Meine Tochter Swea hat eigentlich nie gern Hausaufgaben gemacht, deshalb gab es bei uns die Regel, dass ich mir das, was sie so fabrizierte, täglich ansah. Irgendwann einmal hatte sie die Aufgabe, sich gedanklich in die Französische Revolution zurückzuversetzen und einen Brief zu verfassen. Also schrieb sie:
Liebe Elisabeth,
wie geht es dir? Mir geht es gar nicht gut. Mein Mann hat sich letzte Woche erhängt. Jetzt bin ich mit den Kindern ganz allein. Ich weiß gar nicht, wie es weitergehen soll. Wir haben nichts zu essen und Geld haben wir auch nicht mehr. Ich bin sehr verzweifelt.
Liebe Grüße
Dein Mathias.
Ich las diesen Brief und sagte zu meinem Kind: "Erstaunlich, dass die damals schon so fortschrittlich waren, hätte ich gar nicht gedacht."
Sie wusste ganz offensichtlich nicht, worauf ich hinauswollte und fragte: "Wie meinst du das? Fortschrittlich?"
Also erklärte ich ihr: "Mein Mann hat sich letzte Woche erhängt - liebe Grüße Dein Mathias - ich hätte nicht gedacht, dass es zu Zeiten der Französischen Revolution schon gleichgeschlechtliche Ehen gegeben hat."
Ups - kam von ihr. Sie hat die Unterschrift des Briefes daraufhin geändert.
Manchmal - muss ich gestehen - frage ich mich noch heute, ob ihre Geschichtslehrerin tatsächlich darüber gefallen wäre. Vielleicht wäre es einen Versuch wert gewesen.
Geschichte war aber sowieso ab und zu ein Thema für sich. Nie werde ich vergessen, wie Swea aus der Schule kam und strahlend berichtete: "Wir haben heute eine Geschichtsarbeit geschrieben. Ich habe ein richtig gutes Gefühl." - Pause - "Köln ist doch eine Hansestadt?"
Nein, aber der einzige Fehler in dieser Geschichtsarbeit.