Beschreibung
Titelbild: www.Bilderkiste.de
Als er wieder aus dem Haus kam hatte er den sich unter einem Kleiderberg verbergenden Kemal und seine Frau im Schlepptau. Alle trugen Grabgestecke. Das war dem Nachbarn jetzt zu viel. „Carol! Carol! Komm‘ schnell mal raus!“, rief er in Richtung seines Hauses. Pflichtbewusst erschien seine Frau kurz darauf ebenfalls am Gartenzaun. „Was gibt es denn? Hast du dir was getan?“ „Nein, aber sieh dir mal das dort an!“, dabei zeigte er mit zitterndem Zeigefinger auf die Grabgestecke. „Guten Morgen Misses Jones!“, grüßte Morbidia freundlich. „Guten Morgen Misses Plogojowitz“, erwiderte diese nicht minder freundlich. „Die Gestecke sind Ihnen wirklich gut gelungen“, lobte Jones Ehefrau anerkennend. „Danke, Sie haben mich und Kemal auch eine ganze Weile beschäftigt, aber was tut man nicht alles für ein wenig stimmungsvolle Atmosphäre?“ „Das stimmt leider“, pflichtete ihr die Nachbarin bei. „Wie?
Du findest das doch nicht etwa geschmackvoll?“, fragte ihr Mann zweifelnd. „Natürlich nicht, wo denkst du denn hin. Aber es passt zu Halloween, ist mal was Anderes.“ „So, dann würde es dir wohl auch nichts ausmachen, wenn wir unser Haus etwas mehr, sagen wir passender machen würden?“, fragte Jones seine Frau mit einem gewissen Hintergedanken. „Ja, warum eigentlich nicht? Das Skelett und der Kürbis sind doch ein wenig einfallslos.“ Das Feuer von hunderten republikanischen Hinterwäldlern brannte nun in Jones und er war entschlossen sein Haus furchterregender zu gestalten als das seines Nachbarn. Entschlossenen Schrittes lief er ins Haus, schnappte sich die Autoschlüssel und seine Kreditkarte und fuhr mit seinem Pickup zum Baumarkt. Nachdenklich blickten das im Garten stehende Ehepaar Plogojowitz und Misses Jones dem Wegfahrenden hinterher. „Ich glaube da habe ich gerade etwas
losgetreten was hätte besser nicht losgetreten werden sollen“, resümierte seine Ehefrau. „Der gute Jones wirkte recht besessen. Sein Gesicht hatte in diesem Zustand gewisse Ähnlichkeit mit dem meines Cousins Nathanael Plogojowitz[1], der geisteskrank war.“ „Geisteskrank, Liebling?“ „Ja, er hatte panische Angst vor kleinen Häschen, sind aber auch ekelhafte Kreaturen. Jedenfalls hatte er es sich zum Ziel gesetzt alle Hasen der Welt auszurotten. Über seinem Bett hingen immer ein paar Hasenköpfe als Trophäen. Ein wahrer Plogojowitz“, äußerte Lucius mit fester, patriotischer Stimme. „Schön, wenn jemand eine sinnvolle Beschäftigung hat“, ergänzte Morbidia und führte ihren Mann
[1] Nathanael ist auch der Name des Protagonisten aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“. Der Protagonist ist, genau wie Lucius Cousin, dem Wahnsinn verfallen. Im Falle von Hoffmanns Nathanael führte dieser Wahnsinn schließlich zum Selbstmord.
wieder ins Haus zurück.
Einige Zeit später kam Abraham Jones wieder zurück gefahren, auf der Ladefläche mehrere große Holzkisten. Nachdem er diese in seiner Garage verstaut hatte begab er sich in diese und ließ den ganzen Morgen und Mittag nichts mehr von sich sehen. Lediglich Säge- und Hämmergeräusche drangen nach draußen.
Am Nachmittag fuhr der immer verspätete Zeitungsjunge durch die Straße und warf eine Zeitung durch das geöffnete Fenster des Wintergartens. Er wollte eigentlich ein geschlossenes treffen, erreichte aber in letzter Zeit seine Bestform nicht.
Mit einem Feldstecher beobachtete Lucius Plogojowitz seinen Nachbarn dabei, wie Mister Jones eine Hexenfigur mit Besen auf seinem Dach montierte.
„Vater, beobachtest du Fledermäuse?“, fragte Carmilla. „Nein, die zeigen sich in letzter Zeit
nicht, werde ihnen mal ein neues Fledermaushaus bauen. Das andere wird von diesen dummen Vögeln bevölkert, die auch noch die Raben verdrängen. Nein, ich beobachte unseren Nachbarn dabei, wie er sein Haus versucht besonders geschmackvoll auf den kommenden hohen Festtag vorzubereiten.“ „Mister Jones? Was ist denn in den gefahren?“ Lucius jr., der gerade gegen Kemal pokerte, hatte die Antwort parat. „Mister Jones will uns übertreffen was die sogenannte Unheimlichkeit unseres Hauses anbelangt.“ „Er will ein gemütlicheres Heim schaffen als das Unsere?“, fragte sein Vater mit Verwunderung. „Wenn der Herr es so ausdrücken will, ja“, bestätigte Kemal krächzend. „Also fordert er unser Haus und damit unsere ganze Familie heraus?“ In diesen Worten schwebte etwas Unheilvolles, was Morbidia sofort veranlasste im Raum zu erscheinen. „Ich fühle wie ein Sturm aufzieht! Was ist los, mein zubeißender Don Juan?“ „Fledermäuschen, Mister Jones
fordert uns zum offenen Wettbewerb um das schönste Heim auf.“ „Eigentlich will er das beste Haus für Halloween haben, aber Vater meint das Gleiche“, übersetzte Carmilla. Morbidia schluckte. „Ich habe es geahnt. Lucius, du wirst nicht in einen sinnlosen Wettstreit mit unserem Nachbarn treten.“ „Aber, er hat doch…“, versuchte das Oberhaupt der Familie sich zu erklären. „Nein, ich verbiete es dir!“ Feurig umfasste Lucius die schmalen Hüften seiner Frau und beugte sich wie beim Tango über sie. „Dieses Feuer, Morbidia, du weißt was das bei mir auslöst. Verbiete mir ruhig mehr! Ich bin ein unartiger Mann gewesen“, sprach er erregt und küsste sie leidenschaftlich. „Verdammt, es sind Ghule anwesend!“, krächzte Kemal vom Fenster her. „Schatz, Schatz. Nicht um diese Uhrzeit. Die Nacht kommt noch“, sprach sie beschwichtigend und Lucius ließ von ihr ab.
„He, Jones baut eine Skelettarmee auf, mit
richtigen Uniformen, Konföderierte glaube ich, das müsst ihr euch ansehen!“, rief der jetzt besonders am Geschehen gegenüber interessierte Kemal. Sofort war Lucius neben ihm mit dem Feldstecher erschienen. „Tatsächlich! Da beißen mich doch die Wölfe! Das ist eine offene Provokation!“ „Es musste ja so weit kommen“, stöhnte Morbidia. „Alaister, sofort das Telefon! Will das Komitee für das schrecklichste Haus Amerikas anrufen und bewerben.“ „Überflüssig, Sir.“ „Warum?“ „Weil wir als permanente Anwärter auf der Liste stehen“, erläuterte Alaister trocken.
Alaister stand im rückwärtigen Teil des Gartens und zog mit einem improvisierten Zirkel aus einem festen Stock, einem Weiteren und einer festen Schnur Kreise mit unterschiedlichen Radien, welche er mit wirren okkulten Symbolen füllte. Gleichzeitig beobachtete er wie sein Arbeitgeber und der Nachbar gleichzeitig an ihren Häusern Skelette, Hexen,
Kürbisse und Lucius sogar eine Ghulskulptur im Vorgarten installierte, für die Kemal Modell gestanden hatte.
Fortsetzung folgt...