Jeffrey und Christine - Traumhafte Zweisamkeit (Teil 2)
Mit vor Stolz und Aufregung geröteten Wangen und hoch erhobenen Kopf ließ Jeffrey die Wurf-Bude hinter sich, das Plüschpferd hatte er sich unter den Arm geklemmt, seine Schritte waren federnd und beschwingt, da er endlich einen Weg gefunden hatte, um sich Christine nähern zu können, ohne gleich wie ein Vollidiot auszusehen. Zumindest kreisten diese Gedanken im Kopf des Jugendlichen, der sich in diesem Moment wieder Sieger eines wichtigen Wettkampfes fühlte, unbesiegbar und unantastbar, jemand der alles erreichen konnte, während seine beschwingten Schritte ihn über das Gelände trugen, vorbei an anderen Buden, einem Kinderkarussell und auf eine längliche Zeltkonstruktion zu, wo ein großes, hölzernes Schild mit geschwungenen Buchstaben die Freuden eines Spiegellabyrinths anpries. Aber Jeffrey hatte weder Augen noch Ohren für die unterschiedlichen Attraktionen des Jahrmarktes oder das Spiel der Drehorgel mit dem ein Zuckerwatteverkäufer versuchte Aufmerksamkeit zu erregen und vermied es den Strömen aus Besuchern zu folgen, die sich langsam in Richtung des großen Hauptzeltes in der Mitte des Geländes bewegten, wo bald die angekündigte Abendshow stattfinden sollte.
Endlich, gerade als sich das Gelände bis auf wenige Nachzügler geleert hatte, fand der junge Mann das Ziel seiner abendlichen Suche an einem kleinen Getränkestand, an dem sich die Gruppe um Christine mit unschuldigen Pappbechern voller Bier eingedeckt hatte, was in dem kleinen Städtchen an allen anderen Abende eine Herausforderung gewesen wäre. Doch hier konnten die Jugendlichen trinken ohne gestört zu werden, besonders da die Aufmerksamkeit der meisten Erwachsenen durch die Abendvorstellung abgelenkt wurde, so dass die gelöste Stimmung und beginnende Trunkenheit der Mädchen nicht weiterauffiel. Laut juchzend stieß die Gruppe gerade wieder mit den Pappbechern an, diese Laute waren es auch, die Jeffreys Aufmerksamkeit erregten und ihn dazu brachten um das Zelt der Wahrsagerin herumzugehen und nach der Quelle der Geräusche zu suchen. Für einen Moment blieb er im Schatten des Zeltes, der Geruch nach Räucherstäbchen und verbrannten Kräutern bohrte sich aufdringlich in seine Nase und verdrängte die vorherrschenden Gerüche von gebrannten Nüssen und Zuckerwatte, welche bisher bestimmend für die Umgebung gewesen waren. Sein Herz schlug wieder heftig in seiner Brust, so dass er sich für einen Moment Halt suchend am Rahmen des kleinen Zeltes festhielt, während er die Mädchen und besonders Christine beobachtete, die in diesem Moment ihren Becher mit einem Zug leerte und dann die Hände mit ihrer Freundin Linda zusammenschlug.
Die leichte Erschütterung des Zeltes erzeugte ein Rascheln, das ganz und gar nicht nach dem üblichen, gefärbten Baumwollstoff zu bestehen schien. Noch bevor sich diese Erkenntnis in den Vordergrund von Jeffreys Wahrnehmung drängen konnte, ertönte ein Fauchen aus dem Inneren des Zeltes, ein Laut der dem jungen Mann durch Mark und Bein ging. Erschrocken sprang Jeffrey zurück und hätte dabei beinahe das Plüschpferd verloren, im letzten Moment konnte er verhindern, dass es auf den Boden fiel. Als er seinen Kopf wieder hob, sah er, dass sein Sprung dazu geführt hatte, dass er seine Deckung verließ und eines der Mädchen bereits ihre Nachbarin anstieß, um diese auf ihn aufmerksam zu machen. Es gab nun nur noch zwei Möglichkeiten für den Jungen, entweder verließ er diesen Ort fluchtartig und gab seine Chance auf Christine näher zu kommen, wobei er auch zukünftige Versuche unmöglich machen würde, oder er nahm all seinen Mut zusammen, näherte sich Christine und versuchte sie für sich zu gewinnen. Im Zeitraum eines einzigen Atemzuges rasten diese Gedanken durch Jeffreys Kopf, seine Finger krampften sich kurz um den Leib des Stofftieres in seinen Händen, bevor er einen ersten unsicheren Schritt in Richtung der Gruppe machte. Sein Magen krampfte sich zusammen, Schweiß befeuchtete seine Hände und sein Stirn, doch er spürte die wohltuende Kühle nicht, sondern hatte für einen Moment den Eindruck zu verbrennen, bevor sich die Spannung nach dem zweiten Schritt zu lösen begann. Ja, er konnte es schaffen, machte er sich selbst Mut und ging nun endlich auf seine Angebetete zu.
„Ha… Hallo“ sprach er die Gruppe an und hob dabei die linke Hand zum Gruß, während die Rechte das Pferd, wie einen Talisman, umklammert hielt. Sein Blick wanderte über die anwesenden Mädchen, er kannte sie alle, doch am Ende blieb sein Blick an Christine hängen. Statt einer Erwiderung des Grußes schlug ihm für einen Moment nur überraschtes Schweigen entgegen, als habe er ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen, indem er es wagte jemanden oberhalb der eigenen sozialen Stellung anzusprechen.
„Ic… Ich… Christine. Ich habe hier etwas… für Dich.“ fuhr Jeffrey mit großer Mühe fort, sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und der Arm mit dem Pferd schien von einem Moment auf den anderen eine Tonne zu wiegen, nur langsam und mit zitterndem Arm konnte er das Plüschpferd anheben, um es Christine zu zeigen. Seine Worte waren kaum verklungen, als sich die Blicke der Mädchen auf etwas hinter Jeffrey richteten, etwas was die Mädchen zum Grinsen brachte. Und es war kein freundliches Grinsen.
„Oh, schaut euch das an. Jeffy hat sein Kuscheltier mitgebracht!“
Jeffrey erkannte sofort den Urheber der vor Spott triefenden Worte, sein Mut verließ ihn mit einem Schlag, als er erkannte, dass er eine Sache nicht bedacht hatte. Langsam, ängstlich wandte er sich um und sah seine Befürchtungen bestätigt. Markus, Christines derzeitiger Freund, war flankiert von seinen beiden Freunden, Mike und Sam, auf der Bildfläche erschienen und schritten mit gemeinem Grinsen auf den Gesichtern direkt auf Jeffrey zu, der beim Anblick der drei Footballspieler vollkommen erstarrt war, wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Selbst die unförmigen gelb-blauen Sportjacken konnten die muskulöse Erscheinung der jungen Männer nicht verbergen und in Markus Augen war ein zorniges Funkeln zu sehen, da der ansonsten eher langsame Junge sehr schnell begriffen hatte, welche Absichten Jeffrey hegte.
„Was wolltest du denn damit, Jeffy? Wolltest du mein Mädchen zu einer Teeparty einladen, damit ihr zusammen mit dem Pferdchen spielen könnt? Stehst du auf Pferdchen, Jeffylein?“
Ohne auf eine Antwort seines überraschten Rivalen zu warten, fuhr Markus fort Jeffrey zu verspotten, der gar keine Gelegenheit bekam auf die spöttischen und verletzenden Worte des anderen Jugendlichen zu reagieren, der nun direkt vor ihm stand und Jeffrey so zwang zu ihm aufzuschauen.
„Ich… Ich wollte nur… Christine hat…“ setzte Jeffrey zu einem Versuch an sich zu verteidigen, aber Markus stieß ihm den Zeigefinger in die Brust, bevor er einen sinnvollen Satz herausbringen konnte. Inzwischen war die Wut deutlich in Markus Gesicht zu sehen und er schnaubte laut auf.
„Nimm… nie… wieder… ihren… Namen… in den Mund, Pisser“
Markus unterstrich jedes Wort mit einem weiteren Stoß seines Zeigefingers und trieb so den rückwärts stolpernden Jeffrey vor sich her, auf die Mädchen zu, die inzwischen leise zu kichern begonnen hatten. Jeffreys Gesicht war aschfahl geworden, sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem um Sauerstoff ringenden Fisch an Land, er war vollkommen unfähig sich auf irgendeine Weise gegen den Angriff seines Kontrahenten zu verteidigen. Verzweifelt hob er das Pferd als Schutz vor sich, nur um festzustellen, dass Markus es seinen steifen Fingern mit Leichtigkeit entwand.
„Sam, Mike. Schaut euch mal dieses Baby an, will mich mit seinem Pferdchen schlagen. Soll ich ihm zeigen, was man ungezogenen Babys macht?“ wandte sich Markus grinsend an seine beiden Kumpane, die ihren Anführer höhnisch lachend zustimmten. Auch die Mädchen hatten inzwischen Gefallen an dem ungleichen Machtkampf gefunden und signalisierten kichernd ihre Zustimmung für Markus Vorschlag, der sich für einen Moment im Licht dieser ungeteilten Aufmerksamkeit sonnte. Selbst Christine, die sich anfangs unbehaglich wegen Markus Verhalten gefühlt hatte, stimmte in die Anfeuerung ihres Freundes ein, ihr helles Lachen stach aus dem allgemeinen Stimmengewirr hervor, wie das Klingen einer Glocke im Geschnatter von Vögeln.
Und genau dieses Lachen brachte das Fass der Frustration für Jeffrey zum Überlaufen, die Demütigungen waren einfach zu viel für den jungen Mann, dessen Welt gerade in die Brüche zu gehen drohte. Mit einem wütenden Schrei auf den Lippen schlug er ungelenk nach Markus, der durch die allgemeine Aufmerksamkeit abgelenkt war, und traf ihn mit der flachen Hand im Gesicht. In Jeffs Ohren klang das Klatschen der flachen Hand auf Markus Wange wie Donnerhall und von einem Moment auf den anderen erstarb das Lachen und Kichern, atemlose Stille herrschte nun als Markus ungläubig seine Hand an die Wange führte und die Stelle betastete, beinahe so als habe Jeffrey seinen Körper durch diesen Schlag entweiht. Schwer atmend zog sich Jeffrey zwei Schritte zurück, als sich Markus Begleiter nun einmischen wollten, und hob die Fäuste zu einer ungeübten Boxerhaltung, doch Markus hielt seine Freunde mit ausgestreckten Armen zurück, auf seinem Gesicht war nun ein bösartiges, zähnefletschendes Grinsen getreten, das Plüschpferd ließ er nun einfach zu Boden fallen. Unwillkürlich wollte der Junge weiter zurück weichen, als er Hände auf seinem Rücken spürte, die ihn wieder nach vorne stießen, offensichtlich waren die Mädchen ebenfalls der Meinung Partei ergreifen zu müssen.
„Das hättest du besser nicht getan, Jeffylein.“ presste Markus grollend hervor und stürzte sich auf den schmächtigen Jungen, ein rechter Schwinger wischte die, zur Abwehr, erhobenen Hände beiseite, als wären sie nicht da und die Faust fand mit einem lauten Klatschen Jeffreys Wange. Mit schwarzen Flecken vor Augen ging Jeffrey zu Boden und nahm, wie aus weiter Ferne, wahr wie er am Kragen seines Hemdes wieder nach oben gezogen wurde, bevor Schmerz in seiner Leibesmitte explodierte und er nach Luft ringend erneut zu Boden ging. Krampfhaft nach Luft schnappend wand er sich auf dem Boden, bis er von einem brutalen Tritt auf den Rücken geschleudert wurde.
„Los, zeig es ihm… Markus… Markus… Markus… Zeig es dem Freak… Mach ihn fertig, Mann… Gibs ihm…“
Die Anfeuerungsrufe der Zuschauer dieses ungleichen Kampfes waren für Jeffrey nur ein Rauschen am Rande seines Bewusstseins, sein Stöhnen ging langsam in ein langgezogenes Weinen und Schluchzen über, während Markus auf seine Armen kniete und ihn methodisch ohrfeigte, jedes Klatschen fand sein Echo im Jubel und der Anfeuerung der anderen Jugendlichen. Tränen blendeten Jeffreys Sicht, Rotz und Speichel liefen ihm über sein Gesicht, mehr als ein ersticktes Schluchzen brachte er nicht mehr zustande, als nach schier endlosen Schlägen der Druck auf seinen Armen nachließ, wohl weil Markus aufgestanden war und sich Staub von der Hose klopfte.
„Jetzt schaut euch doch mal diese Heulsuse an. Kann nur austeilen, aber nichts einstecken, das Baby. Mike? Sam? Zeit für den Nussknacker, das Baby braucht sie eh nicht.“
Aus weiter Ferne drangen Markus spöttische und ein wenig atemlose Worte an Jeffreys Ohren, der sich zu einer fötalen Kugel zusammengerollt hatte, als Mike und Sam der Anregung ihres Freundes Folge zu leisten begannen. Ohne Zeit zu verlieren, stellten sich die beiden Jugendlichen neben Jeffreys zitternden Körper, beugten sich herab, griffen jeder ein Bein und zogen diese auseinander, so dass Jeffrey mit weitgespreizten Beinen auf dem Rücken zu liegen kam.
„Nein… nicht… bit..“
Jeffreys kaum hörbares Flehen verstummte, wie mit einem Messer abgeschnitten, als Markus seinen Fuß mit einem wuchtigen, weitausholenden Tritt in den Schritt des wehrlosen Jugendlichen rammte. Ein ersticktes Quäken war die einzige Reaktion Jeffreys als eine Lanze aus Feuer sich von seinem Schritt nach oben in seinen Körper zu brennen schien und ihm dabei gnädiger Weise das Bewusstsein raubte, so dass er das Juchzen und Jubeln der Zuschauer nicht mehr hörte als sich Markus mit seinen Freunden abklatschte. Und auch erst jetzt meldete sich der Verkäufer des Getränkestandes zu Wort und begann die Gruppe zu verscheuchen, die seinen Worten Folge leisteten, nachdem sich jeder noch einen Becher Bier genommen hatte, woraufhin die Mädchen und Jungen feixend und lachend in Richtung des Hauptzeltes gingen. Der Verkäufer machte sich daran seinen Wagen an einen anderen Platz zu bringen, aber zuvor kniete er sich neben den Bewusstlosen, schob das Hemd nach oben und ritzte mit einem kleinen, scharfen Messer das Wort „Baby“ in die weiche Haut des weißen Bauches, bevor er einen Becher Bier über den Jungen leerte. Noch im Aufstehen leckte der Mann die blutige Messerklinge ab und machte sich dann pfeifend daran, einen neuen Standort für seinen Wagen mit Getränken zu finden, ohne den Jungen mit einem weiteren Blick zu würdigen. Warum sollten nur die Gäste ihren Spaß haben, dachte der Mann bei sich und genoss den metallischen Geschmack des jungfräulichen Blutes auf seiner Zunge.