Meine Freundin war gerade erst beim Friseur gewesen.
Ich konnte meinen Blick von diesen Strähnen nicht lösen.
Sie aber strahlte mich glücklich an,
sie bat mich um mein Urteil an.
Ich stammelte nur: „Ich weiß nicht so recht,
naja, irgendwie gar nicht so schlecht.“
Ich fühlte mich nicht richtig wohl dabei.
Diese Notlüge machte mich nicht frei.
Die Frau zog sich für das große Fest an.
Sie dachte, dass ihr Aussehen durch viel Schminke gewann.
Sie hatte das kleine Schwarze gewählt.
Mühsam hatte sie sich in dieses Kleid gequält.
Sie drehte sich lächelnd vor ihrem Ehemann,
fragte, ob sie so zu diesem Fest gehen kann.
Seine Meinung aber, die behielt er für sich,
sagte nur lächelnd und mühsam: „Sicherlich.“
Er fühlte sich bei dieser Notlüge nicht wohl,
wusste aber auch nicht, was er sagen soll.
Er hatte erst vor kurzem den Führerschein gemacht.
Im dritten Anlauf hatte er es vollbracht.
Stolz lud er mich zur Jungfernfahrt ein.
Ich fühlte mich nicht wohl, sein Beifahrer zu sein.
Er hat einen Bürgersteig mitgenommen.
Er war nur knapp einem Unfall entkommen.
Am Ende der Fahrt strahlte er mich an,
fragte, ob er nicht schon sehr gut fahren kann.
Was soll ich euch sagen, ich log ihn an.
Es gibt immer wieder Notlügen im Leben,
die den Mitmenschen Selbstbewusstsein geben.
Deshalb finde ich Notlügen legitim,
auch wenn ich mich immer wieder dafür schäm.
Chrissy55