Kapitel 20 Glasgarten
Liron ging langsam durch die verlassenen Hallen in Richtung der Ratskammern. Er fühlte nichts. Lediglich eine sanfte Kälte schien sich über ihn gelegt zu haben.
Die Türen zu den Ratskammern standen offen. Zu Offensichtlich. Vorsichtig betrat er den gewaltigen Saal. Die Tribünenartigen Sitzreihen erhoben sich zu allen Seiten in einem Kreis um ihn herum.
Doch bis auf ihn schien der Saal leer zu sein.
,, Ich wusste das ihr hier auftauchen würdet Liron.“ Die Stimme schien von überall zu kommen verzerrt durch den Wiederhall des Raumes.
,, Zeigt euch dann können wir das beenden.“
,, Ihr werdet es nie verstehen. Wir sollten keine Feinde sein.“
,, Das sagt ihr und doch bedroht ihr meine Freund. Ihr habt einen Kontinent verwüstet nur um eure Pläne voran zu treiben.“
Er sah sich um. Aber nirgendwo konnte er eine Bewegung erkennen die ihm gezeigt hätte wo sein Gegner war.
,, Ich bedaure euch Liron. Euch und eure Kurzsichtigkeit. Was sind schon ein paar Leben im Vergleich zur Ewigkeit? Ihr werdet es niemals begreifen. Ihr und all die die vor euch kamen. Sie alle hatten die Gabe der Voraussicht. Aber es fehlte ihnen an der Entschlossenheit das notwenige zu tun.“
,, Was ihr und ich für notwendig halten unterscheidet sich stark. Ihr seid bereit einfach alles zu Opfern wenn es euch weiterbringt.“
Anbrail lachte. ,, Ach ja ? Und tut ihr nicht genau dasselbe? Nur ihr verlangt keine Opfer sie werden euch freiwillig gebracht. Das Mädchen.. wie hieß sie doch gleich… Adriana ? Und das Irrlicht ? Liron ihr werft mir vor Leute zu opfern. Obwohl ihr doch tief in euch Wissen müsst. Wir sind absolut gleich.“
Hinter sich nahm er eine Bewegung war. Er duckte sich in den Schatten einer Säule. Eine Gruppe aus Wachen betrat den Saal.
,, Das mag sein Anbrail. Wir beide besitzen das Feuer welches Leben nimmt. Aber eines habt ihr dabei vergessen. Etwas das uns Unterscheidet.“
,, Und das wäre ?“
Die Wachen waren auf seiner Höhe angekommen.
,, Was wir mit dieser Flamme tun.“
Er sprang aus seinem Versteck heraus und streckte die erste völlig unvorbereitete Wache mit einem Faustschlag nieder.
Die vier verbliebenen stürzten sich auf ihn. Er überließ sich ganz dem Strom seiner Gabe.
Angriff von hinten. Ein leichtes die kinge abzuwehren und den Mann dann mit einem Schlag gegen den Kopf in die Schranken zu weißen. Er wollte niemanden verletzen.
Der nächste griff von Links an. Er wusste nicht einmal was ihn getroffen hatte.
Die letzten Beiden versuchten einen gemeinsamen Angriff.
Liron flüchtete in das Zentrum seines Geistes. Dort wo das Feuer der Magie in ihm brannte. Ein Erbe auf das er selten Zurückgriff. Das er nie gelernt hatte zu beherrschen.
Die Beiden Soldaten erstarrten im Lauf. Ihre Füße wurden vom Boden gehoben. Dann flogen die leblosen Körper durch den Raum und zur geöffneten Tür des Saals hinaus. Stille legte sich erneut über die Halle.
,, Beeindruckend Liron. Ihr habt in den letzten Jahren viel gelernt. Nur anscheinend nicht das geringste über euch selbst. Ihr seid so berechenbar ich brauche nicht einmal meine Gabe um das zu sehen.“
Anbrail stand genau hinter ihm. Hatte sich angeschlichen während er mit den Wachen abgelenkt war.
Eine pechschwarze klinge über den Kopf erhoben.
Das Schwert sauste auf Liron nieder. Und traf auf Stahl.
,, Wer sagt das ich nichts über mich gelernt hätte Anbrail ?“
Er stieß den Mann zurück.
,, Interessant. Aber ihr Überschätzt euch Liron.“ Mit diesen Worten griff er erneut an.
Liron wich den wilden Angriffen aus. Über die unteren Stufen der Tribünen, hinauf zu den weiter oben gelegenen Sitzreihen.
Die aufeinanderprallenden Klingen ließen Funken aufsteigen und das einzige Geräusch war der Wiederhallende Klang von Stahl auf Stahl. Läutende Totenglocken.
Liron holte erneut aus. Anbrail riss die eigene Waffe hoch um den Schlag abzufangen.
Ein seltsames Geräusch als die Klingen aufeinander trafen. Dumpf. Falsch. Anbrail stolperte Rückwärts. Die klinge in seiner Hand war zerbrochen. Die Splitter über den ganzen Raum verteilt. Einer hatte sich in seine Hand gebohrt und einen Schnitt hinterlassen.
,, Ergebt euch und ich lasse euch Leben.“ , forderte Liron ihn auf.
,, Ihr werdet mich schon töten müssen Liron. Ich werde mich nicht ergeben.“
,, Dann sei es so…“ Liron würde diesen Mann keine weitere Minute Leben lassen. Zu viele Leben waren verloren. Zu viel Zerstört. Und jemand musste den Preis dafür zahlen.
Bevor er jedoch zuschlagen konnte riss Anbrail einen Goldenen Gegenstand hoch… Die Sanduhr konnte er nur noch zu denken.
Eine Welle aus Dunkelheit schoss auf ihn zu. Ihm blieb grade genug Zeit um die Klinge schützend hoch zu reißen.
Die Dunkelheit wurde von dem Schwert abgefangen aber er selbst trotzdem zurück geschleudert.
Er fiel… die Stufen der Tribünen hinab.
Er musste sich bei dem Sturz die grade erst geheilten Rippen wieder verletzt haben. Zumindest schien das der Grund für die Schmerzen zu sein.
Er rappelte sich wieder auf, das Schwert immer noch in der Hand… Das Schwert…
Die klinge hatte sich verändert… schien matter geworden zu sein. Er wollte damit nach Anbrail schlagen der grade die Treppe hinabgekommen war. Der Schlag traf die Fliesen und die Klinge splitterte wie Glas. Ungläubig starrte Liron auf den abgebrochenen Schwertgriff in seiner Hand.
,, Ihr Narr. Habt ihr geglaubt irgendetwas ändern zu können? Nun zahlt den Preis dafür.“
Anbrail hielt erneut die Sanduhr hoch. Liron konnte nirgendwo mehr hin…
,, Vertraut mir….“ Eine Stimme.. seine eigene und doch nicht seien eigene. Die Zeit schien sich zu verlangsamen.
,, Nein.“
,, Ihr habt keine Wahl.“ Jedes Wort klar betont.
Eine Hand die sich nach ihm ausstreckte… Er hatte keine Wahl?
Eine Welle aus Schatten raste auf Liron zu. Der Seher hatte keine Chance auszuweichen… Anbrail lächelte Siegessicher.
Lirons Kopf schien sich Auflösen zu wollen. Wellen aus Erinnerungen die nicht die seinen waren. Eindrücke.. Wissen… Jahrtausende der Macht… schrien danach befreit zu werden. Die Feinde ihres Trägers zu verbrennen. Alle Feinde. Jeden Flecken Erde wenn es sein musste.
Er achtete nicht darauf, raste durch die Flure aus Energie, er suchte nach etwas… es musste hier sein…Ein Anker im Strudelnden Chaos. Nur eines das ihm halt gab… Adriana… es musste einfach genügen… Weg… konnte er nur denken. Hauptsache Weg…
Die Welle erreichte Liron.
Doch genau in diesem Moment löste sich eine Welle aus violettem Licht aus dem am Boden knienden Körper. Schirmten ihn vor der Dunkelheit ab während er langsam verschwand… Nun selbst ein Lichtstrahl… Er floh… Wohin ?
Ein verzerrter schrei ,, Nein.“
Wohin ? Zemas… der Drache.. Er musste dorthin bevor der Sturm ihn mit sich riss..
Fylla sah besorgt zurück nach Licentia.
,, Er wird es schaffen.“ , meinte Alexis aufmunternd. Mittlerweile waren sie nur noch zu dritt. Er, Fylla und Zemas. Edrick war aufgebrochen. Nach Hama. Er wollte versuchen die anderen Ratsherren die nicht in Licentia waren zu erreichen und irgendwie gegen Anbrail vor zu gehen.
,, ich bezweifle dass…“
In diesem Moment strömte Licht aus einem der Türme des Ratspalastes…. Es raste über die Stadt hinweg, umgebenden Dörfer hinter sich lassend direkt in ihre Richtung…
Sammelte sich ein paar Schritte von ihnen und Zemas entfernt
Liron stand einen Moment einfach nur dort. Der abgebrochene Schwertgriff fiel ihm aus der Hand. Unsicher wie es schien… ,, Wer… was.. nicht dieses…“ Nur noch kurz trugen ihn seine Beine. Dann Schlug er beide Hände vor den Kopf als wollte er ihn zusammenhalten. Kurz darauf sank der Seher im Staub zusammen.
,, Was ist los mit ihm ?“ , fragte Alexis an Zemas gerichtet. Liron lag ein paar Schritte entfernt auf einem schnell hergerichteten Lager aus Blättern, Zweigen und allen was sie hatten finden können.
Fylla kam grade mit einigen feuchten Leinentüchern von einem nahegelegenen Bach zurück. Der Seher lag seit Stunden einfach nur ruhig da. Hätte er nicht ab und zu geatmet, man hätte ihn für Tot halten können.
,, Ich fürchte alles.“ , antwortete der Drache.
,, Das ist nicht sehr Hilfreich Zemas.“
,, Es ist sein Geist. Als er sich vor Zehn Jahren mit der Magiequelle verband schottete er das Wissen ab. Sperrte es aus. Jetzt jedoch ist diese Sperre gebrochen. Er hat sich überstrapaziert.“
,, Was bedeutet das genau für ihn ?“ , wollte Fylla wissen. Sie hoffte die Antwort nicht schon zu kennen.
,, Entweder ist Liron stärker… oder das Wissen und er Dämon den es geschaffen hat. Einer von beiden wird in den nächsten Stunden... Verschwinden.“
,, Wir müssen doch irgendetwas tun können.“
Alexis zögerte. ,, Vielleicht… ja…Das wäre verrückt aber…“
,, Was ?“ , wollte Fylla wissen.
,, Wir gehen in Lirons Geist.“ , sagte er schließlich.
,, Eine Seelenwanderung ? Alexis das ist schon unter optimalen Bedingungen Gefährlich. Und Lirons Verstand ist grade ein Schlachtfeld.“ , gab Zemas zu bedenken.
,, Ich weiß. Aber Liron hat mehr als einmal sein Leben riskiert. Ich muss das tun.“
,, Ich komme mit wahnsinniger Zauberer.“
,, Dann beginnen wir.“
Alexis begann damit einige magische Symbole in den Dreck zu kratzen. Normalerweise hätte man für so etwas einen Zeichenboden verwendet. Der geringste Fehler bedeutete den sicheren Tod.
Aber die ruhe und Präzision mit der Alexis arbeitete verriet den Meister. Er würde keine Fehler machen. Er hatte keine Bannperlen oder andere Möglichkeiten die Magie des Zaubers zu begrenzen aber sie waren weit genug von jeder Siedlung weg. Und wenn er Versagte war möglicherweise sowieso alles verloren.
Als er fertig war zog sich ein Ring aus kleineren und größeren Symbolen um den Platz an dem Liron lag. Ein letztes Mal begutachtete er alles. Die Symbole waren korrekt gezeichnet.
,, Und ihr wollt es euch doch nicht noch überlegen ?“ , fragte er Fylla.
,, Vergesst es.“ , erwiderte die Tabajaxie.
,, Gut.“ Er wendete sich an Zemas. ,, Das hier wird vermutlich jeder Zauberer in der näheren Umgebung mitbekommen. Es wird nicht lange dauern, Zeit spielt hierbei keine Rolle, aber wenn doch jemand auftaucht… verschafft uns Zeit.“
,, Keine Sorge.“ , antworte der Drache. ,, Ich hoffe geradezu darauf das Agenir hier auftaucht.“
Alexis machte einen Schritt vorwärts in den Kreis aus Runen um Liron. Die Symbole leuchteten auf und formten einen Ring aus Licht.
,, Noch könnt ihr zurück.“ , meinte er an Fylla gerichtet.
,, Wie gesagt.“ , antwortete sie und machte ebenfalls einen Schritt in den Kreis. ,, Vergesst es.“
Die Symbole glühten jetzt noch stärker als zuvor und blendeten langsam die Welt außerhalb des Kreises aus. Als das Licht alles überstrahlte geschah etwas. So plötzlich das keiner der beiden es richtig registrierte. Mit einem Schlag erlosch das Licht und lies sie in scheinbarer Dunkelheit zurück.
Nachdem sich seine Augen wieder an die Beleuchtung gewöhnt hatten stellte Alexis allerdings fest, dass es nicht vollständig Dunkel war. Der gesamte Ort war lediglich in Neben getränkt.
,, Wo sind wir hier ?“ Fyllas Stimme schien kaum mehr als ein Flüstern
,, Sieht beinahe aus wie ein Garten….“ Alexis sah sich Vorsichtig um. Alles an diesem Ort schien aus Kristall zu bestehen. Blumen aus Glas. Mauern und Sitzbänke aus Licht… alles wirkte unwirtlich.
Ein gefrorener Brunnen der von durchscheinenden Ranken umwuchert wurde…
Und die schemenhaften Umrisse einer Stadt die sich durch den Nebel abzeichneten.
,, Das ist also wirklich…“
,, Lirons Geist ja.“ , beendete Alexis den Satz.
Fylla streckte kurz die Hand nach einer der glasartigen Blumen aus. Die Pflanze zersprang in Scherben bevor sie diese überhaupt berühren konnte.
,, Eine Ahnung was das sein könnte ?“ ,f ragte sie einen der Splitter in der Hand haltend.
,, Das weiß möglicherweise nicht einmal Liron. Wobei sich die Frage stellt… Wo er eigentlich steckt…“
,, Ihr wollt damit sagen das er uns hier finden könnte ?“
,, Das brauch er überhaupt nicht. Er muss in dem Moment gewusst haben wo wir sind als wir ankamen. Wir sind die Götter unseres eigenen Verstands.“ Er sah hinauf zu der schemenhaften Stadt
,, Nur das es hier zwei Götter gibt.“
,, Dann suchen wir also Liron. Soweit leuchtet mir das Ganze ein. Und dann ?“
,, Wenn ich das wüsste.“