Beschreibung
Die Geschichte einer Seele, die durch ein Wesen in die tiefsten Abgründe gestürzt worden ist und jetzt nur noch auf die Erlösung wartet.
Es regnet, ich höre die Tropfen, die wie Granaten neben mir auf den Boden donnern. Ich höre, wie sie das Blechdach bearbeiten, es formen, irgendwann zerschinden werden.
Ich sitze auf einem kalten Boden aus Beton, überall um mich herum ist Kälte. Mein Mantel bietet auch keinen rechten Schutz mehr, er selbst hat sich vermählt, mit jener Kälte, die sich um mich schmiegt, genau wie sie es immer zu tun pflegte und wieder tun wird, wenn ich ihr noch einmal begegne, doch dann bin ich verloren.
Doch beginnen will ich so, dass auch ihr alle erfahrt, wie es dazu kam, dass ich nun, einstmals geachtet und vermögend, in feine, kalte Kleider gehüllt, in einer verkommenen ehemaligen Halle einer der großen Fabriken Unterschlupf suche.
Mein Name ist Dave, den Namen meines Geschlechts verschweige ich, denn keiner meiner Anverwandten soll jemals erfahren, was mir wiederfuhr, der Name und die Ehre ist das Höchste, was wir auf Erden haben. Ich habe nichts mehr davon, nur noch den nackten Leib und die Kleider, die er trägt sowie
meine unveräußerliche Menschenwürde, die man mir nicht rauben kann, nicht einmal die Verfluchte.
Nun jedoch alles auf Anfang. Geboren wurde ich im Nordosten der Vereinigten Staaten. Meine Eltern betrieben weitreichende Geschäfte in der Fischerei, der Holzfällerei, der Pelzverarbeitung. Ich wurde erzogen im Wissen, dass ich es besser hatte als viele andere. Und doch lernte ich auch Demut davor zu haben, ebenso, dass eine Bürde, vergleichbar derer des Atlas, irgendwann auf meine Schultern
würde ruhen.
So studierte ich rege, es war mir ein Vergnügen, anders als meinen Klassenkammeraden, welche unter der permanenten Last der Schularbeiten förmlich zusammenbrachen.
Man kann sich vorstellen, welch eine Freude dies in meinem Vater auslöste, der sich immer an dem Gedanken erfreute, ich würde einstmals nicht nur in seine Fußstapfen treten, sondern sie bedeutend vergrößern. Anderer Ansicht war Mutter. Welch grausam prophetisches Wesen! Sie wies mich
immer an auch einmal Gesellschaft aufzusuchen, doch ich wollte nicht. Man kann sagen mich ekelten diese Bälle und Bankette auf eine fassbare, körperliche Weise an.
Überall schwangen die Damen ihre gepuderten Perücken und schweren Ketten. Trugen die Brust so hoch, dass sie ihre Gläser hätten auf ihnen abstellen können. Die Herren scharwenzelten um diese wunderlich geschmückten Wesen herum, als wären sie eitle Pfauen während der Balz. Gackernd, große Schritte machend und immer wieder zeigen, wie gescheit man doch war um jene
leicht zu beeindruckenden Weibsbilder für sich zu gewinnen.
Überall glitzerte und funkelte es, man sprach französisch, glaubte jenen Glanz des alten Europa wieder aufleben lassen zu können. Dekadenz und Hybris wo man ging und stand. Vater selbst hielt, ebenso wie ich, nichts von solchen gesellschaftlichen Anlässen. Er selbst entstammte einer nicht sehr reichen, jedoch tüchtigen Familie, Eigenschaften, die es ihm ermöglichten die Besitzungen, welche Mutter, aus einem schon seit Generationen über die Maße
begüterten Hause stammend, mit in die Ehe brachte, zu mehren.
Während nun alle meine Kammeraden sich förmlich darum rissen jene Anlässe zu besuchen und den jungen Damen, von denen einige, dass muss ich doch zugeben, von einem unvergleichlichen Liebreiz waren, ihre Aufwartung zu machen.
Mit zunehmendem Alter gewann auch ich eine gewisse Zuneigung zum weiblichen Geschlecht, was mich dazu nötigte jene Bälle auch, gelegentlich, zu besuchen.
Doch lachen muss ich heute, sie
hätten mich sehen sollen, jemanden, der von den Umgangsformen mit Damen wusste und jene mit äußerster Steifheit anwandte, ohne auch nur einen Inch von jener Förmlichkeit, hin zum Vertrauten, abzuweichen. So wurde ich zu einer Belustigung oder zum feinen Gesprächspartner der gebildeteren Damen, doch verkehren wollte keine meines Alters freiwillig mit mir.
Dies ging eine Weile so. Immerfort das Gleiche, obwohl ich gelernt hatte und dies versuchte gewinnbringend anzuwenden. Och was will man gewinnen bei Frauenzimmern, die
man so lange schon hat davon abgebracht vertrauter zu werden, wie will man diesen Krater zwischen zwei Menschen noch frohgemutes überspringen?
So war meine Hoffnung dahin, ich erging mich in meinen Arbeiten, fügte mich der einzigen Liebe, die mich immer in ihre mütterlichen Arme aufnahm, wenn ich nicht in anderen liegen konnte, in die der Wissenschaft.
Wie durch einen Zufall, heute weiß ich grausamster Art, erreichte mich die Botschaft, eine fremde, junge Dame wäre hierher unterwegs.
Überall rühme man ihre Schönheit und niemand war verlegen, wenn man ihn danach fragte, auch sogleich in den blumigsten Beschreibungen die Gier nach Informationen zu stillen.
Dieses Spektakle wollte ich mir nicht entgehen lassen, jedoch war meine Intention eine Andere, als das finale Ergebnis es würde vermuten lassen. Mein Plan war die Anderen dabei zu beobachten, wie sie diese schönste aller Frauen, so die Beschreibungen, würden umschwirren. Wie deren Liebchen daraufhin zu keifenden Furien werden würden und eine
emotionale Schlacht beginnen würde, gegen welche Waterloo eine Fußnote gewesen wäre.
Und zuerst entwickelte sich der Abend wie erwartet. Plötzlich schenkten mir alle die hübschen Damen, die mir einstmals als unerreichbar entgegen traten, ihre volle Aufmerksamkeit, während ihre üblichen Galane einen mir unsichtbaren Magneten umlagerten. Kein Haar hatte ich von der unübertroffenen Schönheit gesehen, denn als ich eintraf hatte man sie schon umringt.
Der Abend dauerte lange an. Je
später es wurde, desto mehr lichteten sich die Reihen jener, die höchstes zu liebendes Ideal greifen wollten. Sie erkannten die Sinnlosigkeit ihres Werbens in rascher Folge, gingen zu jenen, die einen Hafen boten, nach verlorener Schlacht. Häufig hörte ich jene fleischlichen Häfen wie Ziegen meckern. Jene Göttinnen, denen man Hörner hatte aufgesetzt.
Dann waren schließlich alle verschwunden und ich erblickte jene, die man in allen Ländern rühmte die Schönste zu sein. Und wahrlich, aller Liebreiz, den ein Weib
haben kann, den hatte auch sie, jedoch alles, durch unbegreiflichen Zauber, mehrfach potenziert.
Leichtfüßig schwebte sie über den Boden, direkt auf mich zu. Keine Faser meines Körpers war zur Flucht bereit, ich wünschte es wäre anders gewesen. Und damals wollte ich gar nicht. „Euch kenne ich noch nicht“, begann die Sünderin mit tiefer, weicher Stimme, die einem schon im Innersten packte, an sie riss.
„Nein, ich habe mich nicht in der Traube der Werber befunden“, brachte ich stolzgeschwellt hervor, ja es war ein ehrlicher, edler Stolz
einer Versuchung widerstanden zu haben, der so viele verfallen waren.
„Deborah Vilson, ich bin erfreut den großen Widerstandskämpfer kennen zu lernen.“
Das weitere Gespräch klingt mir wie böse Stimmen immer noch in den Ohren, doch will ich es nicht äußern. Es war mir damals, als schwebte ich auf Wolken und Deborah sei mein mich erhebender Engel.
Mutter bemerkte natürlich, dass ich mich in der Folgezeit immer häufiger mit dieser Frau abgab. Sie gab mir einen Rat, den ich hätte berücksichtigen müssen. Sie sprach
in kryptischen Worten zu mir: „Versuche nicht zu zähmen, was du nicht zähmen kannst.“ Hätte ich dummes Kind doch verstanden, jedoch sträubte sich Mutter dagegen mir zu erläutern, was sie meinte, wohl aus Angst mich ganz durch zu offene Rede zu verlieren. Vater billigte diese Beziehung, denn es war offenkundig, dass Deborah gewaltige Reichtümer besaß, die sie von verzweigte Verwandtschaft geerbt hatte . Es reichten ihr die Zinsen aus diesem Vermögen für das prunkvolle Leben, welches sie pflegte. Angesichts dessen vergaß Vater seine Magenschmerzen, die er
verspürte, da ich mich nicht mehr mit vollem Herzen den Geschäften widmete.
Die Monate schritten voran, immer inniger wurde unsere Beziehung, ich konnte nicht mehr ohne diese herrliche Frau sein, einen Augenblick von ihr getrennt erschien mir wie eine Trennung für ein Jahr. Ich liebte und begehrte alles an ihr mit einem Feuer, welches brannte, wie die mehrerer Männer.
So sollte denn Hochzeit gefeiert werden. Meine Zukünftige blieb im Ort um alles zu arrangieren, ich musste noch einmal für ein Geschäft
verreisen. Günstige Umstände ermöglichten es mir jedoch jene Besorgung vor dem Termin abzuwickeln. Daraus ergab sich, dass ich einen Tag früher wieder zurück war, als ich es hätte sein sollen.
Der Himmel führte mich an jenem Tag, doch der Herr zeigte mir schlimme Dinge. Vorsichtig schlich ich mich ins Haus, versuchte meine Geliebte zu finden. Und ich fand sie, den schönen Körper vollständig entkleidet, auf dem Boden einer, von mir nie benutzten Kammer, kniend, wilde Zeichen mit Kreide malend und
unbekannte Worte stammelnd.
Da wurden alle Wände rot, Blut floss herunter, die Kreide leuchtete giftig grün, ein gewaltiges Wesen erhob sich, ein Mann, so groß wie 2, mit gewaltigen Muskeln, Hörner auf dem Kopf tragend.
Und dann sprachen sie. Deborah davon, dass ihr Werk bald würde erledigt sein, ich ihr schon fast vollkommen verfallen sei. Es müsse nur noch eine Nacht sein, dann wäre ich bereit ihrem Herren geopfert zu werden, meine Seele würde dann ewig ihm gehören. Daraufhin gab das Ungetüm freudig erregte Laute
von sich, er sprach keine menschliche Sprache, doch die elende Hexe verstand.
Man hatte mich nicht bemerkt, schnell floh ich aus dem Haus, sattelte in Windeseile mein schnellstes Ross und ritt hinfort. Zuerst glaubte ich über die Grenze fliehen zu können, doch fürchtete ich dort keine Hilfe zu bekommen, denn fernab der Grenze kannte man mich nur als einen Konkurrenten, nicht als einen Freund.
Meinen Eltern ließ ich einen kurzen Brief zukommen in dem ich skizzierte, wie meine Lage war, was
es mit diesem Höllenweib auf sich hatte und dass ich ihnen von Herzen alles Gute wünschte.
Ich brauchte nur noch eine Nacht. Was hatte dies zu bedeuten? Der Zufall wollte es, dass ich ein fahrendes Zigeunerlager hatte ausfindig machen können. Diese Menschen, die sich der schwarzen Magie verschrieben hatten, konnten jene Frage beantworten.
Ich war einem übermächtigen Zauber verfallen, der sich immer dann verstärkt hatte, wenn ich die Nacht mit diesem Wesen verbracht hatte. Ich hatte Glück, denn eine
weitere Nacht hätte mich unfähig gemacht etwas zu unternehmen, was nicht ihrem Willen entsprach.
In jedem stillen Augenblick umfasse ich den Talisman, den mir die Alte im Lager gegeben hatte. Er schützt mich davor von dieser Teufelin ausfindig gemacht zu werden. Trotzdem kann ich nicht einfach in die Gesellschaft zurückkehren.
Vater und Mutter verstarben kurz nach meiner Flucht, verbrannt waren beide bei dem großen Feuer, welches unseren Stammsitz vollständig vernichtete. Und das Geschäft wurde von den restlichen
Verwandten entweder weiterveräußert an die Konkurrenz oder totgewirtschaftet.
Unser Familienname hat keinen klang mehr in der Welt, ich bin verflucht ewiglich herum zu irren, denn überall, wo ich auftauche, könnte man mich fotografieren. Die Nachricht von einem Erscheinen, man hält mich auch schon für tot, wäre kaum bei Deborah Vilson, sie trägt den Teufel im Namen, da wäre sie schon dort. Mit aller Macht würde sie jene letzte Nacht herbeiführen, damit ich endlich eine Seele des dunklen Fürsts werde.
Immer noch prasselt der Regen. Hinter mir brach etwas ein, es hat mich nicht getroffen. Jetzt warte ich, jeden Augenblick hoffend, dass mich der gnädige Herr dort oben endlich von der Qual der Ungewissheit und Unruhe erlöst.