1. Kapitel
„ Ich soll nach Rabenfels reisen, dort einen Gegenstand kaufen und ihn nach Elerebon, die Hauptstadt des schwarzen Reiches bringen, um ihn dort einer Kontaktperson zu übergeben?“
fragte Fred noch einmal nach.
„ Der Witz an der Sache ist, das der Mann in Rabenfels den Gegenstand nicht verkaufen will.“ ergänzte der müde dreinblickende Alfonso.
Fred strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„ Das ist Wahnsinn, soll dein Klient einen Dieb schicken.“
„ Er hat darauf bestanden, dass der Gegenstand erworben wird.“ hielt Alfonso dagegen.
„ Man kann keinen Gegenstand erwerben der nicht erworben werden soll!“ brüllte Fred
„ Hey, du kannst ruhig leiser sprechen, ich möchte mein Trommelfell behalten.“
Ein junger Mann vom Nebentisch hatte sich herübergebeugt und Fred an die Schulter getippt.
„ Wenn ich was von dir will, spreche ich dich an und jetzt trink dir das Leben schön.“ Fred drehte sich nicht einmal zu dem Jüngeren um sondern fixierte Alfonso.
„ Das ist der Grund warum 25.000 Kaiser für den Auftrag gezahlt werden, aber wenn du ihn nicht willst...“ er ließ den Satz unbeendet
„ Du weißt genau das ich den...“ weiter kam Fred nicht, denn der junge Mann vom Nebentisch war nun neben seinen Tisch getreten und unterbrach ihn:
„ Guck mich an wenn ich mit dir rede, alter Mann.“
Fred drehte sich um, seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. Was dachte sich dieser kleine Bursche eigentlich wer er war?
„ Komm wieder wenn du dich täglich rasieren musst.“ und mit diesen Worten stand er auf, verpasste dem jungen Burschen dabei ganz zufällig einen deftigen Knuff mit der Schulter.
„ Ich suche mir eine Truppe zusammen und breche übermorgen auf, das Geld wird der Kontaktmann in Elerebon bereithalten.“
„ Halt, halt,“ Alfonso starrte ihn völlig überrascht an, „ du suchst dir eine Gruppe zusammen?“
Fred drehte sich um, warf dem Burschen noch einen bösen Blick zu und machte einen Schritt auf die Tür des „ Dreibeinigen Huhns“ zu.
„ Meine alte Truppe ist abgehauen, als ich im Gefängnis saß.“ fuhr er gelassen fort.
Fred konnte es nicht sehen, da er ihm bereits den Rücken zugedreht hatte, aber er konnte sich anhand Alfonso Stimme vorstellen das dieser gerade völlig die Beherrschung verlor und wutschnaubend aufsprang. Fred glaubte sogar, dass einige Speicheltropfen seinen Nacken trafen als Alfonso anfing zu schreien, sodass es nun wirklich die ganze Kneipe hörte:
Du nimmst einen Auftrag über 25.000 Kaiser an und hast nicht einmal einen Gruppe? Bist du wahnsinnig oder einfach nur lebensmüde, Manfred Einauge?“
Fred beachtete ihn nicht weiter, erst als er an der Tür war und sie bereits aufgestoßen hatte ließ er sich zu einer Antwort herab, bewusst das ihm die gesamte Kneipe nachschaute:
„ Ich bin der Beste! Das muss reichen!“
Lektion eins seines Vaters war gewesen: Verspreche nichts was du nichts halten kannst. Es war nicht immer klug den deftigsten Spruch den man hatte rauszuhauen, aber es kam einfach besser bei den Frauen an. Die Sonne blendete ihn und er hielt sich die Hand vor dien Augen und machte einige ziellose Schritte auf die Straße.
Er hatte sich seit mehreren Tagen nur noch notdürftig waschen können, er trug gebrauchte Klamotten, die er vor zwei Wochen von einem Totenfest geklaut hatte, hatte kaum genug Geld in der Tasche um sich ein Glas Wasser zu kaufen, geschweige denn ein richtiges Bier ( das Alfonso ihn gerade zu einem eingeladen hatte zählte nicht ), und er hatte nicht einmal eine Klinge um sich zu rasieren. Er war definitiv und absolut:
„ Im Arsch!“ fluchte Fred leise und ging langsam die Straße entlang.
Auf der Straße drängelten sich unzählige Menschen. Verschwitzte Leiber schubsten sich und versuchten sich aneinander vorbeizuschieben. Flüche, Beschimpfungen und das Wiehern von durchdrehenden Pferden zerriss die friedliche Stille der kleinen Straße. Mit tatkräftiger Unterstützung seiner beiden Ellenbogen erreichte Fred den Marktplatz auf dem gerade der Markt für heute abgebaut wurde, was allerdings nicht hieß das es nun nichts mehr zu kaufen gab: Statt Gemüse, Fisch und Brot gab es nun Händler mit glücksbringenden Amuletten, Kerzen, Umhängen und Erfrischungen. Der Handel würde vermutlich erst spät in der Nacht zum erliegen kommen. Fred ging schnurstracks auf den Brunnen zu, der als Dekoration in der Mitte des Platzes die Händlerstände überragte. Auf dem Rand des Brunnens saß ein Junge und schöpfte Wasser mit der hohlen Hand in seinen Mund. Spindeldürre Beine, eine viel zu kurze Hose, ein Hemd das dem Jungen geschätzte drei Nummern zu groß war und dreckige schwarze Haare, die so aussahen als ob der letzte der sie geschnitten hätte vorher mehrere große Humpen Bier gelehrt hatte. Ächzend ließ sich Fred neben dem Jungen auf den Brunnenrand plumpsen.
„ Willst du auch einen Schluck?“ fragte der Junge ihn, als er Fred stöhnen hörte.
„ Ist das der erste Bierbrunnen der Welt?“
„ Nein, aber...“setzte der Junge an
„ Dann will ich auch keinen Schluck.“
Der Junge ließ sich von dieser Antwort kaum beirren, er war solche Antworten über die Zeit gewohnt.
„ Wie lief es mit Alfonso?“
„Fred kratzte sich an seinem unrasierten Kinn und schloss für einen Moment die Augen.
„ Wir haben einen Auftrag.“
„ Wir haben einen Auftrag? Wir haben keine Gruppe!“ der Junge hatte aufgehört zu trinken und blickte Fred nun von der Seite an.
Fred versuchte seinen ungeduldigen Blick auszuweichen, doch als der Junge nicht locker ließ stöhnte er auf:
„ Wir haben eine Gruppe, Danny. Dich und mich und... ,wo ist Bodo?“
Danny stieß einen gellenden Pfiff aus, wovon Fred das Trommelfell klingelte. Und es dauerte tatsächlich nur ein paar Sekunden bis ein kleiner Affe hinter dem Brunnen hervorkam und flink auf Dannys Schulter kletterte. Der Junge fing an den Affen hinter dem Ohr zu kraulen und als dieser die Hand aufhielt erklärte er ihm:
„ Wir haben immer noch nichts zu essen, Bodo.“
Der Affe ließ, als er merkte das er nichts kriegen würde, den Kopf hängen und lehnte sich gegen Dannys Kopf.
„ Und das hier ist deine Gruppe?“ fragte Danny mit einem zynischen Grinsen auf dem Gesicht.
„ Ich hole mir noch ein bisschen Verstärkung.“ winkte Fred ab, schöpfte nun doch eine Hand voll Wasser aus dem Brunnen und klatschte es sich ins Gesicht.
„ Wir haben kein Geld und keine Ware zum tauschen und die meisten Leuten arbeiten nicht für einen feuchten Händedruck.“ meckerte Danny weiter, doch Fred hatte genug. Er musste sich langsam an die Arbeit machen, den in manchen Punkten hatte der Junge leider recht.
„ Stimmt, du arbeitest für noch ein bisschen weniger, oder habe ich dir schon mal die Hand gegeben,“ und bevor Danny noch etwas erwidern konnte., „ Kannst du noch die Tricks mit Bodo?“
„ Ja, aber was...“
„ Führ sie hier vor. Ich brauche bis heute Abend mindestens fünf Kaiser.“ und mit diesen Worten stemmte sich Fred in die Höhe und stand auf.
„ Wir treffen uns bei Sonnenuntergang wieder hier, Kleiner.“
„ Was willst du mit fünf Kaiser?“ rief Danny ihm noch hinterher
„ Das wird mein Startkapital.“ antwortete Fred und stürzte sich mit diesen Worten wieder ins Getümmel. Ein Wegkundiger, Einer der etwas über das schwarze Reich wusste und mindestens zwei Krieger. Ohne die müsste er die Reise gar nicht antreten. Und wieder dachte Fred an seinen Vater und an die zweite Lektion die ihm sein Vater erteilt hatte: Es gibt kein Nichts, es gibt nur ein unerhört niedriges Startkapital.
Fred war schon bald von der Hauptstraße in eine der kleineren Straßen abgebogen, auf der überfüllten Hauptstraße würde er kein Glück haben, er suchte lieber in den kleinen Winkeln.
Fred hielt sich fast immer an die Lektionen seines Vater, doch er hatte auch einige eigene Grundsätze: Arbeite nie auf leeren Magen. Oder: Ein Bier passt immer noch. Sehnsüchtig stapfte Fred an einer der zahllosen Tavernen vorbei und bemühte sich extra nicht auf die verheißungsvollen Werbeschilder zu gucken als die Tür aufflog und ein Mann auf die staubige Straße flog. Bevor er sich zweimal überschlagen hatte kam der Wirt aus der Taverne gestoben, dicht gefolgt von einem Dutzend Schaulustiger.
„ Du verdammter Säufer, jetzt mach ich dich fertig!“ brüllte der Wirt und Fred bemerkte die schartige Axt in seinen Händen, die ansonsten wohl zum Hühnerschlachten verwendet wurde.
Der Mann der immer noch am Boden kauerte sagte dazu nichts sondern beugte sich nur nach vorne und erbrach sich vor die Füße des Wirts.
„ Lässt dich in meinem Laden volllaufen und hast gerade mal ein paar kümmerlichen Fürsten in der Tasche ( Währung:100 Fürsten=1Könige, 100 Könige=1 Kaiser ). Dafür mache ich dich fertig!“
„ Und nur weil er einen Humpen heben wollte hackst du ihm jetzt den Kopf ab?“ fragte Fred skeptisch. Er stand einen halben Meter neben dem spuckenden Stück Elend und betrachtete ihn mitleidig.
„ Halt dich da raus! Er säuft den ganzen Tag, obwohl er weiß das er das nicht bezahlen kann“!“
„ Das mache ich fast jede Woche, und es könnte gerne noch öfter sein.“ Fred grinste den Wirt an und einige der Schaulustigen lachten.
„ Dann sei froh das du das noch nie bei mir gemacht hast, den sonst wärst du auch schon unter meiner Axt gelandet.“
„ Halt den Mund, du... ich hatte noch genug Geld, aber es ist irgendwie weg..., weiß ich auch nicht!“ fing der am Boden sitzende Mann an, wurde dann allerdings von einer neuen Würgattacke gepackt.
„ Lügner!“ schrie der Wirt mit hochrotem Kopf
Fred beugte sich zu dem Mann am Boden herunter und betrachtete ihn aus der Nähe.
„ Ich bringe ihn zum Bürgermeister, der wird ihn hängen lassen, wegen Diebstahl meines Bieres!“
„ Kannst du kämpfen?“ fragte Fred den am Boden Kauernden. Der Kerl war bei weitem nicht seine erste Wahl, aber wenn man nichts hatte, musste man nehmen was buchstäblich auf der Straße rumlag.
„ Ich bin der Beste! Wenn ich nüchtern bin, ist alles Pech das ich gerade den einen Humpen getrunken habe, weißt du...“ stammelte der Liegende , beendete den Satz aber nicht mehr. Er blickte noch einige Momente in die Luft und suchte nach Worten. Plötzlich fiel sein Kopf beiseite und er krachte auf die Straße. Ein tiefes Schnarchen hallte durch die Gasse.
„ Ich nehme ihn.“ erklärte Fred, der die Sache lieber schnell hinter sich bringen wollte, bevor er seine Entscheidung bedauern konnte.
„ Er soll hängen!“ kreischte der Wirt
„ Da wo ich hingehe wird er höchstwahrscheinlich auf schmerzhaftere Weise sterben als durch den Strick und du hast keinen Stress mit den Formalitäten.“
„ Formalitäten?“ fragte der Wirt vorsichtig war
„ Unglaublich viele. Du musst das ganze Geschehen erzählen, dann wird gewartet bis er wieder nüchtern ist, damit er sich verteidigen kann, wenn du Pech hast wird er sogar freigesprochen. Schrecklich die Gerichte und Hinrichtungen von heute, gib ihn mir mit. Da stirbt er schmerzhafter und einfacher.“ Fred war nun in seinem Element, hier hatte der Wirt keine Chance ihn zu schlagen, allerdings blieb ihm immer noch das ultimative Argument: Das Geld.
„ Er schuldet mir siebzehn Kaiser! Und das ist nur das, was er heute gesoffen hat.“ spie er Fred entgegen
Fred empfand plötzlich tiefen Respekt vor dem Liegenden. Er musste ihn unbedingt einmal wenn er wieder Geld hatte zum einem Kamptrinken herausfordern, das versprach spannend zu werden.
„ Wenn du ihn hängen lässt kriegst du auch kein Geld von ihm.“ wandte Fred vorsichtig ein
Er hasste das Geldargument, zumindest wenn der andere es ausspielen konnte.
Der Wirt öffnete den Mund um zu einer neune Schimpftirade anzusetzen als Fred blitzschnell nachhackte:
„ Und wenn ich wieder Geld in meinem Geldbeutel habe, werde ich ihn zu einem Wetttrinken herausfordern und zwar in deiner Kneipe. Ich sage dir jetzt schon, dass jeder von uns für zwanzig Kaiser trinken wird!“
Darauf folgte nun wirklich eine kleine Stille und Fred hielt nun auch besser den Mund, er hatte alle leeren Versprechungen die gingen gemacht und musste nun auf sein Glück vertrauen.
„ Das würde ich gerne sehen.“ erklang eine Stimme aus der Schaulustigenmenge und innerhalb eines Wimperschlages kippte die Stimmung und das gesamte Publikum grölte und redete auf den Wirt ein. Dieser konnte nun natürlich nicht mehr ablehnen. Er grummelte noch etwas und als Fred nicht sofort reagierte brüllte er:
„ Nun nimm diesen gottverdammten Säufer mit und verzieh dich von hier! Ich will dich erst wieder sehen wenn du Geld hast.“ und mit diesen Worten packte er seine Axt und stapfte in seine Taverne zurück. Nun da die Schau vorbei war verschwanden auch die Menschen wieder zu ihren gefüllten Humpen. Oh, wie sehr Fred sie beneidete.
„ Hey, du bist ab jetzt Leibwächter in meiner Gruppe und kannst mir bei einer unmöglichen Aufgabe helfen.“
Er trat dem Schlafenden in die Seite worauf dieser ein besonders tiefes Schnarchen von sich gab.
„ Ist ja schön das dich das freut.“ Fred packte ihn und hievte ihn sich auf den Rücken, machte einen Schritt und ließ ihn wieder auf die Straße schlagen.
„ Verdammt, ich bin hier doch nicht der Packesel. Danny kann dich abholen, der hat sowieso nichts zu tun, der kleine Faulenzer!“ und mit diesen Worten ging Fred die Straße wieder zurück in Richtung Marktplatz. Er würde eine andere Straße ausprobieren und vielleicht ja noch etwas brauchbareres als den hier finden. Als er so dahinging musste er an die dritte Lektion seines Vaters denken: Nimm alles was du kriegen kannst und gib nichts zurück. Fred hasste nur das „alles“ so ein großer Definitionsbereich war.
„ Und so verdammt viel Müll darin erhalten ist.“ fluchte er.