Beschreibung
Ein kleines Schmankerl aus dem Leben von Standard-Studenten. Namen sind natürlich abgeändert ;)
Ein Kater ist eine fiese Angelegenheit. Eine richtig fiese. Das stelle ich nicht zum ersten Mal fest, als ich mit leichten Gleichgewichtsschwierigkeiten in meinen viel zu locker sitzenden Pantoffeln in die Küche schlurfe. Sabrina sitzt bereits am wackeligen Küchentisch, der übersäht ist mit Kaffeeflecken, Toastkrümeln und Honigpfützen. Er muss dringend nachlackiert werden, aber wer macht sich schon solche Mühe mit einem ranzigen Holztisch vom Sperrmüll? Sabrina starrt in ihre Kaffeetasse. Als sie den verzweifelten Versuch meiner Füße hört, in den Pantoffeln zu bleiben, blickt sie mühsam auf. Sie hat einen Streifen Kajal schief über die Wange geschmiert und einen Kratzer im Gesicht. Wortlos schiebt sie mit dem Fuß den Stuhl vor mir vom Tisch weg und stellt eine bis zum Rand mit schwarzem Kaffee gefüllte Tasse auf den dazugehörigen Platz. Ich ziehe den Stuhl noch ein wenig weiter und lasse mich draufplumpsen. Der Kaffee ist fast zu stark. Das ist er immer, wenn Sabrina ihn kocht. An einem Morgen wie diesem genau das Richtige. Während mein Hirn verzweifelt versucht, mit der immensen Entgiftungsarbeit meines restlichen Körpers zurechtzukommen, stelle ich wieder mal fest, dass unsere Küche so ziemlich jedes Klischee einer Studenten-WG perfekt erfüllt. Keins der Möbelstücke passt zum andern, auf der Fensterbank steht eine mit Wasser unterversorgte Ikea-Palme, in der Spüle stapeln sich die Teller und aus dem Mülleimer quellen die Pizza-Kartons. Sogar das obligatorische Quentin Tarantino-Poster hängt über der Balkontür. „Hrmpfh “, macht Sabrina, als sie mit einem weiteren Blick bemerkt, dass ihre Tasse leer ist. Ich sehe ihr die mangelhafte Artikulationsfähigkeit nach, es scheint ihre erste Tasse für heute zu sein. Schwerfällig erhebe ich mich von meinem Stuhl und nehme die Kanne von der Anrichte, um ihr einzugießen. Dann füttere ich den Toaster mit dem magensäureaufsaugefähigsten Weißbrot, das ich im Schrank finden kann, und krame im Kühlschrank nach der Margarine.
„Nargh “, macht Sabrina, und nimmt noch einen Schluck. „Sag mal “, beginnt sie dann. „Glaubst du, es hat sich gelohnt?“ Sie scheint den richtigen Koffeinpegel erreicht zu haben. Ich habe die Margarine gefunden und beginne die Suche nach dem Honig. „Glaubst du es?“, stelle ich die Gegenfrage und beginne, das Honigglas in der Hand, ein Blickduell mit dem Toaster.
„Bevor du eben mit dem blauen Auge in die Küche gekommen bist, war ich ja nicht mal sicher, ob überhaupt alles von dem gestern wirklich passiert ist, das mein Kopf mir erzählt hat.“
Ich muss grinsen. „Es war zumindest mal was anderes “, stelle ich fest, während mir der Honig beim Schmieren über den Rand der Toastscheibe tropft. „Und die Musik auf dieser Party war sowieso scheiße, mal ganz abgesehen von den Leuten, die da rumgelaufen sind.“ Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Anrichte und beiße, Honig auf meinem Bademantel verteilend, in den Toast. „Wie bist du eigentlich an diesen Kratzer gekommen? Gestern Abend war er doch noch nicht da.“
Sabrina reibt sich mit der Hand übers Gesicht und zieht den Kajalschmierer dabei kunstvoll in die Länge. „Keine Ahnung. Ich bin eben beim Aufstehen aus dem Bett gefallen… vielleicht hab ich ihn mir da geholt. Sag mal… Woher kam die Tussi denn eigentlich?“
„Frag mich nicht. Sie stand auf einmal vor mir. Und bevor ich irgendetwas tun konnte, hat sie schon angefangen, mich anzupöbeln. Ich hab zurückgepöbelt, sie hat mich geschubst, ich hab ihr mein Bier in den Ausschnitt gekippt, sie hat mir ins Gesicht gerotzt, ich hab zugeschlagen, sie hat zurückgeschlagen, et voilá “, erkläre ich und deute mit der Toastscheibe auf mein zugeschwollenes linkes Auge. „Ich hab nicht mal wirklich verstanden, was sie mir eigentlich entgegengeschrieen hat, so sehr, wie die Tussi am Flennen war. Ein einziges Gefiepe.“
Sabrina lacht. „Sah von der Bar ziemlich spektakulär aus “, stellt sie fest und trinkt noch einen großen Schluck Kaffee. „Ach, Jimi. Du Teufelsweib.“ Sie schnappt sich das Kreidestück, das in der Obstschale liegt, und malt damit drei Striche neben meinen Namen auf die Tafel, die über dem Tisch hängt. „Damit bist du jetzt die Topanwärterin für den WG-Asi des Monats.“
„Sie hat doch angefangen!“, entrüste ich mich.
„Ja, aber du hast ihr zuerst auf die Fresse gegeben. Und ich musste einschreiten.“
„Hat dich ja niemand zu gezwungen “, entgegne ich feixend. „Und mit mir vor den Bullen abhauen hättest du auch nicht müssen.“
„Ach, das war fast schon wieder witzig. Dass diese hysterische Kuh aber auch gleich die Schmiere rufen musste… nicht zu fassen.“
„Ich glaube, das waren die Türsteher “, sage ich mit vollem Mund. „Oder der Typ. Daniel? Dominik?“
„Was fürn Typ?“
„Na besagtes Objekt des Streites. Ich habe ihm auf der Tanzfläche meine Zunge in den Hals gesteckt. Zumindest laut der Tussi.“
„Und hast du?“ Sabrina sieht mich skeptisch an.
„Was denkst du denn?“ Ich greife nach der Tabakpackung und drehe mir eine Zigarette. „Klar hab ich. Ist doch nicht mein Problem, dass der sich küssen lässt, wenn seine Schnalle mit im Laden ist. Da würde sie meiner Meinung nach sowieso gut daran tun, den Wichser abzuschießen.“
„Amen.“ Sabrina nimmt sich meine Tabakpackung und folgt meinem Beispiel. Als ich mir meine Zigarette anzünden möchte, höre ich eine Tür knallen. Verwirrt drehe ich mich um und sehe ein Mädchen im Minirock, schwarzem Top mit gefährlich tiefem Ausschnitt und glänzenden High Heels in unserer Diele stehen. Ihr Make Up ist leicht verwischt, was vermutlich daran liegt, dass sie große Mühe damit hat, ihre Tränen zurückzuhalten.
„Moin “, höre ich Sabrina hinter meinem Rücken sagen. Das Mädchen blinzelt verwirrt, was ihre Make Up-Situation nicht besser macht. Ich zünde meine Zigarette an. „Kaffee?“, frage ich und winke mit der Kanne. Ein paar Sekunden kommt keine Reaktion, dann quietscht sie ein verschüchtertes „Nein Danke“ und stöckelt mit leichtem Überhang zur Haustür hinaus. Sabrina prustet in ihre Tasse, während ein erneutes Türgeräusch ertönt. Tom kommt gemächlich aus seinem Zimmer geschlurft und greift sich eine Tasse aus dem Schrank. „Und der Gewinner in der Kategorie arschigster Rausschmiss: Tom Hartge “, stelle ich fest. Tom grinst nur. „Kann ich doch nix dafür, wenn die nach einer Nacht immer alle denken, die große Liebe gefunden zu haben.“
„Meine Güte, kannst du deine One Night Stands nicht endlich mal besser erziehen Tom?“, fragt Sabrina. „Wer mit meinem Mitbewohner vögelt, holt morgens gefälligst Brötchen!“
Tom nimmt sich das Kreidestück aus der Obstschale und setzt seinerseits drei Striche neben meinen Namen. Drei sind nur bei besonders miesem Verhalten erlaubt. „Na Jimi “, grinst er mir entgegen und nickt in Richtung meines Auges. „Die Nacht hat sich aber mal gelohnt, was?“