Dies ist ein weiteres Kapitel aus meiner Romantrilogie "Dithmarscher Sushi", die man im Buchhandel bestellen kann- weitere Texte findet Ihr unter meinem Account---> und gleubt bitte nicht, das Dithmarscher Sushi ein Kochbuch ist!
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Mir wurde noch etwas mulmiger, aber ich saß wie ein Vogel im Käfig, mit ähnlichen Aussichten wie ein Hähn-chen in der Imbisshalle.
Immer mehr Schaulustige kamen ins Lokal. Offensichtlich hatte sich herumgesprochen, welche Quote gegen mich stand. Und damit für meine Verurteilung.
Einige waren wohl auf meiner Seite, mit viel Gegröle warfen sie mir sogar Essen zu: matschige Tomaten, müffelnde Eier und schon etwas schwarze Bananen.
Zureichen war ja wohl auch nicht möglich, ich hing ja unter der Decke.
Andere wiederum machten ähnlich ermutigende Ges-ten wie die Landsknechte.
Bei den Buchmachern entstand Gedränge und Geschrei. Was ich dazu nutzte, einem Bekannten ein Paar Euronen zuzuwerfen:
„Setz auf mich!“
Der Bekannte grinste schief, kratzte sich am Kopf, blickte mich zweifelnd an und schob sich durch die Menge der anderen Wettenden. Als er seine Wette löste, ging ein lautes Gelächter durch den Saal.
Mir wurde immer mulmiger zumute.
Dann ließ man mich mit meinem Vogelkäfig von der Decke herunter und zerrte mich zum Richtertisch.
„Voss, du wirst beschuldigt und für äußerst schludrig befunden. Schämst du dich auch fix?“
„Joh, Herr Richterbüttel, fix. Ich hab mich schon sehr gebessert!“ Mit treuherzigem Augenaufschlag schaute ich den Richter an.
Der musterte mich mit kalten Augen – so, wie man etwa ein Schnitzel ansieht, dem man gleich zu Leibe rücken will.
„Mal sehen, was wir hier haben. Du hast also in deiner Kneipe etwas verkauft, das sich ‚Dithmarscher Sushi’ nennt.“
„Jo.“
„Das Zeug soll grausam schmecken! Was ist drin?“
„Also, das ist ein Betriebsgeheimnis. Und außerdem ist der Sushi nur für Männer. Ãœberhaupt hat Kool den er-funden.“
„Kool? Wo ist der Lump?“
Alle sahen sich um. Einige tasteten nach ihren Geldbeuteln. War der Geldbeutel weg, war Kool zumindest in der Nähe gewesen.
In diesem Moment wünschte ich mir meinen Leib- und Magenfreund weit, weit weg.
„So, wieso hat Kool den ‚Dithmarscher Sushi’ erfun-den? Und wozu, wenn man von der Beseitigung ungenießbarer Abfälle absieht?“
Der Richterbüttel blätterte in den Aktenstücken.
„Kool hatte Angst um seine Manneskraft. Und der Sushi sorgt nun man für erhöhte Testosteronwerte: Radrennsportler können unseren Sushi essen und danach die ‚Tour’ vergessen! Wegen der Dopingkontrollen.“
„Ob Kool das frisst oder nicht, ist ja egal. Du unter-stellst da doch unzweifelhaft, dass die Dithmarscher Männer keine Manneskraft mehr hätten!“
„Hab’ ich nicht!“
Unter den Zuschauern entstand ein Tumult.
„Blasphemie!“
Der Richter trommelte mit seinem Hammer laut und übertönend in den Lärm hinein.
„Ruhe! Da kommt noch mehr!“
Die Menge schwieg.
„Außerdem hast du in deiner Kneipe den Frauen etwas zu essen angeboten, das angeblich bei ihnen inner-halb von fünfzehn Sekunden einen Orgasmus auslöst!“
„Den ‚Dithmarscher Quersushi’.“
„Genau. Und dein Kumpel Kool nutzt das weidlich aus!“
„Na ja ...“, versuchte ich die Wogen zu glätten, „so ganz stimmt das nicht ...“
Erst jetzt begriff ich den ganzen Ernst der Situation. Ich hatte mir damit tatsächlich auf einen Schlag bei beiden Geschlechtern erbitterte Todfeinde gemacht.
„Und weiter!“ ließ der Richterbüttel nicht locker.
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und schrie laut:
„Was soll ich denn dabei machen, dass ganze Heerscharen von Kerlen den Sushi bei mir fressen wollen! Weil irgend so ein Spinner von der Zeitung behauptet, das würde die Potenz heben! Und die Damen kamen doch auch freiwillig!“
Ein echter Höllentumult brach aus. Von den Rängen und Logen wurde ich mit Unrat beworfen, alles schrie durcheinander. Die Buchmacher gerieten angesichts der Menge von entgegengehaltenen Geldbündeln in geschäftige Panik.
Der vorsitzende Richterbüttel drückte auf die Hupe. Der Lärm lies sofort nach, die Buchmacher nahmen jetzt keine Wetten mehr an.
„Wie gut für dich, dass bei uns die Strafe schon feststeht, bevor man die Untat begangen hat! Sonst müsste ich dich noch schwerer bestrafen ...!“
„Und was kriege ich nu aufgebrummt?“
Der Richter zog eine Karte vom Urteilskartenstapel:
„Folter“, las er vor, „Streckbank, Ohren ab, Zunge raus, Eier ab. Zum Schluss Kopf runter und Scheiterhaufen für den Rest. Deinen Kopf werden wir auf eine Stange stecken und durch alle Gegenden Dithmarschens tragen. Zur Abschreckung für alle anderen, die unsere Manneskraft lächerlich machen!“
„Nur, weil ich Sushi verkauft habe?“
„Pft!“ machte der Richter, zusammen mit einer wedelnden Bewegung. Als ob man eine Fliege verscheucht. „Die Urteilskarten haben immer Recht! Wo kämen wir denn sonst hin?“
Der Richterbüttel schob die Urteilskarte unter den Stapel, von dem er sie gezogen hatte.
„Können wir darum würfeln?“ fragte ich hoffnungs-voll.
„Na klar, das steht jedem Delinquenten zu. Doppelt oder nichts?“
„Watt sonst!“
Aus meiner Hose holte ich meine drei Würfel, formte beide Hände zur Hohlkugel und mischte.
Kullernd flogen meine Sonderfälschungen über den grün bespannten Spieltisch und lagen dann still.
Achtzehn, drei Sechser.
Der Richter brummte unwillig und nahm seine Würfel, Modell „Justitia“, aus einer Schublade.
Deutlich war das Konterfei der Gerechtigkeitsgöttin auf der kleinen Schachtel zu erkennen: Ein Auge blind, das andere blau geschlagen, in der einen Hand die Würfel, in der anderen den Geldsack.
Mit einem geschickten Wurf, dessen Beherrschung einen Großteil der Richterausbildung ausmachte, ließ er die Würfel ebenfalls über den Tisch rollen.
„Max Eins! Das mach erst mal nach!“ grinste der Richter.
Die Situation wurde brenzlig für mich. Max eins sind drei Einsen, was neunzehn Punkten entspricht. Er hatte damit mein Ergebnis um einen Punkt überboten.
Seine Würfel waren natürlich die Anfertigung für Richter, ebenso gefälscht wie meine.
Es durften Spielwürfel nur von der Bundesanstalt für Geld, Moneten und Bestechungsgelder hergestellt werden, und Richterwürfel wurden nur an Richter ausgegeben. Das machte man schon aus Gerechtigkeitsgründen, damit die Urteile auch Bestand hatten. Fälschungen kamen so gut wie nie vor, es stand auf jeder Verpackung drauf: „Wer Würfel nachmacht, wird zum Würfel gemacht!“
Der dusslige Kerl wurde abgekocht, und aus allen geeigneten Knochen wurden Würfel geschnitten, natürlich nur Modell „Justitia“. Aus den Röhrenknochen der dämlichen Kerle macht man Blockflöten.
Was mit dem Rest des Kerls passierte, war eines der immer wieder an den Lagerfeuern erzählten Märchen von den Menschen fressenden Dithmarschern.
Aber diese Angewohnheit kam mit der Erfindung der immer kleineren Handys aus der Mode. Da einige Dithmarscher enorm verfressen sind, klingelte es von Zeit zu Zeit bei den Jungs im Bauch.
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„Was man sich für einen merkwürdigen Scheiß zusammenträumen kann“ dachte ich noch.
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Inzwischen hatte ich gewürfelt. Wieder eine Achtzehn.
Grinsend nahm der Richter seine Würfel in die Hand und ließ die Dinger über den Tisch rollen.
Im rechten Moment gab ich dem Spieltisch einen kräf-tigen Stoß mit der Hüfte. Seine Würfel konnten den Schubs nicht so recht vertragen.
Ich stellte den umgeworfenen Tisch wieder auf die Beine, half dem erschrockenen Richter auf seinen Stuhl und grinste frech.
Wobei ich auf seine am Boden liegenden Würfel wies: „Das sind nur zwölf, Büttel, wenn du so weitermachst, gewinnst du nicht!“
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