Kapitel 4 Sand
Alexis war am Ziel. Er hatte die große Halle in der ihm der Schatten entgegengetreten war durchquert und große Tür aus Stein erreicht. Jeder Flügel war so hoch wie ein kleines Haus und er fragte sich kurz wie man so etwas Gewaltiges überhaupt hatte in einem Stück Untertage bauen können. Vielleicht dachte er hatte auch dieser Teil der Anlage einst an der Oberfläche gelegen war aber im Laufe der Jahrhunderte verschüttet worden? In der Steinplatte eingraviert war wieder ein Phönix. Doch diesmal standen unter seinen Krallen keine Worte. Es war eine weitere Zeichnung.
Der gewaltige Flammenvogel schien aus einer kleinen Sanduhr hervorzukommen. Der Sand der zwischen den beiden Glashälften rieselte schien aus Gesichtern zu bestehen. Gesichtern die Schrien. Es war nur eine grobe Darstellung dessen was er suchte, doch trotzdem spürte er schon jetzt die Macht die davon ausging. Hinter diesem Tor musste es sein. Der wohl mächtigste Gegenstand den die Zauberer des Reichs je Geschaffen hatten. Oder hatten sie ihn überhaupt geschaffen? Er zweifelte daran, dass selbst diese dazu in der Lage gewesen wären. Die Worte die die Tür öffnen würde hatte er während seiner Nachforschungen in einem alten, beinahe zu Staub zerfallenen Buch entdeckt.
Worte die ähnlich wie die Grußformel wohl seit Jahrhunderten vergessen gewesen waren oder lediglich in Legenden überlebt hatten. Er hoffte dass sie stimmten.
Über Berge ,durch die Täler. Über Steine ,durch den Sand .Durch die Sterne über Wasser und die Zeiten übers Land.
Die Türen schwangen langsam auf als die Worte in der Dunkelheit verhallten. Ein weiterer alter Zauber der noch aktiv war. Und erneut war Alexis verwundert, dass sich überhaupt noch etwas tat. Es war zwar möglich Magie an Gegenstände zu binden, für Menschen ohne magische Begabung stellte es sogar die einzige Möglichkeit da überhaupt Zauber zu nutzen, aber im Laufe der Jahrhunderte konnte sich die Magie auch wieder verlieren.
Er schüttelte seine Gedanken ab und betrat den Raum hinter dem Tor.
Eine Treppe aus hellgrauem Stein führte hinab auf eine Quadratische Plattform. Und auf der Plattform befand sich ein kleiner Altars aus schwarzem Obsidian. Und darauf wiederum…
Es war tatsächlich ein Stundenglas. Die vier streben die das Glas in Form hielten waren wieder in der Gestalt eines Vogels gehalten und aus massiven Gold. Das Gold bildete einen scharfen Kontrast zum Inhalt des Glases. Schwarzer Sand der das spärliche Licht aus dem Raum geradezu aufzusaugen schien. Er hatte immer Geglaubt dieser Teil sei nur eine Legende gewesen. Angeblich enthielt die Sanduhr die Asche eines Phönixes. Aber wenn es je so etwas gegeben hatte so gab es keinerlei erhaltene Berichte mehr darüber. Für ihn war klar gewesen das die Sanduhr einen mächtigen magischen Gegenstand darstellte aber das hier…Kleine Funken schienen in der Asche zu glühen.
Am Sockel und am oberen Rand des Artefakts befand sich jeweils eine Innschrift. ,, Asche zu leben“ , lautete die Obere. ,, Leben zu Asche die Untere.“ Momentan stand die Uhr auf Leben. Er wollte sich gar nicht vorstellen was passierte wenn man sie auf Asche drehen sollte. Nach allem was er wusste würde das wirklich den Tod bedeuten. Die Sanduhr war eine Waffe. Aber gleichzeitig auch der Schlüssel zur Herrschaft über Leben und Tod.
Es war Magiern zwar möglich Kürzlich verstorbene Seelen ins Leben zurückzurufen aber nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Und nur unter Einsatz des eigenen Lebens. Doch der Gegenstand vor ihm kannte keine solchen Grenzen. Die absolute Inkarnation dessen wie weit manche gehen konnten. Am liebsten hätte er das Glas hier und jetzt zerschlagen einfach um es sofort aus der Welt zu wissen. Die Versuchung es einzusetzen war jetzt schon zu groß.
Aber er hatte keine Ahnung was dann damit Geschehen könnte. Besser er nahm die Uhr erst mal mit. Er wollte grade danach greifen als ihn eine Schockwelle von hinten traf und über den Altar und gegen die Wand schleuderte. Das letzte was er sah bevor ihm schwarz vor Augen wurde war eine verschwommene Gestalt welche die Sanduhr vom Sockel nahm. Aber … irgendetwas schien mit dem Mann nicht zu stimmen. Beide Hände waren mit weißen Leinen umwickelt auf das einige magische Symbole gezeichnet waren.. Fast als würde der Mann so etwas wie ein Leichentuch tragen….oder aber… bevor er weiterdenken konnte wurde alles einen Moment lang schwarz.
Als er aufwachte lehnte er immer noch an der Wand. Nur war er nun allein. Er stand auf und sah sich um. Die schweren Steintüren waren geschlossen worden. Er versuchte es mit den gleichen Worten welche die Tore vorher geöffnet hatten. Nichts. Nun gut. Das war trotz allem nur Stein. Und er hatte sich den Rang des Leiters der Magierakademie nicht mit Untätigkeit verdient. Alexis konzentrierte sich. Der Stein war massiv ein Feuerzauber würde nicht viel ausrichten. Also richtete er eine gebündelte Welle aus Energie auf den Stein der unter dem plötzlichen Stoß zerbröselte als würde jemand ein Stückchen Holz zerbrechen. So viel dazu. Aber die Anlage schien durch den Zauber instabil geworden zu sein. Überall rieselten nun Staub und kleinere Steinstücke auf den Boden der plötzlich in Bewegung geraten war. Er musste sich beeilen wenn er nicht lebendig begraben werden wollte.
Im Letzen Moment bevor sich ein gewaltiger Steinblock aus der Decke löste warf Alexis sich zur Seite und landete im Schnee des Tals. Hinter sich sah er grade noch wie der Eingang des Heiligtums in sich zusammenfiel. Jetzt musste er irgendwie die Sanduhr wiederbeschaffen. Es war nicht auszudenken was man damit anrichten könnte selbst ohne das nötige Wissen um sie wirklich voll ausschöpfen zu können. Und das Befand sich zum Glück gut gesichert in den Händen des grauen Ordens…
Die Festung des Ordens befand sich an einem Berghang. Meterhohe Wälle aus Felsgestein hätten den Ort eigentlich unangreifbar machen sollen. Doch schon von weiten konnte Liron sehen das die Tore aus den Angeln gebrochen waren und einer der beiden Türflügel mehrere Meter den steilen Pfad hingeschleudert worden war. Der andere hin nur noch an einem Scharnier und war größtenteils zersplittert. Und dort lag auch der erste Tote. Beinahe sah es so aus als hätte der Mann, oder die Frau wirklich zu erkennen war das nicht mehr, vor dem Tor Wache gehalten und sei dann einfach hindurchgeschleudert worden. Einige Ordensleute waren bereits dort und sahen sich um.
,, Sieht schlimm aus.“ , meinte Liron als er mit Fylla den Pfad heraufging.
,, Ich habe bisher nur die Berichte gelesen. Offenbar hat wer auch immer das war genau gewusst was er suchen musste. Er ist auf dem direktesten Weg rein, hat alles getötet das sich ihm entgegengestellt hat und ist wieder verschwunden bevor die überlebenden Wachen überhaupt begriffen hatten was los ist.“ , antwortete Fylla. Leichter Regen hatte eingesetzt und wenn es noch etwas kälter werden würde wäre es wohl bald Schnee. In den umliegenden Bergen setzte der Winter schneller ein als im Flachland. Selbst im hochgelegenen Licentia hatte die Sonne noch mit dem Frost gehadert. Aber seit sie vor zwei Tagen von dort aus aufgebrochen waren, war es beständig kälter geworden. Liron war zwar in der Theorie für den Rat unverzichtbar aber eben nur in der Theorie. In der Praxis traf der Rat die meisten Entscheidungen und Liron tat meist nichts anderes als zuzustimmen. Er hatte dem Rat einfach die Vollmacht überlassen bis er zurückkehrte. Immerhin hatte der das Land ja auch über Zehn Jahre ohne ihn regiert. Da würden ein paar weitere Wochen keinen Unterschied machen. Und wenn er ehrlich war, so war er dankbar dafür die Politik mal hinter sich zu lassen. Selbst wenn das bedeutete eine, nach allem was er gesehen hatte, sehr gefährliche Person zu jagen.
Eine erste Schneeflocke suchte ihren Weg vom Himmel herab als sie den Innenhof durch die zerschmetterten Tore betraten. Liron fing sie beinahe Unbewusst auf und sah zu wie der kleine Kristall innerhalb weniger Sekunden auf seinem Handschuh schmolz und die ehemals geordneten Strukturen sich in Chaos verloren. Schön und doch so vergänglich. Möglicherweise traf das ja auf alles im Leben zu. Im Innenhof verteilt standen ein gutes Dutzend Männer und Frauen in den markanten grauen Mänteln des Ordens.
Über dem Hof erhob sich das eigentliche Hauptgebäude. Ein grauer Steinklotz der oben drauf mit Zinnen versehen war und sowohl als Wohnraum für die hier Diensthabenden Wachen sowie als Aussichtsturm diente. Sie mussten den oder die Angreifer also kommen gesehen haben… und waren trotzdem Unterlegen gewesen wie die ebenfalls zersplitterte Eingangstür zum Turm zeigte.
Die Krieger des Ordens waren darauf spezialisiert gegen Magier zu kämpfen und die meisten unter ihnen waren selbst Zauberer mit denen man rechnen musste. Der Angriff musste sie wirklich völlig Überrascht haben.
Die Ordensleute nicht beachtend die sich mit Fylla unterhielten ging er auf die Tür zu. Irgendetwas war in das Holz gebrannt worden… Buchstaben. Zeichen die er kannte…
,, Wir haben bereits einigen unserer Archivare eine Abschrift geschickt. Keiner konnte etwas damit anfangen.“, meinte einer der in der Nähe Wachehaltenden Ordenssoldaten.
,, Verstehe.“ , antwortete Liron. Für ihn stellten die Symbole kein Hindernis dar. Er konnte sie so klar und deutlich lesen als wären sie in seiner eigenen Sprache verfasst. Was ihn noch mehr beunruhigte.
Diese Nachricht war für ihn bestimmt. Jemand hatte darauf spekuliert das er hierherkommen würde.
,, Die neue Welt erhebt sich.“ Neue Welt… Anbrail Urthosa… Nun zumindest wusste er jetzt wer hier gewesen war. Und er hatte Gedacht der Bund hätte sich mit dem Fall ihres Seher-Anführers zerstreut. Offenbar war das Gegenteil der Fall.
,, Sehen wir uns weiter um.“ , meinte Fylla die ihr Gespräch mit den übrigen Ordenswachen beendet hatte. ,, Das Buch selbst wurde im Inneren des Turms verwahrt.“
Für Liron war es nicht schwer einen Weg durch die zahlreichen Räume des Turms .die sich teilweise noch bis in den dahinterliegenden Berg erstreckten, zu finden. Er und Fylla brauchten einfach nur der Spur der Verwüstung folgen. Es war als hätte ein Wirbelsturm im inneren der Anlage getobt. Die Inneneinrichtung war wild durcheinandergewirbelt und teilweise zerschmettert. Und sie fanden drei weitere tote. Einer war wohl einfach von einem durch den Raum geschleuderten Schrank getroffen und davon begraben worden. Ein anderer existierte nur noch als Aschehaufen auf dem Fußboden.
An der Wand hinter der Asche waren brandspuren zu erkennen.
Der dritte, bisher der einzige der seine Waffe in der Hand hielt, schien äußerlich unverletzt. Wahrscheinlich ein Blitzzauber.
Das bestätigte Lirons Vermutung das ein oder vielleicht auch mehrere Zauberer hier gewesen sein mussten.
Die Spur der Verwüstung endete vor einer Art Zelle. Die Eisernen Gitterstäbe waren nach innen gebogen worden. Einige in den Stein hinter das Gitter gewebte magische Symbole glühten noch schwach schienen aber durch irgendetwas ihre Kraft verloren zu haben.
Fylla zog mit ihrer Hand eines der Zeichen nach. ,, Seltsam.“ , meinte sie.
,, Was ?“
,, Diese Schutzrunen hätten jedem das Fleisch von den Knochen brennen müssen. Aber das hier wirkt als hätte irgendjemand sie wie eine Kerze gelöscht.“ Sie holte einen kleinen Lederbeutel hervor und schüttelte einen winzigen Smaragdgrünen Kristallsplitter zu Tage.
Liron erkannte den Stein wieder. ,, Ist das ?“
,, Ein Bruchstück vom Amulett der Seher. Ja. Habe ich gefunden nachdem der Knotenpunkt wieder versiegelt wurde. Ich will nur wissen ob möglicherwiese ein ähnlicher Gegenstand wie dieser Benutz wurde.“
Das Amulett der Seher, ein Artefakt mindestens so alt wie das Schwert das Liron trug war in der Lage gewesen jegliche Zauber aufzuheben. Allerdings hatte es gleichzeitig als Schlüssel für den Magiefokus unter Licentia gedient und war währenddessen zerstört worden. Möglich also das auch den Anhängern Anbrails ein Splitter in die Hände gefallen war.
Aber nach einem kurzen Moment meinte Fylla. ,, Nein das ist es nicht. Wäre ein Splitter verwendet worden wäre gar keine Magie mehr übrig. Als würde man ein Spinnennetz verbrennen. Das hier ist wirkt mehr als wäre jemand einfach durchgelaufen und hätte es dabei zerrissen. Und das ist völlig unmöglich. Wer immer das getan hat wäre keine zwei Schritte weit gekommen.
Ein weiteres Geheimnis dachte Liron. Aber… was war das? Auf dem Boden vor ihm lag ein kleines Stück Tuch. Er hätte dem normalerweise keine Aufmerksamkeit geschenkt aber irgendetwas daran war merkwürdig. Er nahm es in die Hand. Darauf waren kleine Symbole und Runen aufgezeichnet. Irgendwo hatte er so etwas schon einmal gesehen… Eine Entfernte Erinnerung an einen See , ein Dorf mit Ausgestoßenen und.. Alexis.
War etwa ein an Magiebrannt erkrankter Ork hierfür verantwortlich? Das war eigentlich unvorstellbar. Ihre Zauberer waren wenn überhaupt meist schwach und keine wirklichen Gegner. Vor allem waren fast alle nach Ende des Kriegs nach Grauhafen zurückgekehrt.
Fylla schien den gleichen Gedankengang zu verfolgen.
,, Riecht nach Tod. Als wäre hier eine Leiche durchgelaufen. Könntest du nicht deine Seher-Gabe einsetzen um herauszufinden wer hier war?“ , schlug sie vor.
Eine gute Idee. Liron konnte seine Fähigkeiten noch immer nicht richtig kontrollieren. Aber wenn er sich konzentrierte… Er nahm das Stück Tuch in die Hand und ließ seine Gedanken wandern.
In einem Wirbel aus Bildern verschwand der Raum vor ihm….