Biografien & Erinnerungen
Bücher sind fad...

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"Bücher sind fad..."
Veröffentlicht am 05. Februar 2012, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Bücher sind fad...

Bücher sind fad...

                                                         Bücher sind fad

 

 

„Bücher sind fad!“, findet meine Enkelin und räumt schnell alle Bücher, die sie zu Weihnachten bekommen hat, in die unterste Lade ihres Schreibtisches. Dabei haben wir uns so bemüht – ihre Mutter und ich – wirklich schöne und für ihr Alter passende Bücher auszuwählen.

Zugegeben, für ´Die schönsten Sagen des klassischen Altertums" ist sie vielleicht mit ihren knapp neun Jahren doch noch zu jung. Doch weder ´Die schönsten Märchen aus dem Tierreich´   noch ´Ein Blick in Omas Geschichtenkiste´ können sie wirklich begeistern. „Da gibt es ja keine bunten Bilder“, lautet ihr kurzer Kommentar. Auch die ´Märchen der Gebrüder Grimm´ blättert sie nur kurz durch und schon verschwinden sie in der Lade. ´Märchen und Geschichten´,  einen wirklich  reich illustrierten, handlichen Sammelband alter und neuer Märchen, hat sie nicht einmal richtig ausgepackt. Gerade damit wollte ich ihr eine besondere Freude bereiten, denn das Buch enthält auch viele Teddygeschichten und mit Teddybären hat sie früher immer sehr gerne gespielt. Nein, Bücher sind wohl doch nicht das Richtige für sie. Ihr finsterer Blick spricht Bände.  Bei der nächsten Gelegenheit fliegen sicher alle in den Müll, kommt mir in den Sinn.

 

Ich bin etwas enttäuscht. Warum denn dieses sonst so aufgeweckte Kind  so gar kein Interesse an Märchen und Geschichten zeigt, ist mir ein Rätsel. Was hätte ich in ihrem Alter für ein Buch gegeben, doch damals in der Nachkriegszeit zählten für mich auch Bücher zu den unerreichbaren Luxusgütern. Meine Mutter war froh, wenn sie mich nicht hungrig ins Bett stecken musste, und ich zumindest für den Winter halbwegs passende Schuhe hatte – den ganzen Sommer über lief ich damals sowieso barfuss.  Für Bücher Geld auszugeben – unvorstellbar.

.

„Schade, ich dachte dir würden die Bücher gefallen und wir könnten gemeinsam das eine oder andere Märchen daraus lesen.“

 

„Na ja, wenn du unbedingt willst, aber zuerst musst du mir vorlesen,“ lenkt sie jetzt bereitwillig ein. „Weißt du, selber lese ich nicht so gerne. Fernsehen gefällt mir besser.“

 

„Einverstanden! Ich lese das erste Märchen vor. Mit welchem Buch beginnen wir?“

 

„Ich weiß nicht. Such dir eines aus, Oma! Hast du, als du noch klein warst, auch immer so viele Bücher vom Christkind bekommen?“

 

„Leider nicht. Als ich so alt war, wie du, besaß ich kein einziges Märchenbuch. . Es war eine bittere Zeit. Damals sah es bei uns genau so aus, wie auf den Bildern, die das Fernsehen jeden Tag in den Nachrichten zeigt -  Steine, Trümmer, Soldaten. Es gab in den Geschäften nichts zu kaufen, ja es gab fast keine Geschäfte. Viele Schaufenster waren mit Brettern vernagelt, da die Glasscheiben ja längst zerbrochen waren und Glas um neue Scheiben einzuschneiden war nirgends aufzutreiben, ja und vor allem – es gab noch kein Fernsehen.

 

Meine Märchen waren die Geschichten, die mir meine Großmutter abends, wenn wir alle schon in den Betten lagen, leise erzählte. Meistens Erinnerungen an ihre eigene, schwere Kindheit. Weißt du, sie war ein Waisenkind und hatte keine Verwandten. Sie hatte keine Spielsachen, ja oft nicht einmal ein eigenes Bett und genug zu essen. Sie konnte sehr spannend erzählen und ich freute mich jeden Tag schon auf den Abend und auf die nächste spannende Geschichte. Sie erzählte mir von ihren bösen Pflegeeltern, die sie fast täglich schlugen und von den schwarzen Ziegen, bei denen sie im warmen Stall schlafen durfte. Weil sie tagsüber mit den Ziegen auf die Weide gehen musste, konnte sie auch nicht regelmäßig die Schule besuchen. Nur manchmal schlich sie sich morgens heimlich aus dem Haus,  um in die Schule zu gehen, denn dort gab es täglich eine warme Mahlzeit und eine nette Lehrerin, die sich sehr um sie bemühte. Dieser guten Frau hatte sie es letztendlich auch zu verdanken , dass sich die Fürsorge einschaltete und sie zu netteren Pflegeeltern kam, zu Holzfällern. Die saßen  abends um ein Lagerfeuer, tranken aus großen Krügen Wein und erzählten lustige  Geschichten. Wenn sie genug getrunken hatten, begannen sie zu singen und tanzen, oft bis spät in die Nacht. Manchmal erzählte sie auch Geschichten aus dem Waisenhaus, doch das waren meist traurige Geschichten. 

 

Mein erstes eigenes Buch  war kein Märchenbuch, sondern das Lesebuch der ersten Volksschulklasse. Meine Mutter hatte es übertragen gekauft – ein neues wäre zu teuer gewesen – es war aber noch gut erhalten. Jeden  Tag habe ich mehrmals darin geblättert, ich war ganz fasziniert von den bunten Bildern und wollte unbedingt sofort lesen lernen. Das erste Bild sehe ich noch deutlich vor mir. Es war ein großer Apfelbaum mit vielen Äpfeln und darunter stand eine Leiter. So lernten wir das kleine und das große A schreiben.“

 

„Und woher kennst du dann die meisten Märchen? Hast du überhaupt jemals ein eigenes Märchenbuch gehabt, Oma?“

 

„Oh ja. Ich erinnere mich noch ganz genau an mein erstes eigenes Märchenbuch. Ich bekam es an meinem zehnten Geburtstag. Es war ein wunderschönes Buch mit vielen Bildern. Schneewittchen, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel und noch viele andere Märchen gab es darin. Jeden Tag las ich mindestens ein Märchen, ich habe nämlich immer sehr gerne gelesen. Ich glaube, das Buch liegt noch immer auf unserem Dachboden. Wenn du willst, kann ich ja einmal nachsehen.“

 

„Oh ja, Oma bitte suche es. Liest du mir dann das Märchen vor, das dir am besten gefallen hat, am allerbesten? Und jetzt erzähle mir bitte eine von den schönen Geschichten, die dir deine Großmutter immer abends im Bett erzählt hat. Bitte! Bitte!“

 

„Na, komm her zu mir, meine kleine Schmeichelkatze. Wir machen es uns hier in der Sitzecke gemütlich.“ Ich setze mich auf das Sofa und nehme mein kleines, großes Mädchen fest in den Arm. Leise beginne ich zu erzählen:

 

 „Es war einmal vor vielen, vielen Jahren ein kleines Mädchen, das hieß Antonia. Als Antonia ungefähr so alt war wie du jetzt, lebte sie vielen anderen Kindern zusammen in einem großen Waisenhaus, denn sie hatte keine Eltern mehr...

 

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baesta Leider werden unsere Kinder - durch TV , PC-Spiele und Internet davon abgehalten, lesen und vielleicht auch schreiben zu lernen. Sie scheinen sich zu einer rein visuellen Menschengattung zu entwickeln. Unsere Aufgabe wäre es dagegen zu steuern, aber das ist ofmals schwieriger, als man annehmen möchte. Trotzdem sollte man alles versuchen, um diesem unheilvollen Trend Einhalt zu gebieten.
Leider habe ich (noch) keine Enkel.
Deine autobiografische Erzählung zeigt diese Probleme sehr gut auf und ich wünsche Dir viel Erfolg, den Anfang, die Neugier auf das Buch bei Deiner Enkelin zu wecken, hast Du ja schon sehr gut gemeistert.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Fuchs1957 Es ist schon traurig wie sich die Kinderwelt geändert hat - und das im Land der Dichter und Denker!
Steffen
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Gefällt mir sehr gut! Die schönsten Bücher sind nichts gegen eine Geschichte die Oma aus ihrem Herzen erzählt...

Liebe Grüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
RyekDarkener Was wäre die Welt ohne die Omas ... - die die Zeit und die Geduld haben, den Moment abzuwarten, in dem die Enkel für so etwas aufnahmefähig sind.
Jede vorgelesene Geschichte weckt und erweitert die Phantasie und Vorstellungskraft, und sie macht Lust auf mehr.

Wunderbar und treffend erzählt.

Liebe Grüße

Ryek
Vor langer Zeit - Antworten
erato Da ist das... - mit meinen beiden Ablegern aber sehr
glücklich gelaufen - über unendlich viele
Gute Nacht Geschichten direkt in die
Bücherwelt und die Tochter sogar
bis in die Verlagswelt durchgestartet.....

GglG Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Oh je... - meine große Enkelin mochte auch nicht lesen, sie wollte lieber Hörbücher....
Ich hatte schon im Vorschulalter Bücher, aus denen mir meine Oma vorgelesen hat. Bald konnte ich sie auswendig und merkte sofort, wenn Oma mal etwas ausgelassen hat, um die Geschichte abzukürzen....
Später mochte ich besonders Geschichten, wo ich mich mit den kindlichen Helden identifizieren konnte und Tiergeschichten... Märchen galt mein Interesse nur relativ kurze Zeit und Sagen eher gar nicht, darin kann ich sie verstehen.
GlG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Hat doch jeklappt, Oma Ulla! - Wunderschöne Geschichte!
Wunderbar erzählt!
Watt soll ick noch sajen, Ulla?
Allet andre wär nur Jeschwätz!
Liebe Jerüße Peta
Vor langer Zeit - Antworten
KarinB Oh wie wunderbar........ - das hat mich zurück versetzt in meine eigene Kindheit. Meine Oma ist sehr arm aufgewachsen aber sie hatte einen grossen inneren Reichtum. Und ich liebte es bei ihr zu sitzen und alten Geschichten zu lauschen. Da meine Mutter auch schreibt, bin ich mit Büchern aufgewachsen. Und wenn mein Sohn Heute fragt warum ich viel weiss dann sage ich immer, ein grosser Teil kommt vom vielen Lesen und dem stets neugierig bleiben. Unser Sohn liest sehr gerne und wir haben auch immer ein Buch aus welchem wir regelmässig vorlesen, als Gemütlichkeit für die ganze Familie. Allerdings muss es für den 10 jährigen Buben was spannendes sein. Wir lasen daher gerade die Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren und jetzt sind wir gerade an Drachenreiter von Cornelia Funke. Oh und die unendliche Geschichte hat er so geliebt und Momo.

GLG Karin
Vor langer Zeit - Antworten
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