In einem kleinen Städchen nicht weit entfernt lebte der kleine Michael, von allen nur Michi genannt, gelangweilt und frustriert. Er war deshalb frustriert, weil er nichts zu tun hatte. Vieles hatte er schon ausprobiert, aber nichts sagte ihm zu. Beim Fahrradfahren fiel er dauernd auf die Schnauze und heulte, beim Fußballspielen bekam er dauernd den Ball in die Schnauze und heulte und vom Lesen hatte er irgendwann die Schauze voll und musste, wie nicht anders zu erwarten war, heulen.
Eines Tages jedoch versuchte sich der kleine Michi an einer Geschichte. Sie war nicht lang und auch nicht gut
geschrieben, aber er war so stolz auf diese, dass er sofort noch eine und noch eine schrieb. Bald hatte er eine ganze Sammlung von Texten und Gedichten. Doch irgendwas war noch nicht richtig. Er wusste, dass seine Texte gut waren, ja sogar preisverdächtig, aber nur er allein kannte sie. Das störte ihn sehr. Daher nahm er einige seiner Werke und zeigte sie seiner Familie und Freunden. Seine Texte wurden durchgelesen, aber jeder Einzelne musste lange überlegen, was er Michi sagte. Mitglieder seiner Familie sahen ihn mit einem milden Lächeln an, rieben ihm über den Kopf und sagten in einem Tonfall, als würden sie mit einem Hund sprechen, der gerade
den größten Haufen gelegt hatte, dass er dies toll gemacht habe. Michis Stolz und Ego wurden von diesen Worten so aufgeblaßen, dass er nun die ganze Welt an seiner Kunst teilhaben lassen wollte. Allein neue Freunde musste er sich suchen, denn diese hatten doch tatsächlich gewagt ihm Verbesserungsvorschläge zu machen und ihn zu kritisieren. Für Michi war das unbegreiflich, dass jemand wagte seine Meisterwerke in Frage zu stellen.
Nun wollte Michi sein Können auch der Welt zugänglich machen, doch wo sollte er anfangen? Seine Familie war ihm anfangs keine große Hilfe. Sie meinte,
dass er erst einmal alles liegen lassen und sinnvollere Sachen in Angriff nehmen sollte. Michi hatte bei diesen Worten angefangen zu schreien, sich auf dem Boden zu wälzen und mit seinen dürren Händchen auf diesen zu schlagen. Es war einfach unerträglich. So beschwichtigten seine Eltern ihn damit, dass sie ihm ein paar seiner Texte vervielfältigten. Als Michi dann diese Blattsammlung in den Händen hielt, strahlte er über beide Backen und seine Wangen glühten vor Freude. Er rannte sofort los auf den Marktplatz und gab jedem, der vorbeikam einen Text in die Hand und sagte, dass er dies geschrieben hätte. Die Leute lasen sich sein Gekritzel
durch und wollten schon weiter gehen, als sich Michi mit einem Lächeln, das von einem Ohr zum anderen ging, vor sie stellte und sie fragte, wie sehr die Geschichte ihnen den gefallen habe. Einige dieser Leute sagten aus Mitleid, dass sie noch nie was schöneres gelesen hätten, was Michi dazu brachte vor Freude zu tanzen. Andere dagegen waren ehrlich genug dem Kind zu sagen, dass sie es schrecklich fanden. Bei jedem Einzelnen, der es wagte, Michis Meisterwerke so zu beleidigen, heulte er wie eine Alarmsirene, die selbst Fensterscheiben zum vibrieren brachte, auf. Er heulte rum, es liefen Tränen ihm übers Gesicht und er zeigte mit dem
Finger auf diese armen Seelen, dass auch jeder Passant zu ihnen hinschauen musste und Mitleid mit dem Kind bekam. Vielen war dieses Verhalten zu dumm und sie versuchten wegzugehen, aber der kleine Michi klammerte sich, mit bansheehaftem Geschrei von sich abgebend, an den Hosenbeinen fest und gab Wortfetzen von sich, welche mehr oder weniger diese wahrheitsliebenden Menschen, als Ungeheuer darstellten. Natürlich kamen einige Leute, die Zeugen dieser Szene wurden, zu ihnen und verteidigten das Kind ohne zu wissen, worum es eigentlich ging. Als sie dann erfuhren, dass der ganze Aufstand wegen einem kleinen Text betrieben
wurde, griffen auch sie die eigentlichen Opfer an und fragten wütend, wie man so etwas einem Kind nur antun könne. An diesem Punkt hatte klein Michi aufgehört zu schreien und versteckte sich hinter der Person um von dort aus noch mehr Kohle ins Feuer zu werfen. Meistens gaben diese wundervollen Ehrlichen auf und Michi bekam zu hören, dass sie dies alles gar nicht so gemeint hatten und seine Texte auf Gold gedruckt gehören. Michi lächelte dann immer fröhlich auf und bedankte sich für diese wundervollen Komplimente, ja, dass er auch selbst schon wusste, dass er gut wäre, aber es immer wieder schön sei, dies bestätigt zu bekommen. Sobald Michi dann jedoch
weg war, landeten seine Texte im nächsten Mülleimer. Manchen ging es danach so schlecht, dass sie diese Kunstwerke mit ihrem Frühstück begossen.
Für den kleinen Michi war so ein Tag, ein schöner Tag. Schließlich hatte er viele Komplimente für seine Arbeit bekommen, seine Kunstwerke an die Leute verteilt und zusätzlich noch damit bewiesen, dass er ein großer Schriftsteller war. Dies zog sich über mehrere Wochen hinweg bis der Marktplatz nur noch von denen besucht wurde, die Michi unterstützen; das waren sehr wenige. Als Michi dies bemerkte,
gefiel ihm das gar nicht. Er musste sich etwas neues ausdenken, damit sein Talent geschätzt würde. Aber dies war nicht so leicht, wie es sich anhörte. Schließlich hatte er für neue Geschichten keine Ideen mehr und es bestand auch die Gefahr, dass wieder unwissende Tölpel sein Können nicht anerkannten. Er fragte seine wenigen Freunde, ob sie eine Idee hätten, aber keiner wusste einen Rat. Einer jedoch zitierte eine berühmte Persönlichkeit. Michi war begeistert und fragte sofort nach, von wem er diese weisen Worte habe, doch sein Freund wusste es nicht. Da traf es Michi wie früher der Ball beim Fußballspielen. Diesmal jedoch hatte er nach dem
Aufprall keine Linien im Gesicht. Er rannte sofort nach Hause und fragte seine Eltern nach sehr alten Büchern. Seine Eltern wunderten sich zwar, gaben sie ihm aber, weil sie Angst vor einer weiteren Vorstellung der größten Trommelfellgefahr hatten. Michi blätterte die Bücher durch und schrieb sich mal hier und mal da einen Satz raus, manchmal sogar ganze Passagen, und setzte seinen Namen dadrunter. Diesmal gab es nur sehr wenige, die seine Kunstwerke angriffen, bis einem hübschen Mädchen eine Passage bekannt vorkam. Sie fragte den kleinen Michi, ob dies nicht aus einem alten Buch wäre, woraufhin er vor Wut explodierte und sie
anschrie, dass jedes seiner Werke ein von ihm eigenhändig verfasstes Meisterwerk wäre, und so eine ungebildete Person es nicht wagen sollte ihn zu beleidigen, da er sonst seinen großen Freund ruft, der sie dann verhauen würde. Das Mädchen ging weg. Am nächsten Tag stand es aber bei Michi vor der Haustür und zeigte ihm die Stelle in dem Buch. Michi war still geworden. Er entschuldigte sich sofort bei dem Mädchen und versuchte sie zu einer warmen Milch und Kekse einzuladen, aber das Mädchen zeigte ihm den Vogel und ging wieder.
Nach diesem Ereignis stellte Michi seine Abschriftkünste wieder ein. Die Gefahr
wurde zu groß, dass er als Idiot hingestellt würde. Aber glücklicherweise bekam er neue Ideen. Nur wollte keiner mehr von ihm etwas lesen. Er wusste sich nicht zu helfen und so ging der einzigen Beschäftigung nach, die er neben dem Schreiben kannte, den Tauben beim Autozuscheißen zuzusehen. Es beruhigte ihn zu sehen, dass es den Vögeln so gut ging. Er machte sich immer Sorgen, dass sie zu wenig essen würden, weshalb er Körner über die Autodächer streute. Eine gesunde Ernährung ist schließlich ein Muss für jeden Vogel. Auf dem Rückweg von einer seiner Vogelbeobachtungen kam er auf dem Marktplatz vorbei und sah, wie eine
nette Dame dort die Tauben fütterte. Er selbst hatte auch noch ein wenig Futter über und so stellte er sich zu ihr hin und gemeinsam warfen sie den Vögeln das Futter zu. Nachdem er keines mehr hatte, wollte er schon gehen, als ihm die Dame sagte, dass sie gerne ein anderes Mal gemeinsam wieder die Vögel füttern könnten. Der kleine Michi versprach, dass er die nächsten Tage wieder vorbeikommen würde und rannte weg.
Auf dem Nachhauseweg dachte er noch einmal über das Angebot der Dame nach und empfand es als angenehm etwas mit einer anderen Person zu machen. Da kam ihm auch gleichzeitig die Lösung für sein Problem. Wer liest schon nicht gerne
Sachen, wo viele Leute sich beteiligt haben? So fragte er ein paar Freunde, ob sie mit ihm zusammen was schreiben würden. Viele machten mit, während einige wegen Zweifeln an ihrem Können ablehnten. Als er dann einiges zusammen hatte, sammelte er alles ein, ging zum nächsten Buchhändler und wollte es dort verkaufen lassen. Doch keiner wollte sein Buch im Geschäft haben. Sie haben auch nicht nachgegeben, als Michi seine Weinarien von sich gab. Es sah beinahe schon so aus, als müsste Michi aufgeben. In diesem Moment kam ein Mann im Anzug zu ihm und sagte, dass er in seinem Geschäft Michis Bücher zum Verkauf auslegen würde, wenn Michi ihm
ein wenig dafür bezahlt. Michi, der an den Erfolg seiner Meisterwerke glaubte, lief nach Hause, knackte sein Sparschwein, überzeugte seine Eltern durch eine Sintflut ihm zusätzlich Geld zu geben und rannte, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, zurück zum Geschäftsmann. Der sah sich den Betrag an, legte dem kleinen Michi einen kurzen Vertrag vor, in dem stand, dass er Michis Bücher in seinem Geschäft verkaufen werde, und ging mit den Büchern und dem Geld weg.
Michi war so glücklich. Endlich hatte er seinen großen Durchbruch. In jedem Haus würden nun seine Bücher zu finden sein.
Ein paar Tage später fuhren Michi und seine Eltern in die Großstadt. Während sie so durch die Straßen gingen, fiel dem kleinen Michi das Cover seines Buches ins Auge. Er zerrte an seinen Eltern und wollte ins Geschäft rein. Völlig genervt gingen die Eltern darauf ein und Michi rannte hinein. Als er diese riesige Auslage mit seinen Büchern sah, war er zu Tränen gerührt. Vor ihm nahm gerade einer der Kunden eines seiner Bücher mit. Michi rannte sofort hinter ihm her und fragte voller Begeisterung, ob er es signieren solle. Der Mann sah ihn irritiert an und sagte lachend, dass er für sein Klopapier keine Unterschriften
bräuchte.