Erzähler:
Meine Haltung zu den Wirr-Warr an Gefühlen, der liebe und Hoffnung beschränkt sich auf das Neutrale. Letztens erst habe ich zu später Stunde mit einem Freund ein paar Bier getrunken und über die Facetten der Chemie in unserem Körper philosophiert.
Sie:
Liebe ist die kälteste Fassade in meinem totgebrannten Körper. Sie spiegelt alles wider, was meine Hoffnungen und Träume je zerstört hat. Sie hält mich und meine Ziele auf, verändert und schwebt immer über alles. Bin ich scheintot, oder ist dieses Gefühl ein fataler Akt in einem Schauspiel?
Ich bin jedes Mal so benommen, dass ich mein rationales Handeln in dem Berg voller Hoffnung untergeht. Es ist so ein Gemisch aus Krankheit, Lust, Erstaunen und der Vollkommenheit an Erniedrigung. Aber ich habe keine masochistische Ader, das ist alles so kompliziert.
Ich sehne mich manchmal so sehr danach, dass es mich fast verschlingt. Mich und meine Gedanken. Meinen Körper. Irgendwie alles.
Er:
Ein Gefühl ist ein Gefühl. Es kann stärker, schwächer, tief im Herzen verborgen oder offensichtlich als Kleidungsstück getragen werden. Bereit es zu präsentieren. Es kann versteckt werden und es kann missbraucht werden. Wir können auch Gefühle vorgaukeln und somit andere beeinflussen. Manchmal kann man sie nachvollziehen und manchmal greift man sich selbst an den Kopf, weil das alles keinen Sinn macht. Sie sind enorm, diese Gefühle.
Du willst sie, oder willst sie nicht. Behalten, in den Müll schmeißen, je nach dem.
Ich habe mich schließlich für Letzteres entschieden. Wobei es nicht einfach ist etwas so verborgenes einfach in einen Müllbeutel zu verfrachten und in die dafür vorgesehene Tonne wegzukippen. Gibt es überhaupt Müllabführen für Gefühle?
Stattdessen legte ich mir eine andere Strategie zu. Zu Töten. Es einfach still und heimlich ersticken zu lassen, so lange bis es aufhört sich lauthals durch meinen Kopf und mein Herz zu bohren, bis alles still ist und ich kein Geräusch mehr wahrnehmen kann.
Dass das alles nicht so einfach ist können Sie sich sicher denken. Wie sollte man es Töten wenn man es danach nicht mal ordnungsgemäß entsorgen kann?
Schließlich entdeckte ich das beste Mittel. Ersticken ist die eine Sache, aber etwas verhungern und sich seinem eigenen Schicksal ausliefern zu lassen eine Andere. Es ist ein sehr schmerzhafter Prozess wenn man Gefühle verhungern lässt. Keine Nahrung, kein Lebenswasser mehr gibt. Oft schreien sie und lassen jede Nacht zu einem Alptraum werden. Es ist niemals ruhig, man ist niemals alleine. Man ist gezwungen sie anzuhören auch wenn man noch so sehr die Ohren verschließt und die Todesschreie hinaushören kann. Selten gedämpft oft rissig, laut und klar. Ein dreckiges Gemisch.
Manchmal höre ich immer noch ein kleines Flehen, obwohl ich mir ziemlich sicher bin das es längst vorbei mit ihnen ist. Es ist wie eine Art Gespenst oder ein kleiner Restfunken von einem zuvor lebendigem Wesen, dass einen nun ab und verfolgt. Schaurig und ein kleiner Rest von Erinnerung an einen einst sehr guten Freund. Jede Facette, jedes Lächeln, Trauern und jegliche Wut vereinen sich in diesem einen Tropfen um manchmal ein Stück Wehmut aus mir herauszuschneiden.
Nun hört sich das alles sehr selbstzerstörerisch an, doch ich kann versichern, keine masochistische Ader in mir zu haben. Schmerz betäubt und tut weh, ganz klar. Manchmal, das gebe ich zu, dient er doch einer Art Erkenntnis. Erst was man vermisst und so sehr begehrt das es einer Verbrennung bei lebendigem Leibe nahe kommt, lässt einen die Wahrheit spüren. Was will ich, warum will ich es, warum vermisse ich es? Es ist das klaffende Loch das wir spüren und nicht die flache Ebene unter den Füßen, dafür sind wir viel zu blind und daran gewohnt. Gewohnheit ist übrigens auch einer der besten Killer die ich kenne, das jedoch nur am Rande.
Jedoch zog ich das kleinere Übel vor, ein bereits vorhandenes Loch so weit auszugraben, dass es mir danach so fremd vorkommt, dass ich es beinahe nicht wieder erkennen kann. Manipulation, Veränderung, Mord. Es hat alles seine Gründe. Und mein Grund war mein Leben zu erhalten, auf Kosten des Gefühls das ich tötete.
Sie:
Ich hab da jemanden getroffen, obwohl ich das gar nicht wollte. Es war unmittelbar und verschwommen und doch war diese Begegnung etwas Wundervolles. Aber ich hab keine Lust darauf, nicht schon wieder. Die letzten Wunden sind nicht einmal verheilt und bereits kommt der nächste Schlächter. Das Leben ist kein faires Unterfangen. Möchte das das aufhört, mit diesem die Kontrolle verlieren. Ich bestimme selbst. So ein Idiot.
Er:
Ich dachte eigentlich ein Mörder zu sein. Hatte mich schon damit abgefunden und dann kam da jemand. Sie ist vorbeigeschlichen und hat mir eiskalt etwas in den Rücken gestochen. Das war der Moment an dem ich wieder etwas spürte.
Erzähler:
Wir haben festgestellt, dass wir nicht Herr unseres Selbst sind, wenn irgendwelche Boten aus Stoffen umherwandern und uns mit etwas vollpumpen. Das ist so wie mit dem Bier und einem guten Joint. Ich bin übrigens verheiratet und habe zwei Kinder. Man könnte mich auch glücklich nennen.
Sie:
Irgendetwas bahnt sich an. Ich könnte Bäume umarmen und jeder Winkel meines Hirns ist voll von ihm. Mein Herz flattert bei jeder Bewegung und wenn ich versuche es zu stoppen, gerät es noch mehr aus den Fugen. Ich kann es nicht auf einen Herzfehler schieben, dafür bin ich zu gesund. Ich träume von ihm, ich vernachlässige Pflichten. Ich scheiß einfach drauf, aber will das doch gar nicht. Was ist nur los?
Er:
Ich hab sie gestern gesehen. Mein Gott ist sie schön! Ich darf das nicht zulassen. Wie oft hatte ich mir eingeredet etwas zu spüren, von dem ich doch genau weiß, dass es wie eine Falle jederzeit zuschnappen kann. Ich bin längst kein Blinder mehr, aber ich bin auch kein Hellseher. Eigentlich bin ich ein Blinder der sehen kann. Das ist schon komisch. Ach übrigens ich sehe sie morgen. Ich bin so ein Idiot.
Erzähler:
Ich verstehe meinen Kumpel ganz gut, aber er ist immer so unentschlossen. Er erzählte mir von einer Dame, die er kennen gelernt hat. Er hat sich mit ihr verabredet, aber scheut vor diesem Treffen. Er scheut und verabscheut sich deswegen. Manchmal glaube ich er hat einen Hang zur Selbstzerstörung. Ob er Masochist ist?
Sie:
Ich treffe ihn morgen. Er hat mich einfach gefragt und ich habe ja gesagt. Warum tue ich das? Ich hasse mich dafür, dass ich nicht selbst bestimmen kann. Ich werde wie ein Tier von irgendetwas gesteuert und habe nichts im Griff. Es frisst mich auf, will aufgefressen werden, will selber fressen, bis ich daran ersticke. Er raubt mir jeden Atem. Ich freue mich und im gleichen Atemzug, könnte ich kollabieren. Er ist ein Dieb, aber mein Herz kann er nicht mitgenommen haben. Sonst könnte ich es nicht so laut hören.
Er:
Wir schauen uns in die Augen. Ich hab ihr einen Drink ausgegeben. So macht man das doch oder? Ach bleib locker, das wird doch eh nichts. Wieso sollte sie einen wie dich schon wollen? Wahrscheinlich riecht man meinen Selbstverdruss und das verdirbt doch jeden Appetit auf mehr. Ich bin unsicher, weiche ihrem Blick aus. Er trifft mich so hart, lässt mich fast zusammenfallen. Mein Gott bin ich schwach.
Sie:
Er hat mir einen Drink ausgegeben. So machen das Männer eigentlich wenn sie auf jemanden stehen. Steht er auf mich? Ich schaue ihn an, versuche Augenkontakt zu halten. Seine Augen sind schön, er ist schön. Doch er schaut weg, weicht meinem Blick aus. Bin ich nicht hübsch genug? Wie kann ich nur so naiv sein. Man scheint meine Unsicherheit förmlich riechen zu können, was soll er mit so einem unselbstbewussten Stück auch nur anfangen? Ich hätte es besser wissen sollen.
Erzähler:
Am nächsten Tag habe ich meinen Kollegen wieder getroffen. Wollte wissen wie das Date lief, ob was gelaufen ist. Er bestellte ein Bier und erzählte mir alles. Er hat sie gehen lassen, sie wollte nichts von ihm. Sie hatten sich nichts zu sagen.
Da fragte er mich ob ich an Schicksal glaube.
Sie:
Ich glaube nicht an Schicksal.
Er:
Ich glaube nicht an Schicksal.
Erzähler:
Ich sagte ihm: „Ich glaube nicht an Schicksal.“