Der Gestank des Geldes
Storybattle 10
Der Gestank des Geldes
 Der Lärm in „Papas juter Stube“, einer zugegebenerweise gemütlichen Spelunke, war heut undurchdringlich, wie der Qualm, den es eigentlich nicht geben durfte. Bernie, der Besitzer der „Juten Stube“ setzte sich, wo es nur ging, über alles Gesetzmäßige hinweg. Wenn er könnte, würde er durch die Kneipe fliegen, das Gesetz der Erdanziehung brechen, doch da scheiterte selbst ein Bernie.
 Am Tresen saß ein langer Kerl. Dem Geruch nach waren ihm Wasser und Seife sicherlich fremd. Mürrisch schaute er in die Runde, als sich die bestimmt schon einhundert Male reparierte Kneipentür öffnete. Maria, die "Heilige", betrat diesen Kiffersumpf und es wurde still, für einen Moment.
Man huldigte ihr, diesem unschuldig aussehenden Mädchen, indem man ihr freundlich zunickte, ihr zuwinkte, oder leise „Hey“ nuschelte, dann machte man weiter, wo aufgehört wurde.
 Maria lief schnurstracks auf Torte zu. Torte, der eigentlich Torsten hieß, erhob sich von seinem Hocker und strahlte übers ganze Gesicht. „Ach, Torte, nun stinkste nicht nur nach ollem Kerl, jetzt riechste och noch nach Gras und Nikotin. Habt ihr in eurer Kommune keene Dusche?“ Maria drehte sich angeekelt ab und Torte fiel enttäuscht auf seinen Hocker zurück „Ham wa, ne Dusche, doch keen warmet Wasser, der Boiler is kaputt!“ Maria schüttelte den Kopf. „Wenn du wert legst, auf eine fruchtbare Zusammenarbeit, dann achte uff deine Hygiene. Sauber wird man och mit kaltem Wasser!“ Maria meinte das durchaus ernst, ihr waren ungepflegte Menschen ein Greul.
 Dann versanken beide in ein sehr leises Gespräch. Sie merkten kaum, dass es dunkel um sie herum wurde. Stattdessen flackerten bunte Neonlichter auf, mal hier, mal da und Bernie zeigte auf den Knüllerpreis des Abends, für den Gewinner des Dartturniers. „Deshalb heute Abend dieser Andrang hier“, dachte Maria. Torte hatte Durst, Durst auf ein ganz gepflegtes Bierchen, doch er hatte auch ein Problem. Geld hatte er zwar, doch das konnte er nicht zücken, denn, wenn Bernie es sah, war alles weg.
 Jeder der hier nen Deckel hatte, ihn nicht bezahlen konnte, nach einem Monat, der musste einen Offenbarungseid ablegen, schriftlich! Er lautete in etwa so: Ich, der Schuldner, Torsten Möller, versichere, dass ich meinen Zahlungsverpflichtungen von 278, 95 Euro, gegenüber dem Herrn, Bernhard Weber, nicht nachkommen kann. Sollte Herr Bernhard Weber jedoch in Erfahrung bringen, dass ich, Torsten Möller, über Geld verfüge, kann er sich jeden Betrag aneignen. Das gilt über einen Zeitraum von 5 Jahren.
 Diese Offenbarungseide waren als Kopien natürlich, schön säuberlich in Rahmen, an der Kneipenwand aufgehängt und Bernie erwischte jeden, machte eine Menge Geld damit. Alkohol macht vergesslich! Maria hatte heute Abend Mitleid, spendierte ihrem Partner ein kühles Blondes, frisch gezapft. Sie selbst aß einen Teller von Linas deftigem Geschnetzelten und trank eine Apfelschorle dazu. Alkohol gab es nicht, bei ihr. Dann ging sie noch einmal den Plan mit Torte durch.
 Maria zahlte und sie und Torsten, verließen die „Jute Stube“. Es war so kalt, dass einem fast der Atem gefror. Maria zog sich den Schal ins Gesicht. „Dir is aber klar, wenn wir erwischt werden, sind et nich die Bullen, die wa fürchten müssen, oder?! Torte, der auf die Sackrisse an der Kneipenfassade gestarrt hatte, nickte. „Ja, allet klar Maria!“, brummte er. Er musste sich Marias Plan anschließen, ansonsten war er völlig alternativlos, wenn er Sandra helfen wollte.
 Maria sah, dass er sich in einem Zwiespalt befand. Sie legte ihrem ehemaligen Schulkameraden die Hand auf den Arm und ihre Stimme war voller Mitgefühl. “Man Torti, wir tun was Gutes, denn Flavio ist ein Sklavenhalter, Menschenhändler, ein Mistkerl!“ Torte lächelte gequält. „Du hast was vergessen, er ist ein Mafiosi, das könnt uns das Leben kosten!“
 „Du hast es versprochen!“ Diesmal schwang in Marias Stimme etwas, wie Panik mit. „Geh duschen du Stinkie, morjen früh um sechs, steijen wir in den Swingerclub ein. Torsten nickte und dann ging er nach Hause. Nach Hause war gut, eine linksorientierte Wohngemeinschaft, angeblich ohne Anführer, alle mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten. Tarzan, der Kater, hatte mehr Rechte, als er. In einem kleinen Heftchen, das an der Küchentür hing, scherzhaft, das „Muttiheft“ genannt, standen die einzelnen Dienste, wie Küchendienst und Putzplan fürs Klo, staubsaugen, ach und anderen unsinnigen Aktivitäten.
 Sarina, eine Mitbewohnerin, stellte den Plan auf und vergaß natürlich regelmäßig, sich selbst einzubringen. Sarina kontrollierte auch alles und Sarina war es, die Torti dort das Leben nicht einfacher machte. Er war BWLStudent, als Einziger vernetzt im www und da hatte er zu teilen. Sarina, die Kommunenkönigin, flippte aus, wenn jemand sich mal einen Joghurt nahm, der sowieso über dem Verfallsdatum lag, doch das Nehmen, lag ihr im Blut.
 „Morgens früh um sechs, kommt die kleine Hex!“, sang Torte leise vor sich hin. Er musste Maria und seiner kleinen Schwester Sandra helfen. Die Polizei, war keine Alternative zum Plan, doch wenn sie erwischt wurden, Maria und er, dann würden sich beide wünschen im Knast zu sitzen.
 „Da bist du ja!“ Maria bibberte, so kalt war es am kommenden Morgen. Sie nahm den Schlüssel, zur „Paarbar“ und schloss auf. Flavio und seine Bulldoggen schliefen, von fünf Uhr morgens, bist zwölf Uhr am Mittag. Dann diente ihnen der Swingerclub als Geldwäschebetrieb, Umschlagplatz für Mann und Frau, für den Handel mit Drogen, Wettspielen und illegalen Boxkämpfen. Maria hatte sich vor vier Jahren von dem freundlichen Swingerbarbesitzer ein wenig Geld geborgt, wie es auch Sandra, Tortis kleine Schwester tat.
Beide arbeiten seitdem für den Mafiosi, dem die Polizei seit ewigen Zeiten, nichts Illegales nachweisen konnte. Maria war Bardame ohne Gehalt. Selbst das Trinkgeld musste sie abgeben. Sandra und viele andere Mädchen hatte es schlechter getroffen. Flavio zwang sie zur Prostitution. Niemand, nicht mal die Russen, waren mächtig genug, um Flavio das Handwerk zu legen.
 Nachdem Maria aufgeschlossen hatte, hatte sie 3 Minuten, um die Alarmanlage stillzulegen. Kein Problem, sie kannte den Code. Torti machte sich mit seinem PC an die Arbeit, den Tresor zu knacken. Maria verteilte derweil die Tütchen, die Flavio fein säuberlich gezählt hatte, an Orten, die nicht sofort ins Auge fielen. Auch die vier Scheine, die sie ausgetauscht hatte, vom Einbruch, die lagen nun als Wechselgeld in der Kasse.
 Der Bruch, in Igor Warzonows Villa, war für Flavio, wie ein Sechser im Lotto. Schmuck im Werte von mehreren Millionen Euronen. Das hübsche Kettchen, was Flavio herunter fiel, blieb unbemerkt, doch nicht von allen. Tja und dann die vielen Kopien, von gezahlten Geldern, sie standen hübsch abgeheftet im Tresor. Flavios schmutzige Hände waren in jeder Transaktion, die einen schlechten Geschmack im Mund verursachten. Torti und Maria, als Einbrecher! Der Tresor war auf und auch dort lag unvorsichtigerweise eine Gehaltsliste drin. Die Polizei in allen Rängen. Maria wickelte sie in Alupapier, diese kostbare Liste und warf sie in die Mülltonne. Dann nickte sie Torti, der heute wirklich gut duftete zu und der kitzelte die Alarmanlage.
 Minuten später wurden die Beiden „überrascht“, hatten Schmuck und Geld in der Hand. Kommissar David Wegert, stellte sich den Beiden süffisant lächelnd vor. „Keine gute Idee, hier einzubrechen!“, sagte er lächelnd. Maria lächelte auch, nachdem sie Wegerts Gesicht sah. Sie hatte ihm leise etwas ins Ohr geflüstert. „Ich hab die Liste!“, sagte sie mit ihrem unschuldigen Blick. Wegert brachte die Einbrecher der „Paarbar“, Holger Dittman und Luisa Kettmayer, persönlich aufs Revier.
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 Das Verhör war auch sehr persönlich und Dittman und Kettmayer wurden entlassen, mit der Auflage, die Stadt nicht zu verlassen.
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Im Fokus der Öffentlichkeit stand nun der Barbesitzer Flavio Baristino, wegen vielfacher Verbrechen, vom Einbruch, bis hin zum Mord, der ihm nachgewiesen wurde, anhand von Spuren, an einer Waffe, seiner Waffe.
 Die Russen in der Stadt freute es. Viele junge Männer und Frauen kehrten endlich wieder frei, nach Hause zurück. Einige Politiker zogen sich aus dem Geschäft zurück, wie auch der Polizeipräsident. Wegert stieg auf und Maria eröffnete eine Detektei. Sie hatte so viele Kontakte, sicher verwahrt in Alufolie, die ihr nützlich waren. Ansonsten musste sie nur ihrem Geruchsinn trauen. Sie folgte dem Gestank des Geldes Ihr Kampf gegen das Unrecht begann grad erst.
 Torti wohnte mit Sandra zusammen, die Maria assistierte. Torti schloss sich den Beiden an. Schließlich war er vernetzt, mit der ganzen Welt. Er war der, der Unrecht aufspürte. Große Männer, mit schwarzen Seelen, fielen unter Marias unschuldigem Blick, wie gefällte Bäume. „Dieses war der erste Streich!“, sang Torti, als er nach Hause ging.
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© Simone Scheuing 2012
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