Humor & Satire
Der perfekte Bärenschuss

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"Der perfekte Bärenschuss"
Veröffentlicht am 25. November 2010, 24 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Der perfekte Bärenschuss

Der perfekte Bärenschuss

Beschreibung

Leidensweg eines ambitionierten Hobby-Tierfotographen, dass perfekte Bild eines kanadischen Schwarzbären zu schießen.

Endlich konnte die Reise nach Kanada, ins Land der Abenteurer und Pioniere, losgehen. Eigentlich noch nicht so richtig, erst musste ich noch die über fünf langweiligen Stunden Zugfahrt bis Frankfurt hinter mich bringen. Durfte man keinem erzählen; über 1000 € für den Flug ausgeben und dann zu geizig sein, um ein paar Euro mehr für den ICE anzulegen.

Dem Langeweiletod gerade noch entronnen, lag nach dieser Tortur schon die nächste schwierige Hürde vor mir: Der Flughafen. Check-in erledigt und auch die große Reisetasche war aufgegeben, ohne das dabei nennenswerte Komplikationen auftraten. Im Handgepäck befand sich aber meine komplette Fotoausrüstung - mitsamt den hundert Filmen, die ich mir mühsam im Internet möglichst günstig zusammengekauft hatte - woraus sich das Problem ergab. Man hatte ja mal davon gehört, dass die Röntgengeräte an den Flughäfen einen Film quasi schon „entwickeln“ würden. Ich hatte zwar keinerlei Vorstellung davon, wie das ohne Entwickler und die anderen, dazu notwendigen Flüssigkeiten vor sich gehen könnte, aber man sollte ja schließlich auch nicht allzu oft zwecks Röntgen zum Arzt gehen! Klingt logisch, musste also etwas dran sein. Dann wären nicht nur mehrere Hundert Euro für die Katz, wie sollte man anschließend herausbekommen ob dann alle Filme hinüber waren? Oder nur ein paar? Vielleicht auch gar keiner? Deshalb legte ich mir für den netten Menschen am Röntgengerät schon mal eine hochwissenschaftliche Ausrede parat, warum die Filme nicht dadurch dürften.

Das mit dem netten Menschen hatte sich allerdings schon während des Stehens in der enormen Warteschlange erledigt. Und so, wie dieser stark untersetzte, bärtige Zollbeamte die Taschen auf das Laufband vor dem Röntgenkasten knallte, war er augenscheinlich nicht sonderlich gut gelaunt, was ihn sicher auch nicht gerade empfänglicher für meine wissenschaftliche Argumentation machte. Ich musste wohl meine Taktik ändern, hatte auch noch zehn Leute in der Schlange vor mir, bekam aber leider in dieser Zeit nicht den geringsten Anflug einer geeigneteren Idee.

"Hamm`s Waffen, Sprengstoff oder andere War'n dabei, de's deklarier'n müss`n?"

Oh Gott, auch noch einer aus diesem diebischen norditalienischen Bergvolk. Ein schlechtgelaunter Bayer prallt auf einen vorlauten, sturen Norddeutschen, mein Glück war mir hold. „Und wenn ich meine Pistole und die Dynamitstangen vorher deklariert hätte, wäre alles in bester Ordnung?“, sprach die Frage aber vorausschauend auf das Wohl meiner empfindlichen Filme nicht aus, obwohl sie mir schon regelrecht über den Zungenrand waberte.

"Um Gottes willen, nein, keine Waffen! Halt nur die üblichen Fotofilme, die ja nun mal verständlicherweise nicht durch das Röntgengerät dürften."

Ich zog sofort hektisch die Plastiktüte mit den Filmen aus der Tasche und drückte sie abwehrbereit an meine Brust.

"Warum net?", blaffte mich der kleine, dicke und uniformierte Mann unheimlich freundlich an.

"Na wegen der Röntgenstrahlen!"

"Wieso?"

"Na weil die die Filme entwickeln, weiß doch jeder."

" Mia san doch koa Atommeiler!"

"Hab das doch aber schließlich in diesem wissenschaftlichen Fachjournal gelesen!"

Welches ich natürlich nicht ansatzweise je zu Gesicht bekommen hatte. Lediglich ein paar Freunde hatten mir „mal“ erzählt, dass sie darüber „mal“ etwas im Fernsehen mitbekommen hätten. Und warum sollten die schließlich Unwahrheiten verbreiten?

" Des is vielleicht bei eich dro'm in Preißen so, bei uns ned! "

Dachte immer, dass für die Bayern alles nördlich ihrer Landesgrenzen schon Preußen wäre, also hier in Frankfurt auch schon, fand es aber gerade unangebracht, das jetzt auszudiskutieren.

" Schließlich könnt in dene Filmroll'n ja überall terroristischer Sprengstoff drin sein und des mias ma hoid überprüf'n. Woss moanans, für woss mia do san vom Zoll?  "

Wie unterscheidet man denn terroristischen von nicht-terroristischem Sprengstoff? Haben sich etwa ohne mein Wissen alle Sprengstoffhändler in den Supermärkten zusammengeschlossen und deklarieren ab sofort ihre Verpackungen nur noch als „Sprengstoff – ausschließlich für den terroristischen Einsatz verwendbar“ und „Sprengstoff – für alles und jeden“? Dieser unheimlich logischen Argumentation hatte ich konkret nichts entgegenzusetzen und erwiderte deshalb freundlich und sehr sachlich:

" Ich sehe ja nun, verdammt noch mal, mit meinen blonden Haaren und den Sommersprossen nicht gerade aus wie der Zwillingsbruder eines irakischen Topterroristen, oder? Und auch die wenigsten Terroristen haben ja wohl in ihrem Reisepass den urislamischen Vornamen Norbert stehen! Deshalb könnte man ja wohl eben mal ein paar der Plastikdosen öffnen, um nachzusehen, ob sich darin Filmrollen oder terroristisch angehauchter Sprengstoff befindet!"

Was ich für einen konstruktiven Vorschlag hielt, der selbst einem hinterwäldlerischen Bazi wie diesem hier einleuchten sollte.

" Papperlapapp, bei uns gibts koane Ausnahmen net ", ging er ebenso „konstruktiv“ und schon etwas wütender als zuvor auf meinen Vorschlag ein.

" Sie kennan aber gern ois Freiwilliger an unserer intensiven Untersuchung füa Terrorverdächtige in unsre abgeschlossnen Räumlichkeiten mitmacha?", stellte mir der freundliche Zollbeamte postwendend die erneut konstruktive Gegenfrage zur Diskussion.

Schwupps lagen die Filme wieder an ihrem Platz in der Tasche, welche dann unverzüglich den Röntgenkasten passierte, und schon fünf Minuten später saß ich in meinem Sitz im abflugbereiten Flieger. Die vorwurfsvollen Blicke der anderen Passagiere, die scheinbar etwas auf den letzten Zusteiger mit unvorhergesehenen Problemen am Zoll hatten warten müssen, ignorierte ich selbstbewusst.

Nachdem ich mich etwas mit dem Gedanken „angefreundet“ hatte, dass ich jetzt 100 x 36 wunderschöne Fotos von kanadischen Bären und Elchen schießen würde, unzweifelhaft in der geeigneten Güte für die Hochglanzcover von „Geo und Nature“, die ich nur leider niemals würde entwickeln lassen können, schlief ich unverzüglich im zu engen und unbequemen Sitz der Economy Class ein und wachte erst wieder auf, als wir für den Zwischenstop Calgary in Alberta erreicht hatten. In der Flugbeschreibung tauchte dieser Zwischenstop zwar seltsamerweise nicht auf, aber vielleicht hatten wir ja einen Terroristen an Bord, der uns mit arglistigen Filmdosen in die Luft sprengen wollte.

Der Weiterflug nach Vancouver dauerte nur noch eine kurze Stunde, wobei es aber nicht den Hauch eines Hinweises darauf gab, warum der Zwischenstop überhaupt eingelegt wurde. Immerhin konnte ich jetzt behaupten, auch in Calgary, der Cowboy-Hochburg Kanadas, gewesen zu sein und überlegte schon an ein paar passenden Geschichten für die Heimat herum. Dass ich keinen Zeh, geschweige denn einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatte, musste ich ja nicht unbedingt erwähnen.

In Vancouver erwartete mich bereits Frank am Flughafen, was mich positiv überraschte, da man Zuverlässigkeit nicht gerade zu seinen Stärken zählen konnte. Frank war vor wenigen Jahren, in einer Nacht- und Nebelaktion, mitsamt Familie und Hund nach Kanada ausgewandert und hatte sich in dem recht neuen Resort Sun Peaks niedergelassen, welches ein reicher Japaner mitten in der Natur aus dem kanadischen Boden gestampft hatte. Obwohl es bis dorthin für kanadische Verhältnisse nur ein Katzensprung war, ca. 450 km, die Katzen waren hier halt etwas größer, entschlossen wir uns kurzerhand, den Weg erst am nächsten Tag in Angriff zu nehmen.

Aufgrund eines Mischmaschs aus Jetlag, meinen ersten kanadischen Bieren der Marke Canadien und einer großen Verwirrung, die diese Millionenstadt in mir verursachte, hatte ich am nächsten Morgen nur noch eine schemenhafte Erinnerung an meine ersten Schritte in meinem Traumland. Man sollte nicht unbedingt mit einem alten Bekannten eine neue Großstadt erkunden, noch dazu, wenn der sich sein Geld zuvor in Deutschland als Kneipier verdient hatte. Dass dabei die kulturellen Aspekte nicht gerade im Vordergrund standen und der Abend nicht in einem Theaterbesuch endete, war insofern eher wenig überraschend. Mein Hauptaugenmerk in den Monaten hier sollte ohnehin mehr auf der Fotografie und der Landschaft liegen, und die folgende Autofahrt im riesigen Pick-up durch British Columbia, vom Pazifik bis in die Ausläufer der Rocky`s, sollte mir schon erste Eindrücke von der überraschend großen Vielfalt der kanadischen Landschaften liefern. Aus dem milden Klima Vancouvers mit Fjordlandschaft und Regenwäldern direkt in die schneebedeckten Coast Mountains, durch den, sommers wie winters, semimontanen Touristenmagnet Whistler über wüstenähnliche Regionen wie Lilioet und das immer noch sehr trockene und hügelige Kamloops bis in die Ausläufer der Rocky`s, in denen Sun Peaks knapp unterhalb der Baumgrenze lag. WOW, das musste mir jemand auf nur 450 km erst einmal in Europa zeigen. Aber auch meine Vorstellungen von Kanada lagen eher in dem Bereich: überall Wald, unzählige Seen und Bären, Bären, Bären. Erstklassiger Wein, Wüsten und Regenwälder kamen mir bei dem Begriff Kanada eher weniger in den Sinn. Enttäuscht war ich deshalb aber keinesfalls, vor allem, weil ich auf dieser Fahrt schon meine ersten drei Bärensichtungen hatte. Leider unbrauchbar für den perfekten Schuss, da zu weit weg oder aus dem fahrenden Auto.

Sun Peaks selbst machte dann auch genau den Eindruck auf mich, wie ich ihn erwartet hatte. Nur noch viel schlimmer! Ein Retorten-Resort wie aus dem Buche. Komplett in ein zuvor vollständig bewaldetes Tal gepflanzt, wobei auch die Hänge bis weit hinauf nicht verschont wurden. Der Ortskern bestand ausschließlich aus Hotels, Restaurants und Einkaufspassagen, umgeben von Wohnsiedlungen und Pensionen, die teilweise direkt in die Hänge gebaut waren und noch wurden, mit höchstens fünf Metern Abstand zum Wald, und zentral gelegen der bisher größte Lift des Resorts. Dazu die vielen Skiabfahrten, die als überdeutliche Schneisen in die Wälder an den Hängen geschlagen wurden, und ein großzügig angelegter Golfplatz. Halt Retorte pur und von gewachsenem Ort keine Spur. Das war mir im Moment aber egal. Ich saß gemütlich auf dem Balkon von Franks Hanganwesen, blickte zwar auf die hässlichen Schneisen am gegenüberliegenden Berg, war aber in Kanada und nicht in Österreich und das reichte. Nur die extrem großen Hummeln, die hier überall rumschwirrten, störten mich etwas. Dass mir eine davon haarscharf am Kopf vorbeisauste veranlasste mich schließlich zu einer diesbezüglichen Nachfrage bei Frank.

" Das sind Hummingbirds, die gibt’s hier überall", gab`s die kurze, fachliche Auskunft.

Also keine Riesenhummeln sondern Kolibris, hmm. Kolibris in einem kanadischen Skiresort, hmm. Dass man mit einem Grizzly zusammengestoßen war, ließe sich bestimmt vortrefflich in der Kneipe oder beim Fotoabend erzählen! Aber dass einem ein Kolibri gegen den Kopp geknallt ist? Nicht so „kanadisch“ und schon gar nicht abenteuerlich!

Der triste Anblick der sommerlichen Skihänge hatte wenige Tage später jedoch auch etwas Positives. Von meinem Balkon aus konnte ich beobachten, wie eine Bärenmutter mit drei Jungen im Schlepptau dort umherwanderte. Skihang – Waldstück – Skihang. Das sagte mir, irgendwann mussten die vier auf der anderen Seite mal wieder herauskommen. Also Stativ und Fotoausrüstung hurtig ins Auto und rübergerast, taktisch gut positioniert und auf den perfekten Schuss gewartet. Und so stand ich da, eine halbe Stunde, eine Stunde ... Wie lange konnte es dauern fünfzig Meter Wald hinter sich zu bringen?

Was aber dann geschah, konnte der Begriff abenteuerlich nicht wirklich gut beschreiben, saugefährlich traf es eher! Keine fünf Meter vor mir trat ein riesiger, einzelner Schwarzbär aus dem Wald! Endlich kannte auch ich das Gefühl des „in die Hose machen müssens“. Man wusste ja, dass man in solchen Situationen ruhig bleiben sollte und Weglaufen löst Jagdtrieb aus usw. Aber ehrlich gesagt, mein Hirn tendierte mehr zum Weglaufen. Zum Glück war ich dazu momentan gar nicht fähig, sondern stand einfach nur völlig versteinert hinter meinem Stativ - was ich später in der Heimat natürlich als ausgeprägte Coolness beschreiben würde. Diese Coolness hatte in diesem Moment aber ausschließlich der Bär, schaute mich einmal gelangweilt an und trottete anschließend langsam und behäbig an mir vorbei. Ich verfluchte derweil die Fotografie. Mit einem langen Teleobjektiv und äußerst zittrigen Händen war es so gut wie unmöglich, auf solch kurze Distanz auf den Bären scharfzustellen, was unweigerlich zur Folge hatte, dass man auf den späteren, verwackelten Bildern allerhöchstens einen Touristen auslachenden Bären erkennen konnte.

Ziemlich deprimiert saß ich anschließend wieder auf meinem hummelumschwirrten Balkon und lehnte deshalb das Angebot von Franks Frau Anna ab, sie auf einem Spaziergang mit den Hunden zu begleiten, was ich sonst immer sehr gerne getan hatte. Nach ihrer Rückkehr war ich allerdings noch sehr viel deprimierter. Sie hatte die Bärenmutter mit den drei Jungen nicht nur gesehen, sie war ihnen auch noch mitten im Ortskern begegnet, was für originelle Fotos optimal gewesen wäre. Eine Erzählung Franks gab mir an diesem Nachmittag dann noch den Rest. Erstmals hatte ich ihn nicht auf den Golfplatz begleitet und er berichtete mir danach freudestrahlend, dass dort über Stunden ein Schwarzbär auf einem Baum gesessen hätte. Mist, die Sache mit meinem Bären stand an diesem Ort wohl unter keinem guten Stern. Ich musste hier weg! Leider konnte ich mich da auf die Begleitung Franks nicht verlassen, so wie es eigentlich mal geplant war, denn Frank war nicht gerade der typische Auswanderer! Andere wanderten aus Deutschland aus, um woanders ein besseres, ruhigeres Leben zu finden, mit mehr Zeit für Familie und das Leben an sich. Nicht so Frank, der schon in Deutschland nicht gerade der Ruhigste und eher nervös und ständig umtriebig war. Und hier hatte sich das noch um ein Vielfaches verstärkt. Er hatte scheinbar vor, in den nächsten zehn Jahren Millionär zu werden und sich dann erst etwas mehr den eigentlichen Zielen eines Auswanderers zu widmen, leider dann sicher mit mehreren Bypässen. Nach hartem Kampf konnte ich ihm schließlich doch die Zeit abringen, mich in die nächste, größere Stadt mit Namen Kamloops, immerhin eine Stunde Fahrt, zu einem Gebrauchtwagenhändler zu begleiten. Zähe Verhandlungen erübrigten sich dort recht schnell, da es nur einen einzigen überhaupt akzeptablen Wagen in meiner Preisklasse gab. Und schon kurze Zeit später war ich der mäßig stolze Besitzer eines alten Toyota mit zweihunderttausend Meilen auf dem Tacho.

Am nächsten Tag ging es sofort los auf eine Tour durch die bekanntesten Parks der Rocky`s. Und schon im ersten Park, dem Yoho-Nationalpark, kamen mir ernste Zweifel, ob diese Tour die richtige Entscheidung gewesen war. Jeder Rastplatz und Aussichtspunkt war mit Bussen überfüllt. Auch nicht ein Tier ließ sich blicken, was aber wenigstens ein bisschen durch die Beobachtung der seltsamen Verhaltensweisen der japanischen Touristen und deren Dompteure ausgeglichen wurde. Die Touristenführer versuchten tatsächlich, mit farbigen Schildchen ihre eigene Gruppe zu identifizieren und mit Trillerpfeifen im Minutentakt von einem Aussichtspunkt zum anderen und anschließend wieder zurück zum Bus zu dirigieren. Das hätte auch durchaus klappen können, wenn nicht alle Touristenführer zeitnah auf die gleiche Idee gekommen wären. So war es einfach nur ziemlich laut und unheimlich chaotisch, wenn auch bis zu einem gewissen Maße erheiternd, aber irgendwann vermieste es mir den Naturgenuss doch völlig. Ich musste schnell weg von diesem japanischen Überfallkommando. Leider war abzusehen, dass die Touristenzahl in den nächsten Parks sicher nicht abnehmen würde, da der Yoho eher einen kleineren und unbekannteren Park darstellte. Aber sehen wollte auch ich ein wenig von den Wundern der Rocky`s und musste deshalb diesen „Naturstress“ wohl über mich ergehen lassen.

Schon nach wenigen Kilometern des weiteren Weges fing es stark an zu regnen, was einerseits den Vorteil hatte, dass im nächsten Nationalpark die Zahl der Touristenbusse schon deutlich abgenommen hatte, andererseits aber das Licht zum Fotografieren nicht gerade besser machte. Zu meinem Leidwesen war es nicht vorauszusehen, dass es die nächsten sieben Tage nicht mehr aufhören sollte zu regnen. Und so kämpfte ich mich von einem matschigen Zeltplatz zum Nächsten, schlief aber ab dem vierten Tag nur noch unbequem im Auto, da ich ohnehin kaum noch etwas Trockenes besaß und das abendliche Lagerfeuer im Dauerregen nicht mehr allzu romantisch und abenteuerlich war. Dass ich etliche Bärensichtungen hatte, leider gerade immer dann, wenn der Regen am stärksten war, was ein gutes Foto natürlich unmöglich machte, überraschte mich nicht mehr wirklich. Ich hatte mich daran gewöhnt. Je weiter ich nach Norden kam, desto mehr ging der Regen sogar, mitten im Hochsommer, in Schnee über. Das bewog mich letztendlich dazu, nach einer kurzen Übernachtung in Jasper den Rocky`s den Rücken zu kehren.

Noch sehr früh am nächsten Morgen hatte ich der Kernregion der Rocky`s dann bereits den Rücken zugekehrt. Leider hatte der Regengott der Rocky`s meinen Trick durchschaut, reagierte etwas mimosenhaft und weitete den ihm vom kanadischen Olymp zugeteilten Zuständigkeitsbereich ganz einfach ein wenig geografisch aus. Ich machte gerade an einem See Frühstückspause, aber durch den Nieselregen und die Bewölkung war es noch so trübe und dunkel, dass man gar nicht glauben konnte, dass die Uhr schon späten Vormittag anzeigte.

Keine zehn Meter von mir entfernt tauchte plötzlich ein halbwüchsiger Schwarzbär aus dem Wald auf. Er machte keinerlei Anstalten, dort schnell wieder unterzutauchen. Ich hatte die Schnauze voll, legte mein gerade fertiggewordenes Frühstück hektisch beiseite und tat etwas, was man keinesfalls tun sollte. Jeder normal denkende Mensch käme nicht einmal ansatzweise auf solch eine irrsinnige Idee, ein äußerst deprimierter Hobbyfotograf nach sieben Tagen Dauerregen in den Rocky`s leider doch. Ich brachte mein externes Blitzgerät an der Kamera an und rannte dem Bären hinterher! Fälschlicherweise ging ich davon aus, dass solch ein „Halbwüchsiger“ ja wohl kaum gefährlich werden konnte, was natürlich in Wahrheit geradezu ein lebensgefährliches Unterfangen war. Ich kam bis auf fast fünf Meter an ihn heran und machte ein paar Bilder mit der vollen Power meines Blitzes, bevor ihn dieses „Gewitter“ nach kurzer Zeit wieder in den Schutz des Waldes vertrieb. Wenn Bären denken konnten, mochte ich in diesem Moment nicht wissen, was er gerade von mir gedacht hatte. Später stellte sich heraus, dass dies meine mit Abstand schlechtesten Bärenbilder unter all den schlechten Bärenbildern darstellten. Sie waren nicht einmal annähernd als scharf zu bezeichnen und zusätzlich leuchteten die Augen des Bären durch den Blitz wie die eines Monsters aus einem schlechten Horrorfilm. Im Nachhinein bin ich darauf ganz sicher nicht stolz, habe damit aber wohl immerhin etwas Einmaliges unter den Tierfotografen geschaffen, da bestimmt kein „echter“ Tierfotograf so dämlich wäre, im Dauerregen und Halbdunkeln mit Blitz hinter einem Bären herzurennen.

Ich habe in den Monaten hier in meinem Traumland noch sehr viele, sehr gute Fotos von Landschaften und Tieren gemacht jedoch kein einziges gutes und schönes Foto von einem Bären, obwohl ich weit mehr als fünfzig Sichtungen hatte. Und ganz nebenbei, alle Filme hatten den gefährlichen Röntgenstrahlen der Flughafenkontrolle tapfer wiederstanden.



 

 

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Quatscha

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NilsPeters Da hast DU aber viel Glück gehabt, mit deinem jungen Bären- wenn Du an einen unleidlichen gerätst, reagiert der aufs Photo wie weiland der Prinz von Hannover.

Gruß Nils
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