Kapitel 1 Erinnerungen
Jaret folgte dem Mann langsam durch die Hallen des Palastes in Seminium.
Der Sieg über Ruben war erst wenige Wochen her und noch immer waren sie damit Beschäftigt den Palast und die Stadt zu durchsuchen um die letzten Verschlinger und Diener Rubens aufzuspüren.
Und Heute hatte sich eine Gruppe die Gewölbe unter den Palast angesehen. Rubens ursprüngliches Labor hatte hier unten gelegen.
Jaret erinnerte sich an diese Gänge war er sie doch als er Jünger war oft entlanggegangen. Vor einem Jahrhundert wie es schien. Für ihn hatte dieser Ort nichts Bedrohliches. Und doch stellte sich ihm immer wieder die Frage wie aus dem Mann den er einst gerne seinen Mentor genannt hatte solch ein Monster werden konnte. Oder war er es schon immer gewesen war und Jaret einfach nichts bemerkt hatte. Trotzdem dieser Ort ängstigte ihn nicht. Er hatte schlimmeres gesehen als ein paar Dunkle Verliese. Für seinen Begleiter wohl schon. Schützend hielt er seine Fackel vor sich als ob er so die Dunkelheit daran hindern könnte nach ihm zu greifen.
,, Soll ich vorgehen ?“ , wollte Jaret wissen. Langsam machte ihn das ängstliche Benehmen des Mannes selbst nervös.
,, Nein mein Herr, ich bin hier um euch zu beschützen nicht…“
Jaret hatte genug. ,, Erstens…“ Er brauchte einen Moment um sich an den Namen des Mannes zu erinnern... ,, Tristan. Ich habt mich nicht ,,Herr“ zu nennen. Jaret reicht vollkommen. Und zweitens.“
Der Seher hob eine Hand und erschuf eine silbrige Lichtkugel. ,, Ich kann auf mich selbst aufpassen.“
Er hatte grade erst mit dem Zauberer Gerret eine Art von Regierung ausgearbeitet die bestenfalls provisorisch funktionierte und war prompt zu deren Anführer gewählt worden. Seitdem traute sich offenbar niemand mehr ihn mit Namen anzusprechen.
Und noch schlimmer. Jade musste sich nun mit der Anrede Madam herumschlagen. Beim Gedanken an die Tabajaxie lächelte er. Diese von einem Magier geschaffenen Wesen wurden von vielen Verachtet. Aber er hatte nicht nur gelernt sie zu verstehen sondern auch zu lieben.
Er hatte Jade zurück in ihr Ursprüngliches Lager in den Bergen geschickt. Jaret wagte nicht sie zu Gefährden.
,, Hier unten Jaret.“ Er erkannte die Stimme.
,, Revan. Seid ihr das etwa? Habt mich holen lassen.“
,, Ja.“ , hörte er die Stimme des Schützen aus Egarium. ,, Das müsst ihr euch selbst ansehen.“
Jaret kannte Revan nun schon mehrere Jahre. Aber wirklich Schlau war er nie aus dem Mann geworden der mit einem Irrlicht zusammen reiste und sich auf der ständigen Flucht vor den Magiewächtern des grauen Ordens befunden hatte. Das heißt bevor dieser zu ihren Verbündeten geworden war.
Jaret folgte der Stimme, als ihm auch schon das Irrlicht Lis entgegenkam.
,, ihr seid langsam wenn es wichtig ist.“ , meinte es mit dem für es typischen Spott.
,, Wenigstens einer der noch keinen Respekt vor mir gewonnen hat.“ , meinte er.
Er betrat eine niedrige steinerne Kammer. Einige Bücherregale an den Wänden… ein grober Eichentisch. Das war Rubens Labor als Hofzauberer Arbitriums gewesen. An diesem tisch hatte Jaret erfahren was er war. Ein Seher. Ein Loser Kiesel des Schicksals.
Revan lehnte an einem Durchgang am anderen Ende des Raumes. ,, Kommt ihr endlich ?“
Jaret wusste wohin dieser Gang führte. Dort unten hatte Ruben begonnen seine Seelenmagie zu wirken. Dort unten hatte Ruben den ehemaligen Herrscher Arbitriums getötet und selbst die Kontrolle übernommen.
,, Bin gleich da.“
Er folgte Revan die steinernen Korridore hinab in die Tiefe. Unterwegs kamen sie an mehreren leerstehenden Eisenkäfigen vorbei. Dort hatte der Seelenmagier seien Opfer gefangen gehalten bevor er sie benötigte…
Und schließlich erreichten sie die Hauptkammer. Eine große natürliche Höhle.
In einer Ecke bemerkte Jaret ein Skelett. Die einstmals prächtige Kleidung war verwittert aber er erkannte den Toten trotzdem. ,, Ruhet in Frieden.“ Erwies er dem ehemaligen König seinen Respekt. Ruben hatte die Leiche einfach liegengelassen.
Revan war derweil an einem steinernen Tisch am Ende der Höhle getreten. ,, Seht euch das an.“ , meinte er.
Jaret kam näher. Als er sah was dort auf dem Tisch lag gefror ihn das Blut in den Adern. Das einzige was er je zu fürchten gelernt hatte.. aber… konnte das sein? Er dachte es gäbe nur eines…
Und daneben die blau glühenden Glasphiolen… wie viele ? Hunderte….
,, Das hier existiert nicht. Verstanden?“
,,Adrianna,
Ich kann gar nicht beschreiben wie es ist an diesem Ort zu sein. Selbst nach fast Einhundert Jahren ist Seminium ein bedrohlicher Ort. Seit mehreren Tagen schon bin ich niemanden begegnet. Es scheint wirklich so als ob jeder einen großen Bogen um die Stadt machen würde.
Mittlerweile kann ich es verstehen.
Aber was wird mich hier erwarten. Estenfalls lediglich eine seit langem verlassene Stadt. Schlimmstenfalls…
Ich möchte nicht darüber nachdenken. Ich bin nicht Müde aber…
Ich bin das Kämpfen leid Adriana.“
Liron sah auf zur toten Stadt Seminium. Die Stadt selbst lag auf einem steilen Felsen und nur ein Pfad, der einst wohl eine große Straße gewesen sein mochte, führte hinauf. Durch die Jahre dunkel verfärbte Mauern aus Sandstein, die einst einen helleren on gehabt hatten, schirmten die Stadt ab. Der Regen durchnässte seine grauen Haare und sorgte dafür dass ihm die Strähnen im Gesicht klebten und sein Reisemantel hatte sich so mit Wasser vollgesogen das er wie Blei an ihm hing.
Zwanzig Jahre… Zwanzig Jahre hatte er es aufgeschoben. Jetzt jedoch hatte er sich endlich zu der Reise entschieden.
Vor zwanzig Jahren hatte er auf der Spitze eines Turmes den letzten Brief Ragnars an ihn geöffnet.
Der Inhalt war eine einzelne Tagebuchseite gewesen. Eine Seite geschrieben von Jaret Weißläufer.
Und was er daraus erfahren hatte….
Er sah erneut auf zu den dunklen verfallenen Mauern. Das hatte ihn hierhergeführt.
Als er sich dem mit Unkraut überwucherten Pfad hinauf zum Tor kämpfte.
Er atmete schwerer als er schließlich vor dem Torbogen stand.
,, Verdammt ich werde alt.“ , fluchte er laut. Seine Stimme wurde lediglich von ein paar Krähen gehört die aufstoben, kurz kreisten und sich dann wieder niederließen.
Er untersuchte die geschlossenen Tore. Das Holz war Morsch und zerkrümelte beinahe unter seiner Berührung.
Es würde ihn nicht aufhalten. Ein Tritt riss einige Bretter aus dem Tor, so dass er hindurchgelangen konnte.
Einen Moment meinte er oben auf den Mauern eine Bewegung wahrzunehmen. Aber als er kurz blinzelte, weil ihm der Regen in die Augen lief war es weg. Er tat es als Trugbild ab.
Liron sah sich in der verlassenen Stadt um. Vor ihm führte eine breite Straße an deren Rändern vertrocknete Bäume wuchsen weiter ins Innere der Stadt.
Diese Bäume waren vermutlich erst seit dem letzten Sommer tot. Eine Extreme Trockenheit hatte das Land dieses Jahr heimgesucht und der kühlere Herbst mit seinen Regenfällen war eine reine Erlösung. Momentan behinderte ihn der Regen aber mehr.
Er ging an verfallenen Gebäuden vorbei weiter ins Innere der Stadt. Die Wände der Gebäude waren teilweise eingestürzt. Anderenorts konnte er beschädigte Dächer erkennen durch die der Regen sickerte.
Man sah, dass diesen Ort seit Jahrzehnten niemand mehr betreten hatte.
Er hielt an einem der toten Bäume an. Ein Pfeil steckte darin. Liron zog daran und konnte den Gegenstand aus dem Holz lösen. Die Federn waren neu und die metallene Spitze frei von Rost.
Jemand hatte den Baum vor kurzem für Zielübungen benutzt. Er war wohl doch nicht allein.
Seine Hand tastete nach dem Griff des Schwerts auf seinem Rücken. Zusätzlich zu dem Schwert trug er noch eine Steinschlosspistole bei sich und aus seiner Manteltasche hing eine kleine goldene Uhr.
Dieses kleine Meisterwerk war ein Geschenk des Ratsherrn Edrick an ihn gewesen.
Er klappte den Deckel auf und beobachtete die Zeiger. Er hatte es schon vorher gemerkt. Irgendetwas hier beeinträchtigte das feine Zusammenspiel von Magie und Mechanik im Innern.
Die Zeiger kreisten ziellos hin und her. Nach allem was an diesem Ort passiert war sollte es ihn nicht wundern. Er konnte die Magie in der Luft geradezu greifen.
Er klappte die Uhr zusammen und steckte sie wieder weg.
Es hatte keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen. Er war wegen etwas anderem hier.
Liron setzte seinen Weg durch die leeren Straßen fort.
Der ehemalige Palast und sitz der Herrscher Abritriums lag in einem durch eine weitere Mauer von der restlichen Stadt abgetrennten Bezirk. Liron kam nicht umhin diesen Ort zu Bewundern.
Durch die Jahre unkenntlich gewordene Statuen säumten den Weg. Beete in denen einst Blumen geblüht haben mussten lagen dahinter.
Die leeren Fenster der Gebäude des Palastbezirks schienen ihn anzustarren während er sich seinen Weg durch diese vergangene Pracht suchte.
Das Zentrum des Komplexes bildete ein bedrohlich wirkender Bau dem die Zeit nichts hatte nehmen können. Das Gebäude von dem aus einst diese Lande beherrscht worden waren. Zuerst von einem König und dann später von dessen Hofzauberer. Dieser Machtwechsel hatte einen Krieg ausgelöst welcher die Welt in ihren Grundfesten verändert hatte.
Die gewaltigen Flügeltüren des Palastes standen offen. Als die Stadt verlassen worden war hatte sich wohl niemand die Mühe gemacht es zu schließen. Oder war es von denselben Leuten geöffnet worden welche den Pfeil zurückgelassen hatten?
Er hatte gehofft keine Probleme zu bekommen…
Sobald er einen ersten Schritt in den dunklen Flur setzte flammten überall magische Lichtkugeln auf. Einige leuchteten nur kurz und verglommen dann wieder, andere aber blieben auch wenn ihr Licht unstet blieb und flackerte. Es war ein Wunder das der Zauber nach all der Zeit ohne Erneuerung überhaupt noch funktionierte.
Im unsteten Licht der Kugeln ging er weiter. Der einst polierte Marmorboden, der zu einer anderen Zeit das Licht tausendfach reflektiert hätte, war mit einer dicken Staubschicht bedeckt.
Liron wischte an einer Stelle den Staub bei Seite. Die Zeit hatte dem Stein nicht das Geringste anhaben können. Die Reflektion seines eigenen Gesichtes grüßte ihn vom Boden aus und starrte mit zwei in der Dunkelheit glühenden Augen zurück. Sein Fluch und seine Gabe. Er hatte gelernt es zu Kontrollieren doch ganz würde er den Sturm in seinem Inneren nie bändigen können. Bis zu seinem Tod würde er nie wieder ganz davon frei sein.
Nach einer Weile erreichte er eine weitere Tür. Diese bestand aus Eichenholz. Allerdings war das unter der Schicht aus Moss die sich darauf gebildet hatte nur schwer zu erkennen. Die Tür wirkte mehr wie aus Malachit gefertigt.
Als Liron sie aufziehen wollte brach sie aus den Scharnieren die wohl aus nicht mehr als Rost bestanden und krachte lautstark auf den Boden wo sich auch die Nieten welche die einzelnen Holzbretter zusammenhielten endgültig auflösten und die Holzstücke auseinanderfielen.
Vor ihm lag eine große Halle. Mit hellem und dunklem Marmor war das Symbol einer Sonne in deren Zentrum sich eine Krone befand in den Boden eingelassen. Das Wappen Arbitriums. Wie lange war es her das dieses Symbol das letzte Mal auf einem Schild oder einer Fahne zu finden gewesen war?
Ein vergangenes Zeitalter…
Er verließ den einstigen Thronsaal durch eine weitere Tür am anderen Ende des großen Saals.
Diese führte auf einen Flur hinaus, ähnlich dem den er eben verlassen hatte.
Am Ende zweigte der Gang in zwei Richtungen ab. Auf der einen Seite führte eine Treppe nach oben. Entweder in einen der Türme oder in ein oberes Stockwerk.
Einen Moment war ihm als könnte er einen jungen Mann mit einem Buch in Händen die Treppe Hinunterrennen sehen.
Auf der anderen Seite lag eine kleine Tür. Er öffnete sie vorsichtig. Diesmal hielten die alten Scharniere.
Eine steile Treppe führte abwärts ins Dunkle aber… in einem Halter an der Wand hing eine Fackel.
Rasch überprüfte er sie. Das Pech war längst eingetrocknet aber sie würde ihren Zweck trotzdem erfüllen. Zumindest eine Weile lang.
Ein Funke sprang von seiner Hand auf die Fackel über und entzündete diese.
Am unteren Ende der Treppe befand sich eine steinerne Kammer. Ein einzelner schwerer Tisch und Regale mit teilweise bereits zu Staub gewordenen Büchern bildeten die einzige Einrichtung.
Aber am anderen Ende führte eine neue Treppe noch weiter hinab.
Er durchsuchte den Raum kurz, fand aber nichts von Bedeutung.
Alexis hätte sich vielleicht für die Bücher interessiert aber Liron hatte andere Ziele.
Er folgte der Treppe in die Tiefe.
Sein Weg endete in einer großen Höhle. Wasser drang durch die Decke und bildete einen kleinen Teich darin. Das Geräusch der Tropfen hallte von den Wänden und der Decke wieder.
Liron hielt die Fackel hoch und versuchte sich zu orientieren. Dort , in der hintersten Ecke der Grotte
Stand ein einzelner steinerner Tisch.
Das musste es sein. Wenn er die Tagebuchseite richtig gedeutet hatte musste es hier sein aber…
Auf dem Tisch lag nichts… lediglich ein einzelner vergilbter Zettel.
Er hielt die Fackel darüber um besser lesen zu können.
Eine weitere Tagebuchseite…
Bevor er noch Zeit hatte sich zu Wundern wurde er von etwas getroffen. Ein Pfeil war in seiner Schulter stecken geblieben. Noch spürte er keinen Schmerz aber er sah sich hektisch nach dem Angreifer um.
Eine Gruppe von verwahrlost aussehenden Männern trat aus dem Dunkel.