Fantasy & Horror
Der Weg des Limaren (9)

0
"Der Weg des Limaren (9)"
Veröffentlicht am 05. Juli 2012, 16 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich ...bin Österreicherin ...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte ...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist ...lese quer durch viele Genres ...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken
Der Weg des Limaren (9)

Der Weg des Limaren (9)

Beschreibung

Eine Geschichte aus Windaschybel, der Traumwelt DER WEG DES LIMAREN Kapitel 9 Inhalt: Tyquan, der Sohn eines Wüstenhändlers, ist schon seit frühester Kindheit anders als der Rest seines Volkes. Denn bei Einbruch der Nacht verwandelt er sich in ein Wesen, das von vielen bewundert und von allen gefürchtet wird - in einen Limaren. Die einzige Hoffnung auf Erlösung bietet eine alte Legende der Rogasch, eines Wüstenvolkes, das abgeschieden von allen in den lebensfeindlichsten Gebieten Morner te Lobessas lebt. Um von seinem Fluch erlöst zu werden, begibt sich der junge Krieger auf eine gefährliche Reise durch ganz Windaschybel, immer auf der Suche nach Hinweisen und Personen, die ihm dabei helfen können, sich selbst besser zu verstehen.

9

Ein kühler Wind ließ die Blätter der Bäume rascheln und es entstand ein Geräusch, als würden tausende kleiner Bäche eine Bergwand hinabstürzen. Irgendwo schrie ein Kuckuck, dessen Schrei durch das Gezirpe der Rotkelchen und Spatzen jedoch fast in der allgemeinen Geräuschkulisse des Waldes unterging.

Mit untergeschlagenen Beinen und geschlossenen Augen hockte Tyquan auf einem kleinen, grasbewachsenen Hügel, auf dem nur ein paar Birken Wurzeln geschlagen hatten. Nur ein schmaler Streifen Sonnenlicht fiel durch die dichten Baumkronen.

In einiger Entfernung hatte sich Nadim an einen Eichenstamm gelehnt und war offensichtlich eingeschlafen.

Durch gezielte Atemübungen versuchte Tyquan, die Leere und die Erschöpfung abzuschütteln, die ihn seit den gestrigen Geschehnissen nicht mehr losließen. Sein Körper schien am Ende dessen angelangt zu sein, was er ertragen konnte.

Außerdem musste er sich eingestehen, dass sie sich verirrt hatten. Simena – Vrengar, der Wolfswald, war ohnehin eine jener Gegenden, die man nicht ohne entsprechende Ausrüstung und Kenntnis betreten sollte. Schon einmal hatte es ihn hierher verschlagen, doch damals war er nicht blindlings immer tiefer in das dunkle Grün eingedrungen, weshalb es ihm auch nicht schwer gefallen war, den Rückweg zu finden. Gestern jedoch waren sie einfach einem Wildwechsel gefolgt, ohne genau zu wissen, wo dieser sie überhaupt hinführte. Normalerweise konnte Tyquan zumindest am Moosbewuchs der Bäume oder an der Lage von Ameisenhügeln, die Himmelsrichtung ablesen, doch dieser Wald schien es Wanderern absichtlich schwer machen zu wollen, denn es gab weder Moos an den Bäumen, noch Ameisen.

Mit einem Mal schien der Wald den Atem anzuhalten. Kein einziger Vogellaut ließ sich mehr vernehmen und der Wind hatte nachgelassen.

Tyquan öffnete die Augen und blickte zum Himmel auf.

„Oh, verdammtes Mistvieh!“ Nadim sprang auf und ein lautes Klatschen erklang, als er sich mit der rechten Hand auf den linken Arm schlug. „Nirgendwo hat man seine Ruhe! Passt nur auf, wenn ich noch eine von euch …“

„Ruhe!“, fuhr Tyquan dazwischen und erhob sich. Seine Beine kribbelten, doch das ignorierte er geflissentlich und trat unter den Birken hervor. Ein Schatten legte sich vor die Sonne und das Geräusch von schlagenden Flügeln war zu hören. Er streckte den Arm aus und wenig später ließ sich ein Falke elegant darauf nieder. Seine Krallen bohrten sich ins Fleisch des Limaren, doch diesen störte das nicht.

„Na klar, so einer wie Ihr braucht auch einen Brieffalken“, murrte Nadim leise vor sich hin, während er dabei zusah, wie sein linker Unterarm sich rot verfärbte und anschwoll.

„Als du noch gelispelt hast, war deine Gesellschaft angenehmer“, erwiderte Tyquan und setzte den Vogel auf einem tief hängenden Ast ab.

„Als mir noch ein Teil meiner Zunge fehlte, meint Ihr wohl“, gab Nadim gekränkt zurück und ließ sich wieder zu Boden sinken.

„Wie kommt es eigentlich, dass du wieder normal sprechen kannst?“, fragte Tyquan, während er dem Falken ein Stück Trockenfleisch aus seinem Vorratsbeutel hinhielt.

Argwöhnisch kniff der Dieb die Augen zusammen. „Seit wann interessiert Ihr Euch für meine Belange, Herr?“

Eine Weile herrschte Stille, dann erklärte der Limar: „Du musst mir nicht antworten, Nadim, aber ich dachte, wenn du schon das dringende Bedürfnis hast dich mitzuteilen, so kann ich wenigstens versuchen, dich über Dinge sprechen zu lassen, die mich interessieren.“

Dies verschlug dem anderen nun doch für einige Augenblicke die Sprache. Während er nach einer passenden Erwiderung suchte, ließ Tyquan den Falken wieder auf seinen Arm und sah ihm tief in die Augen. Wenig später stieß das Tier einen durchdringenden Schrei aus, der ein paar kleinere Vögel aufschreckte und erhob sich schlussendlich wieder in die Lüfte.

„Nun“, begann Nadim schließlich, wobei er dem Falken hinterher sah. „Es gab tatsächlich einen Magier in Semeta. Zwar keinen besonders guten, aber eine Zunge zu heilen war ihm dann doch noch möglich. Mir schien er darin sogar ziemlich bewandert zu sein, als wäre ich nicht der erste, dessen Zunge er mittels Magie wieder zusammenflicken musste.“

Tyquan starrte den anderen nur eine Weile ausdruckslos an, dann wandte er sich ab und schritt zu seinem Reittier. „Wir brechen auf“, meinte er und sofort setzte sich Rakesh in Bewegung und trabte neben ihm her.

Seufzend schloss auch Nadim sich an und führte seine Stute an den Zügeln, da er noch nicht herausgefunden hatte, wie der andere es geschafft hatte, seinen Hengst so abzurichten, dass dieser neben ihm her schritt.

„Ihr habt wohl noch nie etwas von Erholung, gehört, oder?“, fragte der Dieb, als die Lichtung, auf der sie gerastet hatten bereits nicht mehr in ihrem Blickfeld lag. Ein Ziehen in seinen Beinen und das Knurren seines Magens ließen ihn rebellisch werden, doch der Limar antwortete, wie gewöhnlich nicht auf Fragen, die er für überflüssig hielt.

So gingen sie schweigend weiter, kämpften sich durch das dichte Unterholz und versuchten Pfade zu finden, denen auch die Pferde folgen konnten. Der Himmel war von hier aus überhaupt nicht mehr zu erkennen, sodass es ziemlich dunkel war, da die Bäume sehr dicht beieinander standen. Fast sah es so aus, als bewegten sie sich unter einem grünen Dach, das nirgendwo einen Anfang oder ein Ende zu haben schien.

Nur die Vögel hatten ihre Balzgesänge nach Verschwinden des Falken wieder aufgenommen. Der Wind hingegen schien des Spiels mit den Blättern überdrüssig geworden zu sein.

 

*

 

„Seid Ihr sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?“, fragte Nadim, wider besseres Wissens zum wiederholten Male. Inzwischen erkannte er, wann er darauf hoffen konnte, eine Antwort zu erhalten und wann ein solches Unterfangen eher aussichtslos war. Im Grunde genommen war es nicht schwer, die Stimmungen des Limaren aus dessen Gestik und Mimik zu erraten, auch wenn dieser offensichtlich der Überzeugung war, dass man ihn nicht durchschauen konnte. Für Nadim jedoch, der den Großteil seines Erwachsenenlebens auf der Straße verbracht hatte, waren die Gedanken anderer nicht schwerer zu lesen, als ein verwittertes Wegschild.

Obwohl er diesen Vergleich auch immer gerne vor seinen Geschäftspartnern angestellt hatte, musste er sich eingestehen, dass dies wohl nicht besonders aussagekräftig war, da er des Lesens, wenn man es genau betrachtete, nicht mächtig war. Aber das wussten die anderen ja nicht, zumindest nicht mit Gewissheit und nachzufragen kam natürlich nicht in Frage, da sie es ja selbst nicht konnten.

Seit gefühlten Ewigkeiten trottete der Dieb nun schon hinter Tyquans breitem Rücken her und nörgelte. Wenn es nämlich etwas gab, das er wirklich gut konnte, dann war es, andere so lange zu nerven bis sie zu seinen Gunsten handelten. Und nun hatte er Hunger. Außerdem schmerzten seine Beine und er wollte einfach nur noch eines und zwar ausruhen.

Aus dem forschen Schritt, den sein Reisegefährte vorlegte, schloss er aber unglücklicherweise, dass sie vermutlich nicht Rast machen würden, bevor sie nicht einmal mehr die eigene Hand vor Augen erkennen konnten. Außerdem sagte ihm sein Instinkt, dass sie in die falsche Richtung liefen.

Hatten die Lobesses ihnen nicht geraten, nach Morna zu gehen?

Ein Schaudern überkam ihn, als er an die Vergessenen dachte, denen sie in Morner te Lobessa begegnet waren. Immer noch verstand er nicht, weshalb sie auch ihn verschont hatten. Schließlich hatte das Schicksal nur dem Limaren eine wichtige Rolle zugedacht. Er selbst hingegen war völlig bedeutungslos und wenn die Gerüchte stimmten, so hätten die Lobesses doch in seine Gedanken sehen müssen. Und dort hätten sie erkannt, dass…

„Ruhe“, sagte da auf einmal Tyquan und hielt an.

Gekränkt hob Nadim den Kopf und setzte bereits dazu an, zu erklären, dass er gerade nicht auch nur das kleinste Geräusch von sich gegeben hatte, doch dann traf ihn der drohende Blick des anderen und er schwieg.

Murrgurke, dachte der Dieb und stellte sich dabei eines dieser Wesen vor, wie sie fett und haarig auf dem Grund von klaren Bächen lauerten und ihre Gegner durch ein Geräusch, das anscheinend an ein menschliches Murren erinnerte verscheuchten. In seinen Gedanken hatte dieses Vieh jedoch anstatt zweier runder Hinterteile Tyquans Gesicht.

Unschuldig grinsend klopfte er seiner Stute auf den Hals. Das Tier schnaubte leise und stampfte dann mit einem Vorderfuß auf. Überrascht runzelte Nadim die Stirn. „Was…“, begann er, hielt aber im Sprechen inne, als er hörte, wie Stahl gezogen wurde. Verwirrt blickte er zum Limaren, der sein Katana in der Rechten hielt und konzentriert in das Gestrüpp links von ihnen starrte.

„Nicht schon wieder“, keuchte Nadim und tatsächlich übertraf in jenem Moment die Empörung darüber, dass sie schon wieder angegriffen wurden, die Angst.

„Ihr scheint Euch aber auch wirklich überall Freunde gemacht zu haben. Das muss wohl an Eurem sanften Gemüt liegen.“ Ein strafender Blick traf ihn, woraufhin er schuldbewusst zu Boden starrte. Mit der rechten Hand tastete er derweil nach dem Gehstock, den er seit ihrem gemeinsamen Aufbruch, mit sich herumschleppte. Sein Leben würde er so teuer wie möglich verkaufen und da ließ er auch nicht mit sich feilschen.

Etwas raschelte und plötzlich fiel ihm noch etwas anderes auf.

„Die Vögel singen noch“, bemerkte er, doch Tyquans Ohren schenkten ihm keinerlei Aufmerksamkeit mehr, sondern waren wie auch die Augen ihres Besitzers auf das Gebüsch konzentriert, das zu zittern begonnen hatte.

Böser Busch, dachte Nadim und hoffte sich dadurch irgendwie Mut machen zu können, denn inzwischen drohten seine Beine unter ihm nachzugeben und das hatte nichts mehr mit der Tatsache zu tun, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann er zum letzen Mal etwas Anständiges gegessen hatte.

Böser, böser, böser Busch. Der Busch ist böse, nicht das, was daraus vielleicht hervorspringt, mir das Herz aus der Brust herausreißt und mein Gesicht frisst. Das ist alles nur der Busch. Vielleicht erleichtert sich nur einer da hinten und wir machen einen solchen Aufstand deswegen. Ja, das wird es sein. Alles ein Missverständnis, ein blödes, blödes Missverständnis, das sich in Wohlgefallen auflösen wird. Ist ja nicht so, dass jemand Grund dazu hätte, uns umzubringen. Schließlich haben wir nur ein Dorf in Schutt und Asche gelegt. Ach ja und einer von uns ist ein Monster…

“Böser Busch!“

Ein schrilles Knarren hatte Nadim so sehr erschreckt, dass er mit einem Satz auf dem nächsten Ast hing und versuchte, seinen Körper nach oben zu hieven. Im nächsten Moment teilte sich das Gestrüpp, das eben noch wie verrückt gewackelt hatte und …

Ein ungeheurer Schmerz schoss durch Nadims rechte Hand und mit einem fürchterlichen Schrei ließ er den Ast los, an den er sich geklammert hatte. Mit einem dumpfen Aufprall landete er unsanft auf dem Hintern. Trotz der Schmerzen in allen seinen Knochen und obwohl seine beiden Wespenstiche wie verrückt pochten, richtete der Dieb sich sofort wieder auf, um demjenigen in die Augen zu sehen, der ihn heute töten wollte.

Seine Kinnlade klappte herunter, als er sah, aus welchem Grund er beinahe seine Beinkleider durchnässt hätte. Ein fast hysterisches Lachen entrang sich seiner Brust und er ließ sich wieder zu Boden sinken.

„Nehmt es ihm nicht übel“, vernahm er da plötzlich die Stimme des Limaren, der sich auf ein Knie niedergelassen hatte, um ihrem Angreifer in die Augen blicken zu können.

„Keine Sorge, ich bin Anfälle dieser Art gewohnt. Das macht mir nichts aus.“

Das war nun endgültig zu viel für Nadim. Das letzte, das er sah, war, wie der sprechende Fuchs Tyquan eine Pfote hinstreckte, die dieser mit fast ehrfürchtigem Blick ergriff.

War denn die ganze Welt verrückt geworden?





© Fianna 04.07.2012



http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_74483-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_74483-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752521.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752522.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752523.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752524.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752525.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752526.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752527.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752528.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752529.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752530.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752531.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752532.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752533.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_752534.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Fianna
Ich
...bin Österreicherin
...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte
...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist
...lese quer durch viele Genres
...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken


Leser-Statistik
21

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Fianna Re: -
Zitat: (Original von RogerWright am 05.07.2012 - 23:02 Uhr)
Solange dieser Fuchs nicht sagt: "Man sieht nur mit dem Herzen gut." lasse ich ihn mir gefallen.
Ich bewerte dieses "Buch" nicht, da ich es als ein Füllkapitel lese, bevor wieder was passiert, denn ich wüsste nicht recht, wie ich es bewerten soll.


Keine Sorge, diese geflügelten Worte sind ihm gänzlich unbekannt. Schließlich ist Tyquan auch nicht gerade ein kleiner Prinz ;-)
Das mit dem Bewerten verstehe ich. Geht mir manchmal genauso.

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright 
Solange dieser Fuchs nicht sagt: "Man sieht nur mit dem Herzen gut." lasse ich ihn mir gefallen.
Ich bewerte dieses "Buch" nicht, da ich es als ein Füllkapitel lese, bevor wieder was passiert, denn ich wüsste nicht recht, wie ich es bewerten soll.
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Re: -
Zitat: (Original von EagleWriter am 05.07.2012 - 21:03 Uhr) Sprechender Fuchs ?Bin mal gespannt^^

lg
E:W


Freut mich ;-)
Danke wieder mal für's Lesen!

Liebe Grüße
Fianna
Vor langer Zeit - Antworten
EagleWriter Sprechender Fuchs ?Bin mal gespannt^^

lg
E:W
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

74483
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung