiß noch nicht ins deutsprachige Wörterbuch aufgenommen worden ;-)

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Re: Re: Gut beschrieben, -
Zitat: (Original von RogerWright am 18.07.2012 - 10:26 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 17.07.2012 - 23:58 Uhr) diese Zeit, nur mir scheint, dass man das Hormon Testosteron damals noch nicht kannte. ( weil die Geschichte ja in der Ich-Form geschrieben ist).

Liebe Grüße
Bärbel


Habe nachgesehen, 1935 erstmalig extrahiert, also doch deutlich zu spät.
Muss mal nachfragen, ob diese historische Ungenauigkeit noch durchgewunken wird, danke für den Hinweis!



Macht ja nichts, ist vielleicht auch schreiberische Freiheit.
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: Gut beschrieben, -
Zitat: (Original von baesta am 17.07.2012 - 23:58 Uhr) diese Zeit, nur mir scheint, dass man das Hormon Testosteron damals noch nicht kannte. ( weil die Geschichte ja in der Ich-Form geschrieben ist).

Liebe Grüße
Bärbel


Habe nachgesehen, 1935 erstmalig extrahiert, also doch deutlich zu spät.
Muss mal nachfragen, ob diese historische Ungenauigkeit noch durchgewunken wird, danke für den Hinweis!
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Gut beschrieben, - diese Zeit, nur mir scheint, dass man das Hormon Testosteron damals noch nicht kannte. ( weil die Geschichte ja in der Ich-Form geschrieben ist).

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: -
Zitat: (Original von MysticRose am 16.07.2012 - 23:58 Uhr) Gelesen. Guti. Besonders die preußischen Knödel :-D Und meine Zeit ist gar nicht so weit entfernt :-)


Was hat denn der Guttenberg damit zu tun? ;-)
Dann bin ich ja auf deinen Beitrag gespannt.
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: -
Zitat: (Original von shirley am 17.07.2012 - 07:15 Uhr) Habe es gelesen, bewerte später.

LG S.


Versteht sich von selbst.
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Habe es gelesen, bewerte später.

LG S.
Vor langer Zeit - Antworten
MysticRose Gelesen. Guti. Besonders die preußischen Knödel :-D Und meine Zeit ist gar nicht so weit entfernt :-)
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: -
Zitat: (Original von Oskar am 16.07.2012 - 21:00 Uhr) Wieder glingt es Dir die Atmosphäre dieser Zeit ( dem Schlaraffenland des Kapilismus )gut einzufangen. Wieder einmal sehr gut.

LG

Oskar


Danke.
Atmosphäre ist hier besonders wichitg um zu verstehn, warum die Menschen so elendig gelebt haben, jedenfalls in unserer Breitengraden. In anderen gibt es das ja, in ähnlichen oder anderen Formen heute noch.
Wobei Billiglohnarbeit und Zeitarbeit die brutale Verelundung des Proletariats der Industriellen Revolution der Jetztzeit sind.
Mal sehen, was die Jury später sagt.
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