Beschreibung
"Fabel-hafter" Beitrag zu STORY-BATTLE NR. 8 von PhanThomas
Ehre wem Ehre gebührt
Martin, der Affe, betrachtete sein SPIEGELBILD. Die Morgensonne schien in das Schlafgemach und beleuchtete seinen in den Jahren des Amtes gewachsenen Bauch auf die vorteilhafteste Weise. Er zog die HOSENTRÄGER noch etwas fester, um seine Leibesfülle zu betonen, und seinen Wohlstand.
Heute war der große Tag. Das Ende seiner Amtszeit als Berater Nobels, des Löwen. Zehn Jahre voller Leiden und Entbehrungen für das Volk, zehn Jahre, in denen er seine Macht, sein Ansehen, seinen Einfluss in den richtigen Kreisen und nicht zuletzt seinen Reichtum gemehrt hatte.
Gieremund, die Wölfin, seine Frau, räkelte sich noch auf dem KOPFKISSEN. Auch an ihr waren die zehn fetten Jahre nicht spurlos vorbeigegangen, aber im Gegensatz zu ihrer Figur hielt sie das Geld eisern zusammen.
Martin nickte leicht und lächelte. Er war es zufrieden. Und für alles andere gab es ja genug willige und billige Lämmer.
Er verließ das Schlafgemach und ging in sein Arbeitszimmer. Dort wartete bereits Meister Petz, der Haushofmeister, auf ihn.
„Guten Morgen Exzellenz“ begrüßte er Martin.
„Habt Ihr wohl geschlafen?“
„Ja, mein Bester. Danke der Nachfrage. Nun, wie weit ist Er mit den Vorbereitungen für den heutigen Tag?“
Meister Petz zog eine große Liste aus seiner Mappe, schlug sie auf und begann vorzutragen.
„Exzellenz, gemäß Eurem Wunsche beginnt der Empfang der geladenen Gäste mit einer kleinen Aufmerksamkeit, die Eure Gemahlin ausgesucht hat. Kaffee und Kartoffelpuffer -“
„Heda!“, unterbrach ihn Martin.
„Ist Er sicher, das Gieremund diese Kostbarkeiten ausgesucht hat?“
„Sehr wohl, Exzellenz. Auch ich war erstaunt, aber Eure Gemahlin hat mir versichert, das dem so sei. Und das sie sich persönlich darum kümmern würde.“
Martin grinste.
„Dann werde ich nicht widersprechen. Mach Er weiter.“
„Danach kommt die WACHE, eine Kompanie, um Euch mit dem Großen ZAPFENSTREICH zu verabschieden.“
„WAS DENN! Nur eine Kompanie der WACHE? Das kann und darf nicht sein! Es kommt Nobel, der Löwe, zu Gast, und wir müssen ihm ausreichend Ehre zollen! Meister Petz, organisiere Er auf der Stelle ein Bataillon! Und das sie für eine Stunde Musik machen! Nicht weniger!“
Meister Petz nickte ergeben, und notierte es in seiner Liste.
„So ist es gesagt, und so wird es geschehen, Herr. Für den obligatorischen Jubel haben wir einiges an gemeinem Volk zusammengetrieben, in der Hauptsache Lämmer und Hasen, die zu gegebener Zeit von den umstehenden Bären das Zeichen bekommen werden, die notwendige begeisterte Freude auszudrücken.“
„Ja, das ist gut. Und hat Er auch an die Moritatenerzähler gedacht?“
„Aber natürlich, Eure Exzellenz. Adelheid und Pflückebeutel haben ihre unvermeidliche Anwesenheit angekündigt.“
Martin nahm den ZYLINDER vom Tisch, klopfte ihn ab und setzte ihn sich auf den Kopf.
„Und?“
„Exzellenz, ihr verkörpert, wie immer, die volle Würde des Amtes.“
„Wie wahr, wie wahr, mein Guter.“
Und etwas wehmütig: „Ja, eine schöne Zeit, zu kurz für meinen Geschmack. Aber die erworbenen Deputate werden mich mehr als entschädigen.“
Er warf einen lüsternen Blick auf die Liste mit den Lämmern, welche er anschließend fest in seinem Sekretär verschloss.
Gieremund nahm eine KAFFEEBOHNE aus der Schatulle, und vermischte sie mit einer großen Handvoll Gerste und einer Messerspitze Kohle. Dann mahlte sie das Ganze sehr fein, und kochte es in einem großen Topf mit Wasser auf. Das Ergebnis filterte sie in viele kleine Kaffeekannen, schließlich sollte es den geladenen Gästen an nichts fehlen.
Danach nahm sie den KORB mit den KARTOFFELN, sortierte die guten aus und packte sie in ihre Schürze. Die übrig gebliebenen gab sie in die Küche, für die Zubereitung des Mahles.
Zur Feier waren alle geladenen Gäste gekommen, das Bataillon der Wache hatte zwei Stunden lang aufopferungsvoll gespielt und die Hasen und Lämmer hatten angemessen gejubelt. Gegen Ende nahm Nobel Martin zu Seite auf ein persönliches Wort.
„Nun, Martin, bist Du es zufrieden?“
„Majestät, welche Antwort erwartet ihr von mir? Ich habe in Euren Diensten alles getan, was mir aufgetragen wurde und es war weder zu Eurem noch zu meinem Schaden. Das gemeine Volk hasst mich, so wie Ihr es gewünscht habt, und ihr stierer Blick auf meine Person hat Euch die Möglichkeit gegeben unbeobachtet nach Euren Vorstellungen zu schalten und zu walten. Nach alledem frage ich Euch, mit allem gebührenden Respekt, ob Ihr mit mir zufrieden wart?“
Nobel nickte.
„Ja, Martin, ich bin es. Es wird Dir auch in Zukunft an nichts fehlen. Bitte erweist mir ein letztes Mal die offizielle Ehre, für die Moritatenerzähler.“
Martin ging auf die Knie und küsste die Hand des Herrschers. Das aufgeregte kritzeln der Federn der Moritatenerzähler klang wie Musik in seinen Ohren.
Martin erhob sich wieder, und Nobel winkte die Schreiber fort. Sie nahmen ihre Gläser und stießen an.
„Majestät, habt Ihr schon meinen Nachfolger bestimmt?“
Nobel beugte sich vor und flüsterte.
„Ja, ich habe einen geeigneten Kandidaten erwählt. Henning der Hahn wird es sein. Er wird Dein Werk fortführen, und es wie einen Neuanfang aussehen lassen.“
Beide lachten und stießen auf eine erfreuliche Zukunft an.
Als das Fest zu Ende war, begab sich Martin zu Gieremund, die missmutig in dem für ihren Geschmack viel zu kleinen Haufen von Abschiedsgeschenken wühlte. Gemeinsam gingen sie zum Fenster, um den Blick auf ihr Anwesen zu genießen.
„Ist es nicht schön“, sprach er zu sich selbst „eine HEIMAT zu haben, in der sich das Volk so aufopferungsvoll um seine Herrscher kümmert?“
Und damit hatte er natürlich Recht.
Da es sich um eine Fabel handelt, gibt es auch eine Moral. Mindestens eine.